BBl 2024 3160
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Änderung des Strahlenschutzgesetzes (StSG)

Botschaft zur Änderung des Strahlenschutzgesetzes (StSG)
vom 27. November 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Strahlenschutzgesetzes.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
27. November 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Im Strahlenschutzgesetz fehlen Bestimmungen zur Präzisierung des Verursacherprinzips. Mit der Einführung von Kostenregelungen in verschiedenen Bereichen schliesst diese Vorlage die Lücken. Sie schafft zudem die erforderlichen Rechtsgrundlagen im Datenschutz und stärkt den risikobasierten Ansatz in der Aufsicht des Strahlenschutzes durch Anpassungen bei den Strafbestimmungen.
Ausgangslage
Das Verursacherprinzip besagt, dass die Kosten für notwendige Massnahmen von den Verursacherinnen und Verursachern zu tragen sind. Dieser bereits im Strahlenschutzgesetz festgelegte Grundsatz ist gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts mangels Bestimmtheit nicht direkt anwendbar und bedarf weiterer Präzisierung auf Gesetzesstufe. In einigen Bereichen im Strahlenschutzgesetz fehlen entsprechend präzise Bestimmungen, womit keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Kostenüberwälzung auf die Verursacherinnen und Verursacher und die Übernahme der Ausfallkosten durch den Bund besteht. Betroffen sind die Kostenregelungen der Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten, der Sanierungsmassnahmen bei Standorten oder Liegenschaften mit radioaktiven Kontaminationen, der Entsorgung von radioaktiven Abfällen und der Immissionsüberwachung in der Umgebung von Betrieben mit einer Bewilligung zur Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt.
Weiter wurde festgestellt, dass das Strahlenschutzgesetz die Behörden zur Verfolgung von Übertretungen verpflichtet, bei denen das radiologische Gefährdungspotenzial nur sehr gering ist. Im Gegenzug erscheint die geltende Bussenobergrenze für schwerwiegendere Übertretungen als zu tief. Dadurch entsteht ein Missverhältnis zwischen der Verfolgung leichter und gravierender Fälle, was sowohl dem strafprozessualen Beschleunigungsgebot als auch dem aufsichtsrechtlichen Grundsatz im Strahlenschutz, wonach sämtliche Massnahmen nach dem zugrunde liegenden Risiko abgestuft sein müssen, widerspricht.
Zudem kennt das Strahlenschutzgesetz noch keine Bestimmungen zur Bearbeitung und Bekanntgabe von Personendaten, inklusive den besonders schützenswerten Personendaten, da das Strahlenschutzgesetz vor dem Datenschutzgesetz in Kraft trat und noch nie revidiert wurde.
Inhalt der Vorlage
Mit der Vorlage werden Kostenregelungen im Strahlenschutzgesetz eingeführt, welche den Verursacherinnen und Verursachern die Tragung der Kosten für die von ihnen verursachten Massnahmen auferlegen.
Bei der Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten sieht die Vorlage vor, dass die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke die gesamten Kosten innerhalb eines bestimmten Umkreises um ein Schweizer Kernkraftwerk und die Hälfte der anfallenden Kosten in den Gebieten ausserhalb dieses Umkreises tragen. Der Bundesrat soll den Umkreis gestützt auf den Stand der Wissenschaft und Technik über den Schutz der Schilddrüse vor radioaktivem Jod, über die Abgabe des radioaktiven Jods in einem Ereignisfall sowie über dessen Ausbreitung in der Umwelt festlegen. Von den restlichen Kosten tragen gemäss Vorlage der Bund, die Kantone und die Gemeinden die Kosten, die sich aus ihren Aufgaben ergeben.
Bei der Kostentragung für Sanierungsmassnahmen bei Standorten oder Liegenschaften mit radioaktiven Kontaminationen (z.B. Radium-Altlasten) sind gemäss Vorlage primär die Verursacherinnen und Verursacher zahlungspflichtig, unter gewissen Voraussetzungen aber auch die aktuellen Eigentümerinnen und Eigentümer in Anlehnung an geltendes Recht aus der Umweltschutzgesetzgebung. Handelt es sich um Radioaktivität natürlicher Herkunft, tragen in jedem Fall die Eigentümerinnen und Eigentümer die Kosten für die Sanierungsmassnahmen. Die Festlegung der Strahlenexposition, bei deren Überschreitung eine Pflicht zur Sanierung durch die Eigentümerin oder den Eigentümer besteht, delegiert die Vorlage an den Bundesrat.
Das Strahlenschutzgesetz bezeichnet die Verursacherin und den Verursacher von radioaktiven Abfällen bereits heute als Trägerin und Träger der Entsorgungskosten, regelt jedoch nicht die Übernahme der Ausfallkosten, falls die Verursacherin oder der Verursacher nicht mehr ermittelt werden kann oder zahlungsunfähig ist. Die Vorlage legt fest, dass der Bund diese Ausfallkosten zu tragen hat. Zudem wird nicht nur die Verursacherin oder der Verursacher, sondern auch die Finderin oder der Finder einer radioaktiven Quelle verpflichtet, diese ordnungsgemäss zur Entsorgung abzugeben.
Letztlich regelt die Vorlage auch die Kostentragung für die Immissionsüberwachung. Verfügt ein Betrieb über eine Bewilligung zur Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt und erfordert die bewilligte Abgabemenge eine Überwachung der Immissionen in der Umgebung dieses Betriebs, dann soll dieser Betrieb die Kosten für diese Überwachung tragen.
Mit der Einführung einer Bagatellklausel im Kapitel der Strafbestimmungen entlastet die Vorlage die Strafverfolgungsbehörden in Übertretungsfällen mit einem sehr geringen radiologischen Gefährdungspotenzial von unverhältnismässigem Aufwand für Verfolgungen, da diesfalls von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden kann. Durch die Angleichung des Bussenrahmens für Übertretungen an vergleichbare Gesetze sowie durch eine Verlängerung der Verjährungsfrist schafft die Vorlage zusätzlich einen zeitgemässen Rahmen für die Verfolgung von gravierenderen Fällen.
Ein neues Kapitel über die Datenbearbeitung schafft auf formeller Gesetzesstufe die bislang fehlende Rechtsgrundlage zur Bearbeitung und Bekanntgabe von Personendaten, wo nötig auch für besonders schützenswerte Personendaten.
Botschaft

1 Ausgangslage

1.1 Handlungsbedarf und Ziele

Das Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 ¹ (StSG) bezweckt, Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlung zu schützen und ist seit dem 1. Oktober 1994 in Kraft. Die vorliegende Teilrevision hat zum Ziel, zwingend revisionsbedürftige Punkte im StSG in den Bereichen des Verursacherprinzips, der Strafbestimmungen und des Datenschutzes anzupassen. Zudem werden weitere Bestimmungen angepasst oder aufgehoben.
Die Grundzüge der Strahlenschutzreglementierung bleiben mit dieser Vorlage unverändert.

1.1.1 Präzisierung des Verursacherprinzips

Ausschlaggebend für diese Teilrevision waren das Urteil des Bundesgerichts vom 15. Oktober 2018 ² und der Bundesratsbeschluss vom 14. April 2021 ³ hinsichtlich der Kosten für die Versorgung der Bevölkerung der Schweiz mit Jodtabletten, die durch die Jodtabletten-Verteilungen gewährleistet wird. Das Verursacherprinzip als allgemeine Bestimmung im Strahlenschutz hält fest, dass wer Massnahmen nach diesem Gesetz verursacht, die Kosten dafür trägt (vgl. Art. 4 StSG). In seinem Urteil vom 15. Oktober 2018 hielt das Bundesgericht fest, dass das Verursacherprinzip gemäss Artikel 4 StSG für eine direkte Anwendung zu wenig bestimmt ist.
Neben den Jodtabletten-Verteilungen soll das Verursacherprinzip auch hinsichtlich der Sanierungsmassnahmen bei radiologischen Altlasten, der Entsorgung von radioaktiven Abfällen und der Immissionsüberwachung präzisiert werden.
Jodtabletten-Verteilungen
Jodtabletten werden auf behördliche Anordnung bei einem schweren Unfall in einem Kernkraftwerk mit Austritt einer gefährlichen Menge radioaktiven Jods eingesetzt. Durch die rechtzeitige Einnahme der Jodtablette wird verhindert, dass sich radioaktives Jod, welches sich über die Luft ausbreitet, in der Schilddrüse anreichert und Schilddrüsenkrebs entstehen kann. Die rechtzeitige Einnahme bedingt, dass die Jodtabletten im Ereignisfall für jene Personen verfügbar sind, die sich regelmässig in der Umgebung der Kernkraftwerke aufhalten oder dort wohnen.
Jodtabletten wurden 1991/1992 erstmals an die Bevölkerung verteilt. Im Jahr 2004 wurden die Jodtabletten in einem Umkreis von 20 Kilometern um die Schweizer Kernkraftwerke vorsorglich an die Haushalte, Betriebe, Schulen, Verwaltungen und weitere öffentliche und private Einrichtungen verteilt; ausserhalb des Umkreises von 20 Kilometern wurden sie in den Kantonen dezentral gelagert. Die Betreibergesellschaften der Schweizer Kernkraftwerke übernahmen die gesamten anfallenden Kosten innerhalb des 20-Kilometer-Umkreises und die Hälfte der anfallenden Kosten ausserhalb dieses Umkreises. Die Jodtabletten-Verordnung vom 22. Januar 2014 ⁴ , welche sich auf das StSG stützt, wurde 2014 aufgrund des Kernkraftwerkunfalls in Fukushima revidiert. Der Umkreis um die Kernkraftwerke, in dem deren Betreiberinnen und Betreiber die gesamten für die Beschaffung und Verteilung der Jodtabletten anfallenden Kosten tragen müssen, wurde dabei in der Jodtabletten-Verordnung auf 50 Kilometer ausgeweitet. Gegen diese Kostentragungsregelung legten die Betreibergesellschaften Beschwerde beim Bundesgericht ein.
Das Bundesgericht hiess diese Beschwerde in seinem Urteil vom 15. Oktober 2018 gut und hielt fest, dass eine ausreichende formellgesetzliche Grundlage für die Überwälzung der Kosten auf die Betreiberinnen und Betreiber von Kernkraftwerken für die Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten fehle. Es kam zum Schluss, dass es sich bei der Kostenüberwälzung um eine öffentliche Abgabe handle, für deren Erhebung grundsätzlich eine Grundlage in einem formellen Gesetz erforderlich ist. Die entsprechende Bestimmung in Artikel 10 der Jodtabletten-Verordnung, die eine solche Überwälzung vorsieht, könne sich nicht allein auf Artikel 4 StSG stützen. Das im StSG verankerte Verursacherprinzip sei für eine direkte Anwendung zu wenig bestimmt. Auch Artikel 83 des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 ⁵ (KEG), Artikel 46 a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 ⁶ und Artikel 4 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 13. Juni 2008 ⁷ würden für eine entsprechende Kostenüberwälzung keine genügende gesetzliche Grundlage bilden.
Weiter hielt das Bundesgericht fest, dass die vorsorgliche Beschaffung und Verteilung, die Kontrollen, der Ersatz und die Entsorgung der Jodtabletten nach deren Verfall sowie die Information der Bevölkerung und der Fachleute präventive Massnahmen sind, die der Begrenzung eines Schadens bei der Bevölkerung dienen. Die staatliche vorsorgliche Beschaffung und Verteilung, Kontrolle sowie Ersatz und Entsorgung der Jodtabletten können sich sowohl auf Artikel 5 Absatz 2 i.V.m. Absatz 4 KEG als auch auf die Artikel 17-22 StSG abstützen. Bei der Abwälzung auf die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke handle es sich indessen um die Übertragung von staatlichen Kosten für Notfallmassnahmen auf Private. Für eine solche Überwälzung der Kosten fehle zurzeit eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
In der Zwischenzeit konnte die Finanzierung der Jodtabletten-Verteilkampagnen 2014 und 2024 (jeweils für Gebiete innerhalb des 50-Kilometer-Umkreises) sowie 2020 (für Gebiete ausserhalb des 50-Kilometer-Umkreises) durch eine Vereinbarung mit den Betreiberinnen und Betreibern der Kernkraftwerke, welche mit dem Bundesratsbeschluss vom 14. April 2021 genehmigt wurde, sichergestellt werden. Gleichzeitig beauftragte der Bundesrat das zuständige Departement, bis Ende 2022 dem Bundesrat eine Vernehmlassungsvorlage für die notwendigen Änderungen der gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich der Kostenübernahme durch die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke für die vorsorgliche Jodtablettenversorgung ab 2030 ⁸ zu unterbreiten. Mit dieser Vorlage kommt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) diesem Auftrag nach.
Sanierungsmassnahmen bei radiologischen Altlasten
In der Schweiz wurden bis in die 1960er-Jahre Zifferblätter von Uhren mit radiumhaltigen Leuchtfarben bemalt, um die Zifferblätter bei Dunkelheit erkennbar zu machen. Der Umgang mit der radioaktiven Leuchtfarbe in Leuchtfarbensetzereien und Heimarbeitslokalen führte zur Kontamination von Liegenschaften und Deponien mit radioaktivem Material. Im Rahmen des vom Bundesrat verabschiedeten Aktionsplans Radium 2015-2023 wurden Liegenschaften identifiziert, die durch die frühere Verwendung von radiumhaltiger Leuchtfarbe kontaminiert wurden und bei denen somit Sanierungsbedarf besteht. Zur Klärung der Zuständigkeiten und der Kostentragung für die Sanierungsmassnahmen gab das BAG vor Beginn des Aktionsplans ein Rechtsgutachten in Auftrag. ⁹ Gemäss diesem Gutachten kommt mit der aktuellen Rechtsgrundlage eine Kostenüberwälzung weder auf die Verursacherinnen und Verursacher der Kontaminationen noch auf die heutigen Eigentümerinnen und Eigentümer in Frage. Die Verursacherinnen und Verursacher könnten ohnehin nur in sehr seltenen Fällen noch ermittelt werden. Folglich trug fast ausschliesslich der Bund die Kosten für die Sanierungsmassnahmen im Rahmen des Aktionsplans Radium. 1⁰ Mit dieser Vorlage soll eine an die Umweltschutzgesetzgebung angelehnte Kostenregelung im StSG aufgenommen werden, die sowohl die Verursacherinnen und Verursacher als auch - unter bestimmten Voraussetzungen - die heutigen Eigentümerinnen und Eigentümer in die Kostenpflicht nimmt.
Entsorgung von radioaktiven Abfällen
Hinsichtlich der radioaktiven Abfälle, die nicht als Folge der Nutzung von Kernenergie entstehen, präzisiert der bestehende Artikel 27 StSG bereits, dass die Verursacherin oder der Verursacher diese Abfälle an eine von der zuständigen Behörde bezeichneten Stelle abzuliefern hat und für die Kosten der Entsorgung aufkommen muss. Es fehlt jedoch eine Regelung hinsichtlich der Kostentragung für Fälle, in denen die Verursacherin oder der Verursacher nicht mehr ermittelt werden kann oder zahlungsunfähig ist und somit der Bund für die Ausfallkosten aufkommt.
Damit zudem der heutigen Praxis Rechnung getragen werden kann, besteht zusätzlicher Handlungsbedarf für die korrekte Abgabe von radioaktiven Abfällen an eine von der zuständigen Behörde bezeichneten Stelle durch deren Finder. Eine Regelung dafür soll geschaffen werden.
Immissionsüberwachung
In der Schweiz werden die ionisierende Strahlung und die Radioaktivität in der Umwelt seit 1956 überwacht. Das BAG erstellt in Zusammenarbeit mit dem eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI), der Suva, der Nationalen Alarmzentrale (NAZ) und den Kantonen das nationale Probenahme- und Messprogramm und koordiniert dessen Umsetzung. Das BAG betreibt zusätzlich das automatische Messnetz URAnet zur kontinuierlichen Überwachung der Radioaktivität in der Luft und in Fliessgewässern. Auf der Basis der Messwerte ermittelt das BAG die Strahlenexposition der Bevölkerung und veröffentlicht die Resultate in einem jährlichen Bericht «Umweltradioaktivität und Strahlendosen in der Schweiz».
In der Umgebung von Betrieben mit einer Bewilligung zur Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt wird im Rahmen des Überwachungsprogramms eine gezielte Immissionsüberwachung durchgeführt, sofern aufgrund der Abgabe eine Notwendigkeit für diese Überwachung besteht. Aktuell betrifft dies die Umgebung der Kernanlagen und der Betriebe der Tritium verarbeitenden Industrie. 1¹ An dieser gezielten Immissionsüberwachung in ihrer Umgebung haben sich bislang nur die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke freiwillig finanziell beteiligt.
Auf formeller Gesetzesstufe fehlt eine Regelung in Bezug auf die finanzielle Beteiligung der betroffenen Betriebe an dieser Überwachung. Auf Verordnungsstufe ist geregelt, dass Betriebe, bei denen eine erhebliche Freisetzung von Radioaktivität nicht ausgeschlossen werden kann, die Kosten für die Anschaffung und für den Betrieb derjenigen Messstationen des automatischen Messnetzes tragen, die der Überwachung der Radioaktivität in ihrer Umgebung dienen (Art. 192 Abs. 3 der Strahlenschutzverordnung vom 26. April 2017 ¹2 [StSV]). Diese Regelung in der StSV ist auf eine finanzielle Beteiligung der Kernkraftwerke an URAnet zugeschnitten. Mit dieser Vorlage soll die formellgesetzliche Grundlage zur Übernahme der Kosten für die notwendigen Massnahmen zur Immissionsüberwachung durch Betriebe mit einer Bewilligung zur Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt geschaffen werden.
² Entscheid des Bundesgerichts in der Sache 2C_888/2016 (BGE 144 II 454).
³ Bundesratsbeschluss vom 14. April 2021 «Sicherstellung der Finanzierung der Jod-Verteilkampagnen 2020-2024».
⁴ SR 814.52
⁵ SR 732.1
⁶ SR 172.010
⁷ SR 732.44
⁸ Zum Zeitpunkt des Bundesratsbeschlusses war die erste Kampagne nach 2024 für 2030 vorgesehen. Diese Kampagne wird aber voraussichtlich bereits 2029 gestartet.
⁹ Romy, I., 2015: Avis de droit à l’attention de l’Office fédéral de la Santé publique sur les héritages radiologiques. Abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Strategie & Politik > Politische Aufträge & Aktionspläne > Aktionsplan Radium 2015-2023.
1⁰ Siehe auch Interpellation Munz vom 20. September 2022 (22.3936 Radioaktive Farben. Gilt das Verursacherprinzip nicht für die Uhrenindustrie). Abrufbar unter:
www.parlament.ch > 22.3936 > Stellungnahme des Bundesrates vom 9. November 2022.
1¹ Das CERN führt in seiner Umgebung ein Überwachungsprogramm gemäss einer Vereinbarung zwischen dem CERN, den französischen Behörden und den Schweizer Behörden durch. Im Rahmen des Überwachungsprogramms des BAGs werden diese Messungen stichprobenweise überprüft.
¹2 SR 814.501

1.1.2 Strafbestimmungen

Verbrechen und Vergehen nach Artikel 43 und 43 a StSG werden von der Bundesanwaltschaft verfolgt. Übertretungen nach Artikel 44 StSG werden hingegen von den Bewilligungs- und Aufsichtsbehörden im Strahlenschutz verfolgt, d.h. vom BAG (Art. 11 Abs. 1 und Art. 184 Abs. 2 StSV) und vom ENSI (Art. 11 Abs. 2 und Art. 184 Abs. 3 StSV), sowie vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) als zuständige Aufsichtsbehörde für die Überwachung des beruflich strahlenexponierten Flugpersonals (Art. 197 StSV).
Artikel 44 StSG verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden für Übertretungen zur Verfolgung von Fällen, bei denen das radiologische Gefährdungspotenzial sehr gering ist. Beispiele dafür sind zu spät durchgeführte Wartungs- und Zustandsprüfungen von Kleinröntgenanlagen in Zahnarztpraxen, in Kehrichtverbrennungsanlagen falsch entsorgte Uhren mit radiumhaltiger Leuchtfarbe oder zu spät eingereichte Gesuche für die Verlängerung von Bewilligungen für die Entsendung von beruflich strahlenexponiertem Eigenpersonal in andere Kernanlagen. Durch die Verfolgung solcher Fälle werden unverhältnismässig Ressourcen gebunden.
Demgegenüber stehen die gravierenderen Fälle, beispielsweise die vorschriftswidrige Entsorgung Dutzender Rauchmelder, in denen radioaktive Stoffe (Americium-241) verwendet werden, die zuständigkeitshalber an die Bundesanwaltschaft gelangen (vgl. Art. 43 und 43 a StSG). In solchen Fällen beschliesst die Bundesanwaltschaft häufig eine Nichtanhandnahme, weil sie die Voraussetzungen des (strengeren) Straftatbestands in ihrem Zuständigkeitsbereich als nicht erfüllt sieht. Für eine Weiterverfolgung dieser Fälle als Übertretungen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 1974 ¹3 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) bleibt dann meistens nur noch wenig Zeit, bis die Verjährung eintritt.
Dieses Missverhältnis zwischen der Verfolgung von leichten und gravierenderen Fällen sowie die in diesem Zusammenhang entstehenden Verzögerungen widersprechen sowohl dem im Strafverfahrensrecht als Grundsatz verankerten Beschleunigungsgebot als auch dem in Artikel 8 StSV verankerten Prinzip der nach Risiko abgestuften Vorgehensweise. Diese Missstände sollen mit der vorliegenden Revision behoben werden.
¹3 SR 313.0

1.1.3 Datenschutz

Nach dem Datenschutzgesetz vom 25. Dezember 2020 ¹4 (DSG) dürfen Organe des Bundes Personendaten bearbeiten, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht (Art. 34 Abs. 1 DSG). Besonders schützenswerte Personendaten dürfen sie grundsätzlich nur bearbeiten, wenn ein Gesetz im formellen Sinn es ausdrücklich vorsieht (Art. 34 Abs. 2 DSG).
Die Bewilligungs-, Aufsichts- und Vollzugsbehörden bearbeiten im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeiten in diversen Bereichen des Strahlenschutzes Personendaten, u.a. auch besonders schützenswerte Personendaten im Sinne des DSG. Darüber hinaus führt das BAG eine Reihe von Datenbanken, von Registern oder Inventaren, welche auf Verordnungsstufe geregelt sind und in denen Personendaten, jedoch keine besonders schützenwerten Personendaten, bearbeitet werden. ¹5
Das StSG verfügt zurzeit über keinerlei Datenschutzbestimmungen. Im Zuge dieser Revision soll dieser Mangel behoben und die notwendigen gesetzlichen Grundlagen auf Gesetzesstufe und bereits unter Berücksichtigung des kürzlich revidierten und in Kraft getretenen DSG geschaffen werden.
¹4 SR 235.1
¹5 Die erwähnten besonders schützenswerten Personendaten werden in den elektronischen Geschäftsverwaltungssystemen des Bundes hinterlegt.

1.1.4 Weitere Änderungen

Zusätzlich zu den Anpassungen in den obigen drei Bereichen werden mit der Vorlage drei Bestimmungen und eine Sachüberschrift aktualisiert, begriffliche Anpassungen in der italienischen Fassung vorgenommen sowie die Abkürzungen KEG für das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 und VStrR für das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht eingeführt. Diese Anpassungen haben keine materiellen Konsequenzen.
¹ SR 814.50

1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Mit dieser Vorlage wird eine Kostenumwälzung auf die Verursacher entsprechend dem als Grundsatz in Artikel 4 StSG verankerten Verursacherprinzip, einem international anerkannten Prinzip aus dem Bereich des Umweltschutzes, angestrebt. Eine vollständige Kostenübernahme durch den Bund, wie dies etwa weitestgehend bei den Sanierungsmassnahmen im Rahmen des Aktionsplans Radium der Fall war, widerspricht diesem Grundsatz. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zur Kostentragung der Jodtabletten-Verteilungen ist Artikel 4 StSG für eine direkte Anwendung jedoch zu wenig bestimmt und muss auf Gesetzesstufe weiter präzisiert werden, damit eine Kostenumwälzung auf die Verursacherinnen und Verursacher möglich ist. ¹6 Dies dürfte analog auch für Sanierungsmassnahmen bei radiologischen Altlasten und der Immissionsüberwachung gelten. Bei der Entsorgung von radioaktiven Abfällen wäre ohne die Gesetzesrevision entsprechend keine ausreichende rechtliche Grundlage zur Kostenübernahme durch den Bund vorhanden, falls die Verursacherinnen oder Verursacher nicht mehr ermittelt werden können oder zahlungsunfähig sind.
Die Finanzierung der Jodtabletten-Verteilungen 2014, 2020 und 2024 konnte durch die mit dem Bundesratsbeschluss vom 14. April 2021 ¹7 genehmigte Vereinbarung geregelt werden. Diese Vereinbarung bietet aber keine Regelungsgrundlage für nachfolgende Jodtabletten-Verteilungen. Die Jodtabletten-Verteilungen tangieren neben dem StSG auch die Regelungsbereiche des KEG und des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes vom 20. Dezember 2019 ¹8 , weshalb verschiedene Kombinationen in diesen Gesetzen zur Regelung der Kostentragung für die Jodtabletten-Verteilungen geprüft wurden. Die Festlegung der Zuständigkeiten bei der Vorbereitung von Notfallschutzmassnahmen sowie die Kostenbeteiligung des Gemeinwesens fügen sich materiell am besten in das StSG ein, während die Kostenumwälzung auf Schweizer Kernkraftwerke im KEG als Spezialgesetz gegenüber dem StSG angesiedelt werden muss.
Bei den Strafbestimmungen wurden die bestehenden Möglichkeiten des Strafgesetzbuchs ¹9 (StGB) vertieft geprüft (z.B. Art. 52 StGB), um einen besseren Rahmen für die Verfolgung von Widerhandlungen gegen Artikel 44 StSG zu schaffen. Die Bestimmungen des StGB bieten jedoch keine genügende Grundlage, um den Aufwand für die Verfahren bei Übertretungen mit sehr geringem radiologischen Gefährdungspotenzial entscheidend zu verringern.
In allen betroffenen Bereichen trägt die vorliegende Lösung dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung und entspricht dem Gesetzgebungsauftrag des Bundesrates.
¹6 Entscheid des Bundesgerichts in der Sache 2C_888/2016 (BGE 144 II 454).
¹7 Bundesratsbeschluss vom 14. April 2021 «Sicherstellung der Finanzierung der Jod-Verteilkampagnen 2020-2024».
¹8 SR 520.1
¹9 SR 311.0

1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 24. Januar 2024 2⁰ zur Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt.
2⁰ BBl 2024 525 , 113

2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Allgemeines
Zur Erfüllung des Auftrags des Bundesrates vom 14. April 2021 wurde ein Vorentwurf zur Änderung des StSG (VE-StSG) ausgearbeitet, der neben der vom Bundesrat geforderten gesetzlichen Grundlage für die Kostenregelung der Jodtabletten-Verteilungen auch in den übrigen Bereichen mit Handlungsbedarf die dringend benötigten gesetzlichen Anpassungen vorsieht. Da diese Anpassungen keine wesentlichen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben, wurde unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Quick-Checks auf eine Regulierungsfolgeabschätzung verzichtet. Die Auswirkungen auf die betroffenen Stellen und Organisationen werden in Kapitel 6 erläutert.
Der Bundesrat hat vom 10. März bis 19. Juni 2023 eine Vernehmlassung zum VE-StSG, welcher auch eine Fremdänderung im KEG vorsieht, durchgeführt. Insgesamt gingen 46 Rückmeldungen ein, wobei 4 Stellen explizit auf eine Stellungnahme verzichtet haben. Stellung nahmen 24 Kantone, 3 in der Bundesversammlung vertretene Parteien, 2 gesamtschweizerische Dachverbände der Wirtschaft und 13 weitere interessierte Organisationen und Verbände.
Zusammenfassung der Ergebnisse der Vernehmlassung
Die Vernehmlassungsvorlage wurde grundsätzlich sehr positiv aufgenommen 2¹ . Am meisten Rückmeldungen gingen zum Thema der Kostenregelung für die Jodtabletten-Verteilungen ein. Diese wurde von den meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, vor allem aber auch von den allermeisten Kantonen, begrüsst. Diverse Kantone betonen, dass für sie und die Gemeinden keine zusätzlichen Kosten entstehen sollen bzw. sich für sie nichts an der aktuellen Kostenübernahme ändern soll. Diesem Anliegen wird Rechnung getragen, wenn das aktuelle Verteilkonzept beibehalten wird und der Bundesrat den Umkreis in Artikel 83 a Absatz 2 KEG der Vernehmlassungsvorlage auf 50 Kilometer festlegt.
Swissnuclear und das Nuklearforum Schweiz bemängeln, dass die Zweckmässigkeit der Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten und die Gefährdung der Bevölkerung im Ereignisfall bei der Festlegung dieses Umkreises nicht berücksichtigt werden. Bei Szenarien, welche die Ausdehnung einer Verteilzone auf 50 Kilometer rechtfertigen würden, bietet nach Ansicht dieser Teilnehmer eine zentrale Lagerung und Verteilung durch eine zentrale Stelle mehr Schutz und der Zugriff darauf im Ereignisfall sei besser sichergestellt. Sie fordern eine Rückkehr zum Verteilkonzept vor der Revision der Jodtabletten-Verordnung von 2014, als der Umkreis noch 20 Kilometer betrug.
Auf der anderen Seite lehnt eine Minderheit die Kostenregelung ab, weil sie eine vollständige Kostenübernahme durch die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke in der ganzen Schweiz und überwiegend auch eine flächendeckende Vorverteilung der Jodtabletten fordern.
Die divergierenden Anliegen dieser beiden Minderheiten sind nicht mit dem aktuellen Verteilkonzept für die Jodtabletten vereinbar. In Kapitel 5.2 wird die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Jodtabletten-Verteilungen in den Gebieten ausserhalb des 50-Kilometer-Umkreises gerechtfertigt durch die Berücksichtigung von extremen Unfallszenarien für ausländische Kernkraftwerke oder anderen nuklearen Ereignissen. Die Vernehmlassungsvorlage legt die Bedingung fest, dass die Vorbereitung der Notfallschutzmassnahmen so zu erfolgen hat, dass die erforderlichen Heilmittel rechtzeitig zum Schutz der Bevölkerung verfügbar sind. Welche Unfallszenarien für inländische und ausländische Ereignisse beigezogen werden, um zu bestimmen, welche Notfallschutzmassnahmen vorbereitet werden sollen, wird in den Ausführungsbestimmungen oder den zugehörigen Erläuterungen genauer beschrieben. Diese Bedingung bekräftigt, dass die aus dem Ereignisfall resultierende Gefährdung der Bevölkerung abgeschätzt wird, um zu ermitteln, in welchen Regionen in welcher Art die Heilmittel erforderlich sind.
Betreffend die Kostenregelung für Sanierungsmassnahmen bei radiologischen Altlasten machen die Kantone Zürich und Freiburg darauf aufmerksam, dass auch die Kosten für die Untersuchung auf Radioaktivität natürlicher Herkunft in jedem Fall von den Eigentümerinnen und Eigentümern getragen werden sollen, unabhängig davon, ob aufgrund des Resultats der Untersuchung eine Sanierung durchgeführt werden muss oder nicht. Die Formulierung im VE-StSG beschreibe diese Kostenübernahme nicht klar genug. Der mit der Botschaft vorgelegte Entwurf (E-StSG) verwendet nun eine Formulierung, die verdeutlicht, dass die Kosten für die Untersuchung auf Radioaktivität natürlicher Herkunft zwingend von den Eigentümerinnen und Eigentümern getragen werden.
Der Hauseigentümerverband lehnt die Kostenregelung für Sanierungsmassnahmen bei radiologischen Altlasten explizit ab, da seiner Ansicht nach im Falle von Radioaktivität natürlicher Herkunft die Regelung in der StSV ausreichend ist und im Falle von Radioaktivität nicht natürlicher Herkunft, entgegen der Kostenregelung der Vernehmlassungsvorlage, nur der Bund als Kostenträger in Frage kommen soll. Dieser Vorschlag ist jedoch nicht mit dem Verursacherprinzip vereinbar. Zudem ist die Verordnungsstufe für solche Kostenregelungen nicht ausreichend.
Weiter kritisiert der Kanton Waadt, dass weder im VE-StSG noch in der StSV die Kriterien für die Festlegung der Dauer der Datenaufbewahrung beschrieben sind. Nach vertiefter Prüfung, und unter Berücksichtigung des kürzlich revidierten DSG, wurde Artikel 46 a im E-StSG mit einer Bestimmung über die Datenaufbewahrung ergänzt, in der die Festlegung der Dauer der Datenaufbewahrung an den Bundesrat delegiert wird.
Abklärung betreffend Just Culture
Im Dezember 2022 verabschiedete der Bundesrat den Bericht 2² über die Verankerung der Just Culture ²3 im Schweizer Recht. Die Stärkung der Just Culture ist vor allem im Aufsichtsbereich des ENSI, aber auch in Teilen des Aufsichtsbereichs des BAG, unter anderem im medizinischen Bereich, ein wichtiges Anliegen. Die im Bericht beschriebenen Lösungsansätze zur Stärkung der Just Culture , wie etwa die Abschaffung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit oder die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Meldestelle ähnlich wie im Bereich der Aviatik, wurden parallel zur Vernehmlassung geprüft. Mit der Einführung der Bagatellklausel für Übertretungen stärkt die Vorlage bereits die Just Culture in der Praxis. Aufgrund der Heterogenität unter den und innerhalb der Aufsichtsbereiche führt diese Vorlage vorerst noch keine weitreichendere Lösung zur gesetzlichen Verankerung der Just Culture ein.
2¹ www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2023 > EDI
2² Bericht des Bundesrats vom 9. Dezember 2022 «Fehlerkultur: Möglichkeiten und Grenzen ihrer rechtlichen Verankerung» in Erfüllung des Postulats 20.3463 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 25. Mai 2020, abrufbar unter:
www.parlament.ch > 20.3463 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses
.
²3 Unter Just Culture versteht man eine Kultur des Vertrauens, bei der Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sicherheitsrelevantes Fehlverhalten zu melden, ohne dass sie negative Konsequenzen wie etwa eine Strafverfolgung zu befürchten haben. Durch die Kenntnis des Fehlverhaltens kann die Sicherheit im Betrieb gestärkt werden. Dieser Nutzen wird bei der Just Culture höher gewichtet als die individuelle Sanktionierung.

3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1 Verursacherprinzip

Die Erklärung der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung von 1992 ²4 (Rio-Deklaration) nennt das Verursacherprinzip als einer von 27 Grundsätzen für die künftige nachhaltige Entwicklung. Im europäischen Rechtssystem gehört das Verursacherprinzip zu den wichtigsten Grundsätzen und bildet die Grundlage der Umweltpolitik. ²5 Die Anwendung des Prinzips bedeutet, dass die Verursacherinnen und Verursacher von Schäden in der Umwelt die entsprechenden Kosten tragen. Wie in der Schweiz umfasst das Verursacherprinzip die Kostentragung für Massnahmen zur Verhütung, Verminderung und Beseitigung von Verschmutzung sowie die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten. ²6 Ist die Verursacherin oder der Verursacher insolvent oder nicht ermittelbar, werden auch in der EU öffentliche Mittel zur Deckung der Kosten aufgewendet. Die Präzisierungen des Verursacherprinzips in dieser Vorlage hinsichtlich der Kostentragung für die Jodtabletten-Verteilungen, die Sanierungsmassnahmen bei radiologischen Altlasten, die Entsorgung radioaktiver Abfälle ²7 und die Immissionsüberwachung bei bewilligten Abgaben sind damit mit den Grundsätzen des europäischen Rechts vereinbar.
Grosse länderspezifische Unterschiede bestehen jedoch insbesondere bei den Jodtabletten-Verteilungen. Diese Unterschiede ergeben sich aus den verschiedenen Faktoren, die bei der Vorbereitung von Notfallschutzmassnahmen für einen Unfall in einem Kernkraftwerk mit Freisetzung von radioaktivem Jod berücksichtigt werden müssen, wie etwa die Eigenschaften des Reaktors, die Sicherheitsstandards oder die vorherrschenden meteorologischen Bedingungen. Weiter müssen auch die Bevölkerungsdichte, die Infrastruktur und die Nutzung der betroffenen Gebiete bei der Planung von Notfallschutzmassnahmen miteinbezogen werden. Letztlich gibt es noch kleinere Unterschiede zwischen den Ländern betreffend die Schilddrüsendosis, ab welcher die Jodtabletten eingenommen werden sollen, und für welche Bevölkerungsgruppe diese Einnahme empfohlen ist.
In Kapitel 5.2 wird in den Grundzügen beschrieben, wie der Umkreis von 50 Kilometern im Rahmen der Revision der Jodtabletten-Verordnung hergeleitet wurde. In vielen Ländern mit Kernkraftwerken werden die Jodtabletten in einem Umkreis von 10 bis 20 Kilometern vorverteilt oder zumindest auf lokaler Stufe eingelagert. Die Zusammenstellungen von Jourdain et al. ²8 und aktualisierte Angaben der Heads of the European Radiological Protection Competent Authorities (HERCA) ²9 geben eine Übersicht über die Jodtabletten-Verteilungen in Europa, Japan und den USA.
Das Verursacherprinzip wird hinsichtlich der Kostentragung der Jodtabletten-Verteilungen unterschiedlich angewendet. In Frankreich übernehmen die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke (in diesem Fall Staatsbetriebe) die gesamten Kosten für die Jodtabletten-Verteilungen innerhalb eines Umkreises, der in der Folge des Reaktorunfalls in Fukushima von 10 Kilometer auf 20 Kilometer ausgeweitet wurde. In Deutschland beschafft beispielsweise der Bund die Jodtabletten, die Bundesländer lagern diese dezentral - abgesehen von einer einmaligen Beteiligung im Jahr 2004 haben die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke keine Kosten für die Jodtabletten getragen.
²4 Abrufbar unter: www.un.org/depts/german/conf/agenda21/rio.pdf
.
²5 vgl. Artikel 191 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, abrufbar unter:
https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/treaty-on-the-functioning-of-the-european-union.html
.
²6 Vgl. Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs 12 2021 «Das Verursacherprinzip: uneinheitliche Anwendung im Rahmen der umweltpolitischen Strategien und Massnahmen der EU», abrufbar unter:
https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR21_12/ SR_polluter_pays_principle_DE.pdf
.
²7 Betreffend die radioaktiven Abfälle siehe auch Richtlinien der EU über die Kostentragung zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Gemäss Artikel 4 Ziffer 3 Buchstabe e der Richtlinie 2011/70 Euratom des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle werden die Kosten der Entsorgung radioaktiver Abfälle von denjenigen getragen, die dieses Material erzeugt haben.
²8 Jourdain, J. R.; Herviou, K.; Bertrand, R.; Clemente, M.; Petry, A., 2010: Medical effectiveness of iodine prophylaxis in a nuclear reactor emergency situation and overview of european practices, Radiation Protection No 165, Report prepared for the European Commission.
²9 HERCA, 2023: Country Fact Sheets about National Emergency Preparedness and Response.

3.2 Datenschutz

Die Datenschutzbestimmungen dieser Vorlage wurden unter Berücksichtigung des am 1. September 2023 in Kraft getretenen DSG erarbeitet, welches sich den Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/679 3⁰ annäherte und die Anforderungen der Richtlinie (EU) 2016/680 3¹ übernahm. 3²
3⁰ Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung von Richtlinie 95/46/EC (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119 vom 4. Mai 2016.
3¹ Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016.
3² Vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 15. September 2017, BBl 2017 6941 .

4 Grundzüge der Vorlage

4.1 Verursacherprinzip

Jodtabletten-Verteilungen
Die Vorlage hält fest, dass zur Vorbereitung auf einen Notfall Massnahmen getroffen werden müssen, um die Bevölkerung im Ereignisfall vor Radioaktivität zu schützen, insbesondere ist die vorsorgliche und rechtzeitige Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten sicherzustellen. Die Festlegung der Aufgabenteilung für diese Notfallschutzmassnahmen zwischen Bund, Kantone und Gemeinden delegiert die Vorlage an den Bundesrat (Art. 22 Abs. 1 E-StSG). Im Sinne des Verursacherprinzips sollen die Kosten für die Versorgung in einem bestimmten Umkreis rund um die Kernkraftwerke gänzlich und in den Gebieten ausserhalb dieses Umkreises zur Hälfte von Letzteren (bzw. deren Betreibergesellschaften) getragen werden. Damit werden staatliche Kosten für Notfallschutzmassnahmen auf Private übertragen. Die entsprechende formellgesetzliche Grundlage passt thematisch in das Kapitel 8 des KEG, wo bereits andere Abgaben geregelt sind (Art. 83 a KEG der Vorlage). Der Bundesrat bestimmt den Umkreis gestützt auf den Stand der Wissenschaft und Technik über den Schutz der Schilddrüse vor radioaktivem Jod, die Abgabe des radioaktiven Jods in einem Ereignisfall sowie dessen Ausbreitung in der Umwelt. Aktuell wäre dieser Umkreis auf 50 Kilometer bestimmt, kompatibel mit der bestehenden Bestimmung in der Jodtabletten-Verordnung. Bund, Kantone und Gemeinden tragen die Kosten, die sich aus ihren Aufgaben ergeben und die nicht den Betreiberinnen und Betreibern der Kernkraftwerke auferlegt werden können (Art. 22 Abs. 1bis E-StSG). Die Kantone tragen zurzeit die Kosten für die Verteilung, Lagerung und Abgabe der Jodtabletten, und der Bund trägt die übrigen Kosten.
Sanierungsmassnahmen bei radiologischen Altlasten
Mit dem geltenden Artikel 24 StSG besteht bereits eine Bestimmung, die dem Bundesrat die Regelungskompetenz überträgt, bei andauernd erhöhter Umweltradioaktivität natürlicher oder anderer Herkunft Anordnungen zur Begrenzung der Strahlenexposition zu treffen. Dieser Artikel ist gemäss Botschaft vom 17. Februar 1988 3³ zum StSG vor allem auf das Radon-Problem zugeschnitten. Weiter bezeichnet diese Botschaft radiumhaltige Leuchtfarbe als Umweltradioaktivität anderer Herkunft, womit sich auch Regelungen zu Radium oder mit anderen Radionukliden kontaminierten Liegenschaften unter diesem Artikel einordnen lassen. Die Vorlage ergänzt Artikel 24 StSG mit einer Bestimmung über die Sanierungspflicht der Eigentümerin oder des Eigentümers sowie der Delegation der Festlegung, ab welcher Strahlenexposition Sanierungsbedarf besteht, an den Bundesrat. Die Kostentragung für Massnahmen bei andauernd erhöhter Umweltradioaktivität regelt die Vorlage in einem neuen Artikel 24 a E-StSG.
Diese Kostentragung sieht vor, dass die Eigentümerinnen und Eigentümer die Kosten für Sanierungsmassnahmen tragen, falls die Radioaktivität natürlichen Ursprungs ist. Handelt es sich um Radioaktivität nicht natürlichen Ursprungs, dann tragen grundsätzlich die Verursacherinnen und Verursacher die Kosten für Sanierungsmassnahmen. Unter gewissen Voraussetzungen sind auch aktuelle Eigentümerinnen und Eigentümer kostenpflichtig, weil sie als Nutzerinnen und Nutzer einer Sache auch für deren Nachteile einzustehen haben. Konnten die aktuellen Eigentümerinnen und Eigentümer aber unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt von der Kontamination keine Kenntnis haben, tragen sie keine Kosten. Diese Regelung entspricht geltendem Recht im Bereich der Sanierung von Altlasten gemäss dem Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 ³4 (USG).
Die Vorlage sieht vor, dass bei Sanierungsmassnahmen für Standorte und Liegenschaften der Bund die Kosten trägt, wenn die Verursacherin oder der Verursacher nicht mehr ermittelbar oder zahlungsunfähig ist.
Entsorgung von radioaktiven Abfällen
Im geltenden Artikel 27 StSG ist bereits geregelt, dass die Verursacherin oder der Verursacher die Kosten für die Entsorgung von radioaktiven Abfällen zu tragen hat. Artikel 27 E-StSG schafft neu die Grundlage dafür, dass bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle der Bund die Kosten der Verursacherin oder des Verursachers trägt, wenn diese oder dieser nicht mehr ermittelbar oder zahlungsunfähig ist.
Artikel 27 StSG wird zusätzlich dahingehend ergänzt, dass für die Finderin oder den Finder von radioaktiven Abfällen eine Pflicht zur Abgabe der Abfälle an die richtige Stelle eingeführt wird. Ist die Finderin oder der Finder nicht die Verursacherin bzw. der Verursacher des Abfalls, so ist sie bzw. er aber nicht kostenpflichtig.
Immissionsüberwachung
Gemäss dem geltenden Artikel 17 StSG werden die ionisierende Strahlung und die Radioaktivität in der Umwelt regelmässig überwacht. Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen zur Durchführung dieser Überwachung, welche auch die Immissionsüberwachung in der Umgebung von Betrieben mit einer Bewilligung zur Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt beinhaltet. Die Vorlage hält in Artikel 17 Absatz 1bis E-StSG den Grundsatz fest, dass Betriebe, die über eine Bewilligung zur Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt im Normalbetrieb verfügen und diese Abgabe eine gezielte Immissionsüberwachung in ihrer Umgebung notwendig macht, die Kosten dafür tragen.
3³ BBl 1988 II 181 , 206 ff.
³4 SR 814.01

4.2 Strafbestimmungen

Damit das Missverhältnis zwischen der Verfolgung leichter und gravierender Fälle mit einem grösseren Ermessensspielraum ausgeglichen werden kann, führt Artikel 44 Absatz 4 E-StSG einerseits eine Bagatellklausel ein, damit in leichten Fällen auf Strafanzeige, Strafverfolgung und Bestrafung verzichtet werden kann. Andererseits erhöht die Vorlage die Bussenobergrenze resp. das Strafmass bei Übertretungen. Damit wird ein zeitgemässes Strafmass eingeführt, welches auch in anderen Bundesgesetzen im Gesundheitsbereich, insbesondere im Bundesgesetz vom 16. Juni 2017 ³5 über den Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall, gilt. Diese Anpassungen räumen den Strafverfolgungsbehörden mehr Ermessensspielraum ein. Zusätzlich gewährt die vorgesehene Verlängerung der Verjährungsfrist einen realistischeren Zeithorizont für Strafverfolgungen, insbesondere bei Fällen, die zuerst von der Bundesanwaltschaft auf die Tatbestände der Verbrechen oder Vergehen geprüft wurden und dadurch erst später durch die Bewilligungs- und Aufsichtsbehörden als Übertretung verfolgt werden können.
³5 SR 814.71

4.3 Datenschutz

Während der Totalrevision der StSV schuf der Bundesrat die gesetzlichen Grundlagen im Datenschutz soweit möglich auf Verordnungsstufe. Die Vorlage sieht für die auf Verordnungsstufe geregelten Datenbearbeitungen und -bekanntgaben durch die betroffenen Bundesbehörden eine Rechtsgrundlage auf formeller Gesetzesstufe vor. Die Vorlage fügt hierfür ein neues Kapitel 6 a «Datenbearbeitung» ins StSG ein.
Die Vorlage regelt mit Artikel 46 a E-StSG die grundsätzliche Datenbearbeitung der Bewilligungs-, Aufsichts- und Vollzugsbehörden. Das BAG, das ENSI, die Suva und das BAZL als Bewilligungs-, Aufsichts- oder Vollzugsbehörden (vgl. Art. 30 StSG, Art. 37 StSG, Art. 184 StSV und 197 StSV) sowie weitere Vollzugsbehörden, wie die Bundesanwaltschaft (Art. 46 Abs. 1 StSG), das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (Art. 190 StSV), die Kantone und das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Art. 158 Bst. a StSV) bearbeiten Personendaten. Auch die Aufgaben der Sammelstelle des Bundes, namentlich das Paul-Scherrer-Institut, im Umgang mit radioaktiven Abfällen haben die Bearbeitung von Personendaten zur Folge (vgl. Art. 120 StSV). Weitere Stellen, die im Rahmen der Aufsicht oder des Vollzugs Personendaten bearbeiten, sind beispielsweise Dritte, die für die Durchführung von Kontrollen und klinischen Audits beigezogen werden (vgl. Art. 37 Abs. 3 StSG, Art. 42 StSV und Art. 189 StSV), Kantone und anerkannte Radonmessstellen, die Daten in die Radondatenbank eintragen (Art. 162 Abs. 4 Bst. a und b StSV) oder Ausbildungsinstitutionen, die Personendaten in der Aus- und Fortbildungsdatenbank erfassen (vgl. Art. 179 Abs. 5 StSV).
Umfasst wird von der Datenbearbeitung auch die Bearbeitung besonders schützenwerter Personendaten. Die Vorlage schafft somit eine entsprechende Regelung auf der erforderlichen formellen Gesetzesstufe. Die Datenbearbeitung beschränkt sich in dieser Hinsicht auf den Bereich der verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen oder Verfolgungen (z.B. Bewilligungsentzüge nach Art. 34 Abs. 1 Bst. b StSG und Strafentscheide nach Art. 43 ff. StSG). Zudem wird dem Umstand Rechnung getragen, dass den Aufsichtsbehörden im Einzelfall gestützt auf Artikel 14 StSG von Ärztinnen und Ärzten allfällige Gesundheitsdaten i.S.v. Artikel 5 Buchstabe c Ziffer 2 DSG über medizinische Untersuchungen von beruflich strahlenexponierten Personen bekanntgegeben werden.
Geregelt werden soll auch die Aufbewahrung der Personendaten. Die Aufbewahrung dient Forschungs-, Beweis- und statistischen Zwecken. Der Bundesrat soll festlegen können, wie lange die Daten aufbewahrt werden. Nach Ablauf dieser Frist werden die Daten gemäss Artikel 38 DSG dem Bundesarchiv angeboten, und die als nicht archivwürdig eingestuften Daten vernichtet oder anonymisiert.
Mit der Schaffung von Artikel 46 b E-StSG wird die Bekanntgabe dieser Personendaten an die kantonalen Behörden, an andere Bundesbehörden sowie an Dritte geregelt. Insbesondere im Gesundheitsbereich werden den Kantonen Entscheide über die Bewilligungen für den Umgang mit ionisierender Strahlung mitgeteilt (vgl. Art. 16 Abs. 2 StSV). Dies umfasst auch deren Entzüge. Damit beauftragte Dritte ihre Aufgaben wahrnehmen können, wie z.B. die Durchführung von Kontrollen resp. klinischen Audits (vgl. Art. 34 Abs. 3 StSV), müssen ihnen Personendaten bekanntgegeben werden können. Gemäss der Vorlage regelt der Bundesrat die Bekanntgabe der Personendaten an Dritte, sofern die Bekanntgabe zum Schutz von Mensch und Umwelt notwendig ist oder zum Erstellen von Statistiken oder zu Forschungszwecken (vgl. Art. 76 StSV, Art. 161 Abs. 2 StSV und Art. 162 Abs. 5 StSV). Den Dritten werden gemäss Artikel 46 b Absatz 3 E-StSG keine besonders schützenwerte Personendaten bekanntgegeben.

4.4 Weitere Anpassungen

In Artikel 2 Absatz 3 StSG wird die Abkürzung KEG für das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 eingeführt, welche in Artikel 3 Buchstabe a, Artikel 22 Absatz 1bis und Artikel 47 Absatz 2 E-StSG ebenfalls verwendet wird.
Der bisherige Artikel 41 StSG, welcher das Verfahren und den Rechtschutz regelt, soll aufgehoben werden, da er rein deklaratorischer Natur und nicht mehr notwendig ist. Er verweist zudem auf ein Bundesgesetz, welches nicht mehr in Kraft ist.
Eine Geldstrafe beträgt höchstens 180 Tagessätze, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (vgl. Art. 34 Abs. 1 StGB). Eine weitere Festlegung dieser Höchstzahl an Tagessätzen in Artikel 43 a Absatz 2 StSG ist nicht nötig und soll deshalb gestrichen werden.
In Artikel 45 Absatz 1 StSG wird die Abkürzung VStrR für das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht eingeführt, welche in Artikel 45 Absatz 2 und Artikel 46 Absatz 2 StSG verwendet wird. Im deutschen Gesetzestext wird gleichzeitig die unübliche Bezeichnung des VStrR als Verwaltungsstrafrechtsgesetz in Artikel 45 Absatz 1 StSG ersetzt.
Gemäss Artikel 45 Absatz 2 StSG sind auf Widerhandlungen nach Artikel 43 StSG die Artikel 6 und 7 VStrR anwendbar. Diese beiden Artikel sind jedoch auch auf Widerhandlungen nach Artikel 43 a StSG ebenfalls anwendbar, was im Wortlaut von Artikel 45 Absatz 2 E-StSG nun ergänzt wird.
Im italienischen Gesetzestext werden drei begriffliche Anpassungen vorgenommen. Im Titel von Artikel 26 StSG beschreibt immissione nell’ambiente die Abgabe an die Umwelt präziser als scarico nell’ambiente ; der geänderte Titel stimmt damit mit der Terminologie der verwandten Bestimmung in Artikel 21 Buchstabe c KEG überein. Entsprechend wird auch das Verb scaricare in Artikel 26 Absätze 2 und 3 sowie Artikel 43 a Absatz 1 Buchstabe a StSG durch immettere mit den erforderlichen grammatikalischen Anpassungen ersetzt. Auch betreffend die Ablieferung von Abfällen ist consegna der treffendere Begriff als fornitura und ersetzt diesen im gesamten StSG (Art. 26 Abs. 3, Titel von Art. 27, Art. 27 Abs. 3 und 4). Das Verb consegnare ersetzt fornire an jenen Stellen, die die Ablieferung von Abfällen betreffen, mit den erforderlichen grammatikalischen Anpassungen (Art. 27 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 Bst. e).
In Anlehnung an den französischen Gesetzestext, in dem Aufsicht und Überwachung zutreffend mit surveillance bezeichnet werden, wurde im italienischen Gesetzestext durchgehend sorveglianza verwendet. Aufsicht und Aufsichtsbehörde sollten im Italienischen jedoch als vigilanza , respektive als autorità di vigilanza , bezeichnet werden. Folglich sollen im gesamten StSG autorità di sorveglianza mit autorità di vigilanza (Art. 14 Abs. 1 und 2, Art. 26 Abs. 3, Art. 35 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 2, Art. 37 Abs. 1 und 2, Art. 46 Abs. 2) sowie sorveglianza an jenen Stellen mit vigilanza ersetzt werden, wo Aufsicht statt Überwachung gemeint ist (Titel von Kapitel 3, Art. 35 Abs. 2, Titel von Art. 37, Art. 42 Bst. b).
Auf Verordnungsstufe wurden diese Anpassungen am italienischen Text bereits vorgenommen.

5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1 Strahlenschutzgesetz

Art. 2
Geltungsbereich
Absatz 3 führt die Abkürzung KEG für das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 ein.
Art. 3
Ergänzende Bestimmungen
In Buchstabe a wird die Abkürzung KEG für das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 verwendet.
Art. 14
Bekanntgabe von medizinischen Daten
Absatz 1: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Absatz 2: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Art. 17
Überwachung der Umwelt
Absatz 1bis: Dieser Absatz nimmt eine neue Bestimmung ins StSG auf, nach der diejenigen Betriebe, die über eine Bewilligung zur Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt im Normalbetrieb verfügen, im Bewilligungsverfahren verpflichtet werden, die Kosten für die damit in Zusammenhang stehende notwendige Immissionsüberwachung zu tragen müssen. Die Durchführung der Immissionsüberwachung hängt von den Eigenschaften der bewilligten Abgabemenge, dem Abgabepfad und der Ausbreitung in der Umwelt ab sowie den zur Verfügung stehenden Messtechniken. Diese gezielte Immissionsüberwachung und die damit verbundenen Kosten fallen aus diesem Grund für die einzelnen Betriebe unterschiedlich aus.
Gestützt auf Artikel 17 Absatz 2 StSG, Artikel 26 Absatz 2 StSG und Artikel 47 Absatz 1 StSG kann der Bundesrat auf Verordnungsstufe festlegen, unter welchen Bedingungen eine Immissionsüberwachung in der Umgebung eines Betriebs notwendig ist und wer die Kosten für diese Massnahmen trägt. Vorgesehen ist, dass neben der bewilligten Abgabe weitere Faktoren als Kriterien beigezogen werden können; Beispiele dafür sind die unplanmässige Abgabe an die Umwelt, etwa bei einem Störfall der zu einer Überschreitung des Dosisgrenzwerts für die Bevölkerung führen kann, oder das Inventar von radioaktivem Material des Betriebs, falls dieses ausreichend für eine nachhaltige Belastung der Umwelt ist.
Übereinstimmend mit der Empfehlung der internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) im Safety Guide RS-G-1.8 ³6 führen die zuständigen Behörden die Immissionsüberwachung der Betriebe mit überlappenden Einflussbereichen durch, wie dies bei den Schweizer Kernanlagen der Fall ist (im RS-G-1.8 als multiple sources bezeichnet). Bei anderen Betrieben mit bewilligter Abgabe an die Umwelt ist gemäss RS-G-1.8 der Betrieb selber zuständig für die Durchführung der Immissionsüberwachung und damit zur Tragung der Kosten verpflichtet; der Betrieb kann aber auch Dritte oder die zuständigen Behörden mit der Immissionsüberwachung beauftragen. Sollte die Überwachung nicht von den zuständigen Behörden durchgeführt werden, so müssen diese das Überwachungsprogramm genehmigen und stichprobenweise überprüfen.
Der Betrieb trägt nur die Kosten für die Überwachung, die aufgrund seiner bewilligten Emissionen notwendig ist. In diesem Sinne wird dem Äquivalenzprinzip im Abgaberecht Rechnung getragen, gemäss welchem die Höhe der Abgabe in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der Leistung (hier also der Überwachung) stehen muss.
Art. 22
Notfallschutz
Absatz 1: Zur Vorbereitung auf einen Notfall müssen Massnahmen getroffen werden, damit die Bevölkerung vor erhöhter Radioaktivität geschützt werden kann. Insbesondere ist die vorsorgliche und rechtzeitige Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln sicherzustellen. Eine rechtzeitige Versorgung mit Heilmitteln bedeutet, dass die Heilmittel, genauer die Jodtabletten, im Ereignisfall innert nützlicher Frist eingenommen werden können. Je nach meteorologischer Situation nimmt diese Dauer mit zunehmender Entfernung vom Ort der Freisetzung zu. Absatz 1 delegiert die Festlegung der Aufgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden im Bereich der Notfallschutzmassnahmen an den Bundesrat.
Absatz 2: Die anfallenden Kosten für die Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten in Absatz 1 werden durch die Präzisierung des Verursacherprinzips in Artikel 83 a KEG der Vorlage (siehe unten) in einem gewissen Umkreis um die Kernkraftwerke gänzlich und in den übrigen Gebieten der Schweiz zur Hälfte deren Betreibergesellschaften auferlegt. Die Kantone können zudem gegenüber den Inhaberinnen und Inhabern von Kernanlagen Gebühren und den Ersatz von Auslagen verlangen, insbesondere für die Planung und Durchführung von Notfallschutzmassnahmen (vgl. Art. 84 Bst. a KEG). Nur von den restlichen Kosten tragen der Bund, die Kantone und die Gemeinden diejenigen Kosten, die sich aus ihren Aufgaben aus Absatz 1 ergeben. Diese Aufgaben sind zurzeit in der Jodtabletten-Verordnung geregelt (und werden es voraussichtlich auch künftig sein).
Absatz 3: Entspricht dem bisherigen Gesetzestext in Absatz 1.
Art. 24
Andauernd erhöhte Umweltradioaktivität
Absatz 2 verpflichtet Eigentümerinnen und Eigentümer von Standorten oder Liegenschaften Massnahmen zur Sanierung zu treffen, falls von ihnen eine Gefährdung von Mensch und Umwelt durch ionisierende Strahlung ausgeht. Die Festlegung, ab welcher Strahlenexposition eine Sanierungspflicht besteht, delegiert Absatz 2 an den Bundesrat. Der Bundesrat berücksichtigt dabei den Stand von Wissenschaft und Technik. Aktuell regelt der Bundesrat die entsprechenden Werte in Artikel 148, 155 und 156 der StSV.
Art. 24a
Tragung der Kosten für Untersuchungen und Sanierungen
Absatz 1: Die Kosten für Massnahmen zur Sanierung von Standorten und Liegenschaften, die aufgrund von Radioaktivität natürlicher Herkunft notwendig sind, müssen gemäss Absatz 1 die Eigentümerinnen und Eigentümer tragen. Dies ist etwa der Fall, wenn in einem Gebäude zu hohe Radonkonzentrationen festgestellt werden (vgl. Art. 166 StSV) oder die Baumaterialien zu viel natürlich vorkommende Radioaktivität (NORM) enthalten. ³7 Die Eigentümerinnen und Eigentümer kommen ebenfalls für die Kosten der Untersuchung auf Radioaktivität natürlicher Herkunft auf, unabhängig davon, ob aufgrund des Resultats der Untersuchung eine Sanierung notwendig ist oder nicht.
Absatz 2: Muss ein Standort oder eine Liegenschaft aufgrund von Radioaktivität nicht natürlicher Herkunft, d.h. künstlicher Radioaktivität (z.B. nach einem radiologischen Ereignis) oder Radioaktivität, die aus einem Prozess hervorgeht, bei dem durch menschlichen Einfluss die natürlicherweise vorhandene Radioaktivität abgeändert wird - insbesondere wenn dabei das Ziel verfolgt wird, die Eigenschaften der Radioaktivität zu nutzen, was beispielsweise zu Radium-Altlasten aus der Uhrenindustrie geführt hat -, saniert werden, tragen gemäss dem Verursacherprinzip diejenigen Personen die Kosten für Sanierungsmassnahmen, welche den Sanierungsbedarf verursacht haben. In den Sanierungsmassnahmen inbegriffen wäre, wenn nötig, auch eine Überwachung des kontaminierten Standorts bis die Sanierung abgeschlossen ist. Die entsprechende Überwachung wäre dann von der Verursacherin oder vom Verursacher zu bezahlen. ³8 Die Untersuchungen im Zusammenhang mit verdächtigen oder potentiell kontaminierten Örtlichkeiten zählen hingegen zu den üblichen Vollzugs- und Aufsichtsaufgaben im Rahmen des StSG (Art. 9 i.V.m. Art. 47 Abs. 1 StSG). Der Bund, bzw. das BAG, führt die Untersuchungen durch und trägt auch die Kosten dafür. Sowohl in den Fällen nach Absatz 1 als auch nach Absatz 2 kann die Vollzugsbehörde in Bezug auf die Kostenpflicht eine Verfügung erlassen (Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 ³9 [VwVG]).
Absatz 3: Dieser Absatz beschreibt die Kostenteilung bei mehreren Verursacherinnen und Verursachern und entspricht Artikel 32 d Absatz 2 USG. Die Bemessung des Anteils richtet sich nach Kriterien der Verhältnismässigkeit und den Umständen im Einzelfall. Primär kostenpflichtig sind die Verhaltensstörerinnen und Verhaltensstörer, also jene Personen, die durch ihr eigenes oder das unter ihrer Verantwortung erfolgte Verhalten Dritter unmittelbar einen Schaden, eine Störung oder die Gefahr dazu herbeigeführt haben. Das Verhalten muss nicht rechtswidrig (gewesen) sein oder gegen eine Rechtsnorm verstossen und auch auf das Verschulden kommt es für die Einstufung als Verhaltensstörerin oder Verhaltensstörer nicht an; das Verschulden kann aber bei der Bemessung des Kostenanteils berücksichtigt werden. Den Behörden steht bei der Kostenverteilung auf mehrere Verhaltensstörer ein pflichtgemäss auszuübendes Ermessen zu. Schuldhafte Verursacherinnen und Verursacher sind stärker zu belasten als schuldlose. Wirtschaftliche Kriterien (insbesondere die wirtschaftliche Zumutbarkeit als Minderungsgrund) können bei der Bemessung des Kostenanteils berücksichtigt werden.
Die aktuellen Eigentümerinnen und Eigentümer der kontaminierten Standorte oder Liegenschaften (Zustandsstörerinnen und Zustandsstörer) tragen nur unter einschränkenden Voraussetzungen und zu einem geringen Anteil Kosten für die Sanierungsmassnahmen. Sie sind potenziell kostenpflichtig, da es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz entspricht, dass wer als Eigentümerin oder Eigentümer Nutzen aus einer Sache zieht, grundsätzlich auch für deren Nachteile einzustehen hat. Frühere Eigentümerinnen und Eigentümer können nicht als Zustandsstörerinnen bzw. Zustandsstörer, wohl aber allenfalls als Verhaltensstörerinnen bzw. Verhaltensstörer belangt werden. Die aktuellen Eigentümerinnen und Eigentümer sind dann von der Kostenpflicht befreit, wenn sie unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt von der Kontamination keine Kenntnis haben konnten. Dies setzt voraus, dass ihnen zum Zeitpunkt des Erwerbs keine Anhaltspunkte bekannt waren oder hätten sein müssen, aufgrund derer mit der Möglichkeit einer Kontamination der Liegenschaft oder des Standorts zu rechnen war. Solche Anhaltspunkte können sich beispielsweise aus dem Nutzungsplan, dem Grundbuch, einer bekannten früheren Nutzung eines Gebäudes, dem Kaufpreis oder sonstigen Umständen des Einzelfalles ergeben. 4⁰
Der Kostenanteil der aktuellen Eigentümerinnen und Eigentümer beträgt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Altlastenrecht in der Regel durchschnittlich zwischen 10 Prozent und 30 Prozent, je nach den Umständen des Einzelfalles. Ein solcher Kostenanteil ergibt sich jedoch nicht bereits aus der Eigentümerstellung an sich, sondern ist nur gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzukommen, z.B. wenn die Eigentümerinnen und Eigentümer durch die Kontamination und/oder Sanierung einen (nicht unwesentlichen) wirtschaftlichen Vorteil erlangt haben oder erlangen werden. 4¹ Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Liegenschaft oder das Gebäude durch die Sanierung eine Verkehrswertsteigerung erfährt (verbesserte Verkäuflichkeit, Eröffnung wirtschaftlich einträglicher Nutzungsmöglichkeiten 4² ).
Die Formulierung in Absatz 3 soll somit die Möglichkeit gewähren, auch die Eigentümerinnen und Eigentümer zu verpflichten, sich zu einem (geringen) Anteil an den Kosten einer Sanierung zu beteiligen - auch wenn davon auszugehen ist, dass von einer solche Kostenbeteiligung in vielen Fällen aufgrund des Verhältnismässigkeitsprinzips abzusehen ist. Namentlich kann die Behörde bei nur unwesentlichem Vorteil oder kleiner Wertvermehrung davon absehen, den aktuellen Eigentümerinnen und Eigentümern Kosten für die Sanierungsmassnahmen zu übertragen.
Absatz 4: Dieser Absatz regelt schliesslich die Ausfallkosten, sprich die Kosten, die der Bund tragen muss, weil sie keinen Verursacherinnen und Verursachern auferlegt werden können. Dies ist der Fall, wenn es keine Verursacherinnen und Verursacher mehr gibt oder diese nicht ermittelt werden können oder sie nicht zahlungsfähig sind. Bei den Kontaminationen mit radiumhaltigen Leuchtfarben können die Verursacherinnen und Verursacher in den meisten Fällen nicht mehr ermittelt werden.
Art. 26
Umgang mit radioaktiven Abfällen im Betrieb und Abgabe an die Umwelt
Absatz 2: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Absatz 3: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Art. 27
Ablieferung
Absatz 1: Nach dem geltenden Artikel 27 Absatz 1 StSG muss, wer radioaktive Abfälle verursacht, die nicht als Folge der Nutzung von Kernenergie entstehen, diese an eine von der zuständigen Behörde bezeichnete Stelle abgeben und für die Kosten der Entsorgung aufkommen. Die Vorlage ergänzt diese Pflicht mit dem Zusatz, dass auch wer radioaktive Abfälle auffindet von der Pflicht zur Abgabe (nicht aber von der zur Kostentragung) erfasst sein soll.
Absatz 2: Dieser Absatz entspricht dem geltenden Absatz 2. Kostenpflichtig ist die Verursacherin oder der Verursacher (und nicht die Finderin oder der Finder).
Absatz 2bis: Mit dem neuen Absatz 2bis soll die Rechtsgrundlage geschaffen werden, dass der Bund für die Entsorgungskosten dieser Abfälle aufkommt, sofern sie den Verursacherinnen und Verursachern nicht auferlegt werden können, weil diese nicht mehr eruierbar oder weil sie zahlungsunfähig sind.
Recyclingunternehmen wie auch Finderinnen und Finder von Abfällen gelten nicht als Verursacherinnen oder Verursacher. In der Praxis erheben die Recyclingunternehmen aber in der Regel die Entsorgungsgebühren vorsorglich bei den Personen (Private oder Betriebe), die ihnen das radioaktive Material anliefern. Der Betrieb, bei welchem die radioaktive Quelle aufgefunden wird, trägt die Kosten für den Aufwand der Bergung der Quelle; es handelt sich damit um einen Aufwand, der im Betrieb anfällt. Gemäss in Kraft stehender Regelung in Artikel 104 StSV sind Betriebe, in denen Siedlungsabfälle oder Abfälle vergleichbarer Zusammensetzung verbrannt werden und solche, die Metallschrott verwerten oder für die Ausfuhr bereitstellen, verpflichtet, diese Materialien oder Abfälle im Rahmen der Bewirtschaftung oder der Bereitstellung für eine Ausfuhr mit geeigneten Überwachungsverfahren auf das Vorhandensein herrenloser radioaktiver Materialien zu überprüfen und solche Materialien an geeigneter Stelle zu sichern, falls sie aufgefunden werden.
Absatz 3: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Absatz 4: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Art. 35
Melde- und Auskunftspflicht
Absatz 1: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Absatz 2: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Art. 36
Buchführungspflicht
Absatz 2: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Art. 37
Aufsicht
Absatz 1: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Absatz 2: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Art. 41
Verfahren und Rechtsschutz
Gemäss Artikel 41 StSG richten sich das Verfahren und der Rechtschutz nach dem VwVG und dem Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943 4³ . Letzteres ist nicht mehr in Kraft. Der Verweis auf das VwVG ist rein deklaratorisch und daher nicht notwendig. Artikel 41 StSG soll dementsprechend aufgehoben und die Sachüberschrift des fünften Kapitels angepasst werden. Die Sachüberschrift des fünften Kapitels beschränkt sich somit nur noch auf die Gebühren nach Artikel 42 StSG.
Art. 42
Gebühren
Buchstabe b: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Art. 43a
Vorschriftswidriger Umgang mit radioaktiven Stoffen, ungerechtfertigte Bestrahlung von Sachen
Absatz 1 Buchstabe a: Die Anpassung betrifft nur den italienischen Text.
Absatz 2: Artikel 34 Absatz 1 StGB legt die Obergrenze bei Geldstrafe auf 180 Tagessätze fest, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. In Artikel 43 a Absatz 2 StSG kann deshalb die zusätzliche Festlegung dieser Obergrenze auf den gleichen Wert gestrichen werden.
Art. 44
Übertretungen
Absatz 1: In diesem Absatz wird das Strafmass für die vorsätzliche Begehung von Übertretungen auf 40 000 Franken anstelle der heute nach Artikel 106 Absatz 1 StGB geltenden 10 000 Franken erhöht. Dieses höhere Strafmass ist zeitgemäss und angemessen, da von radioaktiven Quellen eine Gefahr für die Gesundheit ausgeht. Die Anpassung im Buchstaben e betrifft nur den italienischen Text.
Absatz 2 halbiert das Strafmass nach Absatz 1 für den Fall, dass die Übertretung fahrlässig begangen wurde und legt es auf 20 000 Franken fest. Der bisherige Absatz 2, welcher dem Bundesrat ermöglicht hat auf Verordnungsstufe für Widerhandlungen gegen Vorschriften, die er für den Fall einer Gefährdung durch Radioaktivität erlässt, eine Busse bis zu 20 000 Franken vorzusehen, wird aufgehoben und durch die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ersetzt. Die Ausführungsbestimmung Artikel 199 Absatz 2 StSV, welche diese höhere Busse vorsieht, stützt sich somit neu auf Absatz 1 Buchstabe f und unterliegt damit auch der fahrlässigen Begehung. Das ursprüngliche höhere Strafmass in Absatz 2 wird durch die Erhöhung des Strafmasses in Absatz 1 auf 40 000 Franken ebenfalls abgedeckt.
Absatz 3: Die Verjährungsfrist wird auf fünf Jahre angehoben, um bei gravierenderen Fällen günstigere Bedingungen für die Strafverfolgung nach VStrR zu schaffen, insbesondere bei Sachverhalten nach den Artikeln 43 und 43 a StSG, die zuständigkeitshalber zuerst von der Bundesanwaltschaft untersucht werden. Die Verjährungsfrist von fünf Jahren entspricht derjenigen für Übertretungen im KEG.
Absatz 4: Mit diesem Absatz wird eine Bagatellklausel ins StSG aufgenommen, welche es ermöglicht, in leichten Fällen wie den in Kapitel 1.1.2 genannten Beispielen auf eine Anzeige bzw. auf eine (Straf-)Verfolgung, resp. Bestrafung zu verzichten. Im Gegensatz zu Artikel 52 StGB soll dies bereits dann möglich sein, wenn entweder die Schuld oder aber Tatfolgen geringfügig sind; zudem soll ein solcher Verzichtsentscheid nicht erst von der Strafverfolgungsbehörde, sondern bereits zuvor von den Aufsichts- und Vollzugsbehörden getroffen werden können. Diese Behörden können damit bei einem leichten Verstoss, bei dem Schuld oder Tatfolgen gering sind, von der Pflicht zur Anzeigeerstattung gemäss Artikel 19 VStrR entbunden werden, womit die Verwaltungsstrafbehörde ihrerseits gar nicht erst eine Prüfung vornehmen muss. Den Aufsichts- und Vollzugsbehörden steht es demnach frei, einen leichten Verstoss beispielsweise erst im Wiederholungsfall (d.h. wenn er erneut von derselben Person oder demselben Unternehmen begangen wird) zur Anzeige zu bringen. Im Aufsichtsbereich des ENSI kann die Bagatellklausel zudem die Just Culture stärken (vgl. Kapitel 2).
Art. 45
Anwendbarkeit des Verwaltungsstrafrechts
Absatz 1 führt die Abkürzung VStrR für das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht ein. Im deutschen Text wird durch diese Definition auch die unübliche Bezeichnung des VStrR als Verwaltungsstrafrechtsgesetz in Artikel 45 Absatz 1 StSG ersetzt.
Absatz 2: Die Artikel 6 und 7 VStrR sind nicht nur auf Artikel 43 StSG anwendbar, sondern auch auf Artikel 43 a StSG. Der Wortlaut von Artikel 45 Absatz 2 E-StSG wird dementsprechend ergänzt und die Abkürzung VStrR für das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht verwendet.
Art. 46
Verfahren und Zuständigkeit
In Absatz 2 wird die Abkürzung VStrR für das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht verwendet.
Art. 46a
Bearbeitung von Personendaten
Absatz 1: Dieser Absatz regelt die Bearbeitung der Personendaten, einschliesslich der besonders schützenswerten Personendaten, durch die verschiedenen Behörden, welche im Rahmen der Strahlenschutzgesetzgebung ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Bewilligungs-, Aufsichts- und Vollzugsbehörden im Sinne dieses Gesetzes bearbeiten Personendaten, sei es im Rahmen der Bewilligungsverfahren, ihrer Aufsichts- und Vollzugstätigkeiten oder im Umgang mit Datenbanken, Registern oder Inventaren.
Absatz 2: Mit diesem Absatz wird die in Absatz 1 erwähnte Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten präzisiert. Bearbeitet werden können somit nur die besonders schützenswerten Personendaten über verwaltungs- oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen i.S.v. Artikel 5 Buchstabe c Ziffer 5 DSG. Sowohl bei Bewilligungsentzügen mit pönalem Charakter, z.B. aufgrund von Nichterfüllen einer mit der Bewilligung verbundenen Auflage oder einer verfügten Massnahme trotz Mahnung (Art. 34 Abs. 1 Bst. b StSG) sowie bei Strafbescheiden im Verwaltungsstrafverfahren (Art. 43 ff. StSG) werden besonders schützenswerte Personendaten bearbeitet. Auch können im Einzelfall allfällige Gesundheitsdaten i.S.v. Artikel 5 Buchstabe c Ziffer 2 DSG bearbeitet werden, die den Aufsichtsbehörden gestützt auf Artikel 14 StSG von Ärztinnen und Ärzten bekannt gegeben werden.
Absatz 3: Aus Gründen der Transparenz der Datenbearbeitung wird mit Absatz 3 eine Bestimmung aufgenommen, welche die Aufbewahrung regelt und dem Bundesrat die Kompetenz gibt, die Dauer der Aufbewahrung festzulegen. Die Bestimmung erfasst sowohl nicht besonders schützenswerte Personendaten wie etwa die Personendosimetriedaten (vgl. Art. 12 StSG und Art. 72 ff. StSV), 4⁴ als auch besonders schützenswerte Personendaten wie die Daten über die Gesundheit, welche den Aufsichtsbehörden gestützt auf Artikel 14 StSG von Ärztinnen und Ärzten bekannt gegeben werden (vgl. auch Art. 59 StSV). Auf Verordnungsstufe soll verdeutlicht werden, wann die Daten für den Zweck der Datenbearbeitung nicht mehr notwendig sind und gemäss Artikel 6 Absatz 4 DSG vernichtet werden müssen. Betreffend die Archivierung im Bundesarchiv gilt Artikel 38 DSG.
Art. 46b
Bekanntgabe von Personendaten
Absatz 1: Damit die reibungslose Zusammenarbeit unter den in Artikel 46 a Absatz 1 E-StSG genannten Behörden gewährleistet ist, insbesondere hinsichtlich der Bewilligungs- und Verwaltungsstrafverfahren, bedarf es der Bekanntgabe von besonders schützenswerten Personendaten untereinander. Absatz 1 schafft die Grundlage, dass sich diese Behörden die besonders schützenwerten Personendaten nach Artikel 46 a Absatz 2 E-StSG von Amtes wegen gegenseitig bekanntgeben können. Weiter können sie diese Daten von Amtes wegen oder auf Antrag einerseits kantonalen Behörden bekanntgeben, sofern diese Aufgaben im Bereich des Bevölkerungsschutzes oder im Umwelt- und Gesundheitsbereich wahrnehmen (Buchstabe a), und andererseits auch anderen Bundesbehörden, soweit dies für den Vollzug der von diesen Behörden anzuwendenden Erlasse notwendig ist (Buchstabe b). Damit wird die gegenwärtige Praxis im Gesetz abgebildet.
Absatz 2: Dieser Absatz ermöglicht die gegenseitige Bekanntgabe von nicht besonders schützenswerten Personendaten unter den Behörden nach Artikel 46 a Absatz 1 E-StSG, soweit sie diese Daten zur Erfüllung der ihnen durch dieses Gesetz zugewiesenen Aufgaben benötigen. Den Behörden nach Absatz 1 Buchstaben a und b dürfen sie diese Daten ebenfalls bekanntgeben. Beispielsweise benötigen kantonale Feuerwehrstellen bestimmte Personendaten zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bevölkerungsschutz, beispielsweise zur Sicherheits- und Gefährdungsbeurteilung einer Situation bei einem Brand.
Absatz 3: Schliesslich müssen auch Dritten Personendaten bekannt gegeben werden, damit diese ihre Aufträge und Aufgaben im Rahmen der Strahlenschutzgesetzgebung korrekt ausführen können. Besonders schützenswerte Personendaten sind keine betroffen. Aus diesem Grund wird die Bekanntgabe der Personendaten an Dritte an den Bundesrat delegiert, sofern die Bekanntgabe zum Schutz von Mensch und Umwelt sowie zum Erstellen von Statistiken oder zu Forschungszwecken erforderlich ist.
Art. 47
Vollzug
In Absatz 2 wird die Abkürzung KEG für das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 verwendet.
³6 IAEA, 2005: Environmental and Source Monitoring for Purposes of Radiation Protection, Safety Guide RS-G-1.8.
³7 Im Gegensatz zum USG verwendet der Erlassentwurf anstelle des Begriffs Belastung den in der Radioaktivität üblicheren Begriff Kontamination . Auch radonbelastete Gebäude zählen hier zu den kontaminierten Standorten und Liegenschaften. Anders als bei einer Belastung gemäss der Umweltschutzgesetzgebung werden radioaktive Kontaminationen nicht im Kataster der Liegenschaften vermerkt.
³8 In der Umweltschutzgesetzgebung gibt es zwei Arten von Überwachungsmassnahmen: Massnahmen zur Überwachung eines sanierungsbedürftigen Standorts bis zum Abschluss der Sanierung und Massnahmen zur Überwachung bei einem nicht sanierungsbedürftigen Standort zur Feststellung einer konkret drohenden Gefahr. Die Überwachungsmassnahmen im ersten Fall gelten als Teil der Sanierungsmassnahmen. In der Strahlenschutzgesetzgebung gibt es keine Bestimmungen zum zweiten Fall.
³9 SR 172.021
4⁰ Vgl. Bundesamt für Umwelt, 2023: Realleistung, Kostentragung und Sicherstellung. Vollzugshilfe für die Bestimmung der Realleistungs-, Kostentragungs- und Sicherstellungspflichten nach dem Altlastenrecht, Umwelt-Vollzug No 2303, Seite 32.
4¹ Vgl. Entscheid des Bundesgerichts in der Sache 1C_231/2012 (BGE 139 II 106 E. 5.6).
4² Vgl. Bundesamt für Umwelt (BAFU), 2023: Realleistung, Kostentragung und Sicherstellung. Vollzugshilfe für die Bestimmung der Realleistungs-, Kostentragungs- und Sicherstellungspflichten nach dem Altlastenrecht, Umwelt-Vollzug No 2303, Seite 35 f.
4³ AS 60 271
4⁴ Die IAEA empfiehlt, Dosimetriedaten mindestens 30 Jahre und mindestens bis die strahlenexponierte Person das 75 Altersjahr erreicht hat, aufzubewahren. Siehe IAEA, 2014: Radiation Protection and Safety of Radiation Sources: International Basic Safety Standards, GSR Part 3, Seite 60.

5.2 Kernenergiegesetz

Art. 83a
Kostenübernahme für die vorsorgliche Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten
Absatz 1: Die Inhaberinnen und Inhaber einer Betriebsbewilligung für ein Kernkraftwerk tragen die Kosten im Zusammenhang mit der vorsorglichen und rechtzeitigen Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten, die in einem bestimmten Umkreis um die Kernkraftwerke wohnt oder sich regelmässig dort aufhält. Damit die Jodtabletten von den Einwohnerinnen und Einwohnern in diesem Umkreis im Ereignisfall auch tatsächlich rechtzeitig eingenommen werden können, müssen sie dort an die Haushalte und Betriebe vorverteilt werden. Die gesamten in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten tragen die Kernkraftwerke als Verursacherinnen und Verursacher. Ausserhalb dieses Umkreises tragen sie die Hälfte der anfallenden Kosten. Zu diesen Kosten zählen insbesondere die Ausgaben für die Beschaffung, die Verteilung, die Lagerung, die Kontrollen, den Ersatz und die Entsorgung der Jodtabletten nach Verfall sowie für die Information der Bevölkerung und der Fachleute.
Absatz 2: Dieser Absatz beschreibt den Grundsatz der Bemessung des Umkreises nach Absatz 1. Die Bemessungsgrundlagen des Umkreises bilden einerseits die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der IAEA betreffend den Schutz der Schilddrüse durch die Einnahme der Jodtabletten, andererseits die mögliche Abgabemenge des radioaktiven Jods in einem Ereignisfall und die Ausbreitung des radioaktiven Jods in der Umwelt. Die Einnahme der Jodtabletten ist nach heutigem Stand der Wissenschaft bis spätestens zwei Stunden nach der Exposition empfohlen, wenn eine Schilddrüsendosis von ca. 50 mSv oder höher erwartet wird. ⁴5 Im Rahmen der interdepartementalen Arbeitsgruppe IDA NOMEX wurden anhand von möglichen Abgabemengen und meteorologischen Situationen die Gebiete um die Schweizer Kernkraftwerke ermittelt, in welchen diese Schilddrüsendosis erreicht werden kann. Beim Referenzszenario A4, welches auch als Grundlage für die Verordnung vom 14. November 2018 ⁴6 über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen verwendet wurde, werden die 50 mSv Schilddrüsendosis bis in eine Entfernung von ca. 50 Kilometer erreicht. ⁴7
Bei einem extremen Unfallszenario mit ungünstigen meteorologischen Bedingungen oder einer Abgabemenge, welche jene des Referenzszenarios A4 übersteigt, können Gebiete in der ganzen Schweiz betroffen sein. Die Western European Nuclear Regulator’s Association (WENRA) der HERCA (HERCA-WENRA) empfiehlt für solche extremen Fälle ein Planungsgebiet von 100 Kilometern für die Jodtabletten-Versorgung. ⁴8 Aufgrund dieses Restrisikos rechtfertigt es sich, dass die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke auch in einem Umkreis von mehr als 50 Kilometern um die Kernkraftwerke die Hälfte der Kosten für die Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten übernehmen. Die Beteiligung des Bundes an den Kosten rechtfertigt sich durch extreme Unfallszenarien für ausländische Kernkraftwerke oder durch andere nukleare Ereignisse.
Nach der endgültigen Ausserbetriebnahme eines Kernkraftwerks erlischt die Betriebsbewilligung. Die Betreiberinnen und Betreiber eines Kernkraftwerks in Stilllegung sind nach dem Wortlaut von Artikel 83 a KEG der Vorlage nicht mehr kostenpflichtig im Zusammenhang mit der Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten, auch wenn sich noch abgebrannte Brennelemente auf der Anlage befinden. Nach heutigem Stand der Wissenschaft besteht diesfalls keine Gefahr einer Kontamination der Umwelt mit radioaktivem Jod, die eine Einnahme von Jodtabletten erfordern würde.
⁴5 WHO, 2017: Iodine thyroid blocking: Guidelines for use in planning and responding to radiological and nuclear emergencies. IAEA, 2015: Preparedness and Response for a Nuclear or Radiological Emergency, GSR Part 7.
⁴6 SR 732.33
⁴7 ENSI, 2014: Überprüfung der Referenzszenarien für die Notfallplanung in der Umgebung der Kernkraftwerke, ENSI-AN-8293.
⁴8 HERCA-WENRA, 2014: HERCA-WENRA Approach for a better cross-border coordination of protective actions during the early phase of a nuclear accident.

6 Auswirkungen

6.1 Auswirkungen auf Bund, Kantone, Gemeinden und Betriebe

Jodtabletten-Verteilungen
Gemäss Artikel 10 der Jodtabletten-Verordnung tragen die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke die Gesamtkosten innerhalb von 50 Kilometern und die Hälfte der Kosten ausserhalb von 50 Kilometern um ein schweizerisches Kernkraftwerk für die vorsorgliche Beschaffung und Verteilung, die Kontrollen, den Ersatz und die Entsorgung der Jodtabletten nach Verfall sowie für die Information der Bevölkerung und der Fachleute. Die restlichen Kosten trägt das Gemeinwesen.
Diese Vorlage schafft eine gesetzliche Grundlage für eine einfache und klare Kostenregelung für die Jodtabletten-Verteilungen, die der Kostenregelung der Jodtabletten-Verordnung entspricht, wenn der Umkreis nach Artikel 83 a KEG der Vorlage wie oben beschrieben auf 50 Kilometer festgelegt wird.
Betreffend die Gebiete ausserhalb des 50-Kilometer-Umkreises trugen Bund und die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke jeweils die Hälfte der Gesamtkosten von 4,8 Millionen Franken für die Verteilkampagne von 2020. Bei der nächsten Verteilkampagne für diese Gebiete - voraussichtlich ab 2029 - wird durch die Ausserbetriebnahme des Kernkraftwerks Mühleberg ein Mehraufwand von 1,75 Millionen Franken resultieren. Die entstehenden Gesamtkosten von 6,55 Millionen Franken sollen gemäss der in dieser Vorlage vorgesehenen Kostenregelung jeweils zur Hälfte von den Betreiberinnen und Betreibern der Kernkraftwerke und dem Gemeinwesen getragen werden.
Gemäss der bestehenden Vereinbarung zwischen Bund und den Betreiberinnen und Betreibern der Kernkraftwerke beteiligt sich der Bund finanziell an der Verteilkampagne 2024 (Gebiete innerhalb des 50-Kilometer-Umkreises). Diese Vereinbarung legt fest, dass die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke die Verteilkampagne 2024 mit einem freiwilligen Beitrag von 11 Millionen Franken mitfinanzieren; der Bund trägt die restlichen Kosten. Gemäss der letzten Schätzung liegen die Gesamtkosten für die Verteilkampagne 2024 bei 24,6 Millionen Franken. Mit dieser Vorlage werden hingegen die gesamten Kosten der zukünftigen Verteilkampagnen für Gebiete innerhalb des 50-Kilometern-Umkreises - die nächste voraussichtlich 2032 mit vergleichbaren Gesamtkosten wie die Verteilkampagne 2024 - durch die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke getragen.
Immissionsüberwachung
Die Betreiberinnen und Betreiber der Kernkraftwerke beteiligen sich bereits heute an der Überwachung in ihrer Umgebung. Mit der vorgeschlagenen Regelung in Artikel 17 Absatz 1bis E-StSG bleibt diese Beteiligung unverändert. Weiter wird auch in der Umgebung von Betrieben der Tritium verarbeitenden Industrie eine spezifische Immissionsüberwachung durchgeführt, für welche die betroffenen Betriebe anteilsmässig zur Kostentragung verpflichtet werden. Die neue Kostentragung für die Immissionsüberwachung durch Betriebe mit einer Bewilligung zur Abgabe radioaktiver Stoffe an die Umwelt wird jedoch geringe finanziellen Auswirkungen für den Bund und diese Betriebe haben.
Radiologische Altlasten
Die historische Recherche der Universität Bern im Rahmen des Aktionsplans Radium identifizierte ca. 1100 Liegenschaften mit möglichen Kontaminationen, die aus der Verwendung von radiumhaltiger Leuchtfarbe resultierten. Davon wurden 1093 Liegenschaften mit insgesamt ca. 6200 Wohnungen (oder Gewerbelokalen) auf Radium untersucht. In 161 Liegenschaften wurde bis zum Ende des Aktionsplans eine Sanierung durchgeführt. Für die Zeit nach dem Ablauf des Aktionsplans Radium wird mit einer viel geringeren Anzahl Fälle gerechnet (ca. 2 pro Jahr). Durch die neue Kostenregelung für radiologische Altlasten in Artikel 24 a E-StSG fällt aus diesem Grund beim Bund als Träger der Ausfallkosten ein jährlicher Aufwand von ca. 100 000 Franken an.
Die Gesetzesvorlage hat keine personellen Konsequenzen für den Bundeshaushalt.

6.2 Auswirkungen auf die Gesellschaft

Mit dieser Vorlage soll die Verfügbarkeit der Jodtabletten für die Bevölkerung langfristig gewährleistet werden. Damit können in einem Ereignisfall, bei dem durch radioaktives Jod schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit erwartet werden, die Jodtabletten rechtzeitig eingenommen und so den Auswirkungen vorgebeugt werden. Die Vorlage überträgt dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden die Aufgabe, die Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten sicherzustellen und schafft zudem die Grundlage für die Kostenregelung zwischen dem Gemeinwesen und den Betreiberinnen und Betreibern der Kernkraftwerke.

6.3 Auswirkungen in weiteren Bereichen

Neben den bereits beschriebenen Auswirkungen sind durch die Präzisierungen des Verursacherprinzips keine weiteren Auswirkungen, insbesondere auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete, auf die Volkswirtschaft oder auf die Umwelt zu erwarten.
Durch die in der Vorlage vorgesehenen Anpassungen zum Datenschutz ergeben sich weder für den Bund, die Kantone oder die Gemeinden noch für die Volkswirtschaft oder die Gesellschaft direkte Konsequenzen, da nur die formellgesetzliche Grundlage für die auf der StSV basierende, aktuelle Praxis geschaffen wird. Gleiches gilt für die Anpassungen an Artikel 27 StSG über die Kostenregelung bei der Entsorgung von radioaktiven Abfällen.
Die neuen Bestimmungen für die Strafverfolgungen haben zur Folge, dass sich die Strafverfolgungsbehörden des Bundes für Übertretungen in der Strahlenschutzgesetzgebung auf die wichtigeren Fälle konzentrieren können und nicht mehr zur Verfolgung von Bagatellen gezwungen sind.

7 Rechtliche Aspekte

7.1 Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage beruht auf Artikel 118 Absatz 2 Buchstaben c der Bundesverfassung ⁴9 (BV), wonach der Bund Vorschriften über den Schutz vor ionisierenden Strahlen erlässt. Daneben sind auch die Artikel über die Forschung (Art. 64 BV) und den Umweltschutz (Art. 74 BV) massgebend.
⁴9 SR 101

7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Für die Schweiz bestehen keine verbindlichen internationalen Verpflichtungen im Bereich des Strahlenschutzes. Der Schweizer Strahlenschutz soll aber internationalen Standards entsprechen und besonders dort, wo der Austausch mit den umliegenden Ländern von Bedeutung ist, harmonisiert sein.
Die internationale Kommission für Strahlenschutz (ICRP) überprüft regelmässig den Forschungsstand zu den gesundheitlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung und gibt basierend darauf Empfehlungen zum Strahlenschutz heraus. Diese Empfehlungen sind international anerkannt und dienen als Basis für internationale Richtlinien wie jene der IAEA und die nationale Gesetzgebung. Als Mitgliedsstaat der IAEA orientiert sich die Schweiz grundsätzlich an deren Vorgaben.
Gemäss der Botschaft zum StSG 5⁰ basieren die Grundsätze des Strahlenschutzes im StSG, insbesondere die Artikel 8 bis 10, auf den Empfehlungen der ICRP Publikation 26 5¹ und die Bestimmungen für Unfallsituationen auf derjenigen der ICRP Publikation 40. 5² Seit Inkrafttreten des StSG konnten jüngere Empfehlungen, insbesondere jene der ICRP Publikation 103 5³ betreffend die unterschiedlichen Expositionssituationen, auf derer Basis auch die IAEA 5⁴ und die Europäische Atomgemeinschaft 5⁵ ihre Richtlinien revidierten, jeweils im Rahmen von Revisionen der StSV umgesetzt werden.
Aus diesem Grund besteht an den Grundsätzen des Strahlenschutzes auch weiterhin kein Anpassungsbedarf, sie bleiben mit dieser Vorlage unverändert. Mit Ausnahme der Immissionsüberwachung gibt es noch keine internationalen Empfehlungen bezüglich der Kostenregelungen dieser Vorlage. Die vorgeschlagene Kostenregelung für die Immissionsüberwachung entspricht grundsätzlich der Empfehlung des Safety Guides RS-G-1.8 der IAEA (vgl. Kapitel 5.1).
Mit dem neuen Kapitel über die Datenbearbeitung schafft die Vorlage eine gesetzliche Grundlage, damit auf Verordnungsstufe entsprechende Bestimmungen für eine moderne Datenverwaltung erlassen werden können. Damit kann beispielsweise der Empfehlung der IAEA bezüglich der Aufbewahrungsdauer von Daten der Personendosimetrie entsprochen werden (siehe Kapitel 5.1).
5⁰ BBl 1988 II 181 , 192 und 194 .
5¹ ICRP, 1977: Recommendations of the ICRP, Ann. ICRP 1 (3), Publication No 26.
5² ICRP, 1984: Protection of the Public in the Event of Major Radiation Accidents - Principles for Planning, Ann. ICRP 14 (2), Publication No 40.
5³ ICRP, 2007: Recommendations of the International Commission on Radiological Protection, Ann. ICRP 34 (2-4), Publication No 103.
5⁴ IAEA, 2014: Radiation Protection and Safety of Radiation Sources: International Basic Safety Standards, GSR Part 3.
5⁵ Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom.

7.3 Erlassform

Gemäss Artikel 164 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Diesem Erfordernis wird diese Vorlage gerecht. Sie umfasst die Teilrevision des StSG und im Anhang dazu wird eine notwendige Anpassung in einem weiteren Bundesgesetz, dem KEG, vorgenommen.

7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

7.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen sind in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV). Rechtsetzungsbefugnisse können durch Bundesgesetz übertragen werden, soweit dies nicht durch die BV ausgeschlossen ist (Art. 164 Abs. 2 BV). Die Vorlage sieht in mehreren Bestimmungen die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen vor, um rasche Anpassungen an den neusten Stand von Wissenschaft und Technik und an internationale Harmonisierungen zu gewährleisten.

7.5.1 Strahlenschutzgesetz

Umschreibung der Aufgaben der zuständigen Stellen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden im Bereich der Notfallschutzmassnahmen
Diese Bestimmung besteht bereits im geltenden Artikel 22 Absatz 2 StSG. Sie wird im E-StSG in Artikel 22 Absatz 1 integriert mit dem Zusatz, dass es sich um Aufgaben im Bereich der Notfallschutzmassnahmen handelt.
Festlegung der Strahlenexposition, ab welcher eine Pflicht zur Sanierung eines Standorts oder einer Liegenschaft besteht
Der E-StSG ergänzt Artikel 24 mit einem neuen Absatz, der zunächst die konkrete Sanierungspflicht für die Eigentümerin oder den Eigentümer festhält, falls von deren Standort oder Liegenschaft eine Gefährdung von Mensch und Umwelt durch ionisierende Strahlung ausgeht. Der Bundesrat erhält im zweiten Satz von Artikel 24 Absatz 2 E-StSG die Kompetenz, in den Ausführungsbestimmungen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik festzulegen, ab welcher Strahlenexposition eine Sanierungspflicht besteht.
Festlegung der Aufbewahrungsdauer
Artikel 46 a Absatz 3 E-StSG überträgt dem Bundesrat die Kompetenz, die Dauer der Aufbewahrung von Personendaten, inklusive jene nach Artikel 46 a Absatz 2 E-StSG, festzulegen.
Bekanntgabe von Personendaten an Dritte
Artikel 46 b Absatz 3 des E-StSG sieht vor, dass der Bundesrat die Bekanntgabe von Personendaten - nicht aber besonders schützenswerte Personendaten - an Dritte in den Ausführungsbestimmungen regeln kann, jedoch nur unter der Bedingung, dass diese Bekanntgabe zum Schutz von Mensch und Umwelt durch ionisierende Strahlung notwendig ist oder zu statistischen oder Forschungszwecken.

7.5.2 Kernenergiegesetz

Festlegung des Umkreises für die Kostentragung der Jodtabletten-Verteilungen
Die Vorlage sieht in Artikel 83 a Absatz 1 KEG vor, dass die Inhaberinnen und Inhaber einer Betriebsbewilligung für ein Kernkraftwerk die vollen Kosten für die Jodtabletten-Verteilungen innerhalb eines gewissen Umkreises und die Hälfte der Kosten ausserhalb dieses Umkreises tragen. Gemäss Absatz 2 legt der Bundesrat den in Absatz 1 erwähnten Umkreis nach den beschriebenen Kriterien fest. Die restlichen Kosten tragen Bund, Kantone und Gemeinden gemäss ihren Aufgaben im Bereich des Notfallschutzes, deren Umschreibung in Artikel 22 Absatz 1 E-StSG an den Bundesrat delegiert wird.

7.6 Datenschutz

Die Vorlage führt ein neues Kapitel über die Datenbearbeitung mit den Artikeln 46 a und 46 b im Strahlenschutzgesetz ein, welches die erforderliche Rechtsgrundlage für die Bearbeitung und Bekanntgabe der Personendaten, inklusive der besonders schützenswerten Personendaten, schafft. Es wird auf die Kapitel 4.3 und 5.1 verwiesen.
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Strahlenschutzgesetzes (StSG)
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