Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsverfahren für natürliche Personen)
Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsverfahren für natürliche Personen)
vom 15. Januar 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsverfahren für natürliche Personen).
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben:
| 2019 | M | 18.3510 | Wirtschaftliche Wiedereingliederung von Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung (S 11.09.2018, Hêche; N 04.03.2019) |
| 2019 | M | 18.3683 | Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger (N 28.09.2018, Flach; S 19.06.2019) |
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
| 15. Januar 2025 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Mit der vorgeschlagenen Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs sollen in Zukunft verschuldete natürliche Personen unter bestimmten Vor aussetzungen eine zweite Chance auf ein schuldenfreies Leben erhalten. Damit werden Fehlanreize im geltenden Recht beseitigt. Das liegt auch im Interesse der Gläubiger und der Gesellschaft als Ganzes. Vorgeschlagen werden ein vereinfachtes Nachlassverfahren für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, und ein neues Sanierungskonkursverfahren für alle natürlichen Personen.
Ausgangslage
Im Gegensatz zu den meisten anderen westlichen Rechtsordnungen hält das Schweizer Recht für hochverschuldete oder mittellose Privatpersonen keine Möglichkeit bereit, ihre Finanzen nachhaltig zu sanieren. Die Betroffenen haben keine realistischen Aussichten darauf, je wieder schuldenfrei zu leben und über mehr als das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu verfügen. Dies kann die Motivation zur Erzielung eines (höheren) Einkommens lähmen und dazu beitragen, dass Schuldnerinnen und Schuldner in der Prekarität und oft auch in der Sozialhilfeabhängigkeit verharren. Mit dieser Perspektivlosigkeit gehen negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen und eine Belastung ihrer Familien einher.
Mit den einstimmig überwiesenen Motionen 18.3510 Hêche und 18.3683 Flach hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, eine Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vorzulegen, um verschuldeten Privatpersonen unter gewissen Voraussetzungen ein schuldenfreies Leben zu ermöglichen.
Inhalt der Vorlage
Der Bundesrat schlägt die Schaffung zweier neuer Verfahren vor: ein vereinfachtes Nachlassverfahren für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, und ein Sanierungskonkursverfahren für alle natürlichen Personen.
In Situationen, in denen ein Schuldner über regelmässige Einkünfte oder auch Anwartschaften verfügt, ist ein Zwangsvergleich - bei dem eine Gläubigermehrheit einzelne nicht-zustimmende Gläubiger binden kann - die beste Möglichkeit, um flexible Einzelfalllösungen zu finden. Um den Abschluss solcher Vereinbarungen zu erleichtern, sollen die bestehenden Regeln des Nachlassverfahrens punktuell an die Bedürfnisse von Privatpersonen angepasst werden.
Für Situationen, in denen die notwendige Gläubigermehrheit nicht erreicht werden kann - namentlich bei Schuldnern ohne Rückzahlungsmöglichkeiten oder mit einer grossen Schuldenlast - soll ein Auffangverfahren geschaffen werden. Vorgeschlagen wird ein Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen mit anschliessender Restschuldbefreiung nach einer Abschöpfungsperiode von drei Jahren, während der auch eine Beratung der Schuldnerin oder des Schuldners erfolgen kann. Auch dieses Verfahren beruht überwiegend auf bewährten Regeln und Konzepten.
Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen werden die Probleme der Überschuldung und Armut nicht lösen können. Die Einführung von gesetzlichen Möglichkeiten zur Schuldbefreiung von natürlichen Personen kann aber einen Beitrag zur Lösung der Probleme leisten, indem Schuldnerinnen und Schuldnern eine neue Perspektive eröffnet wird. Von der Eröffnung einer zweiten Chance auf ein schuldenfreies Leben sind auch positive Effekte auf die Volkswirtschaft und die Gesellschaft zu erwarten. Indem Anreize zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gesetzt werden, können langfristig Kosten der öffentlichen Hand eingespart werden. Von der Beseitigung bestehender Fehlanreize und der wirtschaftlichen Wiedereingliederung von Schuldnerinnen und Schuldnern profitiert auch die Wirtschaft.
Botschaft
1 Ausgangslage
1.1 Handlungsbedarf und Ziele
. Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018
¹
¹ Abrufbar unter:
www.parlament.ch
> Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > 13.4193 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.
Der Bundesrat hat in seinem Bericht «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 in Erfüllung des Postulates Hêche 13.4193 «Schweizer Sanierungsrecht. Private in die Reflexion mit einbeziehen» gesetzgeberischen Handlungsbedarf bei verschuldeten Privatpersonen festgestellt. Der Bundesrat hat sich deshalb bereit erklärt, bei einem entsprechenden Auftrag des Parlaments verschiedene Varianten zu prüfen und eine Vorlage zu erarbeiten. Er hat dabei Präferenzen für eine Kombination von zwei verschiedenen Instrumenten geäussert: Einerseits soll für Privatpersonen die Möglichkeit eines Zwangsvergleichs geschaffen werden, sodass Schuldenbereinigungsvereinbarungen auch ohne die Zustimmung aller Gläubiger für verbindlich erklärt werden können. Dies würde in erster Linie eine Entschuldung von sanierungsfähigen Schuldnern mit regelmässigem Einkommen ermöglichen. Andererseits soll namentlich für Verschuldete mit geringem oder gar keinem Einkommen ein von geeigneter Stelle begleitetes, gesetzliches Abschöpfungsverfahren mit anschliessender Restschuldbefreiung nach ausländischem Vorbild geschaffen werden. Ein solches Verfahren soll Anreize zur Ablösung aus der Sozialhilfe und zur Erzielung eines Einkommens schaffen, beziehungsweise bestehende Fehlanreize beseitigen.
. Parlamentarische Vorstösse
1.1.1.1 Motion 18.3510 Hêche
Mit der Motion 18.3510 Hêche «Wirtschaftliche Wiedereingliederung von Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung» vom 13. Juni 2018 wurde der Bundesrat ersucht, eine Änderung des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 ² über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vorzulegen, um Personen, die keine konkreten Möglichkeiten haben, ihre Schulden zu tilgen, eine schnelle Wiedereingliederung in die Wirtschaft zu ermöglichen. Ausserdem solle geprüft werden, ob gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden können, die unter bestimmten Bedingungen diese Personen von ihren Schulden befreien können. Die Motion 18.3510 Hêche wurde vom Ständerat am 11. September 2018 und vom Nationalrat am 4. März 2019 jeweils einstimmig angenommen. ³
² SR 281.1
³ AB 2018 S 628 f.; AB 2019 N 16
1.1.1.2 Motion 18.3683 Flach
Die Motion 18.3683 Flach «Sanierungsverfahren für Privatpersonen, bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger» verlangt vom Bundesrat das Prüfen verschiedener Varianten und die Unterbreitung einer konkreten Vorlage. Die Motion 18.3683 Flach wurde vom Nationalrat am 28. September 2018 und vom Ständerat am 19. Juni 2019 jeweils einstimmig angenommen. ⁴
⁴ AB 2018 N 1731; AB 2019 S 548
1.1.1.3 Parlamentarische Initiative 18.430 Hêche
Mit der parlamentarischen Initiative (Hêche) Levrat 18.430, «Das Entschuldungsverfahren für Privatpersonen optimieren und besser koordinieren» wird eine Revision des Nachlassvertragsrechts zugunsten von Privatpersonen vorgeschlagen. Die RK-S hat der Pa. Iv. Hêche am 17. Mai 2019, die RK-N am 14. November 2019 Folge gegeben. Am 28. November 2019 wurde die parlamentarische Initiative infolge des Ausscheidens von Ständerat Claude Hêche aus dem Parlament von Ständerat Christian Levrat übernommen. Am 29. November 2021 hat der Ständerat die Frist zur Behandlung der parlamentarischen Initiative verlängert, damit die Arbeiten mit der Umsetzung der beiden Motionen 18.3510 Hêche und 18.3683 Flach koordiniert werden können. ⁵
⁵ AB 2021 S 1104 f.
1.1.2 Handlungsbedarf
1.1.2.1 Lücken und Fehlanreize im geltenden Recht
Der Bundesrat hat in seinem Bericht «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 die bestehenden Instrumente im geltenden Recht eingehend analysiert und dabei - im Einklang mit der herrschenden Lehre - verschiedene Lücken und Fehlanreize festgestellt.
Pfändung
Gegen Privatpersonen wird die Betreibung in der Regel auf dem Weg der Pfändung durchgeführt (Art. 42 Abs. 1 SchKG). Auf Begehren eines Gläubigers werden einzelne Vermögenswerte des Schuldners amtlich beschlagnahmt und später verwertet. Das Pfändungsverfahren wird auch als Spezialexekution bezeichnet, da alle Gläubiger grundsätzlich unabhängig voneinander vorgehen und in das Vermögen der Betriebenen einzeln vollstrecken. Die Pfändung hat dabei einzig die Befriedigung der antragsstellenden Gläubiger zum Zweck und ist nicht auf eine Sanierung des Schuldners ausgerichtet. In der Praxis gibt es kaum mehr Sachpfändungen, sondern fast ausschliesslich Lohnpfändungen. Diese können jährlich erneut ausgesprochen werden und sind damit von faktisch unbestimmter Dauer . ⁶ Wegen der knappen Berechnung des Existenzminimums, das gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts die Steuern nicht umfasst, kommen in der Regel während des Zeitraums, in dem «alte» Schulden durch die Pfändung abgebaut werden, «neue» Schulden hinzu. ⁷ Ein Schuldenabbau ist damit in den meisten Fällen auf lange Sicht nicht möglich.
Nachlassverfahren und einvernehmliche private Schuldenbereinigung
Die einvernehmliche private Schuldenbereinigung nach Artikel 333 ff. SchKG setzt die Zustimmung aller Gläubiger voraus. Sogar bei eigentlich sanierungsfähigen Schuldnern reicht es aus, dass ein Gläubiger den Verzicht auf einen Teil seiner Forderung verweigert. ⁸ Auch das gerichtliche Nachlassverfahren nach Artikel 293 ff. SchKG , welches eine Schuldbefreiung auch gegen den Widerstand einzelner Gläubiger ermöglicht, setzt voraus, dass der Schuldner zumindest die Verfahrenskosten decken und den Gläubigern eine einigermassen attraktive Quote anbieten kann. Von natürlichen Personen wird es offenbar selten genutzt. ⁹ In der Lehre wird dies damit begründet, dass das Verfahren vor allem auf Unternehmen zugeschnitten und für Privatpersonen zu aufwendig 1⁰ und auch zu teuer 1¹ sei. Die von Artikel 305 f. SchKG verlangten Quoren sowie die Sicherstellung der privilegierten Gläubiger seien für die Schuldner zudem schwierig zu erreichen. ¹2
Privatkonkurs: Fehlanreize im geltenden Recht
Der Privatkonkurs nach Artikel 191 ff. SchKG bietet natürlichen Personen theoretisch zwar die Möglichkeit zur finanziellen Erholung und zur standesgemässen Lebensführung, eine Befreiung von ihren Schulden findet jedoch nicht statt. ¹3 Bei einer juristischen Person führt die Konkurseröffnung zur Auflösung. Nach Abschluss des Konkurses und Löschung im Handelsregister hört sie wirtschaftlich und rechtlich auf zu existieren. ¹4 Gleichzeitig erlöschen grundsätzlich auch ihre Schulden. ¹5 Natürliche Personen können dagegen für die Konkursforderungen - mit Einschränkungen - weiter belangt werden. Dies gilt sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmer (Einzelfirmen, abhängig von der Rechtsform auch Gesellschafter). Alle Gläubiger erhalten für den in der Betreibung nicht gedeckten Teil ihrer Forderungen einen Konkursverlustschein (Art. 265 Abs. 1 SchKG). Die Verlustscheinsforderung unterliegt einer Verjährung von 20 Jahren (Art. 149 a Abs. 1 SchKG), wobei die Verjährung jederzeit nach den Regeln von Artikel 135 Obligationenrecht (OR) ¹6 unterbrochen werden kann. ¹7
Nach Abschluss des Konkurses können die Schuldner für die Konkursforderungen wieder betrieben werden, wenn sie zu neuem Vermögen gekommen sind (Art. 265 Abs. 2 SchKG). Der Schuldner, der sich einer Betreibung aus Konkursverlustschein gegenübersieht, kann mittels Rechtsvorschlags geltend machen, dass er über kein neues Vermögen verfügt. Das Gericht am Betreibungsort entscheidet über die Einrede im summarischen Verfahren (Art. 251 Bst. d Zivilprozessordnung [ZPO] vom 19. Dezember 2008 ¹8 ). In diesem Verfahren gilt gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts der Schuldner als klagende Partei , von der das Gericht einen Kostenvorschuss verlangen kann. ¹9
Das Einkommen eines Schuldners gilt dann als vermögensbildend, wenn es neben den Kosten für die standesgemässe Lebensführung eine Sparquote erlaubt. 2⁰ Die Betreibung kann nur in dem Umfang, in dem neues (allenfalls hypothetisches ) Vermögen festgestellt wurde, fortgesetzt werden. Die anschliessende Pfändung richtet sich aber nach den Artikeln 92 ff. SchKG, das heisst, der Schuldner haftet mit allem (noch) vorhandenen Vermögen bis auf das übliche betreibungsrechtliche Existenzminimum. 2¹ Der Mechanismus der Einrede fehlenden neuen Vermögens bietet für die Schuldner somit keine Anreize, ihre wirtschaftliche Erholung mit voller Kraft voranzutreiben . 2² Wird ihr Einkommen als vermögensbildend eingestuft, können für die Konkursforderungen wieder Pfändungen bis auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum ausgesprochen werden.
Bedeutungsverlust des Privatkonkurses in den letzten Jahren
Zu den festgestellten Defiziten des Privatkonkurses kommt hinzu, dass Gesuche um Konkurseröffnung gemäss Artikel 191 SchKG aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichts in einzelnen Kantonen fast nicht mehr bewilligt werden. ²3 Das Bundesgericht verweigert seit längerem in Fällen, in denen das Konkursverfahren mangels verwertbarer Aktiven sogleich wieder eingestellt werden müsste (Art. 230 Abs. 1 SchKG), die unentgeltliche Rechtspflege. ²4 Es fehle in solchen Fällen wegen Aussichtslosigkeit an einem Rechtsschutzinteresse. In einem Leitentscheid aus dem Jahr 2007 hat das Bundesgericht ausgeführt, der Zweck des Konkursverfahrens liege in der Gleichbehandlung der Gläubiger und nicht in der Befreiung der Schuldner. ²5 In zwei nicht in der amtlichen Sammlung der Bundesgerichtsentscheide publizierten Entscheiden aus den Jahren 2015 und 2016 wurden die Begehren von Schuldnern, die über keinerlei Aktiven verfügten, welche den Gläubigern hätten verteilt werden können, als rechtsmissbräuchlich beurteilt. ²6 In einem weiteren Leitentscheid aus dem Jahr 2018 beurteilte das Bundesgericht das Ziel eines Schuldners, die Pfändung seiner Rente zugunsten eines einzelnen Gläubigers aufheben zu lassen, als rechtsmissbräuchlich, und dies unerheblich davon, ob der Schuldner noch über gewisse Aktiven verfügte. ²7 Betroffen war ein Rentner, der die Ratenzahlungen für einen Kredit über 105 000 Franken, welcher ihm ein Jahr vor seiner Pensionierung vergeben wurde, nicht begleichen konnte. Das Bundesgericht hielt fest, «[…] que la faillite volontaire prévue à l’art. 191 LP n’est pas une procédure visant à régler la problématique du surendettement des particuliers obérés.» ²8
Wie hoch das Mindestmass an verwertbarem Vermögen , das zu einem minimalen Erlös für die Gläubiger führen muss, zu bemessen ist, wurde vom Bundesgericht bisher offengelassen. In einem weiteren Entscheid aus dem Jahr 2019 wurde ein Vermögen von 640.34 Franken, welches einer Dividende von ca. einem Prozent entsprochen hätte, jedenfalls als nicht genügend beurteilt. ²9 Im gleichen Jahr wurde noch einmal in aller Deutlichkeit festgehalten, dass es das primäre Ziel des Insolvenzverfahrens nach Artikel 191 SchKG sei, den Erlös aus den schuldnerischen Vermögenswerten in gerechter Weise auf alle Gläubiger aufzuteilen. Es handle sich dabei nicht um eine private Schuldensanierung. 3⁰ Das Bundesgericht hat seither wiederholt Anträge auf Konkurseröffnung, bei Schuldnern, die den Gläubigern keine substanzielle Dividende anbieten konnten, als rechtsmissbräuchlich beurteilt, zuletzt bei einer Schuldnerin mit geschätzten Aktiven von 80 300 Franken und Schulden von über einer halben Million Franken. 3¹
Diese jüngeren Urteile werden in der Lehre als Verschärfung der Rechtsprechung wahrgenommen, hat das Bundesgericht doch früher nur verlangt, dass genug Mittel vorhanden sein müssen, um die Kosten des summarischen Verfahrens zu decken. 3² Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Privatkonkurs nach Artikel 191 SchKG den Zweck, natürlichen Personen eine Sanierung ihrer Verhältnisse zu ermöglichen, gegenwärtig nicht erfüllen kann. Es ist nämlich kaum vorstellbar, wie jemand, dessen Vermögen bereits mehrfach gepfändet wurde, je über Aktiven, welche gleichmässig an die Gläubiger verteilt werden können, verfügen sollte. Ein Eingreifen des Gesetzgebers scheint damit notwendig .
Zwischenfazit: Gleichgewicht der Unzufriedenheit
Der Bundesrat ist in seinem Bericht zum Schluss gekommen, dass die bestehenden gesetzlichen Instrumente sowohl aus Schuldner- als auch aus Gläubigersicht Mängel aufweisen. 3³ Das geltende Recht hält gerade für hochverschuldete oder mittellose Privatpersonen keine Möglichkeit bereit, um ihre Finanzen nachhaltig zu sanieren. ³4 Viele der Betroffenen haben keine realistischen Aussichten darauf, je wieder schuldenfrei zu leben. Die Schuldner haben somit keinen Anreiz , ein (höheres) Erwerbseinkommen zu erzielen.
Zugleich haben in der Regel auch die Gläubiger wenig Aussichten auf Erfüllung ihrer Forderungen. Das Einkommen von Konkursschuldnern, welches unter der Schwelle der Vermögensbildung bleibt, ist den Gläubigern ab dem Moment der Konkurseröffnung entzogen, sieht das Schweizer Privatkonkursverfahren doch keinen Einbezug des laufenden oder künftigen Lohnes vor. Die Betreibung von Konkursforderungen ist für die Gläubiger auch mit Aufwand und finanziellen Risiken verbunden, tragen sie, wenn der Schuldner mit der Einrede fehlenden neuen Vermögens durchdringt, doch die Verfahrens- und Parteikosten. In der Lehre wird insofern von einem «Gleichgewicht der Unzufriedenheit» gesprochen. ³5
Schliesslich ist auch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger bei natürlichen Personen als Schuldnern nur ungenügend gewahrt. Das einzige Generalexekutionsverfahren, der Privatkonkurs, kann nur selten eröffnet werden und führt zu Verlustscheinen. Wollen die Gläubiger später ihre Forderungen durchsetzen, müssen sie dies wiederum in einzelnen Spezialexekutionsverfahren tun.
⁶
Meier I. / Hamburger
, SJZ 2014, 94; CR LP-
Ochsner,
Art. 93 N 151.
⁷ Vgl.
Meier I. / Hamburger
, SJZ 2014, 95; CR LP-
Ochsner,
Art. 93 N 151.
⁸ Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.4.
⁹ Vgl.
Grundlehner
, «Machen Sie es wie die Swissair», NZZ vom 21. September 2015, 29; Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.4.
1⁰
Amonn/Walther
, § 57 N 1;
Meier I./Hamburger
, SJZ 2014, 95;
Roncoroni
, SozialAktuell 2013, 24;
Lorandi,
AJP 2009, 566;
Meier B
. , Restschuldbefreiung, 16.
1¹
Meier I. / Hamburger
, SJZ 2014, 95;
Roncoroni
, SozialAktuell 2013, 24;
Lorandi,
AJP 2009, 566;
Meier B
. , Restschuldbefreiung, 16.
¹2
Meier B.
, Restschuldbefreiung, 16.
¹3 Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.2.
¹4
Amonn/Walther
, § 41 N 3.
¹5 Vgl. zur Verhinderung von Missbrauch die Arbeiten zur Mo. 11.3925 Hess (Missbrauch des Konkursverfahrens verhindern) unter
www.bj.admin.ch
>
Wirtschaft
>
Laufende Rechtsetzungsprojekte
> Missbrauch des Konkursverfahrens verhindern.
¹6 SR 220
¹7 Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 8. Mai 1991, BBl 1991 III 1 ff., 104.
¹8 SR 272
¹9 BGE 139 III 498 E. 2
2⁰ BGE 135 III 424 E. 2.1
2¹ BGE 136 III 51 E. 3.3
2²
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.2.3.4. mit Nachweisen.
²3 Vgl. die Statistik «Eröffnungen von Konkursverfahren nach Grossregionen und Kantonen» > Nicht im Handelsregister eingetragene Personen > Andere Personenkonkurse (gemäss SchKG), abrufbar unter:
www.bfs.admin.ch
> Statistiken finden > 06 - Industrie, Dienstleistungen > Unternehmen und Beschäftigte > Unternehmensdemografie > Betreibungen und Konkurse > Tabellen.
²4 Vgl. BGE 133 III 614 E. 6; BGE 119 III 113 E. 3.b
²5 BGE 133 III 614 E. 6.1.2
²6 Vgl. Urteile des Bundesgerichts 5A_915/2014 vom 14. Januar 2015 E. 5.1 und 5A_78/2016 vom 14. März 2016 E. 3.1 ff.
²7 BGE 145 III 26
²8 BGE 145 III 26 E. 2.2
²9 Urteil des Bundesgerichts 5A_819/2018 vom 4. März 2019, E. 2.4.2.
3⁰ Urteil des Bundesgerichts 5A_433/2019 vom 26. September 2019 E. 4.1.
3¹ Urteil des Bundesgerichts 5A_170/2024 vom 18. Juni 2024 E. 3.1 ff.; s. auch Urteil des Bundesgerichts 5A_161/2023 vom 18. August 2023 E. 2.1 ff.
3² Vgl. BGE 119 III 113 E. 3.b;
Mercier/Kammermann
, plädoyer 5/16, 38 ff.
3³ Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.4.
³4 Vgl.
Meier I. / Hamburger
, SJZ 2014, 100; BSK SchKG-
Brunner/Boller/Fritschi,
Art. 191 N 16a ff.
³5
Lorandi
, AJP 2009, 569.
1.1.2.2 Regulierungsfolgenabschätzung und rechtstatsächliche Untersuchungen zur heutigen Lage verschuldeter natürlicher Personen in der Schweiz
Ausgangslage
Dass eine Schuldbefreiung für die betroffenen Schuldnerinnen und Schuldner eine grosse Erleichterung darstellen würde, ist unbestritten. Der Bundesrat hat jedoch stets betont, dass mit einem neuen Sanierungsverfahren die Interessen der öffentlichen Hand und der übrigen Gläubiger nicht zu stark belastet werden dürfen. ³6 Das Finden eines Interessenausgleichs entspricht auch dem Auftrag des Parlaments. ³7 Um von der aktuellen Lage ein besseres Bild zu haben und damit auch besser abschätzen können, welche Auswirkungen die Einführung eines Verfahrens zur Schuldbefreiung haben könnte, wurden bereits vor der Vernehmlassung zwei rechtstatsächliche Untersuchungen erstellt. ³8 Für die Botschaft wurden die vorliegenden Untersuchungen mit einer dritten Studie zu einer vertieften Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) vervollständigt. ³9
Untersuchung zum Umgang mit Verlustscheinen
Die Untersuchung sollte klären, was die Gläubiger mit der neuen Möglichkeit zur Restschuldbefreiung verlieren könnten. Dazu sollte eine Schätzung angestellt werden, in wie vielen Fällen nach der heutigen Rechtslage eine nochmalige Geltendmachung von Forderungen, für welche bereits ein Verlustschein ausgestellt wurde, für die Gläubiger aussichtsreich ist und mit welchem Aufwand diese nachträgliche Geltendmachung heute verbunden ist. Fokussiert wurde damit auf die Langzeitgeltendmachung von Forderungen gegenüber überschuldeten, erfolglos gepfändeten Privatpersonen, welche potenzielle Adressaten der neuen Verfahren wären. Da ein grosser Teil der Verlustscheinsbewirtschaftung ausserhalb des Betreibungsverfahren erfolgt, wurde der Weg einer qualitativen Studie mit leitfadengestützten Interviews gewählt, um mit vertretbarem Aufwand zu repräsentativen Einschätzungen und Ergebnissen zu gelangen. Befragt wurden besonders betroffene Gläubiger (Inkassounternehmen, Steuerämter, Krankenkassen, Alimenteninkassostellen, Banken, Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehabgaben) sowie Schuldenberatungsstellen und Betreibungs- und Konkursämter. Für die Untersuchung wurden auch vorhandene Statistiken und relevante Literatur ausgewertet. Der Schlussbericht vermittelt ein grobes Bild zur Bewirtschaftung und zum Restwert von Verlustscheinsforderungen.
Gemäss Bericht haben 6 Prozent der Privatpersonen in der Schweiz mindestens einen Verlustschein, und die Anzahl der Verlustscheine summiert sich auf mehrere Millionen. Geschätzt wird ein Volumen von rund 20 Milliarden Schweizer Franken. Steuerschulden und ausstehende Krankenkassenprämien stellen generell die häufigsten Schuldenkategorien dar.
Die Verlustscheine werden von den Gläubigern selbst oder von professionellen Inkassobüros über einen längeren Zeitraum bewirtschaftet. So kommt die 20-jährige Verjährungsfrist von Artikel 149 a Absatz 1 SchKG nur selten zum Zug, da die Verjährung regelmässig durch Rechtshandlungen der Gläubiger, zum Beispiel das Einleiten einer neuen Betreibung, unterbrochen wird. Am erfolgversprechendsten ist von den befragten Gläubigern das Einbringen der Forderung im Zeitraum von drei bis acht Jahren nach Ausstellen des Verlustscheins beurteilt worden, da sich der Schuldner in dieser Phase allenfalls wirtschaftlich erholt habe. Mehr als acht Jahre nach Ausstellung des Verlustscheins tendierten die Rückzahlungschancen dagegen wieder gegen Null . Der Wertverlauf der Verlustscheinsforderungen folgt damit einer liegenden S-Kurve: In den Jahren, welche direkt auf die Ausstellung des Verlustscheins folgen, weisen sie einen geringen Wert auf, da der Schuldner sich zunächst wieder wirtschaftlich erholen muss. Darauf folgt ein linearer Wertzuwachs mit einer anschliessenden Abnahme zwischen dem dritten und achten Jahr nach Ausstellung des Verlustscheins. Danach tendiert der Wert des Verlustscheins gegen null. Zwar kann es auch später noch zu Rückzahlungen kommen, jedoch mit geringer Wahrscheinlichkeit.
Der Wert der Verlustscheine über den gesamten Bearbeitungszeitraum wird je nach Portfolio und Bewirtschaftungsintensität unterschiedlich beurteilt. Der Verband der Inkassounternehmen (Inkasso Suisse, ehemals vsi) gab an, dass auf rund 60 Prozent der Verlustscheine nie eine Rückzahlung erzielt werde. Eine vollständige Rückzahlung erfolge in 12 Prozent der Fälle . Die durchschnittliche Rückzahlung über alle Verlustscheine und die gesamte Bewirtschaftungsdauer liegt bei 17 Prozent der ursprünglichen Verlustscheinsforderung. Der Bericht von Ecoplan legt auch dar, dass die aus Sicht der Gläubiger wirtschaftlich sinnvolle lange Bearbeitungsdauer aus Sicht der Schuldner eine lange, psychisch und praktisch belastende Lebensphase darstellt.
Untersuchung zu den Effekten eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner
Thema dieser Untersuchung waren die Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner und deren Quantifizierung. Dabei wurden sowohl die direkten Effekte auf die Schuldner, zum Beispiel auf die Gesundheit oder die Arbeitsmarkt integration , als auch die indirekten Effekte auf den Staat in Form von geringeren Ausgaben für Sozialhilfe oder Übernahme von Krankenkassenbeiträgen und erhöhten Einnahmen bei Steuern angesprochen.
Auch für diese Untersuchung wurden qualitative leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und Experten geführt. Diese taten sich jedoch schwer damit, Einschätzungen zu den Effekten abzugeben. Es wurde darauf hingewiesen, dass vieles einerseits von der Ausgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens abhänge, andererseits aber auch von anderen Faktoren wie einer beratenden Begleitung der Schuldnerin oder des Schuldners oder einer Arbeitsmarktintegration, welche eine nachhaltige Sanierung der finanziellen Lage erst möglich machen würden.
Für die Untersuchung wurden Schätzungen anhand von verschiedenen Schuldnerkategorien gemacht. Am grössten und positivsten wurde dabei der Effekt bei Schuldnern eingeschätzt, die keine oder keine genügend hohe Quote anbieten können oder eine ungünstige Gläubigerkonstellation haben, ansonsten jedoch über stabile Verhältnisse verfügen. Ebenfalls ein grosser positiver Effekt sei bei zahlungsunfähigen Einzelunternehmern zu erwarten. Diese hätten zum Teil aus ihrer ehemaligen Unternehmenstätigkeit hohe Schulden , was die Arbeitsmotivation reduziere. Bei jungen Erwachsenen könne die Restschuldbefreiung den Start ins Erwachsenen- und Berufsleben erleichtern, wenn durch bestimmte Ereignisse früh im Leben bereits beträchtliche Schulden bestehen. Wo es sich hingegen um kleinere Konsumschulden handle, stehe bei dieser Gruppe die Chance gut, dass diese im Erwerbsleben zurückbezahlt werden können. Bei Schuldnerinnen und Schuldnern im Rentenalter seien die Effekte aus gesellschaftlicher Sicht weniger ausgeprägt als bei jungen Schuldnern, da es keine Auswirkungen auf das Erwerbsleben gebe. Schliesslich sei die Situation bei verschuldeten Personen mit Sozialhilfebezug besonders komplex . Die Verschuldung sei meistens nur eines von verschiedenen Problemfeldern . Um sich aus der Sozialhilfe zu befreien, sei neben einer Entschuldung meist zwingend auch eine Veränderung in der Erwerbssituation notwendig. Aus gesellschaftlicher Sicht könne das Verfahren gewissen Personen helfen, sich wieder einzugliedern und sich aus der Sozialhilfe zu befreien . Bei der Mehrheit der Betroffenen dürfe dies allein aufgrund des Restschuldbefreiungsverfahrens jedoch nicht gelingen. Hier sei das Restschuldbefreiungsverfahren nur einer von mehreren Faktoren , welche zu einer nachhaltigen Stabilisierung beitragen. Hingegen seien die gesundheitlichen Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens bei dieser Personengruppe nicht zu unterschätzen.
Insgesamt kam die Untersuchung zum Schluss, dass sich eine Entschuldung nicht nur auf die entschuldete Person selbst, sondern auch auf ihr nächstes Umfeld positiv auswirken würde. So habe ein Restschuldbefreiungsverfahren das Potenzial , gewissen Schuldnertypen, die aktuell keinen Zugang zu Entschuldungsmöglichkeiten haben, einen Neubeginn zu ermöglichen, was zu positiven persönlichen und gesamtgesellschaftlichen Effekten führen würde.
Vertiefte RFA
Mit der Durchführung der vertieften RFA wurde BSS Volkswirtschaftliche Beratung beauftragt. Dabei sollte namentlich der bisher nicht vertiefte Punkt der Kosten, die für die öffentliche Hand durch das Schaffen neuer Aufgaben und die zumindest teilweise Übernahme der Verfahrenskosten entstehen, vertieft untersucht und dem Nutzen eines finanziellen Neustarts für dauerhaft zahlungsunfähige Schuldner gegenübergestellt werden. Auch wurden die Auswirkungen auf die Gläubiger und Schuldner aufgrund der Weiterentwicklung der Revisionsvorlage vervollständigt, aktualisiert und zu einer vertieften RFA komplettiert. 4⁰
In der vertieften RFA wurden die Notwendigkeit staatlichen Handelns und die Alternativlosigkeit einer nachhaltigen Entschuldungsmöglichkeit bestätigt. 4¹ Die RFA hat in Bezug auf die Auswirkungen der beiden vorgeschlagenen Verfahren folgendes ergeben:
Das vereinfachte Nachlassverfahren bringe prozessuale Vereinfachungen mit sich, die sowohl für die Schuldner als auch für die Gläubiger und Behörden die Kosten reduzieren dürften. Insgesamt werde eine geringe Anzahl vereinfachter Nachlassverfahren erwartet, wodurch auch die gesamthaften Auswirkungen gering bleiben dürften.
Das Sanierungskonkursverfahren weise insgesamt eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz auf. Namentlich sei auf Seiten des Staates bzw. der Steuerzahlenden mit sinkenden Sozialausgaben und erhöhten Steuereinnahmen zu rechnen. Die ebenfalls beim Staat anfallenden Kosten (Verfahrenskosten, Kosten für eine begleitende Schuldenberatung, Forderungsausfälle) würden gemäss den Schätzungen von BSS deutlich überkompensiert . Auch für Schuldnerinnen und Schuldner, die sich in Zukunft nachhaltig entschulden könnten, resultiere ein positiver Nutzen.
Für die Konkursgläubiger - namentlich für solche ohne Konkursprivileg (mit sog. Forderungen dritter Klasse) - sei im Sanierungskonkurs ein geringer Verlust zu erwarten. Wie hoch dieser letztlich ausfalle, hänge insbesondere von der Höhe der Verfahrensgebühren ab.
³6 Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 7.
³7 Vgl. die Begründung zur Mo. 18.3683 Flach «Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger».
³8 Abrufbar unter:
www.bj.admin.ch
> Wirtschaft > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Sanierungsverfahren für natürliche Personen.
³9 BSS Volkswirtschaftliche Beratung, RFA: Sanierungsverfahren für natürliche Personen vom 19.09.2024, abrufbar unter:
www.bj.admin.ch
> Wirtschaft > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Sanierungsverfahren für natürliche Personen.
4⁰ S. Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Zusammenfassung.
4¹ S. Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 2 und 3.
1.1.3 Ausarbeitung des Entwurfs
Die Verwaltung hat zur Unterstützung bei der Ausarbeitung des Entwurfs und der Botschaft eine Expertengruppe eingesetzt und im Rahmen von mehreren Gesprächsrunden konsultiert . Der Entwurf drückt nicht die persönliche oder gemeinsame Sicht der zurate gezogenen Expertinnen und Experten aus, auch wenn die Diskussionen mit ihnen selbstverständlich zu den Überlegungen der Verwaltung und des Bundesrates entscheidend beigetragen haben. Die Expertengruppe setzte sich aus den folgenden Personen zusammen (in alphabetischer Reihenfolge):
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Yves de Mestral, Stadtammannamt und Betreibungsamt Zürich 03, Vertreter der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, Bereich Betreibungen;
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Prof. Dr. Tanja Domej, Universität Zürich;
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Dr. Matthias Häuptli, Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt, Vertreter der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, Bereich Konkurse;
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Dr. Markus Hess, Verband Konsumfinanzierung Schweiz (KFS), ehem. Schweizerischer Leasingverband (SLV);
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Prof. Dr. Ingrid Jent-Sørensen, ehem. Obergericht Zürich, Universität Zürich, Vertreterin der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richter (SVR-ASM);
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Rémy Kammermann, Centre Social Protestant de Genève, Haute école de Travail social de Genève, Vertreter des Dachverbands Schuldenberatung Schweiz;
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Prof. Dr. Isaak Meier, Universität Zürich, Rutschmann Schwaibold Partner Rechtsanwälte;
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Patrik Odermatt, Kaiser Odermatt & Partner AG, Vertreter Inkasso Suisse;
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Pascal Pfister, Geschäftsleiter des Dachverbands Schuldenberatung Schweiz;
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Daniele Scaiotti, Cornèr Bank AG, Vertreter Swiss Payment Association (SPA);
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Prof. Dr. Daniel Staehelin, Kellerhals Carrard, Universität Basel.
1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung
Im Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 wurden bereits Präferenzen für eine Kombination von zwei verschiedenen Instrumenten geäussert: eines Zwangsvergleichs für sanierungsfähige Schuldner mit regelmässigem Einkommen und eines amtlich begleiteten gesetzlichen Abschöpfungsverfahrens mit anschliessender Restschuldbefreiung. Dennoch wurden noch einmal verschiedene Alternativen geprüft.
1.2.1 Keine Modifikation des geltenden Privatkonkurses
Der Bundesrat hat bereits in seinem Bericht von 2018 die Ansicht geäussert, dass das geltende Konkursverfahren weniger gut geeignet sei, den Bedürfnissen privater Schuldner und ihrer Gläubiger zu entsprechen, als es ein Abzahlungsverfahren (mit Vermögensverwertung) wäre. 4² Dennoch wurde noch einmal geprüft, ob eine einfache Änderung der Bestimmungen zum Privatkonkurs, welche bewirken würde, dass Schuldner wieder leichter zu einem Konkursverlustschein gelangen können, angezeigt wäre. Die Anpassung der Eintrittsschwelle liesse sich mit weiteren gesetzlichen Änderungen verbinden, um die Lage der Schuldnerinnen und Schuldner zu verbessern. So könnte für die Verlustscheine eine kürzere Verjährungsfrist - zum Beispiel von zehn Jahren - eingeführt werden, welche nicht mehr unterbrochen werden könnte. Weiter könnte auch der Begriff des neuen Vermögens (Art. 265 Abs. 2 und Art. 265 a SchKG) so angepasst werden, dass schweizweit eine einheitliche Berechnungsgrundlage vorliegt und die Fallstricke der heutigen uneinheitlichen Praxis 4³ umgangen würden. Schliesslich könnte vorgesehen werden, dass das Vorliegen neuen Vermögens von Amtes wegen geprüft werden müsste und bei der Pfändung für eine Konkursverlustscheinsforderung ein erhöhtes Existenzminimum (auf Grundlage des Budgets zur Berechnung des neuen Vermögens) angewendet würde. Dies hätte faktisch - wenn auch nicht rechtlich - in vielen Fällen eine Schuldbefreiung für Konkursforderungen zur Folge. Entsprechende Änderungswünsche wurden auch in der Vernehmlassung von verschiedener Seite vorgebracht.
Aufgrund der festgestellten Fehlanreize 4⁴ im Zusammenhang mit dem neuen Vermögen und der fehlenden Verbesserung der Gläubigersituation hält der Bundesrat die Öffnung des Privatkonkurses jedoch nach wie vor nicht für eine gute Lösung. Mit Eröffnung des Konkurses wird das Einkommen des Schuldners den Gläubigern automatisch entzogen (Art. 206 SchKG). Wollen diese später ihre Forderung wieder geltend machen, müssen sie den Weg der Spezialexekution, mit allen damit verbundenen Risiken, beschreiten. Der Schuldner dagegen müsste sich bei Herabsetzen der Eintrittsschwelle lediglich für zahlungsunfähig erklären und würde damit faktisch - zumindest für absehbare Zeit - von den Konkursforderungen befreit, ohne weitere Anforderungen erfüllen zu müssen. Die Befreiung hielte so lange an, wie der Schuldner nicht zu neuem Vermögen gelangt ist, womit er davon abgehalten wird, seine wirtschaftliche Erholung mit voller Kraft voranzutreiben.
Eine Schuldbefreiung nach einem mehrjährigen Abzahlungsverfahren , bei dem laufend überprüft wird, ob der Schuldner keine neuen unverhältnismässigen Verbindlichkeiten eingeht und bei dem sich zeigt, ob der Schuldner mehrere Jahre mit einem knappen Budget haushalten kann, scheint dagegen nachhaltiger. Auch können die Gläubiger auf diese Weise automatisch über mehrere Jahre von sämtlichem generierten Einkommen und von allem anfallenden Vermögen profitieren . Die Gläubiger würden nicht mehr einzeln in das Vermögen des Schuldners vollstrecken und stünden im Wettbewerb miteinander, sondern würden bis zum Ende der Abschöpfungsphase gleichbehandelt. Für alle Beteiligten bestünden damit amtlich begleitete, geregelte Verhältnisse. Der Bundesrat zieht das vorgeschlagene neue Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen damit dem einfachen Privatkonkurs für die Sanierung von natürlichen Personen vor. Um keine Wertungswidersprüche zu verursachen oder neue falsche Anreize zu setzen, sieht er auch davon ab, gleichzeitig eine Modifikation des Privatkonkurses vorzuschlagen. Die Bestimmungen des Privatkonkurses werden von der vorliegenden Revision deshalb nicht berührt . Es wird sich in der Praxis zeigen, ob sie weiterhin einen Anwendungsbereich haben.
4² Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 7.
4³ Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.2.3.3.
4⁴ Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.2.3.4 und oben Ziff. 1.1.3.1
1.2.2 Verzicht auf Möglichkeit einer sofortigen Schuldbefreiung für «aussichtslose Fälle»
Geprüft wurde weiter eine sofortige Schuldbefreiung für «aussichtslose Fälle», zum Beispiel, wenn aufgrund Alter, Krankheit oder anderer Begebenheiten die Erzielung einer pfändbaren Quote auf Dauer nicht realistisch erscheint. In diesen Fällen ist die Durchführung eines mehrjährigen Verfahrens auf den ersten Blick nicht sinnvoll, werden dadurch doch allenfalls unnötige Kosten generiert. Auch für die Betroffenen könnte es vorteilhafter sein, sofort von ihren Schulden entlastet zu werden.
Gegen das Vorsehen einer sofortigen Schuldbefreiung für «aussichtslose» Fälle spricht jedoch, dass die Definition der Aussichtslosigkeit und die dafür notwendige Prognose im Einzelfall schwierig wären. Es scheint kaum wünschbar, dass eine staatliche Stelle die Schuldnerinnen und Schuldner in aussichtlose und aussichtsreiche Fälle unterteilt. Zu befürchten sind auch Fehlanreize , die entstehen, wenn bei einer Verschlechterung der Lage eine sofortige Schuldbefreiung möglich wäre. Dies könnte die Akzeptanz des strengeren Verfahrens mit mehrjähriger Abzahlungsphase gefährden. Schliesslich wird in der rechtsvergleichenden Literatur der Lerneffekt von Systemen mit Abzahlungsplänen betont. ⁴5 Indem Schuldner mehrere Jahre auf einen Teil des (zumindest potenziellen) Einkommens verzichten und einen Abzahlungsplan einhalten müssen, werde ihnen automatisch ein verantwortungsvoller Umgang mit ihren Finanzen vermittelt. Indem sie den Schuldnern etwas abverlangen, würden solche Systeme auch als gerechter empfunden und deshalb besser akzeptiert. ⁴6 Die Nachteile einer sofortigen Schuldbefreiung für «aussichtslose» Fälle können somit die Vorteile nicht aufwiegen .
⁴5 Vgl.
Kilborn
, Emory Bankruptcy Development Journal Vol. 22 (2005), 29; s. auch
Kilborn/Garrido/Booth/Niemi/Ramsay
, World Bank Report on the Treatment of the Insolvency of Natural Persons, Rz. 443.
⁴6
Kilborn
, Emory Bankruptcy Development Journal Vol. 22 (2005), 31.
1.2.3 Kein Eingriff in die geltende Privilegienordnung
Aus Expertensicht wurde eine Anpassung der geltenden Konkursprivilegien , welche auch im Nachlassverfahren berücksichtigt werden, gefordert. Diese Forderung wurde auch in der Vernehmlassung verschiedentlich vorgebracht. Zu den privilegierten Gläubigern gehören namentlich Arbeitnehmer, Personen mit familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsansprüchen (Art. 219 Abs. 4, Erste Klasse, i.d.R. für Forderungen, die in den letzten sechs Monaten entstanden sind) sowie die Krankenkassen (Art. 219 Abs. 4, Zweite Klasse Bst. c SchKG). Im Nachlassverfahren muss die Erfüllung der privilegierten Forderungen für die Annahme eines Nachlassvertrags hinlänglich sichergestellt sein, sofern nicht einzelne Gläubiger ausdrücklich auf die Sicherstellung ihrer Forderungen verzichten (Art. 306 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). In der Regel bedeutet dies, dass die Mittel zur Deckung der privilegierten Forderungen bei Annahme des Nachlassvertrags grundsätzlich bereits vorhanden sein müssen. Die privilegierten Forderungen werden für die Quoren, welche zur Bestätigung des Nachlassvertrages nötig sind, entsprechend nicht mitgerechnet (Art. 305 Abs. 2 SchKG). Stimmberechtigt sind die nicht privilegierten Gläubiger (Gläubiger Dritter Klasse), welche auch als einzige auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen.
Die Expertinnen und Experten wiesen darauf hin, dass die Privilegien oft aussichtsreiche Sanierungen verhinderten . Sie befürchten, dass sich dieses Problem bei Privatpersonen, bei denen ausstehende Krankenkassenprämien zu den häufigsten Verschuldungen gehören, ⁴7 akzentuieren und die Attraktivität des vorgeschlagenen vereinfach ten Nachlassverfahrens erheblich mindern könnte. Da der Staat ein erhöhtes Interesse an erfolgreichen Sanierungen habe, ⁴8 wurden aus der Expertengruppe verschiedene Änderungen an den geltenden Privilegien vorgeschlagen. Folgende Vorschläge wurde eingebracht:
-
Es solle für das vereinfachte Nachlassverfahren für Privatpersonen nur das Privileg der Ersten Klasse berücksichtigt werden.
-
Das Privileg der Gläubiger Zweiter Klasse solle, wie dasjenige der Gläubiger Erster Klasse, zeitlich begrenzt werden. Nur Forderungen, welche in den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, sollen privilegiert behandelt werden.
-
Es solle im vereinfachten Nachlassverfahren für Privatpersonen nur 50 Prozent der Dividende vorrangig zu den privilegierten Gläubigern fliessen.
Es ist daran zu erinnern, dass das Privileg der Sozialversicherungen bereits einmal abgeschafft ⁴9 und in der Folge wiedereingeführt 5⁰ wurde. Die Abschaffung erfolgte im Rahmen einer grossen Revision des SchKG, mit dem Ziel, das Konkursverfahren zu vereinfachen und der Grundidee des Konkurses, der Gleichbehandlung aller Gläubiger, Rechnung zu tragen. 5¹ Mit der parlamentarischen Initiative 99.420 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SKG-N) «Konkursprivileg und Sozialversicherungen» wurde das Privileg der Sozialversicherungen wiedereingeführt. Begründet wurde dies unter anderem mit der fehlenden Vertragsfreiheit der Sozialversicherungen . Diese garantierten eine Grundversorgung und seien von Gesetzes wegen verpflichtet, Verträge abzuschliessen. Im Gegensatz dazu können private Gläubiger die Solvabilität ihrer Vertragspartner bei Vertragsschluss berücksichtigen und sich allenfalls durch eine Vorleistungspflicht oder Sicherungsgeschäfte absichern. 5² Durch die Gleichstellung der Sozialversicherung mit anderen Gläubigern werde das Verlustrisiko auf die solventen Prämien- und Beitragszahler überwälzt und eine zusätzliche Solidaritätskomponente geschaffen. In seiner damaligen Stellungnahme hatte der Bundesrat die Wiedereinführung der Privilegien begrüsst, auch wenn sie einem modernen Konkursrecht und der Gleichbehandlung der Gläubiger widerspreche. 5³ So hatte die Abschaffung damals begonnen, sich negativ auf den Sozialversicherungshaushalt auszuwirken .
Der Bundesrat hält eine Änderung der Privilegienordnung im Rahmen des vorliegenden Projekts deshalb nicht für angemessen . Eine solch weitreichende Änderung nur für eine Personengruppe könnte zu Wertungswidersprüchen führen. Wenn eine Änderung der Privilegienordnung in Betracht gezogen werden sollte, dann müsste dies in genereller und grundsätzlicher Weise geschehen. Die Überlegungen, welche anlässlich der Wiedereinführung der Sozialversicherungsprivilegien angestellt wurden, sind dabei nach wie vor aktuell und sprechen aus Sicht des Bundesrates gegen die erneute Abschaffung der Konkursprivilegien der Sozialversicherungen.
⁴7 Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 9 f.;
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 2.4.
⁴8 Vgl. Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 9 ff.
⁴9 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs Änderung vom 16. Dezember 1994, AS 1995 1227 .
5⁰ Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) Änderung vom 24. März 2000, AS 2000 2531 .
5¹ Botschaft des Bundesrates vom 8. Mai 1991, BBl 1991 III 1 , 127 ff.
5² Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 26. März 1999, BBl 1999 9126 , 9129 .
5³ BBl 1999 9547
1.2.4 Separate Anpassung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Art. 93 SchKG) durch Einbezug der Steuern
Mit der Motion 24.3000 der Rechtskommission des Ständerates (RK-S) «Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums» wurde der Bundesrat beauftragt, verschiedene Optionen für den Einbezug der laufenden Steuern bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums zu prüfen und dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten. Die Motion geht zurück auf den Bericht «Berücksichtigung von Steuerforderungen bei der Berechnung des Existenzminimums» 5⁴ in Erfüllung des Postulates 18.4263 Gutjahr vom 1. November 2023. Der Bundesrat hatte sich darin für eine entsprechende Revision des SchKG ausgesprochen. Die Motion 24.3000 wurde vom Ständerat am 13. März 2024 5⁵ und vom Nationalrat am 27. Mai 2024 ⁵6 , jeweils ohne Gegenstimme, angenommen.
Im Postulatsbericht hat der Bundesrat zwei Lösungsansätze skizziert. Denkbar wäre zunächst eine Berechnung anhand der Quellensteuertarife. Analog zur Situation bei der Erhebung der Quellensteuer könnte der Arbeitgeber den Lohnanteil direkt an die Steuerbehörden überweisen, und zwar gestützt auf eine entsprechende Anweisung des Betreibungsamts. Möglich wäre auch, dass der Arbeitgeber neben dem gepfändeten Teil des Einkommens auch den auf die Steuern entfallenden Anteil weiterhin an das Betreibungsamt überweist und dieses daraus direkt die Steuerforderungen begleicht. Dies entspricht der kürzlich in Kraft getretenen Lösung für die Krankenkassenprämien (Art. 93 Abs. 4 SchKG). ⁵7 Dabei wäre zu akzeptieren, dass der Quellensteuertarif nur eine Annäherung an den tatsächlich geschuldeten Steuerbetrag darstellt, der im Nachhinein nur in Ausnahmefällen korrigiert wird. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, dass das Betreibungsamt einen vorläufig berechneten Steuerbetrag einzieht und treuhänderisch verwaltet. Das Betreibungsamt würde nach Vorliegen der definitiven Veranlagung die Steuern bezahlen und einen allfälligen Restbetrag an die Gläubigerinnen und Gläubiger der betreffenden Pfändungsgruppe verteilen. Diese Lösung würde zu genaueren Resultaten führen, liesse sich mit dem heute bestehenden System der einjährigen Lohnpfändung und der verschiedenen Gläubigergruppen jedoch nicht direkt in Einklang bringen und wäre nicht ohne grössere Systemumstellungen umsetzbar. Der Bundesrat hat noch keine Präferenzen für eine Lösung geäussert. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten sollen im Rahmen der Ausarbeitung der Vorlage sorgfältig und unter Beizug von Expertinnen und Experten gegeneinander abgewogen werden. Zudem ist eine Vernehmlassung zur gewählten Lösung durchzuführen.
Eine Anpassung von Artikel 93 SchKG im Zuge der vorliegenden Revision ist deshalb nicht angezeigt. Die erforderlichen Arbeiten und die Durchführung einer Vernehmlassung würden die Einführung der seit langem erwarteten Sanierungsmöglichkeiten für natürliche Personen ungebührlich verzögern. Ein Einbezug der laufenden Steuern in das Budget das Sanierungskonkursiten kann technisch auf andere Weise gewährleistet werden (s. Art 339 Bst. b E-SchKG und die Erläuterungen dazu unter Ziff. 5.1) und steht insofern nicht in einem zwingenden Zusammenhang zur geplanten Revision von Artikel 93 SchKG.
5⁴ Abrufbar unter:
www.parlament.ch
> Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > 18.4263 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.
5⁵ AB 2024 S 235
⁵6 AB 2024 N 810
⁵7 Änderung vom 18. März 2022 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10 ), BBl 2022 701 ; zum Gesetzgebungsprozess vgl.: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > 16.312.
1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates
Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 24. Januar 2024 ⁵8 zur Legislaturplanung 2023-2027 noch im Bundesbeschluss vom 6. Juni 2024 ⁵9 über die Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stellen eine Umsetzung parlamentarischer Vorstösse dar (siehe Ziff. 1.4.) und sind insofern zwingend erforderlich.
⁵8 BBl 2024 525
⁵9 BBl 2024 1440
1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse
Es wird beantragt, die folgenden parlamentarischen Vorstösse als erledigt abzuschreiben:
| 2019 | M | 18.3510 | Wirtschaftliche Wiedereingliederung von Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung (S 11.09.2018, Hêche; N 04.03.2019) |
| 2019 | M | 18.3683 | Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger (N 28.09.2018, Flach; S 19.06.2019) |
2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren
2.1 Vernehmlassungsverfahren
Die Vernehmlassung über den Vorentwurf für eine Revision des SchKG (Sanierungsverfahren für natürliche Personen) dauerte vom 3. Juni 2022 bis zum 26. September 2022. 6⁰ Der Bundesrat schlug die Schaffung von zwei neuen Verfahren vor: ein vereinfachtes Nachlassverfahren für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, und ein Konkursverfahren in Form eines Sanierungsverfahrens für alle natürlichen Personen.
In Situationen, in denen ein Schuldner über regelmässige Einkünfte verfügt, ist ein Zwangsvergleich - bei dem eine Gläubigermehrheit einzelne nicht-zustimmende Gläubiger binden kann - die beste Möglichkeit, um flexible Einzelfalllösungen zu finden. Um den Abschluss solcher Vereinbarungen zu erleichtern, wurde vorgeschlagen, die bestehenden Regeln des Nachlassverfahrens punktuell an die Bedürfnisse von Privatpersonen anzupassen. Für Situationen, in denen die notwendige Gläubigermehrheit nicht erreicht werden kann - namentlich bei Schuldnerinnen und Schuldnern ohne Rückzahlungsmöglichkeiten - wurde ein Auffangverfahren entworfen. Vorgeschlagen wurde ein von den Konkurs- und Betreibungsämtern begleitetes Konkursverfahren für natürliche Personen in Form eines Sanierungsverfahrens mit anschliessender Restschuldbefreiung. Im Vorentwurf war ein Übergang des Verfahrens von den Konkurs- an die Betreibungsämter vorgesehen, sobald die konkursrechtlichen Schritte des Verfahrens abgeschlossen wurden und die Abschöpfung der laufenden Einkünfte im Zentrum stehen.
In der Vernehmlassung haben 25 Kantone, 7 politische Parteien und 60 Organisationen und weitere Interessierte Stellung genommen. Insgesamt gingen damit 92 Stellungnahmen ein. 6¹
6⁰
www.fedlex.admin.ch
> Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EJPD > Vernehmlassung 2021/97.
6¹ Die Vernehmlassungsvorlage, der Erläuternde Bericht und der Ergebnisbericht sind einsehbar unter
www.fedlex.admin.ch
> Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EJPD > Vernehmlassung 2021/97.
2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens
Die Vorlage wurde im Grundsatz von der überwiegenden Mehrheit der teilnehmenden Kantone (24 von 25), Parteien (6 von 7) und Organisationen sowie weiteren Interessierten (47 von 60) begrüsst. In ihrer Gesamtheit abgelehnt wurde die vorgeschlagene Revision von einer Partei sowie 8 Organisationen und weiteren Interessierten. 6²
Das vereinfachte Nachlassverfahren für Privatpersonen wurde nur vereinzelt kritisiert und ganz überwiegend begrüsst. 6³ Viele Organisationen und weitere Interessierte haben sich zu diesem Teil der Vorlage nicht im Einzelnen geäussert.
Auch die Einführung eines Konkursverfahrens für natürliche Personen mit anschliessender Restschuldbefreiung wurde im Grundsatz von der Mehrheit der teilnehmenden Kantone (21 von 25), Parteien (6 von 7) und Organisationen sowie weiteren Interessierten (46 von 60) begrüsst. 6⁴ Grundsätzlich abgelehnt wird die Einführung eines solchen Verfahrens von 3 Kantonen, einer Partei und 9 Organisationen und weiteren Interessierten. Das vorgeschlagene Verfahren wurde aber auch von den befürwortenden Teilnehmern vielfach als aufwendig und kompliziert empfunden. Kritik und Verbesserungsvorschläge bezogen sich namentlich auf die Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens, die Länge der Fristen, die im Vorentwurf vorgesehene Aufgabenteilung zwischen Konkurs- und Betreibungsämtern und die vorgesehenen Ausnahmen von der Restschuldbefreiung. Schliesslich verlangten einige Kantone (8 von 25) sowie die Mehrheit der Parteien (5 von 7) und Organisationen und weiteren Interessierten (35 von 60) die Aufnahme einer gesetzlichen Bestimmung, mit der die Kantone zur Einrichtung von Beratungsangeboten verpflichtet werden. Damit solle eine Grundlage für eine einheitliche sozialarbeiterische Begleitung der Schuldnerinnen und Schuldner geschaffen werden.
6² Ergebnisbericht, Ziff. 3.
6³ Ergebnisbericht, Ziff. 4.1.
6⁴ Ergebnisbericht Ziff. 6.1.
2.3 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens
Der Handlungsbedarf im Bereich der verschuldeten natürlichen Personen wurde in der Vernehmlassung breit bejaht. Auch wurde die Vorlage mit den zwei neuen vorgeschlagenen Verfahren zur Sanierung von natürlichen Personen im Grundsatz von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt. Der Bundesrat hat die Arbeiten an den beiden neuen Verfahren deshalb fortgeführt und dabei verschiedene Anliegen aus der Vernehmlassung aufgenommen.
In der Vernehmlassung wurde kaum Kritik am vereinfachten Nachlassverfahren für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen geäussert und dementsprechend auch wenig zu Einzelheiten Stellung bezogen. Gewisse punktuelle Verbesserungen, welche in der Vernehmlassung vorgeschlagen wurden, wurden in die Vorlage integriert (s. dazu die Erläuterungen zu den Art. 331 a -331 g E-SchKG unter Ziff. 5.1). Die Bestimmungen zum vereinfachten Nachlassverfahren wurden zudem neu gegliedert und wo möglich vereinfacht. In der Vernehmlassung wurde vereinzelt vorgeschlagen, gewisse Vereinfachungen auch für das ordentliche Nachlassverfahren zu übernehmen, oder es wurden Änderungen vorgeschlagen, welche auch Auswirkungen auf die Bestimmungen zum ordentlichen Nachlassverfahren hätten. Der Bundesrat gibt hier jedoch zu bedenken, dass eine Revision des ordentlichen Nachlassverfahrens den Rahmen dieser Vorlage sprengen würde. Die Bestimmungen zum ordentlichen Nachlassverfahren sind auf grosse Unternehmen und Konzerne ausgerichtet, ihre Änderung würde deshalb umfangreiche zusätzliche Abklärungen und Abwägungen erfordern, welche im Rahmen dieser auf einfache Verhältnisse zugeschnittenen Vorlage nicht angemessen geleistet werden können. Das Unternehmenssanierungsrecht wurde zudem erst kürzlich revidiert. 6⁵ Änderungsvorschläge für Bestimmungen zum ordentlichen Nachlassverfahren wurden deshalb nicht übernommen.
Das vorgeschlagene Konkursverfahren für natürliche Personen in der Form eines Sanierungsverfahrens mit anschliessender Restschuldbefreiung wurde im Grundsatz zwar ebenfalls mehrheitlich begrüsst, wurde aber mehrheitlich als zu kompliziert empfunden. Im Vorentwurf war ein Wechsel der Verfahrenszuständigkeit von den Konkurs- zu den Betreibungsämtern vorgeschlagen worden. Diese vorgeschlagene Aufgabenteilung wurde in der Vernehmlassung ganz überwiegend abgelehnt. Es solle ein einziges Amt für die gesamte Dauer des Verfahrens zuständig sein bzw. die Verfahrenshoheit haben.
6⁵ AS 2013 4111 ; vgl. die Übersicht und Dokumentation unter: www.bj.admin.ch > Wirtschaft > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Abgeschlossene Rechtsetzungsprojekte > Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsverfahren).
2.4 Änderungen nach dem Vernehmlassungsverfahren
Dem Wunsch nach Vereinfachung des Sanierungskonkursverfahrens kommt der Bundesrat mit dem vorliegenden Entwurf nach. Bei dem Verfahren handelt es sich um eine Generalexekution zur Gesamtbereinigung der Schuldensituation mit Wirkung auf sämtliche Forderungen des Schuldners und damit um eine Spezialart von Konkursverfahren. Es liegt deshalb auf der Hand, das Konkursamt als verfahrensleitende Behörde vorzusehen. Auch aus gesetzgeberisch-technischer Sicht ist die Klassifikation als Konkursverfahren zielführend, da somit unzählige Verweise (im Straf-, Handelsregister- und Steuerrecht) automatisch gelten und nicht angepasst werden müssen. Trotz dieser Klassifikation soll es den Kantonen jedoch möglich sein, das Betreibungsamt als verfahrensführendes Amt vorzusehen. Die Bezeichnung des zuständigen Amts wird der Verfahrenshoheit der Kantone überlassen (Art. 341 Abs. 1 E-SchKG).
Der in der Vernehmlassung vorgeschlagene sperrige Titel des neuen Verfahrens soll durch « Sanierungskonkurs für natürliche Personen » ersetzt werden. Neben diesen technischen Änderungen des Verfahrens wurden im Zuge des Vernehmlassungsergebnisses in folgenden Punkten Anpassungen vorgenommen:
-
Schärfung des Adressatenkreises des Sanierungskonkurses: Dass der Adressatenkreis im Gesetz klarer zu definieren sei, wurde in der Vernehmlassung von verschiedener Seite vorgebracht. So wurde von vielen Vernehmlassungsteilnehmenden verlangt, dass klargestellt werden müsse, dass das Verfahren auch Personen ohne abschöpfbare Quote offenstehe. Es besteht von anderer Seite aber auch die Angst vor einer zu starken Öffnung des Verfahrens. Über die klarere Definition des Begriffs der «dauernden Zahlungsunfähigkeit» und die Einführung eines zwingenden Einigungsversuchs mit den Gläubigern für Schuldner mit Anwartschaften sowie Schuldner, die sich in einer vorübergehenden Lebensphase mit geringem Einkommen befinden (z. B. infolge Elternschaft oder Weiterbildung), sollen Missbräuche verhindert werden. Für Schuldner mit aktuellen oder zukünftigen substanziellen Rückzahlungsmöglichkeiten ist das vereinfachte Nachlassverfahren das Verfahren der Wahl, um eine Sanierung unter angemessener Berücksichtigung der Gläubigerinteressen zu erreichen.
-
Anpassung der Fristen: Die vorgeschlagene Dauer der Abschöpfung von vier Jahren wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich als zu lange empfunden und soll deshalb auf drei Jahre verkürzt werden. Die Erfahrungen aus dem Ausland, wo Verfahren gekürzt wurden, um die Quote der erfolgreichen Abschlüsse zu erhöhen, dürfen nicht ausser Acht gelassen werden. Eine Reihe von Kantonen und Organisationen sprach sich zudem für eine Verkürzung der Sperrfrist für die erneute Einleitung eines Sanierungskonkursverfahren nach erteilter Restschuldbefreiung von fünfzehn auf zehn Jahre aus, dies ebenfalls mit Blick auf vergleichbare Fristen im Ausland. Auch diesem Anliegen kommt der Bundesrat nach.
-
Berücksichtigung von ausserordentlichen Vermögensanfällen nach Verfahrensende: Einige Vernehmlassungsteilnehmende regten an, bestehende Anwartschaften oder einen ausserordentlicher Vermögensanfall nach Abschluss des Verfahrens für eine bestimmte Dauer zu berücksichtigen und den Gläubigern zukommen zu lassen. Eine solche Regelung widerspricht zwar dem Prinzip des Clean Break, kann jedoch dazu dienen, Missbräuche zu verhindern und die Akzeptanz einer Restschuldbefreiung zu erhöhen. Der Bundesrat schlägt deshalb eine Bestimmung vor, welche es erlaubt, ausserordentliche Vermögensanfälle während fünf Jahren nach Ende des Sanierungskonkursverfahrens den Gläubigern zukommen zu lassen, um deren Verluste zu mildern.
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Bereitstellen von Beratungsangeboten durch die Kantone : Die Einführung einer Bestimmung, mit der Kantone zur Bereitstellung von Begleitungs- und Beratungsangeboten verpflichtet werden, ist in der Vernehmlassung von verschiedener Seite und sehr häufig verlangt worden. Damit solle eine Grundlage für eine einheitliche sozialarbeiterische Begleitung der Schuldnerinnen und Schuldner geschaffen werden. Für den Erfolg des Verfahrens sei eine Begleitung mit Fachwissen im Bereich der Schuldenberatung und Sanierung entscheidend. Im Sinne der einheitlichen Anwendung des Bundesrechts sollen mit einer neuen Bestimmung alle Kantone verpflichtet werden, den Zugang zu öffentlichen oder privaten Beratungsstellen zu gewährleisten.
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Ausnahmen von der Schuldbefreiung : Weitgehend Einigkeit bestand in der Vernehmlassung dahingehend, dass Bussen und Geldstrafen sowie Genugtuungsforderungen nicht von der Restschuldbefreiung betroffen sein sollen. Stark kritisiert wurde jedoch die ebenfalls vorgesehene Ausnahme für sozialhilferechtliche Rückerstattungsforderungen. Dieser Vorschlag hat in der Vernehmlassung zu erheblicher Kritik - teilweise auch von Seiten der Kantone - geführt und musste deshalb neu evaluiert werden. Der Bundesrat schlägt nun vor, nur die sozialhilferechtlichen Rückerstattungsforderungen für zu Unrecht bezogene Leistungen von der Restschuldbefreiung auszunehmen.
3 Rechtsvergleich
3.1 Rechtsvergleich im Bericht «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018
Der Bundesrat hat in seinem Bericht «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 einen vertieften Rechtsvergleich zu den Rechtsordnungen von Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweden und den USA gemacht und weitere Rechtsordnungen übersichtsartig dargestellt. 6⁶ Dabei wurden auch die zu diesen Ländern verfügbaren Statistiken und empirischen Studien ausgewertet. Es hat sich dabei gezeigt, dass im Gegensatz zur Schweiz in den meisten europäischen Ländern und auch in den USA Verfahren, welche es Privaten ermöglichen, von ihren Schulden befreit zu werden, bestehen. Zwar werden diese Verfahren laufend neu austariert und sind Gegenstand häufiger Gesetzesrevisionen, sie werden im Grundsatz jedoch kaum mehr in Frage gestellt . Die verfügbaren empirischen Daten deuten darauf hin, dass die Verfahren zwar nicht alle Schuldnerinnen und Schuldner erreichen, einem Teil von ihnen aber doch einen Neustart und somit eine zweite Chance auf ein schuldenfreies Leben ermöglichen. Auch bestehen Hinweise darauf, dass diese Verfahren das Unterneh mertum fördern . Spürbare negative Auswirkungen auf die Schuldnermoral oder die Vergabe von Krediten liessen sich dagegen soweit ersichtlich keine nachweisen . ⁶7
6⁶ Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.
⁶7 Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 5.2.
3.2 Neuerungen bei Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019
⁶8
⁶8 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Massnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. L 172, 26. Juni 2019, S. 18 ff.
Die Richtlinie (EU) 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz verpflichtet die Mitgliedstaaten, für Unternehmer (inkl. natürliche Personen, die Unternehmerinnen oder Unternehmer sind) ein Verfahren, welches ihnen eine Schuldbefreiung innert drei Jahren eröffnet, vorzusehen. Die Mitgliedstaaten können die dreijährige Frist entweder ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung oder dem Beginn einer Rückzahlungsphase vorsehen. Ziel der Richtlinie ist eine umfassendere Harmonisierung des Insolvenzrechts für einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt und für eine echte Kapitalmarktunion. Unter dem Titel « Zweite Chance » werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, auch zu erwägen, die vorgesehenen Neuerungen auf Verbraucher auszudehnen. So sei es häufig nicht möglich, klar zwischen Schulden, die von einem Unternehmer im Rahmen der Ausübung seiner unternehmerischen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit gemacht wurden, und denjenigen, die er nicht bei diesen Tätigkeiten gemacht hat, zu unterscheiden. Müssten für verschiedene Schuldenarten getrennte Verfahren mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen und Entschuldungsfristen durchlaufen werden, könnten Unternehmer nicht wirksam von einer zweiten Chance profitieren. ⁶9
Deutschland und Österreich sind diesem Aufruf nachgekommen und haben - auch im Zuge der Verschärfung der Verschuldensproblematik in der Corona-Krise - ihre Restschuldbefreiungsverfahren für Konsumentinnen und Konsumenten verkürzt :
Der Deutsche Bundestag hat am 17. Dezember 2020 das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens verabschiedet. 7⁰ Darin wurde die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens für alle Schuldner von sechs auf drei Jahre ab Verfahrenseröffnung verkürzt. Dies solle - als Teil des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets - redlichen Schuldnern einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Eine im Regierungsentwurf 7¹ vorgesehene Befristung des verkürzten Restschuldbefreiungsverfahrens für Verbraucherinnen und Verbraucher bis zum 30. Juni 2025 wurde durch den vorberatenden Rechtsausschuss gestrichen. 7² Stattdessen verpflichtet nun eine Evaluationsvorschrift 7³ die Bundesregierung, dem Bundestag bis zum 30. Juni 2024 Bericht zu erstatten, wie sich die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern auswirkt, und gesetzgeberische Massnahmen vorzuschlagen, falls sich diese als notwendig erweisen sollten. Dem wurde mit einem Bericht der Bundesregierung vom 12. Juli 2024 nachgekommen. 7⁴ Dieser hält im Wesentlichen fest, dass sich keine Anzeichen für negative Auswirkungen der Verfahrensverkürzung auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern habe feststellen lassen, die Aussagekraft der erhobenen Daten aber durch den kurzen Evaluationszeitraum und die aussergewöhnliche Weltlage aber stark eingeschränkt sei. Ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf wird mangels Anhaltspunkten für negative Auswirkungen der Verfahrensverkürzung verneint.
In Österreich wurde mit dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG) 7⁵ die Abschöpfungsphase für Unternehmer und Unternehmerinnen von fünf auf drei Jahre verkürzt. Die gleiche Frist wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie auch für Konsumentinnen und Konsumenten vorgesehen, für diese jedoch befristet bis zum 16. Juli 2026. Dies bedeutet, dass für Verfahren, welche ab dem 17. Juli 2026 eröffnet werden, wieder die fünfjährige Abschöpfungsphase vorgesehen ist. 7⁶ Für das Verfahren mit dreijähriger Abschöpfungsphase (genannt Abschöpfungsphase mit Tilgungsplan) wurden die Anforderungen an die Redlichkeit des Schuldners erhöht. Daneben besteht parallel weiter das bisherige Verfahren mit fünfjähriger Abschöpfungsphase (genannt Abschöpfungsphase mit Abschöpfungsplan). In beiden Verfahren ist keine Mindestquote vorgesehen. Die Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungsstellen fordert den österreichischen Bundesgesetzgeber regelmässig dazu auf, die Verkürzung der Abschöpfungsphase auf drei Jahre beizubehalten. 7⁷ Die Behandlung eines entsprechenden Antrags im Parlament wurde bisher vertagt. ⁷8
Verschiedene Länder (z. B. Frankreich und Schweden) kannten schon vor der Richtlinie (EU) 2019/1023 ein kurzes Schuldbefreiungsverfahren von höchstens drei Jahren für Unternehmer. ⁷9
⁶9 Richtlinie (EU) 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019, Erw. 21.
7⁰ Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages, Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht, BT Drucksache 761/20, abrufbar unter:
www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0701-0800/761-20.pdf?__blob=publicationFile&v=1
.
7¹ Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vom 31. August 2020, BT Drucksache 19/21981.
7² Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 19/21981, 19/22773, 19/23054 Nr. 4 - Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, BT Drucksache 19/25251, und die Debatte unter:
www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw51-de-restschuldbefreiungsverfahren-812882
.
7³ Artikel 107 a des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung.
7⁴ Bericht der Bundesregierung zur Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 12. Juli 2024, Drucksache 20/12250, abrufbar unter:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/122/2012250.pdf
.
7⁵ Abrufbar unter:
www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_00950/index.shtml
.
7⁶ S. zur Darstellung des Schuldenregulierungsverfahrens in Österreich Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018, Ziff. 4.3.
7⁷ Vgl. zuletzt den Schuldenreport 2024, S. 16, abrufbar unter:
https://schuldenberatung.at/wp-content/uploads/2024/05/asb_Schuldenreport2024_EndV.pdf
.
⁷8
www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/3266?selectedStage=100
⁷9 S. Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.
4 Grundzüge der Vorlage
4.1 Die beantragte Neuregelung
4.1.1 Allgemeines
Wie bereits in seinem Bericht «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 ausgeführt, befürwortet der Bundesrat die Schaffung von zwei neuen Verfahren, um damit den verschiedenen Kategorien von Schuldnern gerecht zu werden:
-
Für sanierungsfähige Schuldnerinnen und Schuldner mit regelmässigem Einkommen ist ein Zwangsvergleich - bei dem eine Gläubigermehrheit einzelne nicht-zustimmende Gläubiger binden kann - die beste Möglichkeit, um flexible Einzelfalllösungen zu finden und der Schuldnerin oder dem Schuldner zu ermöglichen, seine Finanzen nachhaltig zu sanieren. Die bestehenden Regeln des Nachlassverfahrens können dafür, mit einzelnen punktuellen Anpassungen, weitgehend übernommen werden. Vorgeschlagen wird ein vereinfachtes Nachlassverfahren für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen (Art. 331 a -331 g E-SchKG).
-
Für die Schuldnerinnen und Schuldner, welche die notwendige Gläubigermehrheit nicht erreichen - z. B. Personen ohne Rückzahlungsmöglichkeiten, mit hohen Schulden oder mit einer ungünstigen Gläubigerzusammensetzung - muss ein Auffangverfahren geschaffen werden. Auch diesen Schuldnern soll - im Interesse der Allgemeinheit - eine Perspektive eröffnet werden. Damit können Anreize zur Ablösung aus der Sozialhilfe geschaffen beziehungsweise bestehende Fehlanreize im heutigen System beseitigt werden. Als Auffangverfahren scheint ein amtlich begleitetes Abschöpfungsverfahren am besten geeignet. Vorgeschlagen wird ein Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen (Sanierungskonkurs) mit anschliessender Restschuldbefreiung (Art. 337-350 E-SchKG). Auch dieses Verfahren beruht überwiegend auf bewährten Regeln und Konzepten.
4.1.2 Vereinfachtes Nachlassverfahren für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen
Für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen - das heisst, Schuldner die nicht im Handelsregister eingetragen sind (Art. 39 SchKG) -, wird ein vereinfachtes Nachlassverfahren (Art. 331 a -331 g E-SchKG) vorgeschlagen. Das Nachlassverfahren zeichnet sich insbesondere durch die folgenden Eckpunkte aus:
-
Vertragliche Basis : Die vertragliche Form ermöglicht das Finden von passenden, flexiblen Sanierungslösungen im Einzelfall durch Verhandlungen zwischen Schuldnern und Gläubigern. Im Gesetz wird weitgehend auf inhaltliche Vorgaben verzichtet.
-
Zwangsvergleich : Eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger kann einer passenden Einzelfalllösung zustimmen und damit die übrigen Gläubiger binden. Dies verhindert, dass einzelne Gläubiger eine angemessene Sanierung verhindern können.
Das vereinfachte Nachlassverfahren erlaubt mit seiner Flexibilität eine Sanierung des Schuldners mit Mitsprache der Gläubiger und sollte für Schuldner mit aktuellen oder zukünftigen substantiellen Rückzahlungsmöglichkeiten das Verfahren der Wahl sein. In einem Nachlassvertrag kann nicht nur ein Teilerlass der Forderungen vereinbart werden, sondern es kann für Schuldner mit vorübergehendem finanziellem Engpass auch eine (allenfalls auch mehrjährige) Stundung vereinbart werden (sog. Stundungsvergleich ), um dem Schuldner eine finanzielle Erholung und den Ausbruch aus der Schuldenspirale zu erlauben. Ein Stundungsvergleich kann auch bei Schuldnern mit Anwartschaften , wie bevorstehenden gesetzlichen Erbschaften, zu gerechten Ergebnissen führen. Auch eine Kombination von Teilerlass und Stundung ist möglich und kann zwischen Schuldner und Gläubigern ausgehandelt werden. Das Nachlassgericht bestätigt einen Nachlassvertrag, wenn ihm eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger zugestimmt hat und das Gericht den Vorschlag als angemessen beurteilt.
Die Abläufe eines ordentlichen Nachlassverfahrens sollen an die spezifischen Bedürfnisse von nicht der Konkursbetreibung unterliegenden Personen - bei denen in der Regel einfache Verhältnisse vorliegen - angepasst werden. Der Entwurf sieht Erleichterungen in den folgenden Punkten vor:
-
Verzicht auf Gläubigerversammlungen: Möglichkeit von Beschlüssen auf schriftlichem Weg;
-
Nicht-Berücksichtigung der nicht aktiven Gläubiger ;
-
Verzicht auf Sicherstellung der privilegierten Forderungen: Möglichkeit der Abzahlung;
-
Verzicht auf Gerichtsverhandlungen .
4.1.3 Sanierungskonkurs für natürliche Personen
4.1.3.1 Grundzüge des Verfahrens
Als Auffangverfahren schlägt der Bundesrat ein Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen (Sanierungskonkurs) vor, welches die bewährten Regeln des Konkurses und der Pfändung vereinigt (Art. 337-350 E-SchKG). Es ist als Generalexekutionsverfahren konzipiert, welches im Wesentlichen einem verlängerten Konkursverfahren entspricht, bei dem den Konkursgläubigern nicht nur die Vermögenswerte, die dem Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens gehören (Konkursmasse) zugutekommen; zusätzlich sollen während einer dreijährigen Abschöpfungsphase sämtliche Einkünfte, die das Existenzminimum des Schuldners übersteigen, zugunsten der Konkursgläubiger abgeschöpft werden. Da es sich um eine spezielle Form des Konkursverfahrens handelt, wird es vom Konkursgericht eröffnet und beendet. Für die Erhebung der Schulden und die Bereinigung des vorhandenen Vermögens zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gelten die Regeln des Konkurses; es handelt sich um den traditionellen konkursrechtlichen Teil des Verfahrens. Zusätzlich wird eine dreijährige amtlich begleitete Abschöpfungsphase zugunsten aller Konkursgläubiger vorgesehen. Das Verfahren findet seinen Abschluss mit einer Restschuldbefreiung .
Entsprechend verschiedenen Vorschlägen aus der Lehre wurde geprüft, ob auch für dieses Auffangverfahren die Regeln des Nachlassverfahrens geeignet wären. Dabei würde in jedem einzelnen Fall ein individueller Schuldenbereinigungsplan erstellt, dessen Angemessenheit gerichtlich geprüft würde. 8⁰ Die Regeln des Nachlassverfahrens, welches auf vertraglichen Verhandlungen mit einer Gläubigermehrheit und einer gewissen Kontrolle durch die Gläubiger basiert, 8¹ scheinen für ein amtliches Generalexekutionsverfahren jedoch nicht ideal geeignet. Das Kriterium der «Angemessenheit» lädt durch seine Unbestimmtheit zudem zu Wertungen ein, welche die betroffenen Ämter und Gerichte nicht ohne Weiteres fällen können. Die Beurteilung durch verschiedene regionale Stellen, bei welchen Schuldnern eine Schuldbefreiung angemessen wäre, könnte zu einer ähnlichen Entwicklung wie beim heutigen Privatkonkurs führen: Dort hat die Einzelfallprüfung der Gerichte unter dem Titel des Rechtsmissbrauchs dazu geführt, dass das Verfahren heute in einigen Kantonen nahezu bedeutungslos ist. 8²
Mit dem Entwurf wurde deshalb versucht, möglichst neutrale, einfach überprüfbare Kriterien vorzusehen und die Ämter und Gerichte von der Prüfung der Angemessenheit der Schuldbefreiung im Einzelfall - mithin der Prüfung, ob die Schuldnerin oder der Schuldner die Schuldbefreiung wirklich «verdient» hat - zu entlasten. Jede dauerhaft zahlungsunfähige natürliche Person, welche mit den ihr verfügbaren Mitteln über die Runden kommen würde, sich jedoch in absehbarer Zeit nicht aus eigener Kraft von aufgelaufenen Schulden befreien kann, sollte eine zweite Chance erhalten. Das Verfahren soll nach dem Vorschlag des Bundesrates drei Jahre ab Verfahrenseröffnung dauern.
Zur Vermeidung von Missbräuchen und zur Abfederung von Verlusten für die Gläubiger wird vorgesehen, dass der finanzielle Neustart nicht regelmässig in Anspruch genommen werden kann und im Grundsatz einer einmaligen Chance nahekommt. Entsprechend wird eine Sperrfrist von zehn Jahren nach Erteilung einer Restschuldbefreiung vorgeschlagen. Diese Sperrfrist soll auch bewirken, dass die Schuldnerin oder Schuldner diese Chance zur finanziellen Sanierung dann in Anspruch nehmen, wenn sie für sie am aussichtsreichsten und wirkungsvollsten ist. Auf Ermessensprüfungen im Einzelfall soll dagegen weitgehend verzichtet werden.
8⁰ Vgl. die Vorschläge von
Meier I. / Hamburger
, SJZ 2014, 102 ff. und
Roncoroni
, SozialAktuell 2013, 25.
8¹ S. oben Ziff. 4.1.2.
8² S. oben Ziff. 1.2.1.
4.1.3.2 Adressatenkreis der natürlichen Personen
Als Auffangverfahren zum Nachlassverfahren soll der Sanierungskonkurs - im Gegensatz zum vorgeschlagenen vereinfachten Nachlassverfahren - allen natürlichen Personen offenstehen. Das heisst, dass sowohl natürliche Personen, die nicht im Handelsregister eingetragen sind und der Betreibung auf Pfändung unterliegen, als auch unternehmerisch tätige natürliche Personen, die im Handelsregister eingetragen sind und der Konkursbetreibung unterliegen, die Eröffnung eines Sanierungskonkurses beantragen können. Die Interessen bei natürlichen Personen - die auf jeden Fall fortbestehen werden - sind anders gelagert als bei juristischen Personen, bei denen ein Neuanfang auch durch Auflösung und Neugründung möglich ist. Auch Personen ohne Rückzahlungsmöglichkeiten und Personen, welche staatliche Hilfen , zum Beispiel Sozialhilfe, beziehen, sollen das Verfahren durchlaufen und dadurch einen finanziellen Neustart schaffen können. Die Untersuchung von Ecoplan hat ergeben, dass Forderungen, welche schon einmal erfolglos Gegenstand einer Betreibung waren, in 60 Prozent der Fälle nie - auch nicht teilweise - zurückbezahlt werden. 8³ Auch in allen anderen Fällen erwarten die betroffenen Gläubiger nach acht Jahren in der Regel keine Rückzahlung mehr. 8⁴ Die heute praktizierte lebenslange Verschuldung der Betroffenen ist damit vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen und ihre Familien nur schwer zu rechtfertigen, ziehen doch die Gläubiger in den meisten Fällen kaum einen Vorteil daraus. Umgekehrt profitieren, wenn eine Person sich dank einer finanziellen Sanierung von staatlichen Hilfen lösen und wieder in den wirtschaftlichen Kreislauf eingliedern kann, nicht nur diese Person und ihre Familie, sondern auch der Staat und die Gesellschaft als Ganzes . 8⁵ Die vertiefte RFA hat diesbezüglich eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz ergeben, wobei der geschätzte Nutzen 4.5-6-fach über den geschätzten Kosten liege. 8⁶
Der Bundesrat erhofft sich von der Möglichkeit, dass Schuldnerinnen und Schuldner eine zweite Chance auf ein schuldenfreies Leben erhalten, schliesslich auch eine Förderung des Unternehmertums . Unternehmerisches Scheitern kann heute bedeuten, dass die Schulden viele Jahre, womöglich lebenslang, abbezahlt werden müssen und die Schuldnerin oder der Schuldner mit dem betreibungs- oder sozialhilferechtlichen Existenzminimum auskommen muss. Der Bundesrat ist überzeugt, dass es für die Innovation nicht förderlich ist, wenn ein Scheitern solche weitreichenden Konsequenzen hat. Der neue Sanierungskonkurs soll deshalb auch für unternehmerisch tätige, der Konkursbetreibung unterliegende natürliche Personen als Auffangverfahren dienen. Die rechtstatsächliche Untersuchung von Ecoplan stellt positive Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens gerade auch für diese Personengruppe in Aussicht. 8⁷ Dies wird durch die von BSS durchgeführte vertiefte RFA bestätigt. 8⁸
8³ Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 28 ff.
8⁴ Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 28 ff.
8⁵ Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 9 ff.
8⁶ Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 7.2.
8⁷ Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 22 ff.
8⁸ Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.4.
4.1.3.3 Zuständigkeit der Konkurs- und Betreibungsämter
Der neue Sanierungskonkurs vereint ein Konkursverfahren mit der Pfändung, namentlich der Lohnpfändung. Die Übernahme der bewährten Regeln aus diesen Verfahren schafft Rechtssicherheit und hilft dabei, Gesetzeslücken vorzubeugen.
Gemäss den Rückmeldungen aus der Vernehmlassung wird ein einziges Amt als für die gesamte Verfahrensdauer zuständiges Amt bestimmt. Dadurch soll ein aufwendiger Wissenstransfer zwischen den Ämtern vermieden werden. Die Bestimmung des zuständigen Amts (Konkurs- oder Betreibungsamt) soll den Kantonen überlassen werden. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Durchführung des neuen Sanierungskonkursverfahrens in der Regel den Konkursämtern übertragen wird. Der Sanierungskonkurs ist als Generalexekutionsverfahren konzipiert, welches im Wesentlichen einem verlängerten Konkursverfahren entspricht. Die Eröffnung des Verfahrens und der Entscheid über die Schuldbefreiung erfolgen durch das Konkursgericht . Nach der Eröffnung beginnt der Sanierungskonkurs mit einem traditionellen konkursrechtlichen Teil . Das Konkursamt verfügt über wertvolle Erfahrung bei der Feststellung der Aktiven und Passiven und ist es gewohnt, die dafür erforderlichen Ermessensentscheide zu treffen. Der Bundesrat ist jedoch offen für eine föderale Lösung, wie sie auch in der Vernehmlassung vereinzelt verlangt wurde.
Von Beginn des Verfahrens an wird das pfändbare Einkommen des Schuldners abgeschöpft und der Konkursmasse zugeführt . Dies entspricht weitgehend der Lohnpfändung, weshalb die Regeln der Pfändung durch Verweis auf Artikel 93 Absatz 1 SchKG für anwendbar erklärt werden. Es ist deshalb denkbar, dass einzelne Kantone die Durchführung des ganzen Verfahrens den Betreibungsämtern überlassen wollen.
4.1.3.4 Ausnahmen von der Schuldbefreiung
Die Schuldbefreiung soll grundsätzlich sämtliche Forderungen, die vor der Eröffnung des Sanierungskonkurses entstanden sind, erfassen (Art. 349 a Abs. 1 E-SchKG). Aus rechtspolitischen Gründen müssen jedoch gewisse Ausnahmen vorgesehen werden. Ausnahmenkataloge kennen auch sämtliche im Rechtsvergleich für den Bericht «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» des Bundesrates vom 9. März 2018 beleuchteten Rechtsordnungen. ⁸9 Dabei ist zu bedenken, dass die Ausnahmen die beabsichtigten positiven Effekte des Sanierungskonkurses je nach Schuldenzusammensetzung erheblich relativieren können. Der Ausnahmenkatalog ist deshalb auf das absolut Notwendige zu beschränken.
Der Bundesrat schlägt einen eng begrenzten Ausnahmenkatalog vor (Art. 349 b E-SchKG). Dieser enthält zunächst Forderungen, welche einen Strafzweck haben oder ein Unrecht ausgleichen sollen (Bussen und Geldstrafen sowie Ersatzforderungen für nicht mehr vorhandene Vermögenswerte, die der Einziehung unterliegen; Genugtuungsforderungen) . Diese Ziele sollten nach Ansicht des Bundesrates durch eine schuldbetreibungs- und konkursrechtliche Regelung nicht vereitelt werden.
Entsprechend ihrer Privilegierung im gesamten Schuldbetreibungs- und Konkursrecht schlägt der Bundesrat vor, auch familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge von der Schuldbefreiung auszunehmen. Die Sanierung des Schuldners soll nicht zu Lasten der von ihm abhängigen Unterhalts- und Unterstützungsberechtigten gehen. Die Ausnahme soll jedoch nur gelten, soweit die Forderungen nicht an das Gemeinwesen übergegangen sind. Die Expertinnen und Experten erachteten dies als essenziell , da es um zahlreiche Betroffene und hohe Beträge gehe und anderenfalls ein neues Privileg für das Gemeinwesen geschaffen werde. 9⁰
Von der Schuldbefreiung ausgenommen sind nach dem Vorschlag des Bundesrates schliesslich auch Rückerstattungsforderungen für Leistungen der Sozialhilfe und Sozialversicherungsleistungen, welche zu Unrecht bezogen wurden. Darunter fallen die sozialhilferechtlichen Rückerstattungsforderungen für zu Unrecht bezogene Sozialhilfe sowie die Rückerstattungsforderungen wegen Leistungen der Sozialversicherungen, welche unrechtmässig bezogen wurden . Das Interesse der Allgemeinheit an einer Rückerstattung der zu Unrecht bezogenen staatlichen Leistungen überwiegt hier das individuelle Interesse an einem finanziellen Neustart. Zu beachten ist, dass für die Rückerstattungsforderungen im Sozialversicherungsrecht Verwirkungsfristen vorgesehen sind, welche oftmals kürzer sind als die Dauer des Sanierungskonkursverfahrens. 9¹ Anders als im Vorentwurf ist für sozialhilferechtliche Rückerstattungsforderungen für rechtmässig bezogene Sozialhilfe keine Ausnahme vorgesehen. Der Bundesrat kommt damit einem Anliegen aus der Vernehmlassung nach.
Um das Verfahren nicht völlig gegenstandslos werden zu lassen, darf der Ausnahmenkatalog nicht beliebig erweitert werden. Verschiedene Untersuchungen haben bestätigt, dass Steuer- und Krankenkassenforderungen die häufigsten Schuldenarten von natürlichen Personen darstellen. 9² Eine Ausnahme auch für diese Forderungen liesse für den neuen Sanierungskonkurs keinen Anwendungsbereich mehr . Das Ziel des Verfahrens, natürlichen Personen im gleichen Masse wie juristischen Personen einen finanziellen Neuanfang zu ermöglichen, könnte damit nicht mehr erreicht werden. Wie die Untersuchungen von Ecoplan gezeigt haben, ist auch davon auszugehen, dass erstens die von der Schuldbefreiung betroffenen Forderungen in den meisten Fällen kaum mehr einen Wert haben und zweitens der Staat von Schuldnern, denen ein finanzieller Neustart gelingt, durch Einsparungen und erhöhte Einnahmen profitieren kann. 9³ Der Ausnahmekatalog ist deshalb, wie gesagt, auf das absolut Notwendige zu beschränken.
Anzumerken bleibt, dass der Sanierungskonkurs seinen Zweck auch bei Schuldnern mit hohen von der Schuldbefreiung ausgenommen Forderungen zumindest teilweise erreichen kann. Indem die Restschuldbefreiung für alle übrigen Forderungen ausgesprochen wird, kann die Schuldenlast gesenkt werden. Für die von der Schuldbefreiung ausgenommenen Forderungen wird zudem ein Konkursverlustschein ausgestellt (Art. 349 b Abs. 2 E-SchKG). Der Schuldner kann sich somit gegebenenfalls auf die Einrede fehlenden neuen Vermögens (Art. 265 Abs. 2 SchKG) berufen und von einer gewissen finanziellen Erholung profitieren. Von der Schuldbefreiung ausgenommene Forderungen sind somit kein Grund, um einen Schuldner vom Sanierungskonkurs auszuschliessen.
⁸9 Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.
9⁰ S. unten Erläuterungen zu Art. 349 b E-SchKG.
9¹ S. oben Ziff. 4.1.3.4.
9² Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 2.4. m.w.N.; Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 9 f.
9³ Ecoplan Berichte «Umgang mit Verlustscheinen», 28 ff. und «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 13 ff.
4.1.3.5 Aufhebung der Bestimmungen zur Notstundung
Die neuen Bestimmungen zum Sanierungskonkurs für natürliche Personen werden im Zwölften Titel in den Artikeln 337-350 E-SchKG eingeordnet. Die dort bisher angesiedelten Bestimmungen zur Notstundung werden damit gestrichen . Diese Bestimmungen wurden nach dem Ersten Weltkrieg geschaffen und gaben den Kantonsregierungen die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundes eine Stundungsmöglichkeit für ausserordentliche Verhältnisse wie eine andauernde wirtschaftliche Krise anzuordnen. Sie wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum letzten Mal revidiert und kamen seither kaum zur Anwendung. 9⁴ Mittlerweile haben sie als veraltet und in verschiedener Hinsicht unbefriedigend zu gelten. 9⁵ In der Corona-Krise hat sich nun gezeigt, dass das geltende Nachlassverfahrensrecht (Art. 293 ff. SchKG) den Anforderungen an ein modernes Sanierungsrecht auch in einer Krisensituation besser genügt . 9⁶ Die Bestimmungen zur Notstundung haben damit heute keinen Anwendungsbereich mehr und können zugunsten des geltenden Nachlassverfahrens gestrichen werden. Die Möglichkeit, in Krisenzeiten für ein bestimmtes Gebiet oder für bestimmte Teile der Bevölkerung einen allgemeinen Rechtsstillstand zu beschliessen (Art. 62 SchKG), welche auch während der Corona-Pandemie zur Anwendung gelangt ist, bleibt bestehen. Die Aufhebung der Bestimmungen zur Notstundung wurde in der Vernehmlassung kaum thematisiert, namentlich hat sich kein Kanton für die Beibehaltung dieser Bestimmungen ausgesprochen.
9⁴ BSK SchKG-
Casati/Weyermann/Lorandi
, Art. 337 N 1 ff.
9⁵ Vgl. BSK SchKG-
Casati/Weyermann/Lorandi
, Art. 337 N 7b;
Staehelin/Bopp,
Insolvenzrechtliche Massnahmen zur Bewältigung der Coronakrise, § 17 N 103.
9⁶ Erläuterungen zur COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht vom 16. April 2020 ( SR 281.242 ), Ziff. 2.1, abrufbar unter: www.ejpd.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/2020/2020-04-16/erlaeuterungen-covid19-insolvenz-d.pdf.
4.1.4 Anpassungen in weiteren Erlassen
Die Revision des SchKG zur Einführung eines vereinfachten Nachlassverfahrens für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, und eines Sanierungskonkurses für natürliche Personen bedingt gewisse Folgeanpassungen in weiteren Erlassen.
Im Zivilgesetzbuch 9⁷ sind Anpassungen der erbrechtlichen Bestimmungen vorzunehmen, die im Zusammenhang mit Artikel 350 E-SchKG stehen, der während fünf Jahren nach Abschluss des Sanierungskonkursverfahrens eine ausnahmsweise Berücksichtigung von dem Schuldner zugefallenen Vermögenswerten erlaubt. Die Rechte der Erblasser und der Gläubiger sollen gleich weit gehen wie in vergleichbaren Konstellationen.
Im Obligationenrecht muss bei der Bürgschaft der neue Sanierungskonkurs, der anstelle von Verlustscheinen mit einer Restschuldbefreiung endet, entsprechend berücksichtigt werden.
Im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 9⁸ über das Internationale Privatrecht (IPRG) soll die in der Lehre unbestrittene Anerkennbarkeit ausländischer Restschuldbefreiungen auf eine rechtlich eindeutige Basis gestellt werden. Weiter werden gewisse Erleichterungen im Verfahren vorgeschlagen, welche der spezifischen Situation von natürlichen Personen mit einer im Ausland erteilten Restschuldbefreiung Rechnung tragen.
Mit Anpassungen im Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 9⁹ über die direkte Bundessteuer (DBG) und im Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990 10⁰ soll gewährleistet werden, dass ein Forderungsuntergang in Folge eines gerichtlichen Nachlassvertrags und die Restschuldbefreiung nicht als einmalige Einkünfte der Schuldnerin oder des Schuldners besteuert werden und damit eine Neuverschuldung auslösen können.
Mit einer Änderung des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 1⁰1 über Radio und Fernsehen (RTVG) soll die rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass die Erhebungsstelle der Abgabe für Radio und Fernsehen einem Nachlassvertrag oder einer einvernehmlichen Schuldenbereinigung zustimmen kann.
Schliesslich soll im Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 1989 1⁰2 , im Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 1⁰3 (IVG) sowie im Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 1⁰4 (AVIG) die Grundlage für den Informationsaustausch mit den Konkurs- oder Betreibungsämtern zur Beurteilung der schuldnerischen Bemühungen um Einkünfte im Sanierungskonkursverfahren geschaffen werden.
9⁷ SR 210
9⁸ SR 291
9⁹ SR 642.11
10⁰ SR 642.14
1⁰1 SR 784.40
1⁰2 SR 823.11
1⁰3 SR 831.20
1⁰4 SR 837.0
4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen
Durch das vereinfachte Nachlassverfahren für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen , ist eine leichte Zunahme der Nachlassverfahren für natürliche Personen zu erwarten. Für die Gerichte sollte daraus jedoch kein erheblicher Mehraufwand resultieren.
Durch den Sanierungskonkurs für natürliche Personen werden den Konkurs- und unter Umständen auch den Betreibungsämtern neue Aufgaben übertragen. Der Rückgriff auf bestehende Strukturen bei den Konkurs- und Betreibungsämtern hilft dabei, das Verfahren möglichst kostengünstig und effizient auszugestalten.
Gemäss vertiefter RFA ist von einer überaus positiven Kosten-Nutzen-Bilanz für den Staat auszugehen. Die ebenfalls beim Staat anfallenden Kosten (Verfahrenskosten, Kosten für eine begleitende Schuldenberatung, Forderungsausfälle) würden gemäss den angestellten Schätzungen deutlich überkompensiert . 1⁰5
1⁰5 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.2.
4.3 Umsetzungsfragen
4.3.1 Anpassungsbedarf in den Ausführungsverordnungen zum SchKG
Das vereinfachte Nachlassverfahren (Art. 331a-331g E-SchKG) als Unterform des Nachlassverfahrens verursacht keine nennenswerten Umsetzungsanforderungen .
Das neue Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen (Art. 337-350 E-SchKG) führt zu Anpassungsbedarf in verschiedenen Verordnungen:
-
Verordnung vom 5. Juni 1996 1⁰6 über die im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verwendenden Formulare und Register sowie die Rechnungsführung (VFRR): Für das neue Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen sind neue Formulare einzuführen, was eine Anpassung der VFRR erforderlich macht. Auch ist die Abbildung des Sanierungskonkursverfahrens im Konkurs- und Betreibungsregister zu regeln.
-
Verordnung vom 13. Juli 1911 1⁰7 über die Geschäftsführung der Konkurs ämter (KOV): Die neuen Aufgaben für die Konkursämter verursachen Anpassungsbedarf in der KOV. Es wird hier auch zu regeln sein, wie der Sanierungskonkurs in den Verzeichnissen der Konkursämter zu führen ist.
-
Verordnung vom 5. Juni 1996 1⁰8 über die Aufbewahrung der Betreibungs- und Konkursakten (VABK): Anpassungsbedarf besteht auch in der VABK. Dort muss geregelt werden, wie die Akten zum neuen Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen zu führen und wie lange sie aufzubewahren sind. Dabei ist der Sperrfrist zur Einführung eines neuen Verfahrens (Art. 337 Abs. 3 Bst. d E-SchKG) Rechnung zu tragen.
Schliesslich müssen die Gebühren für die beiden neuen Verfahren in der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 23. September 1996 1⁰9 (GebV SchKG) festgelegt werden. Wie der Bundesrat in seinem Bericht «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» ausgeführt hat, haben die Erfahrungen im Ausland gezeigt, dass der Umgang mit den Verfahrenskosten von zentraler Bedeutung ist. 11⁰ Wenn die Deckung der Verfahrenskosten vorausgesetzt wird oder Kostenvorschüsse verlangt werden, stellt dies für viele Schuldnerinnen und Schuldner eine (zu) hohe Hürde dar. Die neuen Verfahren müssen deshalb möglichst kostengünstig durchgeführt werden können. Die Verfahren sollen, wenn möglich, auch zu einer höheren Befriedigungsquote für die Gläubiger führen. Dieses Ziel wäre nicht zu erreichen, wenn das verfügbare Vermögen sogleich für die Verfahrenskosten wieder aufgezehrt werden müsste. Der Bundesrat hat dem bei der Festlegung des Gebührentarifs Rechnung zu tragen.
1⁰6 SR 281.31
1⁰7 SR 281.32
1⁰8 SR 281.33
1⁰9 SR 281.35
11⁰ Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 6.3.8.
4.3.2 Kein Anpassungsbedarf in Gesetzen und Verordnungen, welche auf die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs verweisen
Auf die Bestimmungen des Nachlassverfahrens oder des Konkurses wird in verschiedenen Bundesgesetzen oder kantonalen Regeln Bezug genommen. Als Beispiele seien hier die Konkurs- und Betreibungsverbrechen oder -vergehen nach Artikel 163 bis Artikel 171bis des Strafgesetzbuches (StGB) 11¹ oder die Aufhebung von Schenkungsversprechen nach Artikel 250 Absatz 2 OR erwähnt.
Dadurch, dass die beiden in der vorliegenden Revision vorgeschlagenen neuen Verfahren Unterformen dieser bestehenden Verfahren darstellen, gelten die Verweise ohne Weiteres auch für die neuen Verfahren. Sämtliche Bestimmungen, welche auf das Nachlassvertragsrecht verweisen, gelten auch für das vereinfachte Nachlassverfahren für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen (Art. 331 a -331 g E-SchKG). Gleichermassen gelten sämtliche Verweise auf den Konkurs auch für den Sanierungskonkurs für natürliche Personen (Art. 337-350 E-SchKG), welcher eine erweiterte Art des Konkurses darstellt. Ein Schuldner, der vor oder nach der Einleitung eines Sanierungskonkurses zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, kann deshalb beispielsweise ebenfalls wegen eines Konkurs- und Betreibungsverbrechens oder -vergehens (Art. 163 ff. StGB) verurteilt werden. Es besteht kein Grund, diese neue Form der Generalexekution insofern anders als einen gewöhnlichen Konkurs zu behandeln, zumal diese Bestimmungen jeweils auf die Eröffnung des Konkurses abstellen, welche im neuen Sanierungskonkurs gleich abläuft wie in einem gewöhnlichen Konkursverfahren.
Auch eine Abbildung des Sanierungskonkurses in der Betreibungs- und Konkursstatistik sollte ohne Anpassung der Statistikerhebungsverordnung vom 30. Juni 1993 1¹2 möglich sein.
11¹ SR 311.0
1¹2 SR 431.012.1
4.3.3 Übergangsrecht
Übergangsrechtlich gelten die allgemeinen Grundsätze, das heisst, neue Verfahrensvorschriften sind mit ihrem Inkrafttreten auf hängige Verfahren anwendbar, soweit sie mit ihnen vereinbar sind (Art. 2 Abs. 1 SchlB SchKG). Auf laufende Nachlassverfahren lassen sich die neuen Bestimmungen des vereinfachten Nachlassverfahrens jedoch nicht nahtlos anwenden. Dies wird mit einer Übergangsbestimmung klargestellt. 1¹3 Beim Sanierungskonkurs für natürliche Personen handelt es sich um eine erweiterte Art von Konkursverfahren. Die neu eingeführte Restschuldbefreiung entspricht in ihren Wirkungen der Verjährung (Art. 349 a Abs. 3 E-SchKG) und entfaltet materiell-rechtliche Wirkungen . Mit einer Übergangsbestimmung soll klargestellt werden, dass auch vor Inkrafttreten der Revision entstandene Forderungen Gegenstand einer Restschuldbefreiung sein können. Beide neuen Verfahren finden bestimmungemäss auf sämtliche Forderungen Anwendung, welche bei Verfahrenseröffnung bestehen (Art. 331 g E-SchKG i.V.m. Art. 310 Abs. 1 SchKG; Art. 349 a Abs. 1 E-SchKG) und können ihre Wirkung nur entfalten, wenn sämtliche Forderungen einbezogen werden.
Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Da den Konkurs- und unter Umständen auch den Betreibungsämtern neue Aufgaben übertragen werden, hat er den Kantonen ausreichend Zeit für die Einführung des Sanierungskonkurses für natürliche Personen zu gewähren. Das vereinfachte Nachlassverfahren für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, entspricht im Wesentlichen dem ordentlichen Nachlassverfahren und verursacht keine nennenswerten Umsetzungsanforderungen. Allenfalls können diese Bestimmungen deshalb früher in Kraft gesetzt werden.
1¹3 AS 2013 4111 ; BBl 2010 6455
5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln
5.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs
Art. 25
Beratungsstellen im Hinblick auf Verfahren zur Sanierung von natürlichen Personen
Entsprechend einer verbreiteten Forderung aus der Vernehmlassung schlägt der Bundesrat mit dem neuen Artikel 25 E-SchKG die gesetzliche Verankerung einer Pflicht für die Kantone, ausreichende Beratungsangebote vorzusehen, vor. Der Bundesrat anerkennt, dass die beratende Begleitung der Schuldnerinnen und Schuldners vor und teilweise auch während der verschiedenen Verfahren zur Bereinigung ihrer Schuldensituation und das Vermitteln von Budgetkompetenzen für den nachhaltigen Erfolg der Verfahren unerlässlich sind. Die Kantone sollen deshalb verpflichtet werden, öffentliche oder private Schuldenberatungsstellen zur Verfügung zu stellen, damit verschuldete Personen vor und teilweise während der Verfahren, welche eine Sanierung natürlicher Personen bezwecken (namentlich vereinfachtes Nachlassverfahren: Art. 331 a -331 g E-SchKG, einvernehmliche private Schuldenbereinigung: Art. 333-336 E-SchKG und Sanierungskonkurs: Art. 337-350 E-SchKG) kostenlos niederschwellige und professionelle Unterstützung erhalten. Vergleichbare Regelungen finden sich für das Familienrecht in Artikel 171 Zivilgesetzbuch und in Artikel 9 Opferhilfegesetz vom 23. März 2007 1¹4 zu den Opferhilfestellen. Beim vereinfachten Nachlassverfahren (Art. 331 a -331 g E-SchKG) und der Gewährung einer Stundung für eine einvernehmliche private Schuldenbereinigung (Art. 333-336 SchKG) dient die Beratung der Vorbereitung und der Einreichung des Gesuchs ( Bst. a und b ). Da diese Verfahren von einem Sachwalter begleitet werden, ist eine begleitende Beratung während der Verfahren nicht zwingend erforderlich. Da die verschiedenen Verfahren zur Sanierung von natürlichen Personen auf unterschiedliche Adressatenkreise zugeschnitten sind, hat die Beratung vor der Einleitung der Verfahren auch den Zweck, gemeinsam mit der Schuldnerin oder dem Schuldner zu ermitteln, welches Verfahren für sie oder ihn das geeignete ist. Beim Sanierungskonkurs für natürliche Personen (Art. 337-350 E-SchKG) ist zur Erreichung des Verfahrenszwecks auch eine Beratung während des Verfahrens zur Erlangung der nötigen Budgetkompetenz und dem Umgang mit neuen, unerwarteten Verpflichtungen angezeigt ( Bst. c ).
Die Beratung der Schuldnerinnen und Schuldner kann nach Ansicht des Bundesrates durch die bereits bestehenden und zum Teil kantonal finanzierten Schuldenberatungsstellen übernommen werden. Die Kantone können jedoch auch andere Stellen für die Erfüllung dieser Aufgabe vorsehen und diese beispielsweise direkt bei den Konkurs- oder den Betreibungsämtern ansiedeln. Die Ausgestaltung des Beratungsangebots ist der Organisationshoheit der Kantone überlassen. Denkbar ist auch die gemeinsame Einrichtung von Beratungsstellen durch mehrere Kantone (Art. 48 Abs. 1 BV).
Art. 81 Abs. 1
Artikel 81 Absatz 1 SchKG zählt die Einreden und Einwendungen auf, die einer definitiven Rechtsöffnung entgegengehalten werden können. Da mit der Restschuldbefreiung eine neue Einrede geschaffen wird (Art. 349 a Abs. 3 E-SchKG), muss der Katalog ergänzt werden. Die Einrede kann in gleichem Masse einer Rechtsöffnung für in Betreibung gesetzte Forderungen entgegengehalten werden, die Gegenstand einer ausländischen Restschuldbefreiung waren. Vorausgesetzt ist, dass der ausländische Entscheid zur Restschuldbefreiung vorgängig nach Artikel 166-175 IPRG anerkannt wurde (zu den vorgeschlagenen Anpassungen in diesem Verfahren vgl. unten Ziff. 5.3).
Die Restschuldbefreiung kann auch einer provisorischen Rechtsöffnung entgegengehalten werden. Da Artikel 82 Absatz 2 allgemeiner von Einwendungen spricht - worunter nach ständiger Praxis sämtliche zivilrechtlichen Einreden und Einwendungen, die der Schuldanerkennung entgegenstehen können, zu verstehen sind 1¹5 - ist dafür keine gesetzliche Anpassung nötig.
Art. 173a Randtitel und Abs. 1
Die Bestimmung muss aufgrund der Streichung der Bestimmungen über die Notstundung angepasst werden.
Art. 191 Abs. 2
Das Konkursverfahren auf Antrag des Schuldners (sog. Privatkonkurs) wird von der vorliegenden Revision nicht berührt. 1¹6 Auch wenn es die Formulierung von Absatz 2 anders vermuten lässt, kann eine Insolvenzerklärung nach Artikel 191 sowohl von natürlichen als auch juristischen Personen abgegebenen werden. 1¹7 Für natürliche Personen muss sich in der Praxis zeigen, ob es weiterhin Anwendungsfälle für den Privatkonkurs geben wird oder ob nur noch Sanierungskonkurse durchgeführt werden.
Absatz 2 muss aufgrund der Einführung des vereinfachten Nachlassverfahrens für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, geändert werden und wird redaktionell leicht angepasst. Zudem wird klargestellt, dass die fehlende Aussicht auf eine Einigung mit den Gläubigern - wie bis anhin - nur bei natürlichen Personen vorausgesetzt wird. Auch juristische Personen können sich nach Absatz 1 für zahlungsunfähig erklären, für diese gelten jedoch die zusätzlichen Voraussetzungen von Absatz 2 nicht. Bei juristischen Personen wird allgemein davon ausgegangen, dass die Gläubigerinteressen durch eine Konkurseröffnung gewahrt werden, 1¹8 während die Gläubiger bei natürlichen Personen nach einer Konkurseröffnung nach Artikel 191 SchKG nicht mehr auf das zukünftige Einkommen des Schuldners zugreifen können. 1¹9
Art. 297 Abs. 1 zweiter Satz (Betrifft nur den italienischen Text)
Im italienischen Gesetzeswortlaut wird ein Übersetzungsfehler berichtigt; die Bestimmung wird um den Begriff Pfandverwertung ergänzt und somit an die deutschen und französischen Fassungen angeglichen.
Art. 306 Abs. 1 Ziff. 2 (Betrifft nur den französischen Text)
Im französischen Gesetzeswortlaut wird ein Übersetzungsfehler berichtigt. Der geltende Wortlaut erweckt den Eindruck, dass jeder privilegierte Gläubiger darauf verzichten muss, eine Sicherstellung für die vollständige Befriedigung seiner Forderung zu verlangen. Die Bestimmung ist jedoch so zu verstehen, dass die Pflicht zur Sicherstellung der vollständigen Befriedigung für die Gläubiger entfällt, die ausdrücklich auf die Sicherstellung verzichten, und nur für diese. In der deutschen und italienischen Fassung kommt dies klar zum Ausdruck. Der französische Text wird in diesem Punkt präzisiert.
V. Vereinfachtes Nachlassverfahren für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen
Art. 331a
Antrag des Schuldners
Vom Anwendungsbereich des vereinfachten Nachlassverfahrens erfasst sind alle natürlichen Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen. Es ist davon auszugehen, dass bei diesen Personen in der Regel einfache Verhältnisse vorliegen, sodass es sich rechtfertigt, ein einfacheres und günstigeres Nachlassverfahren durchzuführen.
Für die Definition des Adressatenkreises des vereinfachten Nachlassverfahrens wird somit die im Konkursrecht geltende Unterscheidung zwischen Personen, die nicht im Handelsregister eingetragen sind und unternehmerisch tätigen natürlichen Personen, die im Handelsregister eingetragen sind , übernommen (Art. 39 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG). Juristische Personen und natürliche Personen, die ein Gewerbe betreiben, das im letzten Geschäftsjahr einen Umsatzerlös von mindestens 100 000 Franken erzielt hat (Art. 931 Abs. 1 Obligationenrecht; OR), oder die sich freiwillig im Handelsregister haben eintragen lassen, sind damit vom Anwendungsbereich des vereinfachten Nachlassverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen und bleiben auf das ordentliche Nachlassverfahren verwiesen. In der Regel werden bei solchen Personen komplexere Verhältnisse und eine Vielzahl privilegierter Forderungen verschiedener Klassen (u. a. auch Arbeitnehmerforderungen) vorliegen, welche die für Privatpersonen vorgesehenen Erleichterungen unpassend erscheinen lassen. Das Unternehmenssanierungsrecht wurde zudem erst kürzlich revidiert. 12⁰
In der Vernehmlassung wurde teilweise verlangt, dass das vereinfachte Nachlassverfahren für Personen, die sich freiwillig im Handelsregister haben eintragen lassen, geöffnet werden solle. Nach eingehender Prüfung beurteilt der Bundesrat eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs negativ. Die Unterscheidung zwischen Personen mit obligatorischem oder freiwilligem Handelsregistereintrag ist dem SchKG fremd und liesse sich in der Praxis nicht zweifelsfrei vornehmen. Ein freiwilliger Eintrag erfolgt häufig im Hinblick darauf, später die Umsatzschwelle von 100 000 Franken zu überschreiten. Der ursprüngliche Anlass für die Eintragung im Handelsregister ist für die aktuellen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Gesuchs um Eröffnung des Nachlassverfahrens nicht aussagekräftig. Auf das klare Kriterium des Handelsregistereintrags soll deshalb nicht verzichtet werden. Eine Person mit Eintrag im Handelsregister, welche die Eintragungsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt, kann den Eintrag löschen lassen, 12¹ um die Voraussetzungen für die Durchführung eines vereinfachten Nachlassverfahrens zu erfüllen.
Für Personen, die der Konkursbetreibung unterliegen, ist weiterhin das ordentliche Nachlassverfahren (Art. 293 ff. SchKG) vorgesehen. ¹22 Auch für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, stünde das ordentliche Nachlassverfahren weiterhin offen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese in der Regel das vereinfachte Nachlassverfahren wählen werden.
Die Schuldnerin oder der Schuldner hat ihrem oder seinem Gesuch Unterlagen, aus denen seine derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage ersichtlich ist, sowie einen provisorischen Schuldenbereinigungsplan beizulegen. Dies entspricht im Wesentlichen Artikel 293 Buchstabe a SchKG. Um die Nähe zur bisherigen einvernehmlichen Schuldenbereinigung zu unterstreichen und Verwechslungen mit dem neuen Sanierungskonkurs für natürliche Personen vorzubeugen, wird anstelle des provisorischen Sanierungsplans jedoch der Begriff des Schuldenbereinigungsplans gewählt.
Art. 331b
Stundung. Ernennung eines Sachwalters
Die Stundungsdauer ist der definitiven Nachlassstundung nachempfunden ( Abs. 1 ; Art. 294 Abs. 1 SchKG). Sie kann auf Antrag des Sachwalters auf bis zu zwölf Monate verlängert werden ( Abs. 3 ; Art. 295 b Abs. 1 SchKG). Es wäre aus Sicht des Bundesrates nicht gerechtfertigt, eine längere Stundungsdauer als die regulären Fristen im ordentlichen Nachlassverfahren vorzusehen, welches auf komplexere Verhältnisse ausgerichtet ist (s. auch oben Ziff. 2.3).
Das Nachlassgericht setzt den Sachwalter ein. Im ordentlichen Nachlassverfahren kann auf die Einsetzung eines Sachwalters in der provisorischen - nicht aber der definitiven - Stundung verzichtet werden (Art. 293 b Abs. 2 SchKG). Da im vereinfachten Nachlassverfahren nur eine Stundungsphase vorgesehen ist, kann auf die Einsetzung eines Sachwalters nicht verzichtet werden. Der Sachwalter ist ein öffentliches Organ des Staates ; er hat die Interessen des Schuldners und der Gläubiger gleichermassen zu wahren. ¹23 Diese Funktion ist somit nicht etwa für das ganze Verfahren entbehrlich. Das Gesetz stellt keine weiteren Anforderungen an die Person des Sachwalters, das Nachlassgericht kann jede fachlich und persönlich geeignete Person berufen. Für die Annahmechancen von Nachlassverträgen ist jedoch entscheidend, dass keine hohen Sachwalterhonorare zu Lasten der Masse verrechnet werden. Als Sachwalter kommen namentlich gemeinnützig finanzierte Schuldenberatungsstellen infrage, wie dies heute im ordentlichen Nachlassverfahren schon häufig der Fall ist. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass in einzelnen Kantonen amtliche Stellen diese Aufgabe übernehmen. Vorausgesetzt ist dabei aber stets, dass der Sachwalter nicht als Parteivertreter für den Schuldner auftritt, sondern als öffentliches Organ des Staates die Interessen des Schuldners und der Gläubiger gleichermassen wahrt. Es wäre aus Sicht des Bundesrates nicht gerechtfertigt, auf Bundesebene zusätzliche und im Vergleich zum ordentlichen Nachlassverfahren erhöhte Mindestanforderungen an die Sachwalter aufzustellen. Die Sachwalter werden von den Gerichten eingesetzt und überprüft. Es steht den Kantonen jedoch im Rahmen ihrer Gerichtsorganisationshoheit frei, einheitliche Vorgaben für Sachwalter vorzusehen und allenfalls Sachwalterpatente zu vergeben. ¹24
Sollten, bevor der Sachwalter seine Tätigkeiten aufnehmen kann, weitere Massnahmen nötig sein, um das schuldnerische Vermögen zu erhalten, so trifft das Nachlassgericht diese Massnahmen wie bei der provisorischen Stundung des ordentlichen Nachlassverfahrens (Art. 293 a Abs. 1 SchKG) von Amtes wegen ( Abs. 1 Satz 2 ).
Der Sachwalter erfüllt die gleichen Aufgaben wie in einem ordentlichen Nachlassverfahren, was durch Verweis auf Artikel 295 Absatz 2 klargestellt wird. Er führt damit namentlich einen Schuldenruf durch, bei dem die Gläubiger durch öffentliche Bekanntmachung (Art. 35 SchKG) aufgefordert werden, ihre Forderungen innert Monatsfrist einzugeben (Art. 300 SchKG). Jedem Gläubiger, dessen Name und Wohnort bekannt sind, stellt der Sachwalter ein Exemplar der Bekanntmachung zu.
Das Nachlassgericht kann dem Sachwalter weitere Aufgaben zuweisen (Art. 331 b Abs. 2 E-SchKG i.V.m. Art. 295 Abs. 3 SchKG). Auf die Geschäftsführung des Sachwalters sind im Übrigen durch Verweis auf Artikel 295 Absatz 4 SchKG die Bestimmungen zur Geschäftsführung der Konkurs- und Betreibungsämter sinngemäss anwendbar.
Art. 331c
Aufhebung der Stundung
Wie im ordentlichen Nachlassverfahren hebt das Nachlassgericht die Stundung von Amtes wegen dann vorzeitig auf , wenn keine Aussicht auf die Bestätigung eines Nachlassvertrags mehr besteht (Art. 293 a Abs. 3 SchKG), wenn der Schuldner unrechtmässig über sein Vermögen verfügt oder er den Weisungen des Sachwalters auf andere Weise zuwiderhandelt (vgl. Art. 298 Abs. 4 SchKG) oder wenn während der Stundung eine vollständige Sanierung des Schuldners gelungen ist (vgl. Art. 296 a SchKG). Die Erfüllung dieser Tatbestände ist dem Nachlassgericht durch Mitteilung des Sachwalters oder Schuldners zur Kenntnis zu bringen. ¹25 Eine Aufhebung der Stundung von Amtes wegen muss schliesslich auch dann erfolgen, wenn das Nachlassgericht vor Ablauf der Stundung über den Nachlassvertrag entscheidet und diesen nicht bestätigt.
Die Aufhebung der Stundung führt zum Wiederaufleben der Betreibungen bzw. des Pfändungsverfahrens, es sei denn, der Schuldner stelle einen Antrag auf Konkurs, dem das Nachlassgericht Folge gibt. Dabei ist unerheblich ob es sich um den «gewöhnlichen» Konkurs auf Antrag des Schuldners (Art. 191 SchKG) oder den neuen Sanierungskonkurs für natürliche Personen (Art. 337 E-SchKG) handelt. Da das vereinfachte Nachlassverfahren nur auf natürliche Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, Anwendung findet, kann der Konkurs vom Nachlassgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Antrag der Schuldnerin oder des Schuldners eröffnet werden. Das Nachlassgericht eröffnet den Konkurs, wenn, je nach Antrag, die Voraussetzungen gemäss Artikel 191 SchKG oder Artikel 337 Absatz 3 E-SchKG erfüllt sind. Die Konkurseröffnung durch das Nachlassgericht dient der Verfahrenseffizienz.
Zwar ist beim ordentlichen Nachlassverfahren - welches auch Privatpersonen offensteht - unter gewissen Umständen eine Konkurseröffnung von Amtes wegen vorgesehen (Art. 293 a Abs. 3 und 296 b SchKG). Wie das gesamte Nachlassverfahren ist diese Rechtsfolge jedoch auf Personen, die der Konkursbetreibung unterliegen, zugeschnitten. Sie wurde zur Stärkung der Gläubigerinteressen eingeführt, da für diese, wenn sie kein Konkursbegehren stellen müssen, die Vorschusspflicht für die Verfahrenskosten und die Haftung für die Konkurskosten entfällt. ¹26 Bei Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, ist die Ausgangslage anders. Eine Konkurseröffnung ist für diesen Personenkreis grundsätzlich nur auf eigenen Antrag und unter Prüfung der Voraussetzungen von Artikel 191 SchKG möglich. Sowohl das normale Konkursverfahren als auch der neue Sanierungskonkurs für natürliche Personen stellen für die Schuldnerin bzw. den Schuldner eine Rechtswohltat dar. Eine Konkurseröffnung von Amtes wegen über den Umweg des vereinfachten Nachlassverfahrens - und damit unter Umgehung der Voraussetzungen von Artikel 191 SchKG oder Artikel 337 Absatz 3 E-SchKG - soll deshalb nicht vorgesehen werden. Eine Konkurseröffnung ist für den ordnungsgemässen Abschluss des Nachlassverfahrens auch nicht zwingend. Die Stundung hat auf das Vermögen der Schuldnerin bzw. des Schuldners - anders als eine Konkurseröffnung - keine umfassenden generalexekutiven Wirkungen. Das Bilden einer Masse und die anteilsmässige Verteilung an die Gläubigerinnen und Gläubiger findet erst ab der Bestätigung des Nachlassvertrages statt. Die Stundung bewirkt dagegen grundsätzlich nur einen Stillstand von Fristen sowie einen Betreibungsstopp und kann ohne Weiteres aufgehoben werden. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass die Konkurseröffnung nur auf Antrag des Schuldners und unter den Voraussetzungen von Artikel 191 SchKG oder Artikel 337 Absatz 3 E-SchKG erfolgen soll. Das Gericht wird entscheiden müssen, ob der Schuldner, der seine Pflichten im Nachlassverfahren verletzt hat, die Voraussetzungen zur Eröffnung dieser Konkursverfahren erfüllen kann.
Art. 331d
Rechtsmittel
Wie im ordentlichen Nachlassverfahren steht sowohl dem Schuldner als auch den Gläubigern das Rechtsmittel der Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO) gegen den Entscheid des Nachlassgerichts zu Bewilligung, Verlängerung oder Aufhebung der Stundung zur Verfügung. Es wird vollumfänglich auf die entsprechende Bestimmung des ordentlichen Nachlassverfahrens verwiesen.
Art. 331e
Mitteilungen und Publikationen
Das Nachlassgericht teilt die Bewilligung der Stundung dem Betreibungs- und dem Grundbuchamt mit ( Abs. 1 ). Darunter fällt auch die Mitteilung der Verlängerung der Stundung. ¹27 Da das vereinfachte Nachlassverfahren nur für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen und die somit nicht im Handelsregister eingetragen sind (vgl. Art. 39 SchKG) zugänglich ist, kann die Information an das Handelsregister unterbleiben.
Aus Kosten- und Effizienzgründen unterbleibt auch die separate öffentliche Publikation der Stundung, der Sachwalter macht diese mit dem Schuldenruf bekannt ( Abs. 2 ).
Auch die allfällige Aufhebung der Stundung ist zu publizieren ( Abs. 3 ). Im ordentlichen Nachlassverfahren ist eine solche separate Publikation nur bei der Aufhebung der Stundung in Folge erfolgreicher Sanierung relevant (Art. 296 a Abs. 1 i.V.m. Art. 296 SchKG). In der Regel wird bei einer Aufhebung der Stundung von Amtes wegen der Konkurs eröffnet (Art. 296 b SchKG), womit auch die Publizität gewährleistet ist (Art. 232 SchKG). Da bei Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, der Konkurs nur auf Antrag des Schuldners eröffnet wird (Art. 331 c Abs. 2 E-SchKG), wird die Publikation der Aufhebung der Stundung in Absatz 3 ausdrücklich angeordnet. Die Aufhebung der Stundung ist auch den Behörden, denen die Stundung mitgeteilt wurde, zur Kenntnis zu bringen.
Art. 331f
Wirkungen der Stundung. Vorbereitung des Nachlassvertrags
Die Wirkungen der Stundung und die Vorbereitung des Nachlassvertrags richten sich mit wenigen Ausnahmen nach dem ordentlichen Nachlassverfahren. Es gilt ein grundsätzliches Betreibungsverbot , und Fristen stehen weitgehend still. Für die betreibungsrechtlichen Fristen wird hier die Regelung von Artikel 334 Absatz 3 SchKG übernommen, während im ordentlichen Nachlassverfahren allenfalls fristenwahrende Begehren gestellt und protokolliert werden müssen. ¹28
Wie bei der heute geltenden Stundung zum Zweck der einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung (Art. 334 Abs. 3 SchKG) sind die periodischen familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge des Schuldners vom Betreibungsverbot und Fristenstillstand nicht betroffen ( Abs. 2 Bst. a ). Diese Ausnahme erscheint auch hier sachgerecht, da die Stundung nicht zulasten der Unterhaltsgläubiger des Schuldners gehen soll. Wie im ordentlichen Nachlassverfahren (Art. 297 Abs. 1) bleibt auch die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfandgesicherte Forderungen möglich; die Verwertung des Grundpfandes bleibt aber ausgeschlossen ( Abs. 2 Bst. b ). In der Vernehmlassung wurde angeregt, die Betreibung auf Pfandverwertung sowohl im ordentlichen als auch im vereinfachten Nachlassverfahren für alle Pfandarten (und nicht nur für grundpfandgesicherte Forderungen) zuzulassen. Auch in diesem Punkt ist eine Abweichung vom ordentlichen Nachlassverfahren jedoch nicht angezeigt (s. oben Ziff. 2.3), zumal die Absicherung von Forderungen durch Pfänder vorwiegend im Geschäftsverkehr verbreitet ist.
Eine wichtige Vereinfachung gegenüber dem ordentlichen Nachlassverfahren ist der mögliche Verzicht auf die Gläubigerversammlung zur Abstimmung über den Nachlassvertrag ( Abs. 3 ; vgl. Art. 301-302 SchKG). Der Sachwalter informiert die Gläubiger (in der Regel durch eingeschriebenen Brief oder auf elektronischem Weg; Art. 331 b Abs. 2 E-SchKG i.V.m. Art. 295 Abs. 4 i.V.m. Art. 34 SchKG) ¹29 über die Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners und stellt ihnen den Entwurf des Nachlassvertrages zu. Die Gläubiger können zum Nachlassvertrag innert einer vom Sachwalter angesetzten Frist Stellung nehmen und ihre Annahme oder Ablehnung erklären. Dies stellt eine Vereinfachung für die Gläubiger dar und hilft dabei, Kosten einzusparen. Wenn der Sachwalter eine Gläubigerversammlung als notwendig erachtet, kann er sie einberufen.
Das Gericht kann über die Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages schliesslich auch ohne Durchführung einer Verhandlung entscheiden ( Abs. 4 ). Damit wird Artikel 304 Absatz 3 SchKG für das vereinfachte Nachlassverfahren ausser Kraft gesetzt. Da die Gläubiger vom Sachwalter vorgängig zur Stellungnahme eingeladen werden, können sie dort auch ihre Einwendungen anbringen. Falls das Nachlassgericht eine Verhandlung als notwendig erachtet, kann es eine solche ansetzen.
Art. 331g
Bestätigung und Durchführung des Nachlassvertrags
Die Bestätigung und Durchführung des Nachlassvertrags richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über den Nachlassvertrag und den Bestimmungen über den ordentlichen Nachlassvertrag. Dies bedeutet namentlich, dass auch im vereinfachten Nachlassverfahren die Quoren von Artikel 305 Absatz 1 SchKG erfüllt werden müssen. Eine Erleichterung der Quoren gegenüber dem ordentlichen Nachlassverfahren wäre schwierig zu rechtfertigen. Auch Artikel 306 Absatz 1 Ziffer 1 SchKG gilt unverändert, der Nachlassvertrag kann somit nur bestätigt werden, wenn der Wert der angebotenen Leistungen im richtigen Verhältnis zu den Möglichkeiten des Schuldners steht. Bei dieser Beurteilung kann das Nachlassgericht auch Anwartschaften der Schuldnerin oder des Schuldners berücksichtigen.
Für den Kreis der natürlichen, nicht der Konkursbetreibung unterliegenden Personen, sollen aber zwei Hürden herabgesetzt werden, welche einer Annahme des Nachlassvertrages nach geltendem Recht oftmals im Wege stehen:
-
Eine wesentliche Erleichterung gegenüber dem ordentlichen Nachlassvertrag ist, dass Gläubiger, die nicht innert der angesetzten Frist zum Entwurf des Nachlassvertrags Stellung nehmen, für die Annahme des Nachlassvertrags weder für ihre Person noch für ihre Forderung mitgerechnet werden ( Bst. a ). Dadurch soll vermieden werden, dass passive, desinteressierte Gläubiger eine Sanierung verhindern, wie es heute teilweise der Fall ist. 13⁰ Ihre Enthaltung zählt dabei weder als Zustimmung noch als Ablehnung. Für die Annahme des Nachlassvertrags genügt es aber, wenn die qualifizierte Mehrheit der aktiven Gläubiger diesem zustimmt. Eine ähnliche Regelung besteht in Österreich, wo das Instrument des Zahlungsplans sehr erfolgreich eingesetzt wird und bei der Sanierung von natürlichen Personen in der Mehrzahl der Verfahren zur Anwendung kommt. 13¹
-
Eine weitere wesentliche Erleichterung ist der Verzicht auf die hinlängliche Sicherstellung der privilegierten Forderungen , wodurch es möglich wird, diese in den Nachlassvertrag einzubeziehen und während der Laufzeit des Vertrags abzubezahlen ( Bst. b ). Die Erfüllung der privilegierten Forderungen muss heute für die Annahme eines Nachlassvertrags hinlänglich sichergestellt sein, sofern nicht einzelne Gläubiger ausdrücklich auf die Sicherstellung ihrer Forderungen verzichten (Art. 306 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Zu den privilegierten Gläubigern gehören namentlich Personen mit familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsansprüchen (Art. 219 Abs. 4, Erste Klasse Bst. c SchKG, für Forderungen, die in den letzten sechs Monaten entstanden sind) sowie die Krankenkassen (Art. 219 Abs. 4, Zweite Klasse Bst. c SchKG). Künftige Lohnforderungen können nur teilweise für die Sicherstellung verwendet werden, da Artikel 325 OR die Abtretung und Verpfändung zukünftiger Lohnforderungen ausser zur Sicherung von familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungspflichten verbietet. Dies bedeutet, dass die Mittel zur Deckung der privilegierten Forderungen bei Annahme des Nachlassvertrags grundsätzlich bereits vorhanden sein müssen, was in vielen Fällen nicht der Fall ist. Es soll deshalb für Privatpersonen künftig möglich sein, diese privilegierten Forderungen während der Laufzeit des Nachlassvertrags abzubezahlen. Um nicht in die geltende Privilegienordnung einzugreifen, ¹32 muss der Nachlassvertrag jedoch vorsehen, dass die betroffenen Forderungen bis zur Erfüllung des Nachlassvertrages und vor den anderen Nachlassforderungen vollständig erfüllt werden, sofern nicht einzelne Gläubiger ausdrücklich auf die vollständige und vorgängige Erfüllung verzichten. Auf diese Weise erleiden die privilegierten Gläubiger gegenüber der heutigen Lage keine Nachteile, können aber ebenfalls von einer erfolgreichen Sanierung profitieren. Für die während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten bleibt es bei der Regelung von Artikel 306 Absatz 1 Ziffer 2; diese müssen somit hinlänglich sichergestellt sein, wenn die entsprechenden Gläubiger nicht auf die Sicherstellung verzichten.
Der bestätigte Nachlassvertrag ist für sämtliche Gläubiger verbindlich , deren Forderung vor der Bewilligung der Stundung oder seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden ist. Ausgenommen sind die Pfandforderungen, soweit sie durch das Pfand gedeckt sind (Art. 310 Abs. 1 SchKG). Mit Erfüllung des Nachlassvertrags gehen die erlassenen Restforderungen unter . ¹33 Wird einem Gläubiger gegenüber der Nachlassvertrag nicht erfüllt, so kann er beim Nachlassgericht für seine Forderung die Aufhebung des Nachlassvertrages verlangen, ohne seine Rechte daraus zu verlieren (Art. 316 SchKG).
Wird der Nachlassvertrag abgelehnt, so eröffnet das Nachlassgericht auf Antrag des Schuldners denn Konkurs, wenn, je nach Antrag, die Voraussetzungen gemäss Artikel 191 SchKG oder Artikel 337 Absatz 3 E-SchKG erfüllt sind. Die Konkurseröffnung durch das Nachlassgericht dient der Verfahrenseffizienz. Erfolgt kein Antrag auf Konkurseröffnung, wird die Stundung vorzeitig aufgehoben (Art. 331 c Abs. 1 Bst. d E-SchKG), wenn sie nicht ohnehin bereits abgelaufen ist.
VI. Nachlassvertrag im Konkurs
Art. 332 Abs. 2 Satz 1
Die Bestimmung zum Nachlassvertrag im Konkurs muss aufgrund der Einführung des vereinfachten Nachlassverfahrens für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, angepasst werden. Das Verfahren ist als vereinfachtes Nachlassverfahren zu führen, wenn die Voraussetzungen von Artikel 331 a Absatz 1 E-SchKG erfüllt sind
Auch im neuen Sanierungskonkurs für natürliche Personen (Art. 337-350 E-SchKG) kann ein Nachlassvertrag vorgeschlagen werden. Da es sich dabei um ein Konkursverfahren handelt, ist diese Möglichkeit ohne Weiteres durch Anwendung von Artikel 332 Absatz 1 SchKG gegeben.
VII. Stundung zum Zweck der einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen
Der Schuldner ist weiterhin frei, an Stelle des vereinfachten Nachlassverfahrens die Durchführung einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung zu beantragen. Die heutigen Artikel 333-336 SchKG werden deshalb beibehalten. Zwar ist zu erwarten, dass die einvernehmliche private Schuldenbereinigung in der Praxis zusätzlich an Bedeutung verlieren wird. Vereinzelt könnten Schuldner aber auch weiterhin die einvernehmliche private Schuldenbereinigung einem vereinfachten Nachlassverfahren bevorzugen. So bleibt namentlich die Möglichkeit erhalten, eine Stundung zwecks Bereinigung der Schuldensituation zu erlangen, ohne die Öffentlichkeit eines Schuldenrufs in Kauf zu nehmen. Durch einen neuen Titel wird klargestellt, dass es dieses zwangsvollstreckungsrechtliche Instrument der Stundung ist, das die einvernehmliche private Schuldenbereinigung von rein privaten Vereinbarungen unterscheidet und den Beizug des Nachlassgerichts und des Sachwalters rechtfertigt. Der Schuldner kann durch die gewährte Stundung mit den Gläubigern ohne Zeitdruck private Vereinbarungen bzw. eine Summe von Erlassverträgen im Sinne von Artikel 115 OR aushandeln. Die Vereinbarungen werden mit jedem Gläubiger einzeln abgeschlossen und binden nur die zustimmenden Gläubiger.
Geprüft wurde, ob anlässlich der Einführung neuer Verfahren zur Sanierung von natürlichen Personen eine bestehende Unklarheit zur privaten Schuldenbereinigung nach Artikel 333-336 beseitigt werden müsste. So ist heute nicht restlos geklärt, welche Auswirkungen eine mit einem Gläubiger abgeschlossene Vereinbarung auf damit zusammenhängende Betreibungen hat. Das Betreibungsamt ist nach Ablauf der Stundung theoretisch gehalten, eine Einkommenspfändung wiederaufzunehmen, sofern der Gläubiger die Betreibung nicht zurückzieht. Ein Gläubiger hat jedoch kein Interesse daran, seine Betreibung zurückzuziehen, bevor er die vereinbarte Dividende erhalten hat. Zwar nimmt gemäss Auskunft des Dachverbands Schuldenberatung die Mehrheit der Betreibungsämter die Pfändung auch heute schon nicht wieder auf, wenn eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger vorliegt. Dies wird jedoch nicht von allen Betreibungsämtern so umgesetzt. Der Schuldner könnte zwar jederzeit gestützt auf Artikel 85 oder 85 a SchKG beim Gericht des Betreibungsortes die Aufhebung oder Einstellung der Betreibung bzw. die Feststellung, dass die Schuld gestundet ist, verlangen. Dies ist jedoch mit Prozesskosten verbunden. Für diese Problematik wurde in der Expertengruppe jedoch keine einfache Lösung gefunden, welche ohne unerwünschte Auswirkungen auf andere Bereiche bliebe. Da den Schuldnerinnen und Schuldnern neu ein vereinfachtes Nachlassverfahren offenstehen soll, bei dem die Betreibungen mit Bestätigung des Nachlassvertrages automatisch dahinfallen (Art. 311 SchKG), dürfte das Problem an Dringlichkeit verlieren. Der Schuldner bleibt somit auf die allgemeinen Regeln verwiesen.
Art. 335 Abs. 3
Eine Klarstellung wurde in Artikel 335 Absatz 3 eingefügt: Das Gericht kann den Sachwalter beauftragen, den Schuldner bei der Erfüllung der Vereinbarungen zu überwachen, wie es bereits im geltenden Recht vorgesehen ist. Es wird nun klargestellt, dass dies auf Antrag des Sachwalters oder eines Gläubigers zu geschehen hat. Wie bis anhin nimmt das Gericht aber weder eine inhaltliche Prüfung vor, noch bestätigt es die getroffenen Vereinbarungen. Verletzt der Schuldner die Vereinbarung, greifen die üblichen Folgen der Schlecht- oder Nichterfüllung. Es lohnt sich, die Folgen einer Verletzung in der Vereinbarung klar zu regeln.
Zwölfter Titel: Sanierungskonkurs für natürliche Personen
¹34
Art. 337
Voraussetzungen
Artikel 337 regelt die Eröffnung des Sanierungskonkurses für natürliche Personen. Diese folgt auf Antrag des Schuldners beim Konkursgericht. Dem Antrag sind
Unterlagen beizulegen, aus denen die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- (bei selbstständig Erwerbenden) und Einkommenslage (bei unselbstständig Erwerbenden) des Schuldners ersichtlich ist (
Abs. 2
).
Das Konkursgericht eröffnet den Sanierungskonkurs, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind ( Abs. 3 ):
-
Der Schuldner muss zunächst dauernd zahlungsunfähig (Bst. a) sein. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist in der Schweizer Rechtsordnung nicht einheitlich definiert. ¹35 Bei Artikel 191 SchKG wird unter «Zahlungsunfähigkeit» die Unfähigkeit des Schuldners verstanden, «aus einem nicht nur vorübergehenden Mangel an Zahlungsmitteln fällige Geldschulden zu begleichen». ¹36 In der Rechtsprechung zur Sicherstellung von Prozesskosten beziehungsweise zur Konkursbetreibung von juristischen Personen finden sich weiter die Anforderungen, dass der Schuldner «weder über die Mittel verfügt, fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen, noch über den erforderlichen Kredit, sich diese Mittel nötigenfalls zu beschaffen», ¹37 oder , dass keine wesentlichen Anhaltspunkte für eine Verbesserung der finanziellen Situation des Schuldners zu erkennen sind und er auf unabsehbare Zeit als illiquid erscheint. ¹38
Die verlangte Zahlungsunfähigkeit wird als « dauernd » qualifiziert. Damit soll im Gesetzeswortlaut klargestellt werden, dass Schuldner mit bloss vorübergehenden finanziellen Engpässen das Sanierungskonkursverfahren nicht durchlaufen können sollen.
Bei natürlichen Personen ist eine kritische Verschuldung beziehungsweise Überschuldung nicht schon dann anzunehmen, wenn die Schulden das Vermögen eines Schuldners übersteigen, da entweder durch eigene Erwerbstätigkeit oder durch staatliche Unterstützung auch regelmässig neue Mittel generiert werden. Die vorausgesetzte dauernde Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr dann gegeben, wenn der Teil des Einkommens, der nach der Deckung des Existenzminimums verbleibt, nicht ausreicht, um die übrigen Zahlungsverpflichtungen in absehbarer Zeit zu befriedigen. ¹39 Zu berücksichtigen ist, dass auch ein langjähriger Kreditvertrag für sich alleine noch keine Zahlungsunfähigkeit begründet, wenn die Mittel des Schuldners ausreichen, um die vereinbarten Ratenzahlungen zu erfüllen. Erst eine Gesamtsicht über alle Verpflichtungen, alle Vermögenswerte und alle Einkünfte zusammen lässt erkennen, ob sich der Schuldner in einer Verschuldungssituation befindet, aus der er sich in absehbarer Zeit aus eigener Kraft nicht befreien kann, womit er die Voraussetzung zur Eröffnung des Sanierungskonkurses erfüllt. Einem jungen Erwerbstätigen mit geringen Konsumschulden, 14⁰ welcher diese Schulden in absehbarer Zeit wird zurückzahlen können, sollte die Eröffnung eines Sanierungskonkurses nicht offenstehen. Der Sanierungskonkurs ist als Auffangverfahren für hoffnungslos verschuldete natürliche Personen gedacht.
Die dauernde Zahlungsunfähigkeit wird im Gesetzestext weiter dahingehend definiert, dass die Konkursforderungen durch den Schuldner in absehbarer Zeit nicht gedeckt werden können. Eine solche kritische Verschuldung kann durch nicht oder kaum vorhandene Rückzahlungsmöglichkeiten, aber auch durch eine im Verhältnis zu den Rückzahlungsmöglichkeiten zu grosse Schuldenhöhe verursacht werden. Dabei wird es von den konkreten Verhältnissen im Einzelfall abhängen, über welchen Zeitraum eine verlässliche Prognose zu den künftigen Rückzahlungsmöglichkeiten des Schuldners getroffen werden kann. Schuldner, die während oder kurz nach dem Sanierungskonkurs alle offenen Forderungen vollständig zurückzahlen könnten, sollten aber jedenfalls vom Verfahren ausgeschlossen sein.
Nach der Vernehmlassung wurde noch einmal vertieft geprüft, ob das Vorliegen eines Verlustscheins gegen den Schuldner verlangt werden soll. In der Vernehmlassung wurde als Argument für dieses Kriterium vorgebracht, ein Verlustschein zeige, dass jemand tatsächlich überschuldet sei und schon eine erfolglose Pfändung durchlaufen habe. Der Bundesrat sieht aus einer Reihe von Gründen davon ab, das Vorliegen von Verlustscheinen als Eintrittsvoraussetzung vorzuschlagen. Zunächst wäre das Kriterium in Bezug auf die aktuelle finanzielle Situation des Schuldners zu wenig aussagekräftig. Die Ausstellung eines Verlustscheins kann lange zurückliegen, auch gegen wohlhabende Schuldner können alte Verlustscheine vorliegen. Umgekehrt ist auch denkbar, dass gegen hochverschuldete Schuldner noch keine Verlustscheine vorliegen. So kann es dem Zufall geschuldet sein, ob ein Gläubiger eine Pfändung bis zur Ausstellung eines Verlustscheins weiterverfolgt hat. Bei natürlichen Personen, die der Konkursbetreibung unterliegen, wäre dieses Kriterium gar kaum erfüllbar, da keine Konkursverlustscheine ausgestellt werden, wenn ein Verfahren mangels Aktiven eingestellt wird. Schliesslich soll auch vermieden werden, dass vor der Eröffnung des Sanierungskonkurses zwingend ein erfolgloses Pfändungsverfahren durchlaufen werden muss. Dies würde nämlich bedeuten, dass bereits ein Jahr lang alle pfändbaren Mittel unter Umständen zugunsten nur eines Gläubigers abgeschöpft wurden. Das widerspricht dem mit einem Konkurs bezweckten Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger.
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Für die Eröffnung des Sanierungskonkurses wird weiter vorausgesetzt, dass keine Aussicht auf das Zustandekommen eines Nachlassvertrages beziehungsweise einer einvernehmlichen Schuldenbereinigung nach den Artikeln 293-336 SchKG bestehen darf ( Bst. b ). Dabei wird nicht verlangt, dass in jedem Fall erfolglos Verhandlungen geführt und ein angestrebter Nachlassvertrag gescheitert ist. Wenn offensichtlich ist, dass die Gläubiger einem Nachlassvertrag kaum zustimmen werden, beispielsweise weil der Schuldner in absehbarer Zukunft keine namhafte Quote anbieten kann oder die Gläubiger bereits früher keine Verhandlungsbereitschaft zeigten, kann der Sanierungskonkurs direkt eröffnet werden. Es gilt, teure Leerläufe zu verhindern. Hingegen gibt es durchaus Konstellationen, in denen erwartet werden darf, dass der Schuldner zunächst versucht einen Nachlassvertrag oder Schuldenbereinigungsplan mit den Gläubigern auszuhandeln. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn in absehbarer Zukunft substanzielle Rückzahlungsmöglichkeiten zu erwarten sind. In solchen Fällen soll das vereinfachte Nachlassverfahren das Verfahren der Wahl sein. Um diesem gewollten Vorrang des vereinfachten Nachlassver fahrens Nachachtung zu verschaffen, wird für Schuldner mit Anwartschaften oder nur vorübergehenden Erwerbseinbussen vorgeschrieben, dass sie einen ernsthaften Einigungsversuch mit den Gläubigern nachweisen müssen. Darunter fallen Schuldner mit Anwartschaften wie einem erheblichen gesetzlichen Erbanspruch, Ansprüchen auf ein zur Auszahlung gelangendes Vorsorgeguthaben oder zu erwartenden namhaften Gewinnen aus Erwerbseinkommen. 14¹ Ausdrücklich erwähnt werden auch Schuldner mit klar nur vorübergehenden Erwerbseinbussen (z. B. durch Reduktion des Arbeitspensums infolge Elternschaft oder Weiterbildung). Es soll dadurch verhindert werden, dass Schuldner den Sanierungskonkurs in eine Lebensphase legen, in der kaum Rückzahlungen für die Gläubiger zu erwarten sind, ohne dass den Gläubigern eine angemessene Sanierungslösung angeboten wurde.
In einem Nachlassvertrag kann nicht nur ein Teilerlass der Forderungen vereinbart werden, sondern es kann für Schuldnerinnen und Schuldner mit vorübergehendem finanziellem Engpass auch eine Stundung vereinbart werden (s. oben Ziff. 4.1.2). Das Nachlassgericht bestätigt einen Nachlassvertrag, wenn ihm eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger zugestimmt hat und das Gericht den Vorschlag als angemessen beurteilt (Art. 306 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG).
Dem Konkursgericht muss der Nachweis erbracht werden, dass eine Einigung mit den Gläubigern ernsthaft versucht wurde. Wenn die Verhandlungen mit Gläubigern scheitern, soll einem Schuldner, der ernsthaft verhandelt und eine angemessene Lösung angeboten hat, eine finanzielle Sanierung durch den Sanierungskonkurs aber möglich sein. Dadurch soll auch für die Gläubiger der Anreiz, Hand für einvernehmliche Sanierungslösungen zu bieten, erhöht werden.
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Damit der Sanierungskonkurs eröffnet werden kann, muss der Schuldner weiter glaubhaft machen, dass während dem Verfahren keine neuen ungedeckten Verbindlichkeiten entstehen werden ( Bst. c ). Er muss damit zeigen, dass die Voraussetzungen für eine Schuldbefreiung am Ende des Verfahrens (Art. 349 Abs. 3 E-SchKG) voraussichtlich gegeben sein und genügend Mittel für alle absehbaren periodischen Verpflichtungen vorhanden sein werden. Der Schuldner muss mit anderen Worten über ein ausgeglichenes Budget verfügen. Nur wenn ein Schuldner sich nicht laufend neu verschuldet und mit den vorhandenen Mitteln über die Runden kommt, kann er als sanierungsfähig gelten. Dabei ist unerheblich, aus welcher Quelle diese Mittel stammen; es kann sich um Erträge oder Erwerbseinkommen des Schuldners, aber auch um Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder der Sozialhilfe handeln. Entscheidend ist, dass glaubhaft erscheint, dass der Schuldner und seine Familie mit diesen Mitteln auskommen und ihren Notbedarf gemäss Artikel 339 Buchstabe a E-SchKG decken können. Die durch rechtmässigen Sozialhilfebezug während des Verfahrens entstehenden Rückerstattungsforderungen stellen keine ungedeckten Verbindlichkeiten im Sinne dieser Bestimmung dar, was im Gesetzestext klargestellt wird.
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Dem Schuldner darf in den letzten zehn Jahren keine Schuldbefreiung nach Artikel 349 Absatz 3 E-SchKG erteilt worden sein ( Bst. d ). Diese Sperrfrist soll dazu dienen, Missbräuche des Sanierungskonkurses zu verhindern. ¹42
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Bst. e: Schliesslich soll eine Sperre für Schuldner, die sich möglicherweise eines Konkurs- oder Betreibungsverbrechens oder -vergehens (Art. 163-171 StGB) schuldig gemacht haben, gelten. Dabei soll aber nicht auf den blossen Verdacht abgestellt werden. Damit die Sperre eintritt, muss das Strafverfahren eröffnet und entweder noch hängig oder mit einer Verurteilung abgeschlossen worden sein. Auch gilt die Sperre nicht unbegrenzt. Es sollen nur Handlungen oder Unterlassungen erfasst werden, die in den letzten zehn Jahren erfolgt sind. In der Vernehmlassung war vereinzelt gefordert worden, den Katalog der Straftaten, die eine Sperre auslösen, zu erweitern. Dem Bundesrat erscheint es jedoch angemessen, es bei den Konkurs- oder Betreibungsdelikten, welche mit ihrer Strafandrohung den Schutz des Zwangsvollstreckungsrechts und dem Gläubigerschutz dienen ¹43 , zu belassen. Es sind diese Schutzzwecke, die mit der Sperre für den Sanierungskonkurs aufrechterhalten werden sollen. Hingegen soll die Bestrafung des Schuldners für andere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen einer finanziellen Sanierung des Schuldners nicht grundsätzlich im Wege stehen. Für die Bestrafung des Schuldners ist das Strafverfahren vorgesehen; der Schuldner soll durch Hürden im Sanierungskonkurs nicht zusätzlich bestraft werden.
Wie ein Nachlassverfahren (Art. 332 Abs. 1 SchKG) soll auch ein Sanierungskonkurs während einem laufenden gewöhnlichen Konkursverfahren beantragt werden können ( Abs. 4 ). Diese Schnittstelle dient der Verfahrenseffizienz , kann doch dadurch verhindert werden, dass einzelne Verfahrensschritte allenfalls wiederholt werden müssten. Da der Sanierungskonkurs bis zur Auflage des Kollokationsplans weitgehend einem gewöhnlichen Konkursverfahren entspricht, ist der Verfahrensübergang jederzeit problemlos möglich.
Art. 338
Verfahren
Das Eröffnungsverfahren richtet sich nach den massgebenden Bestimmungen für das Konkursverfahren, welche in der Bestimmung aufgeführt werden ( Abs. 1 ). Die Mitteilung der Entscheide des Konkursgerichts - namentlich der Eröffnung des Verfahrens - richtet sich nach Artikel 176 SchKG ( Abs. 1 Bst. c ). Wie bei einer gewöhnlichen Konkurseröffnung auf Antrag des Schuldners kann die Mitteilung an das Handelsregisteramt dann unterbleiben, wenn der Schuldner nicht der Konkursbetreibung unterliegt (Art. 194 Abs. 2 SchKG), da er nicht im Handelsregister eingetragen ist (vgl. Art. 39 Abs. 1 SchKG).
Gemäss Verweis gilt auch Artikel 174 SchKG zur Weiterziehung des Entscheids des Konkursgerichts ( Abs. 2 ). Beruht der Entscheid des Konkursgerichts auf einer Insolvenzerklärung des Schuldners - wie es auch im neuen Sanierungskonkurs der Fall ist - so waren die Gläubiger nach jahrelanger Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht berechtigt, das Konkurserkenntnis weiterzuziehen, da sie nicht Partei des erstinstanzlichen Entscheids sind. ¹44 Das Bundesgericht hat in jüngster Zeit jedoch eine Weiterziehungsmöglichkeit auch für die Gläubigerinnen und Gläubiger in gewissen Konstellationen bejaht:
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In BGE 149 III 186 wurde einer Gläubigerin die Beschwerdelegitimation nach Artikel 174 SchKG bei örtlicher Nichtzuständigkeit des Konkursgerichts zugesprochen. Was für die Rüge des Rechtsmissbrauchts gilt, wurde ausdrücklich offengelassen (BGE 149 III 186, E. 3.4.3).
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In BGE 150 III 262 wurde einer Gläubigerin auch für das Erheben der Rüge des Rechtsmissbrauchs die Beschwerdelegitimation gegen eine Konkurseröffnung nach Artikel 191 SchKG zugesprochen.
Das Bundesgericht setzte sich in den erwähnten Entscheiden vertieft mit der Rechtsprechung und Lehre zur Beschwerdelegitimation der am erstinstanzlichen Urteil nicht beteiligten Gläubiger auseinander und schloss sich letztlich der Waadtländer Praxis, welche Gläubigerbeschwerden gegen Konkurseröffnungen nach Artikel 191 SchKG schon länger zuliess, an. ¹45 Sowohl die Zuständigkeitsregeln als auch das Verbot des Rechtsmissbrauchs seien zwingender Natur und lägen im Interesse der Gläubiger. ¹46 Diesen sei deshalb die Wahrung ihrer rechtlichen Interessen durch eine Beschwerde zu ermöglichen.
Beim neuen Sanierungskonkurs gestaltet sich die Lage allerdings insofern anders, als die Gläubiger nach Auflage des Sanierungsplans von Gesetzes wegen die Möglichkeit erhalten sollen, das Gericht anzurufen (Art. 344 Abs. 1 E-SchKG). Zu diesem Zeitpunkt besteht eine vollständige Übersicht über die aktuelle und prognostizierte zukünftige Vermögens- und Einkommenslage des Schuldners, auch wurden bis dahin alle Gläubiger mittels Spezialanzeige (Art. 342 Abs. 3 E-SchKG i.V.m. Art. 233 SchKG) oder Schuldenruf (Art. 342 Abs. 3 E-SchKG i.V.m. Art. 232 SchKG) über die Sanierungskonkurseröffnung informiert. Vom Gesichtspunkt der Verfahrenseffizienz her ist dies deshalb der geeignetste Zeitpunkt, um den Gläubigern ein Rechtsmittel zu geben. In Artikel 338 Absatz 2 E-SchKG wird deshalb festgehalten, dass der Weiterzug des Konkurserkenntnisses nach Artikel 174 SchKG nur für die Schuldner vorgesehen ist. Diese sollen namentlich gegen eine Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Sanierungskonkurses die höhere Instanz anrufen können. Die Gläubiger haben später die Möglichkeit, sich gegen die Weiterführung des Sanierungskonkursverfahrens zur Wehr zu setzen und den Abbruch des Verfahrens zu verlangen.
Art. 339
Wirkungen
Die Eröffnung des Sanierungskonkurses hat auf das Vermögen des Schuldners und die Rechte der Gläubiger die Wirkungen einer normalen Konkurseröffnung . Es wird im Wesentlichen auf die Artikel 197-220 SchKG verwiesen. Die Anwendung der Regeln über den Konkurs wirkt sich namentlich bei der Zusammensetzung des betroffenen Vermögens und der betroffenen Forderungen sowie der Rangordnung bei der Gläubigerbefriedigung aus. Wie in einem gewöhnlichen Konkursverfahren besteht für die Gläubiger die Möglichkeit der Anfechtung nach Artikel 285-292, womit nicht mehr beim Schuldner vorhandene Vermögenswerte unter Umständen der Zwangsvollstreckung zugeführt werden können,
Sämtliches pfändbare Vermögen , das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Sanierungskonkurses gehört, bildet, gleichviel wo es sich befindet, eine einzige Masse, die zur gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger dient (Art. 197 SchKG). Da der Sanierungskonkurs auch bezweckt, für die Gläubiger im Vergleich zum Privatkonkurs Verfahrenserleichterungen und eine höhere Rückzahlungsquote zu erreichen, wäre es jedoch nicht gerechtfertigt, das Einkommen der Schuldnerin oder des Schuldners vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an den Gläubigern komplett zu entziehen, wie es im gewöhnlichen Konkursverfahren der Fall ist. ¹47 Auf der Seite der Aktiven wird deshalb vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an das beschränkt pfändbare Einkommen des Schuldners nach den Regeln der Pfändung ebenfalls zugunsten der Gläubiger erhoben. Diese Vermögenswerte fallen wie Vermögen, das dem Schuldner bis zum Schluss des Verfahrens anfällt (z. B. eine Erbschaft; Art. 197 Abs. 2 SchKG), in die Konkursmasse. Die Zuführung des beschränkt pfändbaren Einkommens nach Artikel 93 Absatz 1 SchKG zur Konkursmasse wird als Abschöpfung bezeichnet.
Auf der Seite der Passiven sind vom Verfahren - und damit möglicherweise von der Schuldbefreiung am Ende des Verfahrens - sämtliche Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bestehen , betroffen. Forderungen, die nach der Verfahrenseröffnung entstehen, müssen - mit Ausnahme der Masseverbindlichkeiten - entweder vom Existenzminimum des Schuldners gedeckt werden, oder sie haben, wenn sie zu einer problematischen Neuverschuldung führen, den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens zur Konsequenz (Art. 348 Abs. 1 Bst. c E-SchKG). Die Verfahrenseröffnung bewirkt gegenüber der Konkursmasse die Fälligkeit sämtlicher bestehender Schuldverpflichtungen der Schuldnerin oder des Schuldners (Art. 208 Abs. 1 SchKG). Dies ermöglicht dem Schuldner die komplette Bereinigung seiner finanziellen Situation und bewirkt die Gleichbehandlung aller Gläubiger. Auch Forderungen unter aufschiebender Bedingung werden zum vollen Betrag zugelassen (Art. 210 Abs. 1 SchKG). Die den Forderungen unter aufschiebender Bedingung oder mit ungewisser Verfallzeit zukommenden Anteile werden bei der Depositenanstalt hinterlegt (Art. 264 Abs. 3 SchKG). Periodische Leistungen , welche vor der Verfahrenseröffnung angefallen sind, fallen ebenfalls in die betroffenen Forderungen. Dies gilt auch für die bis dahin fälligen familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge. Die während des Verfahrens fällig werdenden Beträge bilden Teil des Existenzminimums und sind vom Schuldner aus diesem zu begleichen.
Für die Zwecke des Sanierungskonkurses werden folgende Abweichungen zum gewöhnlichen Konkursverfahren statuiert:
Abschöpfung des laufenden Einkommens oder der laufenden Erträge zum Zweck der gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger (Bst. a)
In Abweichung zum Konkursverfahren verfügt das Amt ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung die Abschöpfung über die verfügbare Quote aus den laufenden Erträgen und Einkünften des Schuldners nach den Regeln der Pfändung (zum Verfahren: Art. 345 E-SchKG).
Die abschöpfbare Quote ergibt sich aus der Differenz des Gesamteinkommens des Schuldners und seinem Notbedarf. ¹48 In der Pfändung bestimmt das Amt den Notbedarf nach seinem Ermessen (Art. 93 Abs. 1 SchKG) und auf Basis der tatsächlichen Gegebenheiten. Die Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz hat dafür Richtlinien erarbeitet. ¹49 Diese sehen einen monatlichen Grundbetrag für alleinstehende Betriebene von 1200 Franken vor, für ein Ehepaar mit zwei Kindern unter zehn Jahren einen solchen von 2500 Franken. Der Grundbetrag soll Nahrung, Kleidung, Körperpflege, Strom und ähnliche Auslagen decken. 15⁰ Hinzu kommen Zuschläge für den effektiven Miet- oder Hypothekarzins, Heiz- und Nebenkosten, Sozialbeiträge (u. a. Krankenkassenprämien), rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, unumgängliche Berufsauslagen und ähnliches. In der Praxis werden diese Kosten in der Regel nur angerechnet, wenn der Schuldner Belege für die letzten Monate vorlegen kann. Das Amt berücksichtigt nicht nur die tatsächlichen Verhältnisse, sondern beurteilt auch, ob diese angemessen sind. So ist beispielsweise ein den wirtschaftlichen Verhältnissen und persönlichen Bedürfnissen des Schuldners nicht angemessener Mietzins in der Regel nach Ablauf des nächsten Kündigungstermins auf ein ortsübliches Normalmass herabzusetzen. 15¹ Die Berechnung des Notbedarfs ist nach objektiven Kriterien vorzunehmen und richtet sich an den Bedürfnissen eines Durchschnittbürgers und den Mitgliedern einer Durchschnittsfamilie aus. ¹52
Begleichung der laufenden Einkommens- und Vermögenssteuern aus dem abgeschöpften Einkommen und Bestimmung des massgebenden konkursrechtlichen Stichtags (Bst. b)
Der Notbedarf nach Artikel 93 Absatz 1 SchKG soll grundsätzlich auch im Sanierungskonkurs massgebend sein. Bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Artikel 93 Absatz 1 SchKG werden gemäss den Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts die laufenden Steuern nicht umfasst. ¹53 Die zur Begleichung der laufenden Steuern erforderlichen Lohnbestandteile werden damit ebenfalls gepfändet. Dies bedeutet, dass während einer Lohnpfändung «neue» Steuerschulden hinzukommen, während «alte» Schulden durch die Pfändung abgebaut werden. ¹54 Dies ist mit dem Ziel des Sanierungskonkurses, einen finanziellen Neustart zu ermöglichen, nicht vereinbar. ¹55 Im Vorentwurf war deshalb festgehalten worden, dass die laufenden Steuern zum Notbedarf gemäss Artikel 93 Absatz 1 SchKG hinzuzurechnen und im Ergebnis von der abschöpfbaren Quote abzuziehen sind. ¹56 Dies war in der Vernehmlassung im Grundsatz unbestritten und wurde vielfach ausdrücklich begrüsst, wenn auch vereinzelt auf technische Probleme bei der Berechnung der Steuerforderungen hingewiesen wurde. Im Zuge der Überarbeitung der Vorlage konnte eine einfachere Lösung gefunden werden: An Stelle der vorgängigen Berücksichtigung bei der Berechnung der abschöpfbaren Quote können die Steuern durch das Amt direkt aus dem - nach dem geltenden Artikel 93 Absatz 1 SchKG berechneten - abgeschöpften Einkommen beglichen werden. Sie werden damit zu Masseforderungen, wobei als Masse in diesem Fall nur die abgeschöpften Vermögenswerte - unter Ausnahme des bei Verfahrenseröffnung vorhandenen Vermögens - zur Verfügung steht. Die laufenden Steuerforderungen sollen aus dem besteuerten laufenden Einkommen beglichen werden und nicht zu Lasten der Gläubiger aus der übrigen Konkursmasse alimentiert werden.
Auf diese Weise sollen sämtliche Einkommens- und Vermögenssteuerforderungen, die für die Dauer des Verfahrens anfallen würden , erfasst werden, das heisst die auf das in dieser Periode erzielte Einkommen anteilsmässig anfallenden Steuern.
Betroffene Steuerarten
Diese Sonderlösung wird für die Einkommens- und Vermögenssteuern vorgesehen und ist die Folge davon, dass - anders als in einem gewöhnlichen Konkurs -, das laufende Einkommen des Schuldners abgeschöpft und der Konkursmasse zugeführt wird. Andere Steuern für eine Steuerpflicht auslösende Ereignisse, welche nach Konkurseröffnung eintreten, gelten in der Regel bereits nach geltendem Recht als Masseverbindlichkeiten, die vorweg beglichen werden. ¹57 Dies wurde vom Bundesgericht zuletzt in Bezug auf die Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit der Verwertung eines Grundstücks festgehalten. ¹58 Auch Steuern im Zusammenhang mit Vermögen, das dem Schuldner während des Verfahrens anfällt (Art. 197 Abs. 2 SchKG, z. B. Erbschafts- und Schenkungssteuern) und die somit in direktem Zusammenhang zum Konkurssubstrat stehen, sind gleich zu behandeln und gelten bereits nach geltendem Recht als Masseverbindlichkeiten. ¹59 Eine Sonderlösung auch für andere Steuerarten als die Einkommens- und Vermögenssteuern ist damit weder nötig noch zweckmässig.
Konkursrechtliche Sonderregelung zum Beginn des Verfahrens
Eine konkursrechtliche Sonderregelung erfordert die Bestimmung des für die Einkommens- und Vermögenssteuern massgebenden Stichtags im Sanierungskonkurs . Die Passivmasse eines Konkurses wird aus allen Forderungen gebildet, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, den sogenannten Konkursforderungen . 16⁰ Dies gilt auch für den Sanierungskonkurs, Artikel 339 verweist für die Wirkung des Verfahrens auf das Vermögen des Schuldners und die Rechte der Gläubiger auf die Artikel 197-220. Die Konkursforderungen werden von der Restschuldbefreiung erfasst (Art. 349 a Abs. 1 E-SchKG). Durch Anordnung der Fälligkeit sämtlicher bestehenden Schuldverpflichtungen des Schuldners (Art. 208 Abs. 1 SchKG) wird für periodisch wiederkehrende Forderungen eine Zäsur bewirkt: Forderungen, welche vor der Konkurseröffnung entstanden sind, werden zu Konkursforderungen. Forderungen, die nach der Konkurseröffnung entstehen, sind entweder aus dem Existenzminimum des Schuldners oder vorab aus der Konkursmasse zu begleichen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Steuern. Nicht bezahlte Steuerforderungen, die auf Ereignissen beruhen, die vor der Konkurseröffnung eingetreten sind, werden zu Konkursforderungen. 16¹ Dies gilt beispielsweise für Mehrwertsteuern (vgl. Art. 40 Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 2009 ¹62 ). ¹63 Damit die Konkurseröffnung in jedem Fall auch für die Einkommens- und Vermö genssteuerforderungen die gleiche Wirkung hat, braucht es jedoch eine konkursrechtliche Sonderregelung . Der Grund liegt darin, dass der Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt für Einkommens- und Vermögenssteuern nicht schweizweit einheitlich geregelt ist. ¹64 Um für die Zwecke des Sanierungskonkursverfahrens zu erreichen, dass die Steuern jeweils aus dem Einkommen beglichen werden, welches die Steuerpflicht ausgelöst hat, muss auch für die Einkommens- und Vermögenssteuern der Zeitpunkt der Konkurseröffnung eine Zäsur bewirken. Bereits verwirklich ist dies in Kantonen, die im Falle einer Konkurseröffnung eine Beendigung der Steuerpflicht und damit eine unterjährige Bemessung vorsehen. ¹65 Auch wird für die direkte Bundessteuer in Artikel 161 Absatz 4 Buchstabe d DGB festgelegt, dass die Konkurseröffnung die Fälligkeit der Forderungen bewirkt. Analoge Regelungen finden sich in einigen Kantonen. ¹66 Mit einer Sonderregelung im SchKG soll für alle Fälle Klarheit über die konkursrechtliche Behandlung der periodischen Einkommens- und Vermögenssteuerforderungen geschaffen werden. Deshalb wird in Buchstabe b festgehalten, dass die für den Zeitraum vor der Konkurseröffnung anfallenden Einkommens- und Vermögenssteuern unabhängig von ihrem Fälligkeits- oder Entstehungszeitpunkt zu Konkursforderungen werden. Dies ergibt sich folgerichtig daraus, dass das bis zur Konkurseröffnung erzielte Einkommen, auf dem die Steuerpflicht beruht, Teil der Konkursmasse bildet (Art. 197 Abs. 1 SchKG). Zu Konkursforderungen werden damit die anteilsmässig auf das vor der Konkurseröffnung erzielte Einkommen anfallenden Steuern. Bei einer Verfahrenseröffnung am 1. Oktober und einem regelmässigen Einkommen entspräche dies drei Vierteln des für dieses Jahr geschuldeten Gesamtbetrags. Bei schwankenden Einkünften wäre der auf die entsprechenden Monate anfallende Anteil auszurechnen. Für die Behandlung von Steuerforderungen im Sanierungskonkursverfahren gilt deshalb nach dem Entwurf folgendes:
−
Einkommens- und Vermögenssteuern, die auf das während dem Verfahren erzielte Einkommen anteilsmässig anfallen, werden vorweg aus dem abgeschöpften Einkommen beglichen ( Bst. b ). Die laufenden Einkommens- und Vermögenssteuerforderungen werden damit behandelt wie Masseforderungen, wobei als Masse die während dem Verfahren abgeschöpften Vermögenswerte dienen.
−
Die auf das vor der Konkurseröffnung erzielte Einkommen anteilsmässig anfallenden Steuerforderungen werden zu Konkursforderungen.
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Bei allen übrigen Steuerforderungen bewirkt die Konkurseröffnung die gewünschte Zäsur in jedem Fall bereits nach geltendem Recht: Steuerforderungen, die auf Lebenssachverhalten beruhen, die sich vor der Konkurseröffnung verwirklicht haben, werden zu Konkursforderungen. Steuerforderungen, die nach der Konkurseröffnung entstehen, z. B. Erbschafts- oder Schenkungssteuern im Zusammenhang mit Vermögen, das dem Schuldner während dem Verfahren anfällt, sind vorweg aus der Konkursmasse zu begleichen und werden zu Masseverbindlichkeiten.
Mit der Sonderregelung im zweiten Satz von Artikel 339 Buchstabe b wird für das zuständige Amt Gewissheit über die konkursrechtliche Zuordnung der Einkommens- und Vermögenssteuerforderungen geschaffen. Die steuerrechtlichen Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkte bleiben davon unberührt.
Berechnung der Steuerforderungen und Regelung zum Ende des Verfahrens
Das Amt wird sich für die Berechnung der Steuerforderungen für den grossen Teil des Verfahrens auf eine ordentliche Veranlagung stützen und die Forderungen zum gewöhnlichen Fälligkeitszeitpunkt begleichen können. Die Schuldnerinnen und Schuldner sind gehalten, ihre Steuererklärungen ordnungsgemäss einzureichen und auch diesen Aspekt ihrer finanziellen Situation nicht zu vernachlässigen. Steuerforderungen, welche auf einer Ermessensveranlagung als Folge der Nichteinreichung der Steuererklärung beruhen, können zu einer problematischen Neuverschuldung und einem Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens (Art. 348 Abs. 1 Bst. c E-SchKG) führen. Für die letzten Monate des Verfahrens ist eine Schätzung vorzunehmen. Ein Abwarten einer rechtskräftigen ordentlichen Veranlagung würde regelmässig zu einer Verzögerung des Verfahrensschlusses und der Restschuldbefreiung um mehr als zwei Jahre führen: Die Steuererklärung kann erst im Folgejahr eingereicht werden, die Veranlagung erfolgt mehrere Monate später und kann zudem mit einem Rechtsmittel angefochten werden. Dieser jahrelange Schwebezustand kann mit dem Verfahrenszweck, den Schuldnerinnen und Schuldnern einen absehbaren finanziellen Neustart zu ermöglichen, nicht vereinbart werden. Ein finanzieller Neustart bedingt auch, dass bei einem unterjährigen Verfahrensende, z. B. im Oktober, die für die Monate Januar-Oktober pro rata temporis anfallenden Steuern ebenfalls vom Amt aus den abgeschöpften Erträgen vorweg beglichen werden. Da es sich beim Sanierungskonkurs um ein mehrjähriges Verfahren für Schuldner in stabilen Verhältnissen handelt, ist davon auszugehen, dass die Ermittlung der voraussichtlich geschuldeten Steuern unter Beizug der zuständigen Steuerbehörde für die letzten Monate des Sanierungskonkursverfahrens keine Probleme verursacht. Damit das Verfahren ordnungsgemäss abgeschlossen werden kann, soll das Amt die für die letzten Monate der Abschöpfung anfallenden Steuern mit Ratenzahlungen begleichen und spätestens vor der Verteilung an die Steuerverwaltung überweisen (Art. 349 Abs. 1 Bst. a E-SchKG). Um die korrekte Berechnung der Steuerforderungen sicherzustellen, hat das Amt die zuständige Steuerbehörde beizuziehen . Die korrekte Berechnung der Steuerforderungen für die entsprechenden Perioden ist die Voraussetzung für die korrekte konkursrechtliche Zuordnung und Behandlung dieser Forderungen.
Begleichung der Steuerforderungen durch das Konkurs- oder Betreibungsamt
Aus technischen Gründen wird das zuständige Amt mit der Begleichung der während dem Verfahren anfallenden Einkommens- und Vermögenssteuern betraut. Für die Abschöpfung während dem Sanierungskonkursverfahren nicht übernommen wird dagegen der am 1. Juli 2024 in Kraft getretene Artikel 93 Absatz 4 SchKG, ¹67 der eine direkte Begleichung auch der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch das zuständige Amt erlauben würde. In einer gewöhnlichen Lohnpfändung kann das Betreibungsamt auf Antrag des Schuldners den Arbeitgeber des Schuldners anweisen, während der Dauer der Abschöpfung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Betreibungsamt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Diese Lösung scheint für den Sanierungskonkurs, der die finanzielle Selbstständigkeit des betroffenen Schuldners bezweckt, nicht angemessen. Es ist sowohl eine Voraussetzung als auch ein Ziel des Verfahrens, dass die Schuldner budgetieren können und sich nicht laufend neu verschulden. Es darf deshalb erwartet werden, dass auch die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung regelmässig selbstständig beglichen werden. Die für die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vorgesehenen Beträge bilden somit Teil des dem Schuldner verbleibenden Existenzminimums und sind von ihm direkt zu begleichen.
Die für die laufenden Einkommens- und Vermögenssteuern vorgesehene Lösung wird bei der anstehenden Revision von Artikel 93 Absatz 1 SchKG zum Einbezug der laufenden Steuern in die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums ¹68 zu überprüfen und allenfalls anzupassen sein.
Nicht-Anwendbarkeit von Artikel 266h OR (Bst. c)
Als nicht anwendbar erklärt wird Artikel 266 h OR. Die Bestimmung bezweckt die Sicherstellung des Vermieters, dem die Fortführung des Mietvertrags mit einem in Konkurs gefallenen Mieter nur gegen Sicherheitsleistung für künftige Mietzinse zugemutet wird. ¹69 Beim Sanierungskonkurs ist das Risiko der Vermieter aber grundsätzlich dadurch abgedeckt, dass der für die Miete erforderliche Teil des Einkommens als unpfändbar im Sinne von Artikel 93 SchKG gilt und deshalb nicht in die Vermögensmasse, welche zur Gläubigerbefriedigung genutzt wird, fällt. Die Mietzinsforderungen werden laufend und vorgängig erfüllt. Lassen die Mittel des Schuldners die Deckung seiner Miet- sowie übrigen Lebenskosten nicht zu, ist die Eröffnung des Sanierungskonkurses von Vornherein ausgeschlossen (Art. 337 Abs. 3 Bst. c E-SchKG). Die Möglichkeit, Sicherheit für künftige Mietzinse zu verlangen sowie das ausserordentliche fristlose Kündigungsrecht des Vermieters laufen dem Zweck des Sanierungskonkurses, den Schuldner mit knappen Mitteln finanziell zu stabilisieren, entgegen. Der typische Schuldner wird nicht in der Lage sein, künftige Mietzinse zu hinterlegen, sondern wird diese aus seinen laufenden Einkünften decken. Die Anwendung von Artikel 266 h OR ist damit weder erforderlich noch sinnvoll. Die Nicht-Anwendbarkeit der Bestimmung soll aufgrund der zentralen Bedeutung geordneter Wohnverhältnisse für die finanzielle Stabilisierung von Schuldnerinnen und Schuldnern im Gesetz klargestellt werden.
Art. 340
Kosten
Für das Verfahren werden keine Kostenvorschüsse erhoben, da das Verfahren auf zahlungsunfähige Personen ausgerichtet ist ( Abs. 1 ). Würde das Vorhandensein einer kostendeckenden Masse vorausgesetzt, bliebe das Restschuldbefreiungsverfahren seiner Zielgruppe weitgehend verschlossen. Dies haben die im Ausland gemachten Erfahrungen gezeigt. 17⁰
Die Verfahrenskosten werden im Übrigen, wie im herkömmlichen Konkursverfahren (Art. 262 Abs. 1 SchKG), wie Massekosten behandelt. Die am Ende des Verfahrens ungedeckt gebliebenen Verfahrenskosten werden mit der Restschuldbefreiung abgeschrieben (Art. 349 a Abs. 2 E-SchKG).
Art. 341
Zuständigkeit
Die Bestimmung des zuständigen Amts soll den Kantonen überlassen werden ( Abs. 1 ; s. dazu oben Ziff. 4.1.3.3). Das bedeutet, dass jeder Kanton selbst entscheidet, ob er diese neue Aufgabe den Konkursämtern oder den Betreibungsämtern übertragen will. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Durchführung des neuen Sanierungskonkursverfahrens in der Regel den Konkursämtern übertragen wird.
Werden die Konkursämter als zuständig bezeichnet, so kann das Betreibungsamt zur Unterstützung bei der Berechnung der abschöpfbaren Quote, aber auch für die Durchführung der Abschöpfung beigezogen werden ( Abs. 2 ). Das Betreibungsamt verfügt bei der Festlegung der pfändbaren Quote und der Anpassung an geänderte Verhältnisse über Routine und Erfahrung und kann durch die hilfsweise Übernahme dieser Aufgaben auch im neuen Sanierungskonkurs das Konkursamt entlasten. Das Konkursamt kann dem Betreibungsamt auch die Durchführung der Abschöpfung übertragen. Dies dient der Verfahrenseffizienz und kann bewirken, dass beide Ämter ihre jeweiligen Kompetenzen möglichst wirkungsvoll einsetzen können. Sollten die Kantone die Verfahrensführung den Betreibungsämtern übertragen, wäre ein Beizug des Konkursamts für die typischen konkursrechtlichen Handlunge n dagegen nicht sinnvoll . Bei den konkursrechtlichen Handlungen handelt es sich um den gesamtem Rahmen des Verfahrens, dieser kann nicht von einem anderen als dem verfahrensführenden Amt übernommen werden. Das Konkursamt kann vom Betreibungsamt aber im Rahmen der üblichen Zusammenarbeit zu den sich stellenden Rechtsfragen konsultiert werden.
Die Kantone können damit im Rahmen der Umsetzung der Vorlage die für ihre Zwecke effizienteste Lösung bestimmen.
Art. 342
Feststellung der Vermögensverhältnisse; Schuldenruf; Verwaltung
Nach Empfang der Mitteilung über die Eröffnung des Sanierungskonkurses ergreift das Amt die erforderlichen Massnahmen nach den Regeln des summarischen Konkursverfahrens (Art. 221-229 SchKG; Abs. 1 ).
Die Auskunfts-, Herausgabe- und Mitwirkungspflichten des Konkursverfahrens (Artikel 222 und 229 SchKG) gelten während der gesamten Verfahrensdauer ( Abs. 2 ). Die gleichen Pflichten gelten auch im Pfändungsverfahren (Art. 91 SchKG). Demnach ist der Schuldner namentlich bei Straffolge verpflichtet, dem Amt alle seine Vermögensgegenstände anzugeben und zur Verfügung zu stellen (Art. 163 Ziff. 1 und 323 Ziff. 4 StGB). Der Schuldner muss dem Beamten auf Verlangen die Räumlichkeiten und Behältnisse öffnen. Der Beamte kann nötigenfalls die Polizeigewalt in Anspruch nehmen. Dritte, die Vermögensgegenstände des Schuldners verwahren oder bei denen dieser Guthaben hat, sind bei Straffolge im gleichen Umfang auskunfts- und herausgabepflichtig wie der Schuldner (Art. 222 Abs. 4 SchKG; Art. 324 Ziff. 5 StGB). Behörden sind im gleichen Umfang auskunftspflichtig wie der Schuldner (Art. 222 Abs. 5 SchKG). Weiter ist der Schuldner bei Straffolge (Art. 323 Ziff. 5 StGB) verpflichtet, während des Verfahrens zur Verfügung der Ämter zu stehen (Art. 229 Abs. 1 SchKG).
Das Amt macht die Eröffnung des Sanierungskonkurses öffentlich bekannt , es führt namentlich einen Schuldenruf durch ( Abs. 3 ).
Die Verwaltung richtet sich nach den Artikeln 235-243 SchKG. Das
Amt wendet das summarische Verfahren (Art. 231 Abs. 3 SchKG) an (
Abs. 4
). Das Amt ist namentlich auch für die Aussonderung und Admassierung nach Artikel 242
-242 b SchKG und die damit zusammenhängenden Verfügungen und Klagen zuständig.
Art. 343
Erwahrung der Forderungen. Kollokation der Gläubiger. Sanierungsplan
Die Erwahrung der Forderungen und die Kollokation der Gläubiger folgen ebenfalls den Regeln eines gewöhnlichen Konkursverfahrens ( Abs. 1 ). Ein Gläubiger kann Kollokationsklage nach Artikel 250 erheben ( Abs. 2 ).
Das Amt erstellt zusätzlich zum Kollokationsplan einen Sanierungsplan ( Abs. 3 ) und übernimmt damit eine neue Aufgabe. Dieser soll allen Verfahrensbeteiligten eine Übersicht über das bei Verfahrenseröffnung vorhandene Vermögen, das seither hinzugekommene Einkommen und Vermögen, die aufgelaufenen Schulden und die voraussichtlichen Rückzahlungsmöglichkeiten des Schuldners während des ganzen Verfahrens geben. 17¹
Der Sanierungsplan soll eine möglichst komplette Übersicht über die vorhandenen Vermögenswerte und eine Prognose für die Zukunft ermöglichen. Als Gegenstück zum Kollokationsplan gibt er damit Auskunft über die «Aktiven» des Schuldners und die zu erwartende Sanierungsquote, wobei der Plan auch festhalten kann, dass keine Quote zu erwarten ist. Der Sanierungsplan gibt auch Auskunft darüber, wie die zu erwartenden Mittel gemäss dem Kollokationsplan voraussichtlich verteilt werden können; er stellt damit einen Entwurf der Verteilungsliste im Konkursverfahren (Art. 261 SchKG) dar. Schliesslich sollen auch die geplanten Bemühungen der Schuldnerin oder des Schuldners zur Erzielung von Erträgen und Einkünften aller Art festgehalten werden. Der Sanierungsplan dient damit auch dem Schuldner als Orientierung über seine Pflichten und Obliegenheiten während des Verfahrens. Der Sanierungsplan ist unter Mitwirkung des Schuldners zu erstellen und kann nicht mehr enthalten, als er anzubieten bereit ist. Erachtet das Konkursamt die geplanten schuldnerischen Bemühungen als ungenügend, so kann es dem Konkursgericht den Abbruch des Verfahrens beantragen (Art. 344 Abs. 1 E-SchKG).
Der Sanierungsplan wird mit dem Kollokationsplan aufgelegt. Er erlaubt damit allen Verfahrensbeteiligten eine Übersicht über das bei Verfahrenseröffnung vorhandene Vermögen, die aufgelaufenen Schulden und die voraussichtlichen Rückzahlungsmöglichkeiten der Schuldnerin oder des Schuldners.
Verspätete Eingaben können gemäss den Regeln für gewöhnliche Konkursverfahren (Art. 251) bis zum Ende des Verfahrens angebracht werden ( Abs. 4 ).
Art. 344
Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens nach Auflage des Sanierungsplans
Der Sanierungsplan kann nicht angefochten werden. Das Amt oder ein Gläubiger können aber innert 20 Tagen nach der öffentlichen Auflage des Kollokations- und Sanierungsplans beim Konkursgericht den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens beantragen . Falls die Voraussetzungen für die Verfahrenseröffnung nicht (mehr) erfüllt sind oder die Restschuldbefreiung am Ende des Verfahrens voraussichtlich nicht erteilt werden kann, muss das Konkursgericht den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens verfügen ( Abs. 3 ). Das Konkursgericht soll die Schuldnerin oder den Schuldner jedoch anhören und den Sanierungsplan gegebenenfalls anpassen, wenn dadurch ein Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens verhindert werden kann ( Abs. 2 ). Diese Möglichkeit besteht heute bereits bei Nachlassverträgen (Art. 306 Abs. 2 SchKG), wobei dort allenfalls die Zustimmung der Gläubiger noch einmal eingeholt werden muss. ¹72 Hält das Konkursgericht den Sanierungsplan für unzureichend, muss es den Schuldner informieren und ihm mitteilen, was es braucht, damit der Plan als genügend erscheint. Die Anpassung kann nicht autoritativ und nur unter Mitwirkung des Schuldners erfolgen. Ist der Schuldner nicht bereit, die nötigen Anpassungen zu akzeptieren, so muss das Konkursgericht den Abbruch des Verfahrens verfügen. Verletzt der Schuldner seine Mitwirkungspflichten, ist auch dies ein Grund, um das Sanierungskonkursverfahren abzubrechen (Art. 344 Abs. 3 i.V.m. Art. 349 Abs. 3 E-SchKG). Der Entscheid des Konkursgerichts kann - wie auch ein Entscheid über den Widerruf des Konkurses - weitergezogen werden. Diese Beschwerdemöglichkeit soll sowohl dem Schuldner als auch allen Gläubigern offenstehen ( Abs. 4 ; s. zur Beschwerdelegitimation bei der Konkurseröffnung oben die Erläuterungen zu Art. 338 Abs. 2 E-SchKG). Der Weiterzug erfolgt mit dem Rechtsmittel der Beschwerde nach der ZPO (Art. 174 Abs. 1 SchKG). Diese hat als ausserordentliches Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung (Art. 325 Abs. 1 ZPO), womit das Sanierungskonkursverfahren bis zum Entscheid der Beschwerdeinstanz normal weiterlaufen kann.
Bei Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens wird es in ein gewöhnliches Konkursverfahren umgewandelt; die bisherigen und zukünftigen Handlungen werden direkt nach den Regeln des Konkursverfahrens durchgeführt. Falls das Konkursverfahren nicht sofort mangels Aktiven eingestellt werden muss, weist das Konkursgericht das Verfahren dem Amt zur weiteren Durchführung zu. Da in diesem Fall die umfassenden generalexekutiven Wirkungen des Konkurses eingetreten und Vermögenswerte vorhanden sind bzw. abgeschöpft wurden, muss das Verfahren zu einem geordneten Abschluss finden. Die angesammelte Masse ist gemäss dem Kollokationsplan an die Gläubiger zu verteilen. Das Verfahren endet in diesem Fall mit der Ausstellung von Konkursverlustscheinen (Art. 265 SchKG). Reicht die Konkursmasse nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Konkursverfahren zu decken, verfügt das Konkursgericht die Einstellung des Verfahrens nach den Regeln von Artikel 230, was zur Folge hat, dass die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen wieder aufleben und für alle Schuldnerinnen und Schuldner auf dem Weg der Pfändung fortgesetzt werden können.
Art. 345
Dauer; Verfahren
Als Verfahrensdauer und gleichzeitig Dauer der Abschöpfung wird drei Jahre vorgeschlagen ( Abs. 1 ). ¹73 Bei der Verfahrensdauer muss ein schwieriger Interessenausgleich getroffen werden. Das Verfahren muss, um die Akzeptanz bei den Gläubigern zu erhöhen, den Schuldnern etwas abverlangen. ¹74 Wird die Abzahlungsperiode zu kurz veranschlagt, könnten ihnen Rückzahlungen entgehen, welche sie mit einer Lohnpfändung unter Umständen noch etliche Jahre hätten durchsetzen können. Gleichzeitig sind aus Schuldnersicht möglichst kurze Verfahren zu befürworten. Eine wissenschaftliche Analyse mit Erkenntnissen aus der Verhaltensökonomie kommt zum Schluss, dass kürzere Abzahlungsperioden nötig seien, um die Schuldner bei der Stange zu halten und zu motivieren, das Verfahren auch wirklich zu durchlaufen. ¹75 Je weiter die Belohnung (die Aussicht, schuldenfrei zu leben) nämlich in der Zukunft liege, desto weniger stark werde sie gewichtet. Die Gefahr, dass das Verfahren umgangen und Einkünfte schwarz erzielt und verschwiegen würden, erhöhe sich. Aus der Runde der Expertinnen und Experten wurden Fristen zwischen drei und sieben Jahren vorgeschlagen, wobei viele Expertinnen und Experten sich für eine Verfahrensdauer von drei Jahren aussprachen. Ähnlich verteilten sich die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung, in der eine Verfahrensdauer von vier Jahren vorgeschlagen wurde. Eine kürzere Verfahrensdauer von drei Jahren entspreche gemäss den in der Praxis gemachten Erfahrungen der zumutbaren Höchstdauer, in der restriktive Sanierungspläne eingehalten werden können. ¹76 Hingewiesen wurde auch auf die entsprechenden Entwicklungen im Ausland. ¹77
Auch der Bundesrat hält deshalb eine Frist von drei Jahren für angemessen. Der Sanierungskonkurs sollte es Schuldnern ermöglichen, in absehbarer Zeit einen Schlussstrich zu ziehen und ihre finanzielle Situation zu bereinigen. Drei Jahre als Gesamtverfahrensdauer sind auch mit den Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz vereinbar. ¹78
Die von BSS durchgeführte vertiefte RFA hat für ein dreijähriges Sanierungskonkursverfahren einen praktisch gleich hohen Nutzen wie für ein vierjähriges Verfahren festgestellt. ¹79 Bei einer Dauer von sechs Jahren verringere sich der Nutzen dagegen stark, da von einer geringeren Anzahl Verfahren und einer beträchtlichen Anzahl Abbrüchen auszugehen sei. Mehr als fünf Jahre sind auch aus internationaler Sicht als deutlich zu lang einzuschätzen. Länder, welche so lange Fristen kannten, haben diese bereits vor den neuen EU-Vorgaben gekürzt. 18⁰ Es ist davon auszugehen, dass durch die dreijährige Verfahrensdauer den Gläubigern keine wesentlichen Einkünfte entgehen. Die vom Bundesamt für Justiz in Auftrag gegebene rechtstatsächliche Untersuchung hat ergeben, dass auch bei aussichtsreichen Verlustscheinsforderungen, die bewirtschaftet werden, nach mehr als fünf Jahren sinkende Rückzahlungen zu erwarten sind. 18¹ Dem stehen 60 Prozent von Fällen gegenüber, bei denen gar nie eine Rückzahlung erwartet werden kann. ¹82 Zwar betrifft das Verfahren sämtliche Forderungen einer Schuldnerin oder eines Schuldners und nicht nur Forderungen, für die ein Verlustschein ausgestellt wurde. Da das Verfahren jedoch von Vornherein nur dauernd zahlungsunfähigen natürlichen Personen offensteht (Art. 337 Abs. 3 Bst. a E-SchKG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Gläubiger ohne das Verfahren wesentlich höhere Rückzahlungen erwarten könnten. In der Erfahrung der Schuldenberatungsstellen warten Schuldner in der Regel lange damit zu, sich Hilfe zu holen und leben, bevor sie eine Bereinigung ihrer Finanzen mit externer Unterstützung beginnen, meist seit Jahren am Existenzminimum. Gemäss den Schätzungen in der vertieften RFA profitierten Gläubiger durch eine längere Abschöpfungsphase nur geringfügig, und auch sie seien von Abbrüchen negativ betroffen. ¹83 Für den häufigsten Gläubiger - den Staat - würde ein insgesamt deutlich geringerer Nutzen resultieren, da er weniger von einer Verringerung der Sozialausgaben und einer Erhöhung der Steuereinnahmen profitieren könnte. ¹84
Die Abschöpfung der pfändbaren Quote während des Sanierungskonkurses entspricht im Wesentlichen einer Pfändung nach Artikel 89 ff. SchKG ( Abs. 2 ), mit der Ausnahme, dass die Pfändung und Verwertung von Amtes wegen und zugunsten aller Konkursgläubiger erfolgt.
Das Amt passt die verfügte Abschöpfung mittels Revision an geänderte Verhältnisse an ( Abs. 3 ; vgl. Art. 93 Abs. 3 SchKG). Das Amt berücksichtigt damit ein höheres Schuldnereinkommen, aber auch zusätzliche Ausgaben für eine medizinische Behandlung oder eine geringfügige Mieterhöhung, und nimmt entsprechend Erhöhungen oder Verminderungen der Abschöpfung vor. Wie bei der gewöhnlichen Pfändung ist gegen die einzelnen Pfändungshandlungen des Amtes die Beschwerde (Art. 17 SchKG) möglich.
Art. 346
Bemühungen zur Erzielung von Erträgen und Einkünften
Der Schuldner muss sich während des Sanierungskonkursverfahrens zur Erzielung von Erträgen und Einkünften bemühen und dem Amt, regelmässig über seine Bemühungen Bericht erstatten ( Abs. 1 ). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass den Gläubigern während der Dauer des Verfahrens so viele Mittel wie möglich zufliessen. Ähnliche Obliegenheiten kennen auch das deutsche ¹85 und das österreichische ¹86 Recht. An die Bemühungen des Schuldners zur Erzielung von Erträgen und Einkünften sollten keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Dass die Allgemeinheit von einem Schuldner, der sich dank dem Sanierungskonkurs finanziell stabilisieren konnte, profitieren kann, ist hoch zu gewichten. Dagegen sind hypothetische Möglichkeiten zur Erzielung von höheren Einkünften und damit einer potenziell höheren Sanierungsquote im Einzelfall mit grosser Vorsicht zu beurteilen. Ein Schuldner, der arbeitslos ist und bei einem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) angemeldet ist, der Leistungen der Arbeitslosenversicherung, der Sozialhilfe oder IV bezieht, muss diesen Stellen unter Umständen bereits regelmässig über seine Bemühungen zur Erzielung eines Einkommens Bericht erstatten. Stufen diese Stellen seine Bemühungen - z. B. die Bemühungen nach Artikel 17 AVIG - als ausreichend ein, muss das auch für die Zwecke des neuen Sanierungskonkurses genügen. Dies betrifft sowohl Schuldner, die Leistungen der Sozialhilfe oder Sozialversicherungen beziehen, als auch Schuldner, die lediglich bei der Stellensuche unterstützt werden. Das Konkurs- oder Betreibungsamt soll in all diesen Fällen keine eigene Überprüfung der schuldnerischen Bemühungen vornehmen. Doppelspurigkeiten und allfällige Wertungswidersprüche sollen vermieden werden. Das Konkurs- oder Betreibungsamt kann die Ämter und Behörden, die die Bemühungen der Schuldnerin oder des Schuldners zur Erzielung von Erträgen und Einkünften überprüfen, jedoch amtshilfeweise um Auskünfte und Informationen ersuchen, um die Angaben des Schuldners zu verifizieren ( Abs. 2 ).
Nicht nur durch die Generierung von Einkommen, sondern auch durch die Vermeidung von Auslagen soll sichergestellt werden, dass den Gläubigern während der Dauer des Verfahrens so viele Mittel wie möglich zufliessen. Eine Pflicht des Schuldners zur Vermeidung von unnötigen Schulden erübrigt sich jedoch, da den Gläubigern bereits alle Mittel, welche über dem erweiterten Existenzminimum liegen, zufliessen (Art. 339 Bst. a E-SchKG). Das Eingehen von neuen ungedeckten Verbindlichkeiten, die zu einer Betreibung führen, welche in die Fortsetzungsphase gelangt, kann gar den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens zur Folge haben (Art. 348 Abs. 1 Bst. c E-SchKG). Eine eigenständige Pflicht zur Vermeidung von unnötigen Ausgaben muss deshalb nicht festgelegt werden.
Art. 347
Regelmässige Verwertung, Verteilung und Berichterstattung an die Gläubiger
Das Amt verwertet die zur Konkursmasse gehörenden Vermögenswerte regelmässig nach den Vorschriften des summarischen Konkursverfahrens (Art. 231 Abs. 3 Ziff. 2 SchKG). Damit die Gläubiger bei ausreichend verfügbaren Mitteln nicht bis zum Schluss des Sanierungskonkursverfahrens und damit mehrere Jahre warten müssen, nimmt das Amt auch regelmässig Abschlagszahlungen unter den Gläubigern gemäss Kollokationsplan vor ( Abs. 1 ).
Wie bei einem gewöhnlichen Konkurs oder auch einer gewöhnlichen Pfändung ist gegen die einzelnen Handlungen des Amtes die Beschwerde (Art. 17 SchKG) möglich. Damit die Gläubiger sich laufend ein Bild über den Verlauf der Abschöpfung machen können, erstattet ihnen das Amt aber mindestens jährlich - bei häufiger Änderung der Verhältnisse auch öfter - Bericht darüber ( Abs. 2 ). Der Bericht soll Auskunft über die abgeschöpften Beträge und die Bemühungen des Schuldners geben. Den Gläubigern soll damit auch eine Grundlage gegeben werden, um dem Amt allenfalls den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens zu beantragen.
Art. 348
Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens aufgrund Veränderung der Verhältnisse
Wenn sich die Verhältnisse nach Eröffnung des Sanierungskonkursverfahrens wesentlich ändern , muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Schuldbefreiung am Ende des Verfahrens voraussichtlich noch erfüllt werden können. Wenn die Einnahmen und Einkünfte des Schuldners durch dessen Verschulden tiefer als im Sanierungsplan veranschlagt ausfallen oder wenn er unangemessene neue Verbindlichkeiten eingeht, soll die Fortführung des Sanierungskonkursverfahrens gerichtlich überprüft und das Sanierungskonkursverfahren allenfalls abgebrochen werden. Sind hingegen die neuen Ausgaben für den Schuldner und seine Familie unvermeidbar sind oder dienen sie der Vermeidung von zukünftigen Kosten, beispielsweise eine Zahnbehandlung für ein Kind oder auch angemessene Kosten für eine Zusatzausbildung, wird die Abschöpfung den neuen Verhältnissen angepasst (Art. 345 Abs. 3; vgl. auch Art. 93 Abs. 3 SchKG). Bei der erforderlichen Abwägung ist der Zweck des Verfahrens, die Schuldnerin oder den Schuldner zu stabilisieren und in den Wirtschaftskreislauf wieder einzugliedern, stets zu berücksichtigen.
Ein Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens soll immer dann beantragt werden, wenn ein Scheitern des Verfahrens am Ende als wahrscheinlich erscheint. Das Amt handelt von Amtes wegen und kann auch von den Gläubigern zur Überprüfung der Verfahrensprognose aufgefordert werden. Ein Abbruch kommt unter anderem dann in Frage, wenn das Amt die Bemühungen des Schuldners zur Erzielung von Erträgen und Einkünften als offensichtlich ungenügend einstuft ( Bst. b ). Bei bereits erwerbstätigen Schuldnern ist es allerdings schwer zu beurteilen, ob ihnen allenfalls ein höheres Einkommen zumutbar wäre. So können beispielsweise gesundheitliche Gründe oder die Erfüllung familiärer Pflichten gegen eine Stelle mit höherem Arbeitspensum oder mit einem längeren Arbeitsweg sprechen. Auch kann gerade das Vorliegen von Schulden für das Finden einer Arbeitsstelle hinderlich sein. Aus diesen Gründen soll das Amt nur in klaren Fällen dem Konkursgericht den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens beantragen. Die Errechnung eines hypothetischen zumutbaren Einkommens wäre dem SchKG wesensfremd und kann von den Betreibungs- und Konkursämtern unter Berücksichtigung ihrer herkömmlichen Aufgaben nicht verlangt werden. Im Zweifel soll das Verfahren weitergeführt und die Schuldbefreiung erteilt werden. Die Sperrfrist kann auch hier als Filter wirken, sodass die Rechtswohltat der Schuldbefreiung eine seltene, oftmals sogar einmalige Chance auf einen Neustart darstellt.
Das abgeschöpfte Einkommen fällt in die Konkursmasse und dient damit exklusiv der Befriedigung der Konkursgläubiger . Neue Betreibungen für nach der Eröffnung des Sanierungskonkurses entstandene Forderungen sind zwar zulässig, sollen jedoch - anders als im gewöhnlichen Konkurs (Art. 206 Abs. 2 SchKG) - nicht während des Sanierungskonkursverfahrens durch Pfändung fortgesetzt werden, da ansonsten eine Schmälerung der Quote der Konkursgläubiger resultieren würde. Gelangt eine Betreibung in die Fortsetzungsphase, so ist ein Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens zu prüfen ( Bst. c ). In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass eine neue Betreibung auf ihre Berechtigung geprüft werden konnte und weder eine Verschuldung vorliegt, die eine Anpassung der abschöpfbaren Quote gerechtfertigt hätte, noch der Schuldner die zur Begleichung erforderlichen Mittel in der Zeit zwischen der Fälligkeit der Forderung, der Einleitung der Betreibung und dem Fortsetzungsbegehren auf andere Weise auftreiben konnte. Es wird erwartet, dass der Schuldner geringfügige Beträge aus seinem Existenzminimum bestreiten kann. Gelangt eine Betreibung in die Fortsetzungsphase, ist davon auszugehen, dass dies ein sicheres Anzeichen für eine problematische Neuverschuldung ist und womöglich nur die «Spitze des Eisbergs» darstellt. Das Amt soll, unabhängig von einer Betreibung für eine Schuld, die nach Eröffnung des Sanierungskonkursverfahrens entstanden ist, auch einen Abbruch beantragen können, wenn es auf andere Weise von einer Neuverschuldung erfährt, welche der Erteilung der Restschuldbefreiung voraussichtlich entgegenstehen wird. Dies kann auch auf Hinweis eines Gläubigers sein. Das Konkursgericht verfügt den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens, falls die Voraussetzungen von Artikel 349 Absatz 3 E-SchKG voraussichtlich nicht erfüllt sind ( Abs. 2 ). Bei Abbruch wird das Sanierungskonkursverfahren wie ein gewöhnliches Konkursverfahren abgeschlossen (Art. 344 Abs. 3 E-SchKG), ohne dass der Schuldnerin oder dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt wird.
Art. 349
Restschuldbefreiung
Nach Beendigung der Abschöpfung von drei Jahren (Art. 345 Abs. 1 E-SchKG) erstellt das Amt die Verteilungsliste und einen Bericht über den Ablauf der Abschöpfung sowie die verbleibende Restschuld und stellt diesen den Gläubigern zur Stellungnahme zu ( Abs. 1 ). Es begleicht zudem alle noch offenen, für die Abschöpfungsdauer angefallenen Steuerforderungen mittels Ratenzahlungen (s. oben Erläuterungen zu Art. 339 Bst. b E-SchKG). Für die Bundessteuer wird mit dem neu eingefügten Artikel 161 Absatz 4 Buchstabe dbis E-DBG ausdrücklich die unterjährige Fälligkeit der anteilsmässig geschuldeten Bundessteuer mit Ende der Abschöpfungsdauer festgehalten. Nach Beendigung der Abschöpfung kann der Schuldner wieder frei über sein Einkommen verfügen und hat ab diesem Zeitpunkt auch alle Steuerforderungen wieder selbstständig zu begleichen. Sollte sich infolge eines Umzugs des Schuldners nach Ende der Abschöpfung erweisen, dass die Ratenzahlungen an eine nicht-zuständige Steuerbehörde erfolgten, hat der Schuldner eine Rückerstattung zu veranlassen und die Steuern selbstständig an seinem neuen Wohnort zu begleichen. Es handelt sich um Schuldnerinnen und Schuldner am Ende eines mehrjährigen Sanierungsverfahrens mit dem Willen, ihre finanzielle Situation zu bereinigen, weshalb ihnen zugetraut und zugemutet werden kann, ihre Steuern nach Ende der Abschöpfungsdauer für das letzte Jahr des Sanierungskonkursverfahrens selbstständig und ohne amtliche Unterstützung zu begleichen. Das Konkursgericht wird sich vor dem Aussprechen der Restschuldbefreiung noch einmal ein Gesamtbild über die ausgeglichene finanzielle Lage das Sanierungskonkursschuldners machen ( Abs. 3 ).
Damit das Verfahren abgeschlossen werden kann, ist auch vorausgesetzt, dass der Kollokationsplan in Rechtskraft erwachsen und der Erlös der ganzen Konkursmasse eingegangen ist. In der Regel wird dies weit vor dem Ende der dreijährigen Abschöpfungsphase eingetreten sein. Für den Fall, dass doch einmal ein zeitaufwendiger Kollokationsprozess unter Ausschöpfung des Instanzenzugs geführt wird, muss dies aber an dieser Stelle im Gesetz erwähnt werden. Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie im ordentlichen Konkursverfahren (Art. 261). Auch findet eine letzte Verteilung statt, falls der allfällige Überschuss der Konkursmasse nicht vorgängig nach Artikel 347 E-SchKG bereits verteilt wurde.
Die Gläubiger erhalten mit der Einladung zur Stellungnahme noch einmal die Gelegenheit, allfällige Einwände gegen die Schuldbefreiung, wie eine etwaige Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, vorzubringen. Anschliessend überweist das Amt dem Konkursgericht den Kollokationsplan, den Bericht über den Ablauf der Abschöpfung sowie die Stellungnahmen der Gläubiger zum Schluss des Verfahrens und den Entscheid über die Restschuldbefreiung ( Abs. 2 ).
Das Gericht spricht die Restschuldbefreiung aus, wenn der Schuldner während des ganzen Verfahrens seinen Auskunfts-, Herausgabe- und Berichterstattungspflichten nachgekommen ist ( Abs. 3 Bst. a ; Art. 342 Abs. 2 E-SchKG), seine Bemühungen zur Erzielung von Erträgen und Einkünften nicht offensichtlich ungenügend waren ( Abs. 3 Bst. b ), während der Dauer des Verfahrens keine neuen Forderungen gegen den Schuldner entstanden sind, die seine erneute dauernde Zahlungsunfähigkeit erwarten lassen ( Abs. 3 Bst. c ) und er nicht wegen Handlungen oder Unterlassungen, die bis zu zehn Jahre vor Verfahrenseröffnung erfolgt sind, wegen eines Konkurs- oder Betreibungsverbrechens oder -vergehens nach Artikel 163-171 Strafgesetzbuch verurteilt wurde und kein entsprechendes Strafverfahren gegen ihn hängig ist ( Abs. 3 Bst. d ). Bei einem Schuldner, der sogleich wieder in eine Überschuldungssituation gerät, verfehlt der Sanierungskonkurs seinen Zweck. Nach der Vernehmlassung wurde die Klarstellung einfügt, dass die neuen Forderungen, die voraussichtlich nicht fristgemäss beglichen werden können, eine erneute dauernde Zahlungsunfähigkeit erwarten lassen müssen, um eine Verweigerung der Restschuldbefreiung zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um substanzielle offene Forderungen und nicht nur um Bagatellbeträge handeln.
Das Gericht bezeichnet die nach Artikel 349 b E-SchKG von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen des Kollokationsplans ( Abs. 4 ). Für die ungedeckt bleibenden Beträge dieser Forderungen wird das Amt einen Konkursverlustschein ausstellen (Art. 349 b Abs. 2 E-SchKG).
Bei Versagung der Restschuldbefreiung gelten die Regeln über den Abbruch des Sanierungskonkursverfahrens (Art. 344 Abs. 3 E-SchKG), das heisst, das Verfahren findet als gewöhnliches Konkursverfahren einen geordneten Abschluss ( Abs. 5 ).
Der Schlussentscheid des Konkursgerichts kann, wie der Entscheid über die Verfahrenseröffnung, weitergezogen werden ( Abs. 6 ; vgl. Art. 174 Abs. 1 und 3 SchKG). Der Schluss des Sanierungskonkursverfahrens richtet sich im Übrigen nach den Bestimmungen zum gewöhnlichen Konkursverfahren ( Abs. 6 ; Art. 268 und 269 SchKG). Dies bedeutet namentlich, dass das Amt den Schluss des Verfahrens - ebenso wie die Eröffnung (Art. 342 Abs. 3 E-SchKG) - öffentlich bekannt macht (Art. 268 Abs. 4 SchKG) und allfällige nachträglich entdeckte Vermögenswerte sowie hinterlegte Beträge , die frei werden, ohne Weiteres verwertet und an die Gläubiger nach deren Rangordnung verteilt (Art. 269 SchKG).
Art. 349a
Wirkungen
Die Schuldbefreiung umfasst - mit wenigen Ausnahmen (vgl. Art. 349 b E-SchKG) - sämtliche Forderungen, die vor der Eröffnung des Sanierungskonkursverfahrens entstanden sind, mithin die Konkursforderungen . Erfasst sind automatisch auch alle Forderungen, für die in der Vergangenheit ein Verlustschein ausgestellt wurde. Auch Forderungen unter aufschiebender Bedingung werden erfasst; der Gläubiger ist jedoch zum Bezug des auf ihn entfallenden Anteils an der Masse nicht berechtigt, solange die Bedingung nicht erfüllt ist (Art. 210 Abs. 1 SchKG).
Die Restschuldbefreiung umfasst auch die Kosten des Sanierungskonkursverfahrens , das heisst sämtliche Kosten, die beim Konkursgericht und den Konkurs- und ev. Betreibungsämtern für die Eröffnung, die Durchführung und den Schluss des Sanierungskonkursverfahrens (s. Art. 340 Abs. 2 E-SchKG) angefallen sind, soweit sie zum Zeitpunkt der Restschuldbefreiung nicht gedeckt sind ( Abs. 2 ). Eine Schuldnerin oder ein Schuldner, der das Sanierungskonkursverfahren erfolgreich durchlaufen hat, sollte nicht sogleich wieder mit neuen Schulden belastet werden.
Die von der Schuldbefreiung erfassten Forderungen gehen nicht unter, sondern werden zu Naturalobligationen ( Abs. 3 ). Sie sind noch erfüll-, aber nicht mehr durchsetzbar. Wenn der Schuldner eine von der Schuldbefreiung erfasste Forderung doch noch erfüllt, wäre es nicht sachgerecht, den Gläubiger als ungerechtfertigt bereichert anzusehen. Gleiche Regelungen bestehen in Deutschland ¹87 und Österreich ¹88 . Der Schuldner kann die Schuldbefreiung einredeweise und im Betreibungsverfahren mittels Rechtsvorschlags geltend machen. Die Einrede kann auch einer Verrechnung entgegengehalten werden; eine Verrechnung gegen Naturalobligationen ist nur ausnahmsweise bei verjährten Forderungen möglich (Art. 120 Abs. 3 OR). ¹89
Die Rechte der Gläubiger gegen Mitverpflichtete wie Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige des Schuldners werden durch die Schuldbefreiung nicht berührt ( Abs. 4 ); es wird hier die Regelung des Nachlassvertragsrechts für Gläubiger, die dem Nachlassvertrag nicht zugestimmt haben, übernommen (Art. 303 Abs. 1 SchKG). Diese Regelung ist in diesem gesetzlichen Sanierungskonkursverfahren, bei dem die Zustimmung der Gläubiger nicht erforderlich ist, sachgerecht. Um die Schuldbefreiung nicht obsolet werden zu lassen, wird die Schuldnerin oder der Schuldner jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Gläubigern. Eine entsprechende Regelung findet sich auch im deutschen 19⁰ und österreichischen 19¹ Recht.
Von der Schuldbefreiung betroffen sind auch pfandgesicherte Forderungen, soweit sie - bei Pfandgegenständen im Eigentum der Schuldnerin bzw. des Schuldners - durch das Vorzugsrecht der Pfandgläubiger am Erlös aus der Verwertung des Pfandgegenstands (Art. 198 SchKG) noch nicht befriedigt wurden. Auch drittpfandgesicherte Forderungen können dem Schuldner gegenüber nicht mehr durchgesetzt werden. Die Pfandverwertung erfolgt ausserhalb des Sanierungskonkursverfahrens; deren Berücksichtigung im Sanierungskonkurs wird durch den Bundesrat in einer Verordnung -analog Artikel 61 KOV - zu regeln sein.
Die Gläubiger erhalten eine Bescheinigung über den Umfang ihres Forderungsausfalls ( Abs. 5 ) zu beweisrechtlichen Zwecken. Es handelt sich dabei nicht um einen Verlustschein.
Art. 349b
Ausnahmen
Aus rechtspolitischen Gründen werden gewisse Kategorien von Forderungen von der Schuldbefreiung ausgenommen. ¹92
Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen, soweit sie einen Strafzweck haben (Abs. 1 Bst. a)
Von der Schuldbefreiung ausgenommen sind Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen, soweit sie einen Strafzweck haben ( Abs. 1 Bst. a ). Diese dienen einem Strafzweck, welcher durch eine neue Regelung im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht nicht unterlaufen werden darf. Ähnliche Ausnahmen kennen auch die untersuchten ausländischen Rechtsordnungen, welche teilweise sogar noch weitergehen. ¹93 Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Ausnahme kaum je zur Anwendung gelangt, wird eine uneinbringliche Geldstrafe doch in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt (Art. 36 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 und 5 StGB), wenn sie nicht in einer Frist von in der Regel ein bis sechs Monaten nach Rechtskraft des Urteils bezahlt wird (Art. 35 Abs. 1 StGB). Die Frist kann nur in Einzelfällen verlängert werden (Art. 35 Abs. 1 StGB). Zu beachten ist auch die Möglichkeit des Vollzugs durch gemeinnützige Arbeit (Art. 79 a StGB).
Nach der Vernehmlassung wurde die Bestimmung um die Ersatzforderungen für nicht mehr vorhandene Vermögenswerte, die der Einziehung unterliegen (Art. 71 StGB) erweitert. Die Einziehung soll verhindern, dass Straftaten sich lohnen. ¹94 Ihr Zweck sollte durch eine Schuldbefreiung nicht unterlaufen werden. Die Ausnahme wird nur für Ersatzforderungen nach Artikel 71 StGB vorgesehen, da nur diese sich gegen die Konkursmasse richten und potenziell Gegenstand einer Restschuldbefreiung sein könnten (vgl. auch Art. 44 SchKG). Die Ausnahme rechtfertigt sich umso mehr, als das Strafgericht nach Artikel 71 Absatz 2 StGB bereits nach geltendem Recht von einer Ersatzforderung absehen kann, «wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde».
Genugtuungsforderungen (Abs. 1 Bst. b)
Auch Genugtuungsforderungen ( Abs. 1 Bst. b ) sind von der Schuldbefreiung auszunehmen, erfüllen diese doch einen Wiedergutmachungszweck. Den Gläubigern, denen eine Genugtuung zugesprochen wurde, ist es nicht zuzumuten, zugunsten des Schuldners auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.
Familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge (Abs. 1 Bst. c)
Entsprechend ihrer Privilegierung im gesamten Schuldbetreibungs- und Konkursrecht schlägt der Bundesrat vor, auch familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge von der Schuldbefreiung auszunehmen ( Abs. 1 Bst. c ). Es ist daran zu erinnern, dass sich auch strafbar macht, wer familienrechtliche Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte (Art. 217 StGB). Die familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge nehmen eine Sonderstellung innerhalb der Rechtsordnung ein.
Bei knappen Verhältnissen ist das betreibungsrechtliche Existenzminimum des Schuldners für die Bemessung familienrechtlicher Unterhaltsbeiträge massgebend, wobei der Leistungsfähigkeit des Schuldners Rechnung getragen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist dem Unterhaltsschuldner zumindest das betreibungsrechtliche Existenzminimum stets voll zu belassen. ¹95 Mit dem sogenannten Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums ist oftmals eine einseitige Mankoüberbindung an die Unterhaltsgläubiger verbunden, welche ihrerseits ihr Existenzminimum nicht decken können und auf Sozialhilfe angewiesen sind. Dies wird vom Bundesgericht und einem Teil der Lehre kritisiert. ¹96 Wird der festgesetzte Unterhaltsbeitrag nicht bezahlt, leistet der Staat Unterstützung im Rahmen der sogenannten Alimentenhilfe. Die Alimentenhilfe besteht aus zwei Instrumenten: Alimentenbevorschussung und Inkassohilfe. Die Alimentenbevorschussung liegt in der Kompetenz der Kantone und wird von diesen unterschiedlich gehandhabt. ¹97 Die Inkassohilfe ist in der am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Inkassohilfeverordnung vom 6. Dezember 2019 ¹98 geregelt, welche die schweizweite Gleichbehandlung der unterhaltsberechtigten Personen bezweckt. Es stünde zu diesen Bestrebungen und zu den politischen Diskussionen zu den Mankofällen in den vergangenen Jahren in einem Widerspruch, im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht eine Befreiung von familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen vorzusehen. Die Sanierung der Schuldnerin oder des Schuldners sollte nicht zulasten der Unterhaltsgläubiger gehen, welche ihrerseits riskieren, in die Überschuldung zu geraten. (Pflichtwidrig) nicht geleistete Unterhaltsbeiträge sind auch in Deutschland, Frankreich, Schweden und den USA, nicht aber in Österreich, von einer Schuldbefreiung ausgenommen. ¹99
Wenn das Gemeinwesen für den Unterhalt aufkommt, geht der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten - inklusive dem Konkursprivileg nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG - auf das Gemeinwesen über (Legalzession, Art. 131 a Abs. 2, Art. 289 Abs. 2 Zivilgesetzbuch; ZGB). 20⁰ In diesen Fällen ist es nach Ansicht des Bundesrates berechtigt, die Unterhaltsforderung von der Schuldbefreiung zu erfassen. Anderenfalls würde ein neues Privileg für das Gemeinwesen geschaffen, welches zu Lasten des finanziellen Neustarts des Schuldners und damit zu Lasten des Verfahrenszwecks gehen würde. Von Seiten der Expertengruppe wurde es als essenziell erachtet, die bevorschussten Unterhaltsbeiträge von der Schuldbefreiung zu erfassen. Es gehe um zahlreiche Betroffene und hohe Beträge, wobei die Leistungsfähigkeit des Schuldners in der Praxis häufig nicht angemessen oder nicht schnell genug berücksichtigt werde. Gerade bei knappen Verhältnissen könne es stark ins Gewicht fallen, wenn ein vom Gericht festgelegter Unterhaltsbeitrag nach einer Änderung der Verhältnisse nicht umgehend angepasst werde.
Von der Schuldbefreiung erfasst sind somit alle familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge, welche vor der Eröffnung des Sanierungskonkurses für natürliche Personen entstanden sind und welche vor dem Entscheid über die Restschuldbefreiung (Art. 349 E-SchKG) an das Gemeinwesen übergegangen sind. Nicht erfasst sind die (Teil-)Forderungen der Unterhaltsgläubiger sowie sämtliche Forderungen, die nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind. Ist bereits absehbar, dass die Schuldnerin oder der Schuldner Forderungen, die nach der Eröffnung des Verfahrens entstanden sind, nicht erfüllen können wird, muss die Restschuldbefreiung versagt werden (Art. 349 Abs. 3 Bst. c E-SchKG).
Leistungen der Sozialversicherungen und der Sozialhilfe, welche unrechtmässig bezogen wurden (Abs. 1 Bst. d)
Von der Schuldbefreiung ausgenommen sind nach dem Vorschlag des Bundesrates auch die Rückerstattungsforderungen für zu Unrecht bezogene Sozialhilfe (Abs. 1 Bst. d) . Die Rückforderung von Sozialhilfeleistungen ist kantonalrechtlich geregelt. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) hat dazu Empfehlungen in der Form einer Richtlinie verfasst. 2⁰1 Unterschieden wird zwischen Rückforderung wegen rechtmässig oder wegen unrechtmässig bezogener Sozialhilfe. Während unrechtmässig bezogene Leistungen vollumfänglich rückerstattet werden müssen, sollen rechtmässige bezogene Leistungen nur bei günstigen Verhältnissen infolge eines Vermögensanfalls geltend gemacht werden. Bei rechtmässig bezogener Sozialhilfe soll nach der Richtlinie auf eine Rückforderung aus späterem Erwerbseinkommen verzichtet werden, um das Ziel der Sozialhilfe, die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, nicht zu gefährden. Wo die kantonalen gesetzlichen Grundlagen eine Rückerstattung aus Erwerbseinkommen vorsehen, sei eine grosszügige Einkommensgrenze zu gewähren, und die zeitliche Dauer der Rückerstattung sei zu begrenzen. Schliesslich solle auch bei günstigen Verhältnissen infolge eines Vermögensanfalls ein Freibetrag vorgesehen werden. Die SKOS hat in ihrem Bericht zur Umsetzung der Richtlinien in Kantonen und Gemeinden (SKOS Monitoring) von 2018 festgehalten, dass 20 Kantone die Rückerstattungsforderung aus späterem Erwerbseinkommen gemäss den Empfehlungen der SKOS berechnen. 2⁰2 Rückforderungen wegen rechtmässig bezogener Sozialhilfe sind damit in der grossen Mehrheit der Kantone schon heute faktisch schuldbefreit . Die von den Richtlinien empfohlenen Freibeträge bei Vermögensanfällen werden gemäss dem Bericht von 18 Kantonen gewährt. Zwei Kantone orientierten sich an den Ansätzen der Ergänzungsleistungen für die AHV/IV (EL), fünf hätten tiefere Freibeträge als die SKOS-Richtlinien und ein Kanton höhere. Aus Rücksicht auf die Kantone hatte der Bundesrat im Vorentwurf noch vorgeschlagen, diesen spezialgesetzlich geregelten sozialpolitischen Entscheiden der Kantone in jedem Fall Vorrang vor einer neuen Regelung im SchKG zu lassen. Die Ausnahme für Rückforderungen aufgrund rechtmässig bezogener Sozialhilfe hat in der Vernehmlassung zu erheblicher Kritik - teilweise auch von Seiten der Kantone - geführt. Diese Ausnahme verhindere eine nachhaltige Entschuldung zahlreicher Betroffener und unterlaufe den Zweck des neuen Verfahrens. Der Bundesrat schlägt im Zuge dieser Rückmeldungen deshalb vor, die Ausnahmeregelung auf Rückerstattungsforderungen für zu Unrecht bezogene Sozialhilfe zu begrenzen.
Schliesslich sollen auch Rückerstattungsforderungen wegen Leistungen der Sozialversicherungen, welche unrechtmässig bezogen wurden , bestehen bleiben. Zu denken ist hier etwa an Leistungen der Invalidenversicherung oder der Ausgleichskassen. Die Folgen des unrechtmässigen Bezugs staatlicher Leistungen sollen weiterhin unabhängig von einer Schuldbefreiung im SchKG geregelt werden. Die entsprechenden Forderungen verjähren und verwirken deshalb nach den für sie vorgesehenen Regeln. So erlöschen Rückforderungen für unrechtmässig bezogene Leistungen der Sozialversicherungen des Bundes drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung (Art. 25 Abs. 2 ATSG 2⁰3 ). Für die Vollstreckung einer rechtskräftig festgelegten Rückerstattungsforderung gilt eine Vollstreckungsverwirkungsfrist von in der Regel fünf Jahren (Art. 16 Abs. 2 AHVG 2⁰4 ). 2⁰5 Die entsprechenden Forderungen verwirken endgültig, weshalb solche Forderungen nur in Ausnahmefällen länger bestehen würden, als das Sanierungskonkursverfahren dauert. Auch kann in Härtefällen auf eine Rückzahlung verzichtet werden (Art. 25 Abs. 1 ATSG). Der Bundesrat sieht deshalb davon ab, eine überlagernde Regelung für diese Forderungen im SchKG vorzuschlagen.
Wirkungen (Abs. 2)
Für die ungedeckten Beträge der von der Schuldbefreiung ausgenommenen Forderungen wird ein Konkursverlustschein (Art. 265-265 b SchKG) ausgestellt ( Abs. 2 ). Die Schuldnerin oder der Schuldner kann somit - wie beim Konkurs auf Antrag nach geltendem Recht (Art. 191 SchKG) - einer erneuten Betreibung für diese Forderungen die Einrede fehlenden neuen Vermögens entgegenhalten (Art. 265 Abs. 2 und Art. 265 a SchKG). Auch Schuldnern mit von der Schuldbefreiung ausgenommenen Forderungen wird damit eine wirtschaftliche Stabilisierung ermöglicht. Dem Konkursverlustschein kommt weder eine Novierungswirkung zu, noch schafft er einen selbstständigen Forderungsgrund. 2⁰6 Für Forderungen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erlöschen, ist die zwanzigjährige Verjährungsfrist von Artikel 149 a Absatz 1 unbeachtlich (vgl. Art. 16 Abs. 2 AHVG).
Art. 350
Ausserordentlicher Vermögensanfall nach Verfahrensende
Der nach der Vernehmlassung neu eingefügte Artikel 350 E-SchKG soll eine ausnahmsweise Berücksichtigung von Vermögenswerten, die der Schuldnerin oder dem Schuldner nach Abschluss des Sanierungskonkursverfahrens zugefallen sind, erlauben. Diese Vermögenswerte sollen wie nachträglich entdeckte Vermögenswerte, welche zur Konkursmasse gehören würden, den Gläubigern zukommen. Berücksichtigt werden soll ein ausserordentlicher Vermögensanfall , namentlich durch Erbschaft, Schenkung oder Lotteriegewinn. Die Bestimmung ist Artikel 197 Absatz 2 SchKG, der in einem gewöhnlichen Konkursverfahren die Berücksichtigung von dem Schuldner anfallendem Vermögen erlaubt, nachgebildet. Zum anfallenden Vermögen zählen gemäss ständiger Rechtsprechung und Lehre nur Werte, welche dem Schuldner zufallen. Nicht zum anfallenden Vermögen gehören Werte, welche der Schuldner sich erarbeiten muss, insbesondere das Erwerbseinkommen des Schuldners. 2⁰7 Es widerspricht dem Sanierungszweck des neuen Verfahrens, einen nachträglichen Zugriff auf das Erwerbseinkommen der Schuldnerin oder des Schuldners zu erlauben.
Im Sinne der Rechtssicherheit wird der nachträgliche Zugriff auf das anfallende Vermögen zeitlich begrenzt: berücksichtigt wird nur Vermögen, welches dem Schuldner innert fünf Jahren seit Schluss des Sanierungskonkurses anfällt. Erbschaften, Schenkungen oder Lotteriegewinne, die dem Schuldner während dieser Zeit zufallen, werden wie nachträglich entdeckte Vermögenswerte, die zur Masse gehört hätten, behandelt.
Den Schuldner treffen in Bezug auf diese Vermögenswerte die auch während dem Verfahren geltenden Auskunfts-, Herausgabe- und Mitwirkungspflichten ( Abs. 2 ). Bei einer Verletzung dieser Pflichten macht der Schuldner sich unter Umständen strafbar (Art. 222 Abs. 1 SchkG i.V.m. Art. 163 Ziff. 1 und Art. 323 Ziff. 4 StGB).
Sobald das Amt von den Vermögenswerten erfährt, sei es durch den Schuldner oder auch durch einen Gläubiger, nimmt es diese in Besitz und besorgt ohne weitere Förmlichkeit die Verwertung und die Verteilung des Erlöses an die zu Verlust gekommenen Gläubiger nach deren Rangordnung (Art. 269 Abs. 1 SchKG). Zweifelhafte Rechtsansprüche bringt das Amt Gläubigern zur Kenntnis (Art. 269 Abs. 3 SchKG). Diese entscheiden über die Geltendmachung der Ansprüche, wobei sich einzelne Gläubiger den Anspruch abtreten lassen können (Art. 269 Abs. 3 i.V.m. Art. 260 SchKG).
Übergangsbestimmung
Abs. 1
Die neuen Bestimmungen des vereinfachten Nachlassverfahrens lassen sich nicht nahtlos auf laufende Nachlassverfahren anwenden. Daher wird mit einer Übergangsbestimmung für diese Fälle die Weitergeltung des bisherigen Rechts angeordnet, wie dies in gleicher Weise für die letzte Revision das Nachlassvertragsrechts vorgesehen wurde. 2⁰8
Beim Sanierungskonkurs für natürliche Personen handelt es sich um eine erweiterte Art Konkursverfahren. Dieses kann auch während einem laufenden Konkursverfahren nach den Artikeln 171-270 SchKG beantragt werden (Art. 337 Abs. 4 E-SchKG). Diesbezüglich stellen sich keine übergangsrechtlichen Probleme.
Abs. 2
Die neu eingeführte Restschuldbefreiung entspricht in ihren Wirkungen der Verjährung (Art. 349 a Abs. 3 E-SchKG). Die Verjährung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich ein Institut des materiellen Sachrechts und nicht des Verfahrensrechts. 2⁰9 Für materiell-rechtliche Bestimmungen gilt der Grundsatz der Nichtrückwirkung neuer Bestimmungen auf abgeschlossene Sachverhalte (Art. 1 ff. SchlT ZGB). Schwierig einzuordnen sind jedoch Tatbestände, die sowohl alt- als auch neurechtliche Tatsachen umfassen. 21⁰ Mit einer Übergangsbestimmung soll deshalb klargestellt werden, dass die Restschuldbefreiung sämtliche Forderungen - auch solche, die unter Umständen schon lange bestehen - erfassen kann. Dies entspricht der Regel, welche für die Neueinführung eines Verjährungs- oder Verwirkungstatbestands allgemein gelten würde (Art. 49 Abs. 4 SchlT ZGB). 21¹ Eine Anwendung der Revision auf bestehende Forderungen liegt auch im öffentlichen Interesse (Art. 2 Abs. 1 SchlT ZGB), könnte die Revision doch ohne Einbezug sämtlicher Forderungen ansonsten womöglich über Jahrzehnte nicht die gewünschte Wirkung entfalten.
1¹4 SR 312.5
1¹5 S. nur BGE 145 III 20 E. 4.1.2; BGE 131 III 268 E. 3.2.; BGE 105 II 183 E. 4a.
1¹6 Zur Begründung s. oben Ziff. 1.2.1.
1¹7 BSK SchKG-
Brunner/Boller/Fritschi
, Art. 191 N 5 ff.
1¹8 S. zu den entsprechenden Überlegungen hinsichtlich einer Konkurseröffnung von Amtes wegen im vereinfachten Nachlassverfahren unten die Erläuterungen zu Art. 331 c E-SchKG.
1¹9 S. dazu oben Ziff. 1.1.3.1.
12⁰ AS 2013 4111 ; vgl. die Übersicht und Dokumentation unter: www.bj.admin.ch > Wirtschaft > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Abgeschlossene Rechtsetzungsprojekte > Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsverfahren).
12¹ Art. 39 Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV); SR 221.411 .
¹22 Vgl. oben Ziff. 4.1.2.
¹23 BGE 94 III 55 E. 2
¹24 S. § 18 ff. des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (EGSchKG) des Kantons Luzern vom 22.10.1996, SRL Nr. 290.
¹25 Vgl. zu Art. 296 a : BSK SchKG-
Bauer/Luginbühl
, Art. 296 a N 26.
¹26 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht), BBl 2010 6455 , 6486 .
¹27 Vgl. BSK SchKG-
Bauer/Luginbühl
, Art. 296 N 4.
¹28 Vgl. BSK SchKG-
Bauer/Luginbühl
, Art. 297 N 13.
¹29 Vgl. auch Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Betreibungsauskunft, elektronische Zustellungen und Online-Versteigerung) vom 14. August 2024, BBl 2024 2174 : Art. 34 Abs. 2 erster Satz.
13⁰ Vgl.
Roncoroni
, SozialAktuell 2013, 24.
13¹ Vgl.
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.3.2 ff.; ASB Schuldenreport 2021, S. 7, abrufbar unter: www.schuldenberatung.at/downloads/infodatenbank/schuldenreport/asb_Schuldenreport2021.pdf?m=1618998813&.
¹32 S. oben Ziff. 1.2.3.
¹33 S. BGE 28 II 570 E. 5
¹34 Zur Aufhebung der Bestimmungen zur Notstundung s. oben Ziff. 4.1.3.5.
¹35 S. auch schon
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 2.1.
¹36 BSK SchKG-Brunner/Boller/Fritschi, Art. 191 N 2; s. auch CR LP-Cometta, Art. 191 N 6.
¹37 BGE 111 II 206 E. 1
¹38 Urteil des Bundesgerichts 5A_606/2014 vom 19. November 2014, E. 3.1; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 5A_642/2010 vom 7. Dezember 2010, E. 2.4; Zusammenfassung bei
Kälin
, ZZZ 35/2014, 138.
¹39 SKOS, Grundlagenpapier «Schulden und Sozialhilfe», Bern 2021, Ziff. 2 m.w.N., abrufbar unter:
https://skos.ch
> Publikationen > Grundlagenpapiere;
Korczak
, Definitionen der Verschuldung und Überschuldung im europäischen Raum, 17 ff
.;
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 2.1.
14⁰ S. oben Ziff. 1.1.3.2 für eine vorsichtige Schätzung der Auswirkungen des Verfahrens auf verschiedene Schuldnerkategorien.
14¹ Vgl.
BSK SchKG-Umbach-Spahn/Kesselbach/Bossart,
Art. 306 N 16 m.w.N.
¹42 Vgl. oben Ziff. 4.1.3.1
¹43 BGE 141 III 527 E. 3.1
¹44 BGE 111 III 66 E. 2; BGE 123 III 402 E. 3.a)
¹45 BGE 150 III 262, E. 3 ff.; zur waadtländer Praxis ausführlich: BGE 149 III 186, E. 3.3.2.
¹46 BGE 150 III 262, E. 4.3
¹47 Art. 197 Abs. 2, vgl.
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 3.2.1.1.
¹48 S. auch oben Ziff. 1.1.3.1.
¹49 Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 1. Juli 2009, abrufbar unter:
www.bj.admin.ch/content/dam/data/bj/wirtschaft/schkg/gl/03-gl-ks-d.pdf
.
15⁰ Vgl. die Richtlinie (Fn. 149), 1: Nahrung, Kleidung und Wäsche einschliesslich deren Instandhaltung, Körper- und Gesundheitspflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Privatversicherungen, Kulturelles sowie Auslagen für Beleuchtung, Kochstrom und/oder Gas etc.
15¹ BGE 129 III 526 E. 2
¹52 BGE 134 III 323 E. 2; BGE 108 III 60 E. 3
¹53 Vgl. BGE 140 III 337 E. 4.4; BGE 126 III 89 E. 3.b
¹54 Vgl.
Meier I./Hamburger
, SJZ 2014, 95; CR LP-
Ochsner,
Art. 93 N 151.
¹55 S. auch schon
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 6.3.4.
¹56 Vgl. zur generellen separaten Überprüfung dieses Punkts oben Ziff. 1.2.3.
¹57
Blumenstein/Locher
, 680 ff.; BSK SchKG-M.
Staehelin/Stojiljković
, Art. 262 N 14 ff.
¹58 BGE 129 III 200 E. 2; vgl. auch für die Grundstückgewinnsteuer: BGE 120 III 153 E. 2b.
¹59
Blumenstein/Locher
, 681.
16⁰ Vgl.
Amonn/Walther
, § 35 N 15.
16¹
Blumenstein/Locher
, 680 f.
¹62 SR 641.20
¹63 S. zur Behandlung der Mehrwertsteuer im Konkurs ausführlich:
Schluckebier/Sprecher/Kammerer
, IFF Forum für Steuerrecht 2006, 185 ff.
¹64 Vgl.
Cavelti
, ZZZ 2022, 57.
¹65 So § 44 Steuergesetz Basel-Stadt (SG 640.100 ): «Bei Konkurs wird die Steuer im Zeitpunkt der Konkurseröffnung fällig. Der Konkurs gilt als Beendigung der Steuerpflicht der in Konkurs gefallenen Person und als Beginn der Steuerpflicht für die Zeit nach der Konkurseröffnung.»
¹66 S. nur Kanton Bern: Art. 232 Abs. 2 Bst. d StG-BE (BGS 661.11 ); Kanton Solothurn: § 177 Abs. 5 Bst. d StG-SO (BGS 614.11 ).
¹67 AS 2023 67 ; BBl 2021 745
¹68 S. dazu oben: Ziff. 1.2.4.
¹69 Vgl. BSK OR I-Weber, Art. 266 h N 2.
17⁰ S. Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.2.3 und 4.8.
17¹ S. oben Ziff. 4.1.3.3.
¹72 BSK SchKG-
Umbach-Spahn/Kesselbach/Bossart
, Art. 306 N 38 m.w.N.
¹73 S. oben Ziff. 4.1.3.1.
¹74
Kilborn
, Emory Bankruptcy Development Journal Vol. 22 (2005), 29;
Kilborn/Garrido/Booth/Niemi/Ramsay
, World Bank Report on the Treatment of the Insolvency of Natural Persons, Rz. 443 und
Jeandin
, Assainissement des particuliers, 243.
¹75
Kilborn
, Emory Bankruptcy Development Journal Vol. 22 (2005), 29, 37 ff.
¹76 S. auch die Zusammenfassung und Nachweise in Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 6.3.5.
¹77 S. oben Ziff. 3.2.
¹78 S. oben Ziff. 3.2.
¹79 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 7.2.
18⁰ S. Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.2.2., 4.3.3. und 6.3.5.
18¹ Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 28 ff.
¹82 Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 28 ff.
¹83 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 7.2.
¹84 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.2. und 7.2.
¹85 § 295 InsO Deutschland.
¹86 § 210 Ziff. 1 IO Österreich.
¹87 § 301 Abs. 3 InsO Deutschland.
¹88 § 214 Abs. 3 IO Österreich.
¹89
von Thur/Escher
, OR AT II, 196 f.; BSK OR I-
Müller
, Art. 120 N 3; zur Einrede mangelnden neuen Vermögens: BGE 133 III 620 E. 4.2 ff.
19⁰ § 301 Abs. 2 InsO Deutschland.
19¹ § 214 Abs. 2 IO Österreich.
¹92 S. oben Ziff. 4.1.3.4.
¹93 Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.
¹94 BGE 105 IV 169 E. 1.c; BGE 119 IV 17
¹95 BGE 137 III 59 E. 4.2.1. f. m.w.Nachw.
¹96 BGE 135 III 66 E. 8 ff. m.W.Nachw.; vgl. Botschaft zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesunterhalt) vom 29. November 2013, BBl 2014 529 , Ziff. 1. 4 . und die parlamentarische Debatte in AB 2014 N 1225 ff.; AB 2014 S 1119 ff.; Stellungnahme des Bundesrates vom 4.11.2020 zum 20.3971 Po. Feri Analyse zur Umsetzung der Mankoteilung, abrufbar unter: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > 20.3971.
¹97 Erläuternder Bericht zur Verordnung über die Inkassohilfe bei familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen (Inkassohilfeverordnung, InkHV) vom 6. Dezember 2019, abrufbar unter: www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2019/2019-12-062.html.
¹98 SR 211.214.32
¹99
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4; vgl. zu Deutschland und der Definition der «pflichtwidrig» nicht geleisteten Unterhaltsbeiträge MüKoInsO/
Stephan
, § 302 Rz. 18 ff.
20⁰ S. BSK ZGB I-
Fountoulakis
, Art. 289 N 10.
2⁰1 SKOS Richtlinien (Version vom 01.01.2021), abrufbar unter:
rl.skos.ch
, E. 2.1.
2⁰2 SKOS, Monitoring Sozialhilfe 2018: Bericht, S. 9 f., abrufbar unter
https://skos.ch/publikationen/monitoring-sozialhilfe
.
2⁰3 SR 830.1
2⁰4 SR 831.10
2⁰5 Vgl. Urteil des Bundesgerichts 5P.456/2004 vom 15. Juni 2005 zur analogen Anwendung dieser Bestimmung in anderen Sozialversicherungsbereichen, weiter BGE 117 V 208 und BSK ATSG-
Dormann
, Art. 25 N 51.
2⁰6 BSK SchKG-
Huber/Sogo
, Art. 265 N 8.
2⁰7 BGE 72 III 83 E. 3; BSK SchKG-
Hunkeler,
Art. 197 N 84 ff.; CR LP-
Romy,
Art. 197 N 30;
Amonn/Walther
, § 40 N 12.
2⁰8 AS 2013 4111 ; BBl 2010 6455
2⁰9 BGE 144 II 273 E. 2.2.4
21⁰ Vgl. BSK ZGB II-
Vischer
, Art. 1 SchlT ZGB N 5 ff.
21¹ BSK ZGB II-
Däppen
, Art. 49 SchlT ZGB N 10 mit Verweis auf BGE 144 II 273 E. 2.2.8. und 2.2.10.
5.2 Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
Art. 480
Die Änderung von Artikel 480 ist eine Folge der Änderung von Artikel 524 Absatz 1 ZGB und steht in Zusammenhang mit Artikel 350 E-SchKG, der während fünf Jahren nach Abschluss des Sanierungskonkursverfahrens eine ausnahmsweise Berücksichtigung von dem Schuldner zugefallenen Vermögenswerten erlaubt. Die damit verbundenen Zugriffsrechte der Gläubiger auf (potentielle) Erbschaften des Schuldners sollen nicht weiter gehen als in einem gewöhnlichen Konkurs. Dem Erblasser ist deshalb auch in diesen Fällen zu erlauben, die Hälfte des Pflichtteils direkt den Kindern der Schuldnerin bzw. des Schuldners zuzuwenden. Dieses Recht kommt jedoch nur in den Fällen zum Tragen, in denen der Erbgang innert fünf Jahren seit Erteilen der Restschuldbefreiung erfolgt. Nach fünf Jahren endet die Nachwirkung des Sanierungskonkurses, und es gibt keinen Grund mehr, von der gewöhnlichen Pflichtteilsregelung abzuweichen.
Art. 524 Abs. 1
Die Änderung von Artikel 524 Absatz 1 ZGB steht ebenfalls in Zusammenhang mit Artikel 350 E-SchKG, der während fünf Jahren nach Abschluss des Sanierungskonkursverfahrens eine ausnahmsweise Berücksichtigung von dem Schuldner zugefallenen Vermögenswerten erlaubt. Die Gläubiger, die durch eine Restschuldbefreiung einen Forderungsverlust erlitten haben, sollen während dieser Zeitspanne in Bezug auf mögliche Erbschaften des Schuldners die gleichen Rechte erhalten, wie Gläubiger, die zur Zeit des Erbganges Verlustscheine besitzen. Das bedeutet, dass sie zur Wahrung ihrer Rechte gegen eine Pflichtteilsverletzung zulasten des Schuldners oder gegen dessen Enterbung vorgehen können, wenn der Schuldner selbst untätig bleibt.
5.3 Obligationenrecht vom 30. März 1911
Im Bürgschaftsrecht müssen zwei Bestimmungen, die auf das Vorliegen von definitiven Verlustscheinen abstellen, angepasst werden. Der Sanierungskonkurs endet mit einer Restschuldbefreiung, Verlustscheine werden nur für von der Schuldbefreiung ausgenommene Forderungen ausgestellt (Art. 349 b Abs. 2 E-SchKG). Artikel 495 Absatz 3 OR und Artikel 501 Absatz 2 OR knüpfen aber an das Vorliegen eines definitiven Verlustscheins Rechtswirkungen, welche auch bei einer Restschuldbefreiung greifen müssen. Beide Bestimmungen müssen deshalb mit einem Verweis auf die Restschuldbefreiung ergänzt werden, da diese im Sanierungskonkurs die Ausstellung eines definitiven Verlustscheins ersetzt. In Artikel 495 Absatz 3 wird zudem ein Übersetzungsfehler in der französischen Fassung korrigiert. Wie in Absatz 1 soll auch in Absatz 3 eine Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland nur relevant sein, wenn der Hauptschuldner in der Schweiz nicht mehr belangt werden kann . Die Formulierung in Absatz 3 der französischen Fassung wird an Absatz 1 sowie die deutschen und italienischen Fassungen von Absatz 3 angepasst.
5.4 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht
Die meisten Nachbarstaaten der Schweiz kennen Restschuldbefreiungsverfahren für Privatpersonen. 2¹2 Daher sind Konstellationen denkbar, in denen eine Person, die im Ausland ein Restschuldbefreiungsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, in die Schweiz zieht und dort für Schulden belangt wird, von welchen sie gemäss der ausländischen Restschuldbefreiung befreit worden ist.
Die Anerkennbarkeit ausländischer Restschuldbefreiungen in der Schweiz nach dem 11. Kapitel IPRG ist in der Lehre im Grundsatz de lege lata unbestritten . 2¹3 Das 11. Kapitel IPRG enthält Regeln zu den Auswirkungen von laufenden ausländischen Generalexekutionen auf in der Schweiz belegene Vermögenswerte und zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Es geht dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts «nicht um die unmittelbare Erstreckung des ausländischen Konkurses auf das schweizerische Territorium, sondern um eine Form von Rechtshilfe zugunsten eines im Ausland durchgeführten Verfahrens». 2¹4 Vom geltenden Recht nur ungenügend erfasst sind deshalb die Fälle, in denen eine Person nach einem abgeschlossenen ausländischen Verfahren für Konkursforderungen in der Schweiz betrieben wird. Diese Frage kann sich in der Regel nur bei natürlichen Personen, welche nach einem abgeschlossenen Konkursverfahren weiter existieren und neue Vermögenwerte erwerben können, stellen.
Mit den vorgeschlagenen Änderungen im IPRG soll die in der Lehre unbestrittene Anerkennbarkeit ausländischer Restschuldbefreiungen auf eine rechtlich eindeutige Basis gestellt werden. Weiter werden gewisse Erleichterungen im Verfahren vorgeschlagen, welche der spezifischen Situation von natürlichen Personen mit einer im Ausland erteilten Restschuldbefreiung Rechnung tragen.
Die Anerkennung von laufenden ausländischen Restschuldbefreiungsverfahren und ihre Auswirkungen auf Vermögen in der Schweiz sind vom neuen Artikel 175 a E-IPRG - der die Anerkennung ausländischer Restschuldbefreiungen regeln soll - nicht erfasst. Soweit es sich dabei um Konkursdekrete handelt, sind diese nach den gewöhnlichen, schon bisher geltenden Regeln zu behandeln.
Es wird auf jeden Fall auch weiterhin ein separates Anerkennungsverfahren nötig sein, bevor sich eine Schuldnerin oder ein Schuldner in einer Betreibung auf eine ausländische Restschulbefreiung berufen kann. 2¹5 Bei einer vorfrageweisen oder inzidenten Anerkennung könnte das heutige Schutzniveau von Kapitel 11 IPRG nicht gewährleistet werden. Einem Schuldner, der seine finanzielle Situation im Ausland mit einem Restschuldbefreiungsverfahren bereinigt hat und der nach Zuzug in die Schweiz mit Betreibungen für von der Restschuldbefreiung erfasste Forderungen rechnen muss, ist deshalb anzuraten, rechtzeitig einen solchen Anerkennungsentscheid zu erwirken. Die vorgeschlagenen Verfahrensvereinfachungen sollten bewirkten, dass ein solcher Entscheid ohne unverhältnismässigen Aufwand - namentlich ohne ein ins Leere laufendes Hilfskonkursverfahren - erwirkt werden kann. Ist bereits ein Betreibungsverfahren im Gange, ist schliesslich auch eine Sistierung des Rechtsöffnungsentscheids denkbar, bis ein Entscheid im Anerkennungsverfahren erfolgt ist (Art. 126 ZPO). 2¹6
Art. 174a Abs. 1
Wird ein ausländisches Konkursdekret anerkannt, so führte dies bis vor kurzem zwingend zur Durchführung eines Hilfskonkursverfahrens in der Schweiz. Mit diesem wird das ausländische Verfahren rechtshilfeweise unterstützt, aber auch die bevorzugte Befriedigung privilegierter inländischer Gläubiger aus den in der Schweiz belegenen Vermögenswerten bewirkt. Mit der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Revision des 11. Kapitels IPRG vom 16. März 2018 2¹7 wurde die Möglichkeit des Verzichts auf ein Hilfskonkursverfahren eingeführt. Ein Hilfskonkursverfahren soll aus Gründen der Verfahrenseffizienz nur noch dann durchgeführt werden, wenn dies zum Schutz von Gläubigern in der Schweiz tatsächlich notwendig ist. 2¹8 Auf Antrag der ausländischen Konkursverwaltung kann auf ein Hilfskonkursverfahren dann verzichtet werden, wenn keine privilegierten Forderungen im Sinne von Artikel 172 Absatz 1 IPRG angemeldet wurden und die übrigen Gläubiger mit Wohnsitz in der Schweiz im ausländischen Verfahren angemessen berücksichtig wurden (Art. 174 a Abs. 2 IPRG). In diesem Falle werden die in der Schweiz liegenden Vermögenswerte ohne inländisches Hilfskonkursverfahren der ausländischen Konkursmasse zur Verfügung gestellt. Nach dem Wortlaut von Artikel 174 a Absatz 1 IPRG kann nur die ausländische Konkursverwaltung Antrag auf Verzicht auf Durchführung eines Hilfskonkurses stellen. 2¹9 Es ist fraglich, ob bei einem laufenden ausländischen Konkurs in Eigenverwaltung des Schuldners, wie es gerade für ausländische Restschuldbefreiungsverfahren oft üblich ist, 22⁰ der Schuldner als Konkursverwaltung im Sinne von Artikel 174 a IPRG anerkannt würde. Damit wird der Verzicht auf ein aufwendiges schweizerisches Hilfskonkursverfahren gerade in den einfachsten Fällen verhindert. Durch eine Ergänzung von Artikel 174 a IPRG soll deshalb neu auch der Schuldner generell den Verzicht auf ein Hilfskonkursverfahren beantragen können.
Art. 175a
Anerkennung ausländischer Restschuldbefreiungen
Abs. 1
Durch den neu eingefügten Artikel 175 a E-IPRG wird klargestellt, dass eine ausländische Restschuldbefreiung in der Schweiz anerkannt werden kann. Wie beim Nachlassvertrag 22¹ setzen die in der Schweiz anzuerkennenden Wirkungen in der Regel bei der Passivseite an. Es geht - anders als bei einem laufenden Konkursverfahren - nicht um die Zuführung von Schweizer Aktiven zu einem ausländischen Verfahren, sondern um die Anerkennung der bereinigten Passivseite und die Verhinderung des erneuten Zugriffs von Konkursgläubigern auf Vermögenswerte des Schuldners.
Wie bei einem gewöhnlichen Konkursdekret 22² bestimmt sich nach der schweizerischen lex fori , was als Restschuldbefreiung gilt. In Anlehnung an Artikel 337-350 E-SchKG sind darunter Generalexekutionsverfahren für natürliche Personen zu verstehen, mit denen sie von einem Teil ihrer Schulden durch gerichtliche oder behördliche Anordnung befreit werden, indem entweder die Durchsetzung der Forderungen gehindert wird oder diese (teilweise) untergehen. Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Konkursdekret, welches sich auf die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens bezieht, 2²3 handelt es sich bei einer ausländischen Restschuldbefreiung um das Ende eines meist mehrjährigen Verfahrens. 2²4 Dabei ist unerheblich ob das Verfahren mit einem separaten Entscheid beendet wird oder die Restschuldbefreiung bedingt bereits zu Beginn des Verfahrens ausgesprochen wurde und erst am Ende des Verfahrens ihre Wirkungen entfaltet. Voraussetzung für die Anerkennung nach Artikel 175 a E-IPRG ist, dass das Verfahren im Ausland durchlaufen wurde und die Wirkungen der Restschuldbefreiung eingetreten sind. Vorausgesetzt ist nach den allgemeinen Regeln weiter, dass der Lebensmittelpunkt des Schuldners effektiv in dem Staat lag, in welchem die Restschuldbefreiung erfolgt ist. Dies wird durch den Verweis auf die Artikel 166-174 c klargestellt (vgl. insbesondere Art. 166 Abs. 1 Bst. c. IPRG i.V.m. Art. 20 IPRG). Ist dies nicht der Fall, namentlich weil ein Schuldner missbräuchlich versuchen könnte, von diesbezüglichen Erleichterungen in einem bestimmten Staat profitieren zu wollen, kommt die Anerkennung einer so erlangten Restschuldbefreiung von vornherein bereits heute nicht in Betracht.
Für die Anerkennung einer Restschuldbefreiung ist vorausgesetzt, dass die Forderungen von Gläubigern, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, im ausländischen Verfahren angemessen berücksichtigt wurden. Bei Gesellschaften und bei Trusts gilt der Sitz als Wohnsitz (Art. 21 Abs. 1 IPRG). Diese Prüfung wäre auch bei einem Antrag auf Verzicht auf ein Hilfskonkursverfahren durchzuführen (Art. 174 a Abs. 2 IPRG). Bei der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung soll dieses Schutzniveau ebenfalls gewährleistet werden. Anders als beim Konkursdekret muss diese Prüfung aber vor dem Entscheid über die Anerkennung der Restschuldbefreiung erfolgen. Bei der Anerkennung der ausländischen Restschuldbefreiung geht es um die Anerkennung der Wirkungen des Abschlusses eines Verfahrens und nicht um die Anerkennung des ausländischen Entscheids zur Eröffnung des Restschuldbefreiungsverfahrens (wobei es sich dabei vielfach um ein eigentliches Konkursdekret handelt). Die Durchführung eines Hilfskonkursverfahren wäre nicht die passende Konsequenz, falls eine Benachteiligung Schweizer Gläubiger festgestellt würde. Es besteht im Ausland kein Verfahren und keine Konkursverwaltung mehr, ein Hilfskonkursverfahren liefe ins Leere. Konsequenterweise muss einer ausländischen Restschuldbefreiung, falls eine Benachteiligung Schweizer Gläubiger festgestellt wird, deshalb die Anerkennung versagt werden, womit die Gläubiger gegen den Schuldner in der Schweiz vollstreckungsrechtlich vorgehen können.
Abs. 2
Damit das Anerkennungsgericht sich davon überzeugen kann, dass keine Schweizer Gläubiger im ausländischen Verfahren benachteiligt wurden, kann ein Schuldenruf geboten sein. Dieser kann entweder vom Gericht selbst oder wie bei der Anerkennung eines Konkursdekrets vom Konkursamt durchgeführt werden. Durch Ausgestaltung als «Kann-Bestimmung» und die sinngemässe Anwendung der Artikel 166-174 c (Art. 175 a Abs. 1 E-IPRG) wird sichergestellt, dass die Gerichte und Ämter genügend Freiraum haben, um das für den jeweiligen Einzelfall sinnvollste Vorgehen zu wählen. Namentlich kann bei einfachen Verhältnissen, in denen ein Schuldner darlegen kann, dass vor und während des ausländischen Verfahrens keine Bezüge zur Schweiz bestanden, auf umfangreiche Abklärungen verzichtet werden.
Abs. 3
Für die Wirkungen der Anerkennung einer Restschuldbefreiung wird die Grundwertung von Artikel 170 IPRG beibehalten: Die Wirkungen richten sich nach dem Schweizer Recht. Der anerkannten ausländischen Restschuldbefreiung können damit keine weitergehenden Wirkungen zukommen, als es in Artikel 349 a ff. E-SchKG vorgesehen ist. Dies betrifft namentlich die Sperrfrist und die von der Schuldbefreiung ausgenommenen Schulden (Art. 349 b E-SchKG).
Der Verweis auf die Wirkungen des Schweizer Rechts führt stets zu einer sinngemässen Anwendung der Schweizer Rechtsnormen. 2²5 Dies ist für die Anwendung von Artikel 350 E-SchKG von besonderer Bedeutung. Es wäre denkbar, dass eine Konkursmasse aus einer ausländischen Rechtsordnung, welche ein ähnliches Nachforderungsrecht kennt, einen Anspruch auf in der Schweiz belegene, dem Schuldner nachträglich zugefallene Vermögenswerte stellt. In diesen Fällen wäre nach Artikel 172 IPRG vorzugehen und die Vermögenswerte nur dann freizugeben, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, etwa keine privilegierten Gläubiger in der Schweiz vorliegen und aufgrund der Unterlagen des ausländischen Konkurses eine Verteilung erfolgen kann.
In Abweichung von Artikel 170 Absatz 2 IPRG sollen die Fristen nach schweizerischem Recht nicht erst mit der Veröffentlichung der Entscheidung über die Anerkennung beginnen. Diese Wirkung wäre für ein abgeschlossenes Verfahren im Ausland nicht sachgerecht; so könnte so zum Beispiel ein ausserordentlicher Vermögensanfall nach Verfahrensende theoretisch noch Jahrzehnte nach einer im Ausland erteilten Restschuldbefreiung berücksichtigt werden. Für die Wirkung der im Ausland erteilten Restschuldbefreiung wird deshalb festgelegt, dass die Fristen mit dem ausländischen Datum der Restschuldbefreiung beginnen. Eine Nachforderung wäre damit auch in der Schweiz nur bis zu fünf Jahre nach Schluss des ausländischen Verfahrens - das heisst dem Datum, an dem die Wirkungen der Restschuldbefreiung eingetreten sind - denkbar.
2¹2 Vgl. die Übersicht (Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweden, USA) im Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.
2¹3
Bopp
, Die Anerkennung ausländischer Restschuldbefreiung in der Schweiz, 41 ff.;
Rodriguez
, Zuständigkeiten im internationalen Insolvenzrecht, Rz. 70 ff.;
Staehelin,
Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz, 174; BSK IPRG-
Bopp,
Art. 175 N 6;
Theus Simoni
, Jusletter 6. Mai 2019, Rz. 32 ff.
2¹4 BGE 139 III 236 E. 4.2.
2¹5 S. dazu oben Ziff. 5.1, Erläuterungen zu Ar. 81 Abs. 1 E-SchKG.
2¹6 S. für das geltende Recht bereits
Theus Simoni
, Jusletter 6. Mai 2019, Rz. 25.
2¹7 AS 2018 3263
2¹8 Botschaft vom 24. Mai 2017 zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (11. Kapitel: Konkurs und Nachlassvertrag), BBl 2017 4125 , 4140 .
2¹9 BBl 2017 4125 , 4140 , so auch BSK IPRG-
Bürgi
, Art. 174a N 4 ff.
22⁰ S. nur Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.3.1.
22¹ BGE 140 III 379 E. 4.2.1; BSK IPRG-
Bopp
, Art. 175 N 2.
22² BSK IPRG-
Berti/Mabillard
, Art. 166 N 14.
2²3 BSK IPRG-
Berti/Mabillard
, Art. 166 N 14.
2²4 Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 4.
2²5 BGE 137 III 374 E. 3
5.5 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer
Art. 24 Bst. l
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur direkten Bundessteuer ist ein Forderungsverzicht grundsätzlich als Einkommen (Verminderung der Passiven) zu besteuern, wenn dadurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verbessert wird. 2²6 Auf die Bonität des Schuldners komme es dabei nicht an, auch spiele es keine Rolle, dass seine Liquidität durch den Schulderlass nicht erhöht werde. 2²7 Keine Rechtsprechung gibt es soweit ersichtlich zur steuerrechtlichen Behandlung von Schulderlassen in gerichtlichen Nachlassverträgen. Bei einem gerichtlichen Nachlassvertrag verzichten nicht alle Gläubiger freiwillig auf einen Teil ihrer Forderungen, weshalb die Rechtsprechung zum Forderungsverzicht nicht ohne Weiteres übertragen werden kann. Dennoch würde in der Praxis der teilweise Untergang von Forderungen in Folge eines gerichtlichen Nachlassvertrags womöglich nach der Reinvermögenszugangstheorie 2²8 als Einkommen der Schuldnerin oder des Schuldners besteuert. Entsprechend kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass auch die mangelnde Durchsetzbarkeit von Forderungen in Folge einer Restschuldbefreiung nach erfolgreich durchgeführtem Sanierungskonkursverfahren als Ereignis betrachtet würde, welches eine Steuerpflicht auslöst.
Sowohl das vereinfachte Nachlassverfahren als auch der Sanierungskonkurs sind als Sanierungsinstrumente für überschuldete natürliche Personen konzipiert. Der Sanierungskonkurs soll gar nur dauerhaft zahlungsunfähigen natürlichen Personen offenstehen (Art. 337 Abs. 3 Bst. a E-SchKG). Durch die beiden Sanierungsmöglichkeiten fliessen den Schuldnern keine zusätzlichen Mittel zu, aus denen sie eine zusätzliche Steuerforderung begleichen könnten. Das Ziel der Verfahren ist, die betroffenen Personen finanziell zu stabilisieren und ihnen nach einem Schuldenschnitt einen Neustart zu ermöglichen. Dafür werden Gläubigerverluste in Kauf genommen und gerichtlich angeordnet. Eine Besteuerung des Forderungsuntergangs bzw. der Nicht-Durchsetzbarkeit infolge einer Restschuldbefreiung schiene unter diesen Vorzeichen stossend und systemwidrig. Bei Schuldnern, deren Einkommen nicht oder nur knapp über dem Existenzminimum liegt, könnte eine solche Steuerforderungen eine Neuverschuldung auslösen, welche den Zweck der beiden neuen Sanierungsverfahren vereitelt.
Um zu verhindern, dass der Forderungsuntergang infolge eines gerichtlichen Nachlassvertrags und die Restschuldbefreiung als einmalige Ereignisse eine Besteuerung der Schuldner auslösen, soll eine entsprechende Ausnahmeregelung im DBG eingeführt werden. Dies ist umso mehr geboten, als der Katalog von steuerbefreiten Vorgängen in Artikel 24 DBG als abschliessend betrachtet wird. 2²9 Obwohl diese Änderung anlässlich der Einführung eines vereinfachten Nachlassverfahrens für Schuldner, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen und anlässlich eines Sanierungskonkursverfahrens für natürliche Personen eingeführt werden soll, wäre es aus Sicht des Bundesrates inkonsistent, die Ausnahme nicht für alle Arten von gerichtlichen Nachlassverträgen vorzusehen . Die Ausnahme soll in allen Fällen greifen, in denen ein Gericht eine Schuldbefreiung überprüft und angeordnet hat. Sie wird deshalb sowohl für die Restschuldbefreiung in Folge eines Sanierungskonkurses als auch für gerichtlich bestätigte Nachlassverträge vorgesehen. Es handelt sich dabei um Generalexekutionsverfahren mit einen Sanierungszweck, welcher nicht durch eine Besteuerung der Schuldbefreiung gefährdet werden soll.
Art. 161 Abs. 4 Bst. dbis
Der neu eingefügte Buchstabe dbis wird als spiegelbildliche Bestimmung zu Artikel 161 Absatz 1 Buchstabe d DBG eingeführt. Buchstabe d regelt den Anfang von Konkursverfahren - inklusive des Sanierungskonkursverfahrens -und bewirkt, dass alle vorher angefallenen Steuerforderungen fällig und damit zu Konkursforderungen werden (s. dazu auch oben, die Erläuterungen zu Art. 339 Bst. b E-SchKG). Der neu eingefügte Buchstabe dbis soll die saubere Zuordnung der Steuerforderungen am Ende der dreijährigen Abschöpfungsphase bewirken. Die für die Abschöpfungsdauer angefallenen Steuerforderungen, welche vorweg aus dem abgeschöpften Einkommen zu begleichen sind (Art. 339 Bst. b E-SchKG), werden mit Ende der Abschöpfungsdauer fällig und sind durch das Konkurs- oder Betreibungsamt aus dem abgeschöpften Betrag an die Steuerbehörde zu überweisen. Mit Ende der Abschöpfungsdauer erlangt der Schuldner wieder die volle Verfügungsbefugnis über sein Einkommen und hat alle folgenden Steuerforderungen nach den üblichen Regeln selbstständig zu begleichen.
2²6 BGE 142 II 197 E. 6
2²7 Urteil des Bundesgerichts Urteil 2C_346/2020 vom 7. Oktober 2020, E. 3.5.3.
2²8 Dazu:
Blumenstein/Locher
, 221 ff.
2²9 BGE 146 II 97 E. 2.2.1
5.6 Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990
Art. 7 Abs. 4 Bst. o
Die für direkte Bundessteuer vorgeschlagene Ausnahmeregelung (s. Ziff. 5.5) muss auch für die kantonalen und kommunalen Einkommenssteuern gelten. Eine entsprechende Ausnahmeregelung wird deshalb auch im StHG vorgesehen.
5.7 Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen
Art. 69e Abs. 2 Satz 2
Anlässlich der Schaffung des vereinfachten Nachlassverfahrens für Personen, die nicht der Konkursbetreibung unterliegen, soll ein weiteres Hindernis im Bundesrecht, welches Sanierungen teilweise entgegensteht, beseitigt werden. Auf Grund des Legalitätsprinzips kann auf öffentliche Abgaben nicht ohne gesetzliche Grundlage verzichtet werden. Im Zusammenhang mit der Abgabe für Radio und Fernsehen fehlt jedoch aktuell eine gesetzliche Grundlage für den Verzicht und damit auch die Grundlage für die Zustimmung zu Nachlassverträgen. In der Erfahrung sowohl der Expertengruppe als auch des BAKOM sowie der aktuellen Abgabestelle werden dadurch in gewissen Fällen aussichtsreiche Sanierungen verhindert. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung des RTVG soll die entsprechende Grundlage deshalb geschaffen werden. Die Bestimmung ist Artikel 14 Absatz 2 und Artikel 15 der Steuererlassverordnung vom 12. Juni 2015 23⁰ nachempfunden und erlaubt die Zustimmung sowohl zu gerichtlichen Nachlassverträgen als auch zu einem aussergerichtlichen Nachlassvertrag oder einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung. Bei Letzteren wird vorausgesetzt, dass die Mehrheit der übrigen gleichrangigen Gläubiger ebenfalls zustimmt und die von ihnen vertretenen Forderungen mindestens die Hälfte der gesamten Forderungen der 3. Klasse (Art. 219 SchKG) ausmachen. Der nicht gedeckte Teil des Abgabebetrags gilt als erlassen.
Durch die neue Bestimmung im RTVG können sämtliche bestehenden Forderungen ohne Weiteres Gegenstand einer Vereinbarung sein, betrifft ein Nachlassvertrag doch alle Forderungen, die vor der Bewilligung der Stundung entstanden sind (Art. 310 Abs. 1 SchKG). 23¹ Auch wenn die Zustimmungsbefugnis fehlte, konnte die Abgabe für Radio und Fernsehen auch bisher schon Gegenstand von Nachlassverträgen sein, wenn die erforderlichen Quoren auf anderem Weg zustande gekommen sind. Die Kompetenz zur Zustimmung zu gerichtlichen Nachlassverträgen oder einer privaten Schuldenbereinigung kommt der aktuellen Erhebungsstelle Serafe AG oder jeder zukünftig bestimmten Erhebungsstelle zu. Die Kompetenz kommt auch dem BAKOM zu, insofern es selber als Erhebungsstelle fungiert. Dies ist bei gewissen Verfahren, welche von der alten Erhebungsstelle übernommen wurden, der Fall (Art. 109 b Abs. 4 RTVG i.V.m. Art. 92 Abs. 4 RTVV 23² ).
23⁰ SR 642.121
23¹ S. auch oben Ziff. 4.3.3.
23² SR 784.401
5.8 Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 1989
Mit Artikel 34 a Absatz 1 Buchstabe f soll die Auskunftserteilung der Arbeitsvermittlungsstellen an die Konkurs- oder Betreibungsämter zwecks Beurteilung der schuldnerischen Bemühungen nach Artikel 346 Absatz 2 E-SchKG ausdrücklich gestattet werden.
5.9 Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959
Auch die Ergänzung im IVG dient der Einschätzung der Bemühungen der Schuldnerin oder des Schuldners zur Erzielung von Erträgen und Einkünften (Art. 346 Abs. 2 E-SchKG). Mit Artikel 66 a Absatz 1 Buchstabe e soll mittels einer sicheren rechtlichen Grundlage garantiert werden, dass auch die IV-Stellen, welche mit der beruflichen Integration von Schuldnerinnen und Schuldnern befasst sind und die über Informationen dazu verfügen, welche Bemühungen ihnen zumutbar sind, entsprechende Informationen an die Konkurs- und Betreibungsämter weiterleiten dürfen.
5.10 Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982
Art. 97a Absatz 1 Buchstabe f Ziffer 9
Mit Artikel 346 Absatz 2 E-SchKG wird eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Auskunftserteilung der RAV und der Arbeitslosenkassen an die Konkurs oder Betreibungsämter zwecks Beurteilung der schuldnerischen Bemühungen nach Artikel 346 Absatz 2 E-SchKG geschaffen.
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
Da das vereinfachte Nachlassverfahren für Privatpersonen nur geringfügige Erleichterungen am geltenden Nachlassverfahren vorsieht und namentlich die geltende Privilegienordnung beibehält, sind davon keine namhaften Auswirkungen auf den Bund zu erwarten.
Beim Sanierungskonkurs für natürliche Personen ist der Bund als Gläubiger von einer Schuldbefreiung betroffen. Steuer- und sonstige Abgabenschulden gehören zu den häufigsten Schuldenarten bei natürlichen Personen. ²33 Diese Forderungen wären bei einer Schuldbefreiung im Rahmen eines Sanierungsverfahrens nicht mehr durchsetzbar. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Forderungen bei dauernd zahlungsunfähigen Schuldnern bereits heute mehrheitlich nur auf dem Papier bestehen und nicht - oder nur zu einem kleinen Teil - je wieder eingetrieben werden können. ²34 Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass durch Schuldnerinnen und Schuldner, welchen dank einer Schuldbefreiung eine wirtschaftliche Wiedereingliederung gelingt, in Zukunft in einigen Fällen neue Steuergelder generiert werden können. ²35 Weiter kann die Eröffnung einer zweiten Chance eine Reduktion der Gesundheitskosten bewirken, wobei die gesundheitlichen Auswirkungen einer Entschuldung in der vertieften RFA als sehr gross, aber nicht quantifizierbar eingeschätzt wurden. ²36 Schliesslich entfällt durch dieses neue Generalexekutionsverfahren mit langer Laufdauer der Aufwand für die Bewirtschaftung der einzelnen Forderungen.
Als Gläubiger betroffen sind auch die Sozialwerke, da sowohl Beitragsforderungen der AHV/IV/EO/ALV als auch Forderungen aus Arbeitgeberhaftung nach Artikel 52 AHVG potenziell von einer Schuldbefreiung erfasst sind, wenn ein Arbeitgeber, der eine natürliche Person ist, dauernd zahlungsunfähig wird und ein Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen durchläuft.
Die Beitragsforderungen der AHV/IV/EO/ALV unterstehen, wie die Leistungen der Sozialversicherungen, welche unrechtmässig bezogen wurden, einer Vollstreckungsverwirkungsfrist von in der Regel fünf Jahren (Art. 16 Abs. 2 AHVG; vgl. Erläuterungen zu Art. 349 b Abs. 1 Bst. d E-SchKG). Die entsprechenden Forderungen verwirken endgültig, weshalb solche Forderungen nur in Ausnahmefällen nach Abschluss des Sanierungsverfahrens noch bestehen würden. Entsprechend dürfte auch die Schuldbefreiung nur wenige Forderungen betreffen, die ohne das Verfahren länger bestehen würden, und damit in ihren Auswirkungen begrenzt bleiben.
Schwierig abzuschätzen sind die Auswirkungen der Möglichkeit einer Schuldbefreiung bei Forderungen aus Arbeitgeberhaftung nach Artikel 52 AHVG. Dem Instrument der Arbeitgeberhaftung und des Durchgriffs auf die verantwortlichen natürlichen Personen nach Absatz 2 dieser Bestimmung kommt im Inkassosystem der AHV eine zentrale Rolle zu, weil es eine präventive Wirkung entfaltet. Die neu geschaffene Möglichkeit für dauernd zahlungsunfähige natürliche Personen, von diesen Forderungen in einem Konkursverfahren in der Form eines Sanierungsverfahrens befreit zu werden, könnte die Präventivwirkung dieser Bestimmung möglicherweise im Einzelfall schmälern, was sich wiederum zu Lasten der AHV auswirken könnte. Da das Sanierungsverfahren aber auf ausweglose Situationen zugeschnitten ist und nicht vor zehn Jahren erneut eröffnet werden kann, ist davon auszugehen, dass sich Arbeitgeber davon in ihrem täglichen Handeln nicht steuern lassen.
²33 Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 9 f.
²34 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.2; Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 28 ff.
²35 Vgl. Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.2.; zu den Effekten Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 9 ff.
²36 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.1; s. auch Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 9 f.
6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden
Die Auswirkungen des vereinfachten Nachlassverfahrens wurden in der vertieften RFA allgemein als gering eingeschätzt. ²37 Es bringe prozessuale Vereinfachungen mit sich, die zu einer Kostenreduktion auch bei den Behörden führen dürften. ²38
Durch das Sanierungskonkursverfahren für natürliche Personen werden den Konkurs- und ev. auch den Betreibungsämtern neue Aufgaben übertragen. Der Rückgriff auf bestehende Strukturen bei den Konkurs- und Betreibungsämtern hilft dabei, das Verfahren möglichst kostengünstig und effizient auszugestalten. ²39 Es ist aber zu erwarten, dass die Mehrheit der neuen Verfahren durch die Kantone finanziert werden müssen. In der vertieften RFA wird für ein vierjähriges Verfahren von ungedeckten Verfahrenskosten in der Höhe von schweizweit 7,2-48,8 Millionen Franken pro Jahr ausgegangen. 24⁰ Weiter wird von Kosten für Schuldenberatungen 5-25 Millionen Franken pro Jahr ausgegangen. 24¹ Sowohl die Verfahrenskosten als auch die Kosten für die Schuldenberatungen sinken bei einem dreijährigen Verfahren geringfügig, aber nicht proportional, da die Initialkosten jeweils den grössten Teil ausmachen. 24² Wie in der Vernehmlassung wird auch in der vertieften RFA betont, dass namentlich der Sanierungskonkurs ohne Schuldenberatungen nicht funktionieren könne. In Bezug auf die Umsetzung sind die Kantone frei, wobei auch eine Delegation von Aufgaben an die kommunale Ebene möglich ist. In diesem Sinne ist eine indirekte Auswirkung auf die Gemeinden denkbar.
Wie der Bund sind auch die Kantone und Gemeinden als Gläubiger von einer Schuldbefreiung betroffen. Es handelt sich beim Staat um den grössten Gläubiger; er ist direkt betroffen durch Steuerschulden und indirekt über die Deckung von Krankenkassenforderungen nach Artikel 64 a Absatz 4 KVG. ²43 Kantone und Gemeinden können aber auch von den positiven Effekten einer Schuldbefreiung profitieren. ²44 Gerade bei Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern, die sich aus der Sozialhilfe lösen können, sind hier namhafte Einsparungen zu erwarten, auch wenn nur wenige Fälle betroffen wären. ²45 Gemäss der vertieften RFA liegt der geschätzte Nutzen des Sanierungskonkursverfahrens insgesamt 4,5-6-fach über den geschätzten Kosten, wobei Haupttreiber dieser positiven Bilanz sinkende Sozialausgaben und erhöhte Steuereinnahmen seien. ²46 Nicht-quantifizierbare Auswirkungen, namentlich zu erwartende geringere Gesundheitskosten, verstärkten die positive Kosten-Nutzen-Bilanz zusätzlich.
²37 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 4.1.1.
²38 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 4.4.
²39 S. oben Ziff. 4.1.3.3.
24⁰ Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 4.4.2.
24¹ Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 4.5.
24² Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Anhang B.
²43 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 7.2.
²44 S. oben Ziff. 6.1.
²45 Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 9 ff.
²46 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), 7.2.
6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Die Auswirkungen des vereinfachten Nachlassverfahrens werden in der vertieften RFA allgemein als gering eingeschätzt. ²47 Verluste seien vor allem bei heute inaktiven Gläubigern zu erwarten, die neu überstimmt werden könnten. Die Kosteneinsparungen und zu erwarteten positiven Effekte überwiegen insgesamt. ²48
Von einer Restschuldbefreiung sind positive Effekte auf die Volkswirtschaft zu erwarten. ²49 So konnten in ausländischen Studien positive Effekte auf das Unternehmertum nachgewiesen werden. 25⁰ Auch wurde nachgewiesen, dass Personen nach einem teilweisen Schuldenerlass häufiger erwerbstätig sind und dabei mehr arbeiten und verdienen als vergleichbare Personen, denen kein Schuldenerlass gewährt wurde. 25¹
Diesen positiven Effekten stehen umgekehrt konkrete Verluste von Gläubigern im Einzelfall gegenüber, deren Forderung von einer Schuldbefreiung betroffen ist. Diese Verluste bestehen aber keinesfalls im vollen Forderungsumfang, betrifft das Sanierungsverfahren doch dauerhaft zahlungsunfähige Personen, welche ihre offenen Verpflichtungen definitionsgemäss nicht in absehbarer Zeit erfüllen können. Die Untersuchung von Ecoplan hat gezeigt, dass Forderungen, welche bereits einmal erfolglos geltend gemacht wurden, in der Regel bereits heute nicht - oder nur zu einem kleinen Teil - je wieder eingetrieben werden können. 25² Durch den Adressatenkreis der dauernd zahlungsunfähigen natürlichen Personen und die Sperrfrist für die Einleitung eines neuen Sanierungsverfahren sollten die negativen Auswirkungen auf die Gläubiger zumindest stark begrenzt werden. Für die Konkursgläubiger - namentlich für solche ohne Konkursprivileg (mit sog. Forderungen dritter Klasse) - wird in der vertieften RFA von BSS ein geringer Verlust angenommen. ²53 Wie hoch dieser letztlich ausfalle, hänge insbesondere von der Höhe der Verfahrensgebühren, ab. BSS geht für ein vierjähriges Verfahren von einem Verlust von 2-38 Millionen Franken pro Jahr gegenüber der heutigen Situation aus, was sich auf rund 0,01-0,19 Prozent aller ausstehenden Verlustscheine in der Schweiz belaufen würde. Bei einem dreijährigen Verfahren wären diese potenziellen Verluste als leicht höher einzuschätzen. ²54 Anzumerken ist, dass - wie unter Ziffer 6.1 dargelegt - auch der Staat als grösster Gläubiger betroffen ist, einerseits mit den privilegierten Krankenkassenforderungen, andererseits mit den Steuerforderungen dritter Klasse. ²55
Gesamtwirtschaftlich negative Effekte wie eine Verteuerung von Krediten oder eine Verschlechterung der Schuldnermoral konnten, wie in der rechtsvergleichenden Analyse im Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 dargelegt wurde, bei der Einführung vergleichbarer ausländischer Verfahren nicht festgestellt werden. So wurde in einer Studie aufgezeigt, dass Kredite in Ländern mit einfacher und schneller Möglichkeit zur Schuldbefreiung, wie sie die USA und England kennen, nicht ersichtlich teurer seien als in Ländern mit erschwerter oder gar keiner Möglichkeit eines Schuldenschnitts. ²56 Nicht zuletzt konnte, soweit ersichtlich, auch in keinem der zahlreichen Länder, welche ein Restschuldbefreiungsverfahren kennen, eine Verschlechterung der Schuldnermoral festgestellt werden. ²57 In der vertieften RFA wird davon ausgegangen, dass mittelfristig die neue Möglichkeit zur Restschuldbefreiung bei der Kreditvergabe eingepreist und entsprechend vorsichtiger Kredite vergeben bzw. deren Zinsen erhöht werden müssten. ²58 Dies betonten demnach die befragten Gläubiger- und teilweise auch die Schuldnervertreterinnen.
²47 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 4.1.1.
²48 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 7.1.
²49 Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 17 ff.
25⁰ S. die Zusammenfassung und die Nachweise in Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 5.2.
25¹ Darstellung mit Verweis auf eine dänische Studie in Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.2.
25² Ecoplan Bericht «Umgang mit Verlustscheinen», 28 ff.
²53 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 7.2.
²54 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Anhang B, Tabelle 13.
²55 S. zu den Auswirkungen auf die verschiedenen Staatsebenen oben Ziff. 6.1 und 6.2.
²56
Gerhardt
, CEPS Working Document No. 318/July 2009, 13.
²57 S. die Zusammenfassung und die Nachweise in
Bericht
des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» vom 9. März 2018 (Fn. 1), Ziff. 5.2;
Meier i. / Hamburger
, SJZ 2014, 100 m.w.N.
²58 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 4.3.2.
6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft
Für die Schuldnerinnen und Schuldner würde das Bestehen einer zweiten Chance eine grosse Erleichterung bedeuten, was positive Auswirkungen sowohl auf ihre Familien als auch auf ihre Gesundheit hätte. ²59 Gemäss vertiefter RFA ist von grossen, jedoch nicht quantifizierbaren positiven gesundheitlichen Effekten auszugehen. 26⁰ Eine Verschuldung belaste den ganzen Haushalt, inbesondere Kinder, die unter anderem auf Freizeitangebote und gesundes Essen verzichten müssten. Ferner sei von Fachpersonen berichtet worden, dass Kinder oder andere Angehörige verschuldeter Personen schneller in eine Verschuldung geraten, weil sie sich daran gewöhnt hätten. Die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung könnte damit auch präventiv wirken.
²59 Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.1.; Ecoplan Bericht «Effekte eines Restschuldbefreiungsverfahrens auf die Schuldner», 9 ff.
26⁰ Vertiefte RFA BSS (Fn. 39), Ziff. 5.1.
6.5 Andere Auswirkungen
Es sind keine anderen Auswirkungen zu erwarten
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
Die beantragte Revision stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 BV 26¹ , wonach die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts Sache des Bundes ist. Diese Zuständigkeit umfasst das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht. Es gehört zum Sachgegenstand der Regelungszuständigkeit des Bundes nach Artikel 122 Absatz 1 BV und dabei insbesondere der Zuständigkeit für das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, die sachliche und zeitliche Reichweite der Zwangsvollstreckung zu bestimmen und damit insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht die Zwangsvollstreckung zu begrenzen. Diese Regelungskompetenz des Bundes im Bereich des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts erfasst auch öffentlich-rechtliche Forderungen des Bundes und der Kantone, eingeschlossen öffentlich-rechtliche Forderungen der Gemeinden, gegen den Schuldner, wie das Bundesgericht seit jeher in konstanter Rechtsprechung festgehalten hat. 26² Das Zwangsvollstreckungsrecht regelt letztlich die Haftung des Schuldners mit seinem Vermögen. ²63
Zur Bestimmung der Reichweite der Bundeskompetenz im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen ist jeweils eine wertende Abstimmung der Kompetenz des Bundes nach Artikel 122 Absatz 1 BV und der Zuständigkeiten der Kantone im öffentlichen Recht angezeigt. ²64 Beim vorliegenden Regelungsgegenstand erscheint der Einbezug auch öffentlich-rechtlicher Forderungen sowohl des Bundes als auch der Kantone in die Schuldbefreiung durch den Zweck des Sanierungskonkurses und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger - insbesondere der privat- und öffentlich-rechtlichen Gläubiger ²65 - geboten.
Auch die Bereitstellung eines Beratungsangebots zur Begleitung der neuen Verfahren kann - wie die Schaffung von Familienberatungsstellen (Art. 171 ZGB) ²66 - dem sog. formellen Privatrecht zugeordnet werden. Die Schuldenberatung ist eine flankierende Massnahme zum Funktionieren der neuen Verfahren. Als freiwillig in Anspruch genommene Hilfstätigkeit ist sie dem privatautonomen Charakter der Schuldenbereinigung untergeordnet, sie ist keine selbstständige Massnahme staatlicher Daseinsvorsorge. ²67 Wenn der Bund im Rahmen seiner Privatrechtskompetenzen ein flankierendes Beratungsangebot für die Einleitung von Verfahren, welche der finanziellen Sanierung von natürlichen Personen dienen, vorschreibt, dient dies dazu, dass diese Verfahren ihren Zweck erreichen können. Erfüllt wird damit auch das in Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe d BV vorgesehene Sozialziel, dass Erwerbsfähige ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können.
26¹ SR 101
26² Vgl. nur BGE 23 I 441; BGE 143 III 395 E. 5.2.
²63 BGE 143 III 395 E. 5.2
²64
Koller
, BK, Art. 122 N 69-72;
Biaggini
, BV Kommentar, Art. 122 N 3.
²65 BGE 120 III 20 ff., 23, E. 2, m.w.H.
²66 S. dazu Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht) vom 11. Juli 1979, BBl 1979 II 1191 , 1376 f.
²67 Vgl. Botschaft (Fn. 266), 1376f.
7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Der Entwurf berührt die internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht direkt. Die Erleichterung der Schuldenbereinigung bildete jedoch schon wiederholt Gegenstand von Empfehlungen der OECD an die Schweiz, ²68 zuletzt im Wirtschaftspolitischen Länderbericht Schweiz 2017: «Améliorer le régime de l’insolvabilité en introduisant des mécanismes d’alerte précoce et en raccourcissant à trois ans la période durant laquelle les personnes physiques sont tenues de rembourser leurs dettes passées à l’aide de leurs revenus futurs.» ²69
Der Vorschlag folgt schliesslich Empfehlungen der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) . 27⁰ So wird empfohlen, möglichst wenige Forderungen von der Schuldbefreiung auszunehmen und nur wenige, möglichst klare Bedingungen für eine Schuldbefreiung aufzustellen, um Schuldnerinnen und Schuldnern einen Neustart zu ermöglichen. Die UNCITRAL zeigt sich auch skeptisch gegenüber einer Unterscheidung von geschäftlichen und privaten (Konsumenten-)Schulden natürlicher Personen, da sich häufig keine scharfe Grenze ziehen lasse. 27¹
²68 S. aus der Vergangenheit: Études économiques de l’OCDE: Suisse 2006, S. 141 und 145, abrufbar unter:
http://dx.doi.org/10.1787/eco_surveys-che-2006-fr
.
²69 Études économiques de l’OCDE: Suisse 2017, S. 46, abrufbar unter:
http://dx.doi.org/10.1787/eco_surveys-che-2017-fr
.
27⁰ UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law 2004, New York 2005, S. 281 ff., abrufbar unter:
www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/insolvency/2004Guide.html
.
27¹ UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law 2004 (Fn. 270), S. 284.
7.3 Erlassform
Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.
7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse
Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen geschaffen, noch neue Verpflichtungskredite beschlossen.
7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz
Die Aufgabenteilung oder die Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone ist durch die Vorlage nicht betroffen.
7.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen
Dem Bundesrat werden keine neuen Rechtsetzungsbefugnisse delegiert.
7.7 Datenschutz
Die Vorlage entspricht den datenschutzrechtlichen Vorgaben. Sie regelt, welche Informationen durch amtliche Publikationen bekanntzugeben sind. Die Akten- und Registerführung der Betreibungs- und Konkursämter wird in den Ausführungsverordnungen zum SchKG geregelt. Das Einsichtsrecht Dritter richtet sich nach Artikel 8 a SchKG.
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