Botschaft zur Änderung des Zivildienstgesetzes
Botschaft zur Änderung des Zivildienstgesetzes
vom 19. Februar 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Zivildienstgesetzes.
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben:
| 2023 | M | 22.3055 | Armeebestand mittels Massnahmen beim Zivildienst stärken (N 29.9.22, Fraktion der Schweizerischen Volkspartei; S 6.3.23) |
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
| 19. Februar 2025 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Mit der Änderung des Zivildienstgesetzes soll der verfassungsrechtlichen Vorgabe Nachachtung verschafft werden, dass keine Wahlfreiheit zwischen Militärdienst und zivilem Ersatzdienst (Zivildienst) besteht. Die Vorlage beinhaltet sechs Massnahmen, die dazu beitragen sollen, dass der Zivildienst wieder seinen ursprünglichen Zweck einer verfassungsbasierten Sonderlösung für Personen in einer Ausnahmesituation erfüllt.
Ausgangslage
Der zusammen mit der Botschaft des Bundesrates vom 20. Februar 2019 zur Änderung des Zivildienstgesetzes vorgelegte Entwurf, der mit acht Massnahmen das gleiche Ziel wie der vorliegende Gesetzesentwurf verfolgte, wurde in den Schlussabstimmungen vom 19. Juni 2020 vom Ständerat angenommen und vom Nationalrat abgelehnt. National- und Ständerat nahmen am 29. September 2022 bzw. am 6. März 2023 die Motion SVP-Fraktion vom 2. März 2022 (22.3055 «Armeebestand mittels Massnahmen beim Zivildienst stärken») an, die sechs der bereits 2019 formulierten acht Massnahmen unverändert wieder aufnimmt. Die Räte folgten damit dem Antrag des Bundesrates vom 27. April 2022 auf Annahme der Motion.
Die Zahl der Zulassungen zum zivilen Ersatzdienst ist unverändert hoch. Ebenfalls hoch bleibt die Zahl der Armeeangehörigen, die ein Gesuch um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst stellen, nachdem sie bereits einen wesentlichen Teil ihrer Militärdienstpflicht in der Armee geleistet haben. Auch unverändert hoch ist die Zahl der Kader und Fachspezialisten, die aus der Armee ausscheiden, um zivilen Ersatzdienst zu leisten. Diese Realitäten wurden vom Bundesrat bereits in früheren Jahren als problematisch erachtet.
Der Bericht des Bundesrates gemäss Artikel 149b des Militärgesetzes vom 2. Juni 2023 zur Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee legt dar, dass die Alimentierung der Bestände insbesondere bei der Miliz für die Armee weiterhin eine Herausforderung darstellt. Während der Umsetzung des Reorganisationsprojekts «Weiterentwicklung der Armee» (WEA) ergriff die Armee Massnahmen, um die Alimentierung zu optimieren. Diese umfassten unter anderem die verbesserte Vereinbarkeit von Militärdienst und Privatleben, die Flexibilisierung von Rekrutierung und Beginn des Militärdienstes oder eine verbesserte Kommunikation und Information. Abgänge aus der Armee - insbesondere in den Zivildienst -, gesellschaftliche Veränderungen sowie Schwierigkeiten, ausreichend qualifizierte Spezialisten zu rekrutieren, führen jedoch dazu, dass die Alimentierungsproblematik auch nach der WEA bestehen bleibt.
Gleich wie bei der Vorlage 2019 besteht somit Handlungsbedarf: Änderungen im Zivildienstgesetz sollen zur verstärkten Wahrung und Durchsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass keine freie Wahl zwischen Militärdienst und zivilem Ersatzdienst besteht, führen. Dieser Zweck unterscheidet sich von jenen anderer mittel- oder langfristiger Rechtsetzungsvorhaben im Bereich des Dienstpflichtsystems und wird somit mit einer eigenen Vorlage verfolgt.
Inhalt der Vorlage
Mit der Vorlage werden alle sechs in der Motion 22.3055 geforderten Massnahmen umgesetzt:
−
Massnahme 1: Die Mindestanzahl von 150 Diensttagen im Zivildienst muss in jedem Fall gewährleistet sein;
−
Massnahme 2: Faktor 1,5 gilt auch für Unteroffiziere und Offiziere bei der Diensttageberechnung für den Zivildienst;
−
Massnahme 3: Keine Einsätze im Zivildienst, die ein begonnenes oder abgeschlossenes Human-, Zahn- oder Veterinärstudium erfordern;
−
Massnahme 4: Keine Zulassung von Angehörigen der Armee mit 0 Restdiensttagen;
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Massnahme 5: Jährliche Einsatzpflicht ab Zulassung;
−
Massnahme 6: Pflicht, den sogenannten «langen Einsatz» spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung abzuschliessen, wenn das Gesuch während der Rekrutenschule gestellt wird.
Auch mit diesen Massnahmen bleibt der Zugang zum zivilen Ersatzdienst für Personen, die ihre Militärdienstpflicht aus Gewissensgründen nicht erbringen können, im Grundsatz unangetastet. Mit der Gesetzesänderung wird Zulassungsgesuchen aus zweckfremden Motiven entgegengewirkt. Die seit 2009 geltende Tatbeweislösung ohne Beurteilung des Gewissenskonflikts wird ebenfalls nicht in Frage gestellt, vielmehr soll sie ihre Funktion besser erfüllen. Dazu werden die Anforderungen an die Erbringung des Tatbeweises für Personen erhöht, die bereits einen beträchtlichen Teil ihres Militärdienstes geleistet haben. Weiter wird der Grundsatz eingeführt, dass ab bestandener Rekrutenschule alle Gesuchsteller das gleiche Minimum an Zivildiensttagen leisten müssen, wobei die Gesamtdauer des Militär- und Zivildienstes verhältnismässig bleiben muss. Damit wird dem Umstand entgegengewirkt, dass die Vorgabe eines länger dauernden Zivildienstes (Art. 1 Zivildienstgesetz) mit steigender Anzahl geleisteter Ausbildungstage in der Armee zunehmend relativiert wird. Weiteren problematischen Realitäten beim Zivildienst wird ebenfalls mit geeigneten Massnahmen begegnet.
Im Ergebnis soll die Zahl der Zulassungen zum Zivildienst sinken, insbesondere von Armeeangehörigen nach bestandener Rekrutenschule und von Kadern sowie Fachspezialisten der Armee. Die Änderung des Zivildienstgesetzes leistet so einen Beitrag zu einer nachhaltigen Alimentierung der Armee in quantitativer wie qualitativer Hinsicht und damit zur Sicherstellung ihrer sicherheitspolitisch geforderten Leistungen.
Botschaft
1 Ausgangslage
1.1 Handlungsbedarf und Ziele
1.1.1 Unverändertes Bestehen problematischer Realitäten beim zivilen Ersatzdienst
Drei bereits in der Botschaft des Bundesrates vom 20. Februar 2019 ¹ zur Änderung des Zivildienstgesetzes (Botschaft 2019) als problematisch erkannte Realitäten beim zivilen Ersatzdienst bestehen unverändert. Diese sind:
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die hohe Zahl der Militärdiensttauglichen, die aus der Militärdienstpflicht entlassen werden, um zivilen Ersatzdienst zu leisten (siehe nachfolgend Ziff. 1.1.1);
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die hohe Zahl der Armeeangehörigen, die ein Gesuch um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst stellen, nachdem sie einen wesentlichen Teil ihrer Militärdienstpflicht in der Armee bereits geleistet haben (siehe nachfolgend Ziff. 1.1.2);
-
die hohe Zahl der Armeeangehörigen, die ein Gesuch um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst stellen, nachdem sie während der Leistung von Militärdienst zeit- und kostenintensive Kader- und/oder Fachausbildungen durchlaufen haben und dieses Führungs- und Fachwissen im Zivildienst nicht praktisch anwenden können (siehe nachfolgend Ziff. 1.1.3).
Diese Realitäten haben - unverändert gegenüber der in der Botschaft 2019 präsentierten Ausgangslage ² - insbesondere Auswirkungen auf die nachhaltige Alimentierung der Armee mit genügend Militärdienstpflichtigen mit den benötigten Kompetenzen und Erfahrungen und damit auf die Fähigkeit der Armee zur Auftragserfüllung.
Unverändert hohe Zahl der Militärdiensttauglichen, die zum zivilen Ersatzdienst zugelassen werden
Die Zahl der jährlichen Zulassungen zum zivilen Ersatzdienst bleibt hoch, ohne wesentliche Veränderung gegenüber der in der Botschaft 2019 präsentierten Ausgangslage. ³
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Der Rückgang der Zulassungen zum Zivildienst im Jahr 2020 ist mit der zeitweisen Aussetzung der Rekrutierung für die Armee während der Covid-19-Pandemie zu erklären. Die Zunahme der Zulassungen von rund 10 Prozent im Jahr 2022 ⁴ gegenüber der Ausgangslage der Botschaft 2019 ⁵ ist vor dem Hintergrund der in der gleichen Grössenordnung gestiegenen Anzahl Stellungspflichtiger zu relativieren, die anlässlich der Rekrutierung für militärdiensttauglich befunden wurden. ⁶
In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 erfolgten 3716 Neuzulassungen. Erfahrungsgemäss ist für 2024 mit einer Gesamtzahl von rund 7000 Zulassungen zu rechnen.
Die jährlichen Zulassungszahlen bleiben damit deutlich höher als jene Zahl, die der Bundesrat in seiner Botschaft vom 27. Februar 2008 ⁷ zur Änderung der Bundesgesetze über den zivilen Ersatzdienst und über die Wehrpflichtersatzabgabe angenommen hatte. Er ging damals von maximal 2500 Zulassungen jährlich aus.
Gesamthaft waren per 30. Juni 2024 57 174 Personen zivildienstpflichtig (gemäss Jahresbericht des Bundesamtes für Zivildienst ⁸ per Ende 2019: 52 983 Zivildienstpflichtige). Davon hatten 27 237 Personen die Zahl verfügter ordentlicher Diensttage noch nicht geleistet. Von den total 57 174 Zivildienstpflichtigen waren 76 Frauen.
Unverändert hohe Zahl der Armeeangehörigen, die ein Zulassungsgesuch zum zivilen Ersatzdienst stellen, nachdem sie bereits einen wesentlichen Teil ihrer Militärdienstpflicht in der Armee geleistet haben
Die Zahl der Armeeangehörigen, die ein Zivildienstgesuch stellen und bestätigen ⁹ , nachdem sie einen wesentlichen Teil ihrer Militärdienstpflicht bereits geleistet haben, bleibt - wie schon in der Ausgangslage der Botschaft 2019 dargelegt 1⁰ - hoch. Im Jahr 2023 erfolgten 32,6 Prozent (2198 Personen) der Zulassungen zum Zivildienst nach bestandener Rekrutenschule (RS) und nach der Einteilung in Formationen der Armee (2022: 31,7 %, 2102 Personen; 2021: 31,8 %, 1953 Personen; 2020: 30,4 %, 1596 Personen; 2019: 33,1 %, 2018 Personen).
Berücksichtigt man bei den 2198 Armeeangehörigen, die 2023 ihr Zulassungsgesuch nach bestandener RS einreichten, nur die Grade Soldat und Gefreiter sowie die aktuellen WK-Modelle (124 Diensttage bzw. 145 Diensttage in der RS mit 7 bzw. 6 WK à 19 Tagen; exklusive Durchdiener), ergibt sich folgendes Bild: Rund 37 Prozent der Armeeangehörigen wurden vor Abschluss des ersten WK zum Zivildienst zugelassen, rund 28 Prozent nach dem ersten WK, rund 19 Prozent nach dem zweiten WK, rund 9 Prozent nach dem dritten, rund 5 Prozent nach dem vierten, rund 2 Prozent nach fünf und mehr WK. Die Mehrheit der Armeeangehörigen wurde also vor dem ersten respektive dem zweiten WK zugelassen.
Geht man anstelle der absolvierten WK von der Anzahl geleisteter Ausbildungstage der Armee aus (unter Berücksichtigung aller militärischen Grade und Dienstmodelle), dann zeigt sich folgendes Bild: Zum Zeitpunkt der Zulassung hatten im Jahr 2023 rund 2 Prozent der Armeeangehörigen weniger als 124 Ausbildungstage der Armee geleistet, rund 40 Prozent mehr als 124 Diensttage, rund 18 Prozent mehr als 145 Diensttage, rund 14 Prozent mehr als 164 Diensttage, rund 7 Prozent mehr als 183 Diensttage, rund 4 Prozent mehr als 202 Diensttage, rund 1 Prozent mehr als 221 Diensttage und rund 14 Prozent mehr als 240 Diensttage.
Bei 1268 in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 verfügten Zulassungen zum Zivildienst wurde das Zulassungsgesuch nach bestandener RS gestellt (davon von 6 Frauen). Von den zugelassenen Personen hatten 31 ihre Ausbildungsdienstpflicht in der Armee vollständig erfüllt.
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Unverändert hohe Zahl der Armeeangehörigen mit militärischer Kader- und/oder Fachausbildung, die ein Gesuch um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst stellen
Es besteht eine unverändert hohe Zahl an Armeeangehörigen, die ein Gesuch um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst stellen, nachdem sie während dem Militärdienst zeit- und kostenintensive Kader- und/oder Fachausbildungen durchlaufen haben, und die ihr militärisches Führungs- und Fachwissen in den Zivildiensteinsätzen nicht praktisch anwenden können.
Im Vergleich zur Ausgangslage der Botschaft 2019 1¹ wechselten 2022 zwar weniger Offiziere, höhere Unteroffiziere sowie Unteroffiziere aus der Armee in den Zivildienst, doch bleibt die jährliche Zahl wechselnder Kader in absoluten Ziffern hoch (2023: 45 Offiziere, 31 höhere Unteroffiziere sowie 228 Unteroffiziere; 2022: 58 Offiziere, 37 höhere Unteroffiziere sowie 240 Unteroffiziere; Total im Zeitraum 2019 bis und mit 2022: 212 Offiziere, 172 höhere Unteroffizier sowie 1014 Unteroffiziere).
Unverändert zahlreich sind Abgänge zum zivilen Ersatzdienst von Armeeangehörigen, die eine funktionsspezifische Fachausbildung in der Armee durchlaufen haben. 2023 schieden beispielsweise 10 Einheitsfeldweibel (10 Hauptfeldweibel, 0 Feldweibel), 17 Einheitsfouriere, 23 Truppenköche sowie 67 Motorfahrer aus der Armee aus, um Zivildienst zu leisten. Weiterhin verlassen auch Ärzte und Militärarzt-Anwärter die Armee, um Zivildienst zu leisten; 2023 erfolgten beispielsweise 2 Übertritte.
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¹ BBl 2019 2459
² BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
³ BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
⁴ Erste Jahreszahlen 2022 Zivildienst: Mehr Zulassungen, weniger Einsatzbetriebe und Einsatzplätze. Kann abgerufen werden unter: www.zivi.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 16.2.2023 (Stand: 27.12.2024).
⁵ BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
⁶ Armeeauszählung 2022: Effektivbestand wird noch erreicht. Kann abgerufen werden unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 13.10.2022 (Stand: 21.10.2024).
⁷ BBl 2008 2707 S. 2754
⁸ Jahresbericht Bundesamt für Zivildienst 2019. Kann abgerufen werden unter: www.zivi.admin.ch > Das Bundesamt für Zivildienst > Zahlen und Fakten > Bisherige Jahreszahlen > Jahreszahlen 2019 (Stand: 27.12.2024).
⁹ Erste Jahreszahlen 2022 Zivildienst: Mehr Zulassungen, weniger Einsatzbetriebe und Einsatzplätze. Kann abgerufen werden unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 16.2.2023 (Stand: 27.12.2024).
1⁰ BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
1¹ BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
1.1.2 Beurteilung der Auswirkungen der drei vorgenannten Realitäten aus Sicht der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum zivilen Ersatzdienst
In seinen Erläuterungen zur Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 zum Bundesbeschluss über die Einführung eines Zivildienstes hielt der Bundesrat fest, dass an der allgemeinen Wehrpflicht festgehalten wird und der Militärdienst die Regel bleibt. Der zivile Ersatzdienst wird - an klar definierte Voraussetzungen gebunden - als Ausnahme zugelassen. Diese Konzeption schliesst eine freie Wahl zwischen Militär- und Zivildienst aus. ¹2
Die Botschaft vom 22. Juni 1994 ¹3 zum Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst (Botschaft 1994) präzisiert die Eckwerte des Zivildienstes. Sie hält fest, dass Zivildienst nur leisten können soll, wer den Militärdienst nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann; persönliche Neigungen oder Bequemlichkeit allein können nicht ausreichen, um vom Militärdienst befreit zu werden. Zur Dauer der ordentlichen Zivildienstleistungen hält die Botschaft fest, dass diesem Eckwert ganz unterschiedliche Bedeutungen und Funktionen zugeordnet werden; die Prävention missbräuchlicher Befreiung vom Militärdienst ist eine der diskutierten Funktionen und ordnet einer langen Dauer des zivilen Ersatzdienstes unter anderem die Rolle eines Tatbeweiselementes zu. ¹4 Diese Diskussion wiederholte sich gemäss Botschaft vom 27. Februar 2008 ¹5 zur Änderung der Bundesgesetze über den zivilen Ersatzdienst und über die Wehrpflichtersatzabgabe bei der Einführung der Tatbeweislösung per 1. April 2009, die ein Zulassungsverfahren ohne Anhörung durch eine Zulassungskommission mit sich brachte. Mit dieser Änderung wurde zwar auf die Erhebung und Prüfung der Gründe für ein Gesuch um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst verzichtet, jedoch wurde mit der Einforderung der Deklaration des Vorliegens eines Gewissenskonflikts der Grundsatz, dass keine freie Wahl zwischen Militärdienst und zivilem Ersatzdienst besteht, nochmals hervorgehoben. Dass die Verfassung eine freie Wahl zwischen Militär- und Ersatzdienst nicht zulässt und Bundesrat und Parlament eine solche unbestrittenermassen auch nicht wollten, haben auch Pierre Tschannen und Beatrice Hermann in ihrem Gutachten vom 28. März 2006 festgehalten. ¹6
Der Bundesrat stellt die Tatbeweislösung nicht in Frage. Er hat den Ansatz der Wiedereinführung einer Zulassungskommission zur Prüfung der Glaubhaftigkeit eines Gewissenskonflikts jüngst in seinem Bericht vom 4. März 2022 ¹7 zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz. Teil 2: Möglichkeiten zur langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems verworfen. Weiter erachtete er in seiner Antwort vom 18. Mai 2022 auf die Interpellation Hurter Thomas (22.3171 «Auswirkungen einer Wiedereinführung der Gewissensprüfung nach der Rekrutenschule») die Wirkung der Wiedereinführung der «Gewissensprüfung» auf den Armeebestand als fraglich und die politische Akzeptanz einer solchen Massnahme als nicht gegeben. Dies auch im Wissen darum, dass kein Zulassungsverfahren zum zivilen Ersatzdienst vollumfänglich sicherstellen kann, dass nur Personen mit einem Gewissenskonflikt zugelassen werden. Auch die «Gewissensprüfung» vermochte dies nicht, so wenig wie sie das Gegenteil verhindern konnte - die Abweisung eines Gesuchstellers trotz Gewissenskonflikt. Schliesslich wurde im Rahmen der «Gewissensprüfung» nicht das Gewissen selbst geprüft - dieses ist einer externen Beurteilung gar nicht zugänglich -, sondern lediglich die glaubhafte Darlegung der geltend gemachten Gewissensgründe, was bereits im zweiten Bericht des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) zu den Auswirkungen der Tatbeweislösung beim Zivildienst, vom Bundesrat am 27. Juni 2012 gutgeheissen ¹8 , dargelegt wurde. Es ist deshalb möglich, dass heute bei einem Teil der Gesuchsteller bei der Deklaration des Gewissenskonflikts gar keine Gewissens gründe im Spiel sind, wie es auch möglich ist, dass jemand mit Gewissenskonflikt die frühere «Gewissensprüfung» nicht bestanden hätte. Die Eidgenössischen Räte haben im Wissen darum der Tatbeweislösung zugestimmt.
Andererseits stellt der Bundesrat - ausgehend von der Ausgangslage der Botschaft 2019 ¹9 - fest, dass die Zahl der Zivildienstpflichtigen weiter steigt und heute mehr als der Hälfte des Sollbestandes der Armee entspricht. Die Zahl der Zulassungen von Militärdiensttauglichen zum zivilen Ersatzdienst ist konstant hoch, sie entspricht Jahr für Jahr in etwa dem durchschnittlichen Bestand einer Brigade des Heeres der Schweizer Armee.
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Der Bundesrat erachtet es als problematisch, dass der zivile Ersatzdienst in der Realität nicht mehr eine Ausnahme von der Regel der Militärdienstpflicht ist, sondern ein Massenphänomen mit entsprechendem Vollzugsaufwand und - wegen der längeren Dauer des zivilen Ersatzdienstes - entsprechenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen.
Der Bundesrat stellt im Weiteren fest, dass weiterhin rund ein Drittel der Zulassungen zum zivilen Ersatzdienst Personen betreffen, die einen wesentlichen Teil ihrer Militärdienstpflicht in der Armee bereits geleistet haben. Auch bei ihnen wird zur Berechnung der Dauer des zivilen Ersatzdienstes auf den vom Zulassungszeitpunkt unabhängigen einheitlichen Faktor 1,5 für nicht geleistete Ausbildungsdienste nach der Militärgesetzgebung abgestellt. Dadurch wird hier der Grundsatz eines länger dauernden zivilen Ersatzdienstes (Art. 1 Zivildienstgesetz vom 6. Oktober 1995 2⁰ [ZDG]) zwar eingehalten, er relativiert sich aber mit der Zunahme der bereits geleisteten Ausbildungstage der Armee faktisch immer mehr. Die Gesamtdauer der berechneten Dienstpflicht für Personen, die bereits Militärdienst geleistet haben (Dauer Militärdienstpflicht plus Dauer Zivildienstpflicht), fällt für diese Personen umso weniger ins Gewicht, je mehr Ausbildungstage der Armee sie zum Zeitpunkt der Zulassung bereits geleistet haben. Wer - was heute vorkommt - alle 245 Ausbildungstage in der Armee geleistet hat, dann zum zivilen Ersatzdienst wechselt und sich durch die damit einhergehende Entlassung aus der Militärdienstdienst den ansonsten bis zur ordentlichen Entlassung weiterbestehenden Pflichten zur jährlichen Schiesspraxis und zur allfälligen Leistung von Aktivdienst entzieht, leistet total 245 Diensttage (245 Ausbildungstage der Armee plus 0 Zivildiensttage [1,5-mal 0]). Mit Blick auf die Opportunitätskosten des zivilen Ersatzdienstes, die von dessen Dauer beeinflusst werden, könnte dieser Relativierungseffekt zwar positiv gewertet werden, was bereits in der Botschaft 1994 thematisiert wurde. 2¹ Der Bundesrat gewichtet hier und heute die Wehrgerechtigkeit jedoch höher als die Interessen der Volkswirtschaft.
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Der Bundesrat beurteilt es als problematisch, dass der Faktor 1,5 für die Berechnung der zu leistenden Zivildiensttage unabhängig vom Zulassungszeitpunkt zur Anwendung kommt und so die Vorgabe der längeren Dauer des zivilen Ersatzdienstes relativiert wird. Dies, weil damit die Anforderungen an die Erbringung des Tatbeweises für diejenigen, die nach Leistung von Militärdienst zum zivilen Ersatzdienst zugelassen werden, deutlich geringer sind als für vor der RS Zugelassene.
Schliesslich stellt der Bundesrat fest, dass Personen, die nach bestandener RS in den zivilen Ersatzdienst abgehen, die in der Armee absolvierte militärische Fach- und/oder Führungsausbildung in ihren Zivildiensteinsätzen nicht praktisch anwenden können. Dies bedeutet, dass aus dem Aufwand in Form getätigter Ausbildungskosten keine entsprechende Wirkung für die Gesellschaft mehr erzielt wird. Ganz im Gegenteil, die Zivildienstleistenden müssen aufgrund des Ausbildungsobligatoriums (Art. 36 ZDG) für ihre Zivildiensteinsätze noch einmal ausgebildet werden, was erneut Kosten zur Folge hat. Weiter leisten sie während ihrer Ausbildungskurse zunächst Diensttage ohne unmittelbare Wirkung für die Gesellschaft. Zudem leisten alle Personen, die gemäss Zulassungsverfügung zur Leistung von weniger als 54 Zivildiensttagen verpflichtet sind und für die der Besuch eines vorbereitenden Ausbildungskurses unverhältnismässig wäre, Zivildiensteinsätze mit verminderter Wirkung für die Gesellschaft.
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Der Bundesrat beurteilt es als problematisch, dass zulasten der Steuerzahlenden und der Volkswirtschaft getätigte Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Dienstpflichtigen zu keiner entsprechenden gesellschaftlichen Wirkung führen und dass die Wirkung der Zivildiensteinsätze von Zugelassenen, die keine vorbereitenden Ausbildungskurse besuchen müssen, vermindert ist.
¹2 Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 , S. 61. Kann abgerufen werden unter: www.bk.admin.ch > Dokumentation > Sammlung der Abstimmungsbüchlein seit 1978 (Stand: 21.10.2024)
¹3 BBl 1994 III 1609 , hier 1636
¹4 BBl 1994 III 1609 , hier 1639-1641
¹5 BBl 2008 2707
¹6 Tschannen, P. & Hermann, B. [2006]. Verfassungsmässigkeit eines Tatbeweises als Zulassungskriterium zum Zivildienst. VPB/JAAC/GAAC/PAAF 2007 [4], S. 122-149, 146.
¹7 BBl 2022 665 S. 47 und 66
¹8 Zweiter Bericht des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements EVD zu den Auswirkungen der Tatbeweislösung beim Zivildienst, vom Bundesrat am 27. Juni 2012 gutgeheissen, S. 9. Kann abgerufen werden unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 27.6.2012 (Stand: 21.10.2024)
¹9 BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
2⁰ SR 824.0
2¹ BBl 1994 III 1609 , hier: 1640
1.1.3 Die Alimentierung der Armee bleibt auch nach der abgeschlossenen Umsetzung der «Weiterentwicklung der Armee» eine Herausforderung
Dass die vorgenannten Realitäten (vgl. Ziff. 1.1.1) beim zivilen Ersatzdienst seit der Botschaft 2019 immer noch bestehen, bleibt nicht nur aus Sicht der erwähnten verfassungsrechtlichen Vorgaben problematisch. Nach wie vor kann die Armee auch nicht nachhaltig alimentiert werden; allgemein mit der erforderlichen Zahl Militärdienstpflichtiger und besonders mit Armeeangehörigen, die für die Auftragserfüllung die nötigen Kompetenzen und Erfahrungen mitbringen.
Der Zivildienst ist zwar nicht der einzige Faktor mit Auswirkungen auf die Alimentierung der Armee und damit auf deren Fähigkeit, die geforderten sicherheitspolitischen Leistungen zu erbringen. Wie in der Ausgangslage der Botschaft 2019 2² tragen die aktuellen Rahmenbedingungen des zivilen Ersatzdienstes jedoch wesentlich dazu bei, dass die Zahl der jährlichen Abgänge ausgebildeter Armeeangehöriger aus Formationen der Armee deutlich höher ist als der mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA) vorgesehene Planwert von 1,5 Prozent.
Der Wechsel von Armeeangehörigen zum zivilen Ersatzdienst nach bestandener RS sowie von Kadern und Fachspezialisten beeinträchtigt den geordneten, effektiven und effizienten Ausbildungsbetrieb und damit die Fähigkeit der Armee zur Auftragserfüllung. Die finanziellen Auswirkungen solcher Abgänge sind erheblich, insbesondere unter Berücksichtigung der von der Armee getätigten und von den Steuerzahlenden finanzierten Investitionen in zeit- und kostenintensive Führungs- und Fachausbildungen. Laut der Antwort des Bundesrates vom 18. Mai 2022 auf die Interpellation Hurter Thomas (22.3171 «Auswirkungen einer Wiedereinführung der Gewissensprüfung nach der Rekrutenschule») beliefen sich allein für das Jahr 2021 die der Armee entstandenen geschätzten Kosten für die 1978 Armeeangehörigen, die nach der RS von der Armee in den Zivildienst abgingen, auf 69 Millionen Schweizer Franken.
Der Abgang von Ärzten und Militärarzt-Anwärtern der Armee zum zivilen Ersatzdienst verschärft das Problem der ungenügenden Verfügbarkeit von Medizinern in der Armee, insbesondere in den Truppen und Rekrutierungszentren. Gemäss Angaben des Oberfeldarztes der Armee von Ende Juni 2023 betrug der Alimentierungsgrad der Truppenärzte 42 %, jener der Bataillonsärzte 66 % und jener der Rekrutierungsärzte gar lediglich 20 %.
Der Bericht des Bundesrates vom 2. Juni 2023 ²3 gemäss Artikel 149 b des Militärgesetzes zur Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee legt dar, dass die Alimentierung der Bestände insbesondere bei der Miliz für die Armee weiterhin eine Herausforderung darstellt. Während der Umsetzung der WEA ergriff die Armee Massnahmen, um die Alimentierung zu optimieren. Diese umfassten unter anderem die verbesserte Vereinbarkeit von Militärdienst und Privatleben, die Flexibilisierung von Rekrutierung und Beginn des Militärdienstes oder eine verbesserte Kommunikation und Information. Abgänge aus der Armee - insbesondere in den zivilen Ersatzdienst -, gesellschaftliche Veränderungen sowie Schwierigkeiten, ausreichend qualifizierte Spezialisten zu rekrutieren, führen dazu, dass die Alimentierungsproblematik auch nach der WEA weiter bestehen bleibt.
2² BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
²3 BBl 2023 1453
1.1.4 Abgrenzung zu laufenden Rechtsetzungsvorhaben
Gleich wie in der Ausgangslage der Botschaft 2019 ²4 besteht somit Handlungsbedarf: Änderungen im ZDG sollen zur verstärkten Wahrung und Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der fehlenden Wahlfreiheit zwischen Militärdienst und Zivildienst führen. Dieser Zweck unterscheidet sich von jenem anderer mittel- oder langfristiger Rechtsetzungsvorhaben im Bereich des Dienstpflichtsystems und wird somit mit einer eigenen Vorlage verfolgt.
Bereits fortgeschritten ist das Vorhaben zur Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes vom 20. Dezember 2019 ²5 (BZG), das Änderungen des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995 ²6 (MG) und des ZDG zur Umsetzung der bundesrätlichen Aufträge aus dem Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2021 ²7 zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz, Teil 1: Analyse und kurz- und mittelfristige Massnahmen mitumfasst. Mit diesem Vorhaben sollen - neben anderen Änderungen - Zivildienstpflichtige verpflichtet werden können, einen Teil ihres Zivildienstes in Zivilschutzorganisationen von Kantonen mit personellem Unterbestand zu leisten. Einerseits wird damit das Bestandsproblem des Zivilschutzes entschärft, andererseits werden die Wirksamkeit und die Effizienz der Einsätze des Zivildienstes bei Katastrophen und Notlagen gesteigert. Entsprechend hat der Bundesrat die Botschaft vom 8. Mai 2024 ²8 zur Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes verabschiedet. Die Gesetzesänderungen sollen per 1. Januar 2027 in Kraft treten.
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 4. März 2022 ²9 das VBS beauftragt, mit der «Sicherheitsdienstpflicht» und der «bedarfsorientierten Dienstpflicht» zwei Varianten für die langfristige Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems vertieft zu prüfen. Dies mit dem Ziel der langfristigen Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz und gestützt auf den Bericht des Bundesrates vom 4. März 2022 3⁰ zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz, Teil 2: Möglichkeiten zur langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems. Dieses Varianten setzen eine Änderung der Bundesverfassung (BV) 3¹ voraus.
In der Folge hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 15. Januar 2025 3² den vertiefenden Bericht des VBS 3³ zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems zur Kenntnis genommen. Da gemäss Bericht des VBS bei beiden Varianten hohe Kosten für Bund und Kantone anfallen, hat der Bundesrat an seiner Sitzung beschlossen, die Variante «Sicherheitsdienstpflicht» im Rahmen des Projekts «Entflechtung 27 - Aufgabenteilung Bund-Kantone» in der Arbeitsgruppe 4 mit den Kantonen zu behandeln. Der Bundesrat hat dazu das VBS beauftragt, ihm bis Ende 2027 Antrag zum weiteren Vorgehen zu stellen, sobald belastbare Erkenntnisse zur Auswirkung der Revisionen von BZG und ZDG und der durch die Armee ergriffenen Massnahmen auf die Alimentierung von Armee und Zivilschutz sowie die Resultate der Gespräche mit den Kantonen vorliegen. Dabei soll eine Beteiligung von Ausländern an der Dienstpflicht geprüft werden. Weiter hat der Bundesrat an seiner Sitzung das VBS beauftragt, bis Ende 2025 eine Vernehmlassungsvorlage zur Einführung des obligatorischen Orientierungstages für Frauen zu erarbeiten. Auch dies setzt eine Änderung der BV voraus.
Der Bundesrat hat zudem in seiner Botschaft vom 16. Oktober 2024 ³4 zur Volksinitiative ³5 «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» den eidgenössischen Räten beantragt, diese Initiative Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf und ohne indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.
²4 BBl 2019 2459 , hier 2461 f.
²5 SR 520.1
²6 SR 510.10
²7 BBl 2021 1555
²8 BBl 2024 1216
²9 Alimentierung von Armee und Zivilschutz: Bundesrat prüft «Sicherheitsdienstpflicht» und «bedarfsorientierte Dienstpflicht». Kann abgerufen werden unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 4.3.2022 (Stand: 15.1.2025).
3⁰ BBl 2022 665
3¹ SR 101
3² Bundesrat will obligatorischen Orientierungstag für Frauen einführen. Kann abgerufen werden unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 15.1.2025 (Stand: 15.1.2025).
3³ Bericht des VBS vom 15. Januar 2025 zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems. Vertiefungen zur «Sicherheitsdienstpflicht» und zur «bedarfsorientierten Dienstpflicht» und weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 15.1.2025 (Stand: 15.1.2025).
³4 BBl 2024 2741
³5 BBl 2024 2742
1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung
Der Bundesrat erachtete bereits in seiner Botschaft 2019 keine der geprüften Alternativen zu den damals vorgeschlagenen Massnahmen als zielführend. Insbesondere verzichtete er darauf, die Wiedereinführung der «Gewissensprüfung», die Zuweisung der Zivildienstpflichtigen zu bezeichneten Einsatzplätzen durch die Verwaltung und die Einschränkung des jederzeitigen Rechts zur Einreichung eines Gesuchs um Zulassung zum Zivildienst in die damalige Gesetzesvorlage aufzunehmen.
Der Bundesrat beantragte dem Parlament mit Beschluss vom 27. April 2022 die Annahme der Motion SVP-Fraktion vom 2. März 2022 (22.3055 «Armeebestand mittels Massnahmen beim Zivildienst stärken»), die sechs der 2019 vorgeschlagenen Massnahmen wieder aufnimmt. Angesichts unverändert problematischer Realitäten beim zivilen Ersatzdienst und unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Personalalimentierung der Armee besteht für den Bundesrat nach wie vor die Notwendigkeit, das ZDG zu ändern. Er ist immer noch der Ansicht, dass es zu den nun vorgeschlagenen Massnahmen keine zielführenden Alternativen gibt.
Die Änderung des ZDG versteht sich als Ergänzung zur Stossrichtung anderer laufender Rechtsetzungsvorhaben (siehe auch Bericht des Bundesrates vom 2. Juni 2023 ³6 gemäss Artikel 149 b des Militärgesetzes. Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee). Sie unterscheidet sich von diesen nicht nur inhaltlich, sondern auch in Bezug auf den Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens.
³6 BBl 2023 1453
1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu nationalen Strategien des Bundesrates
Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 24. Januar 2024 ³7 zur Legislaturplanung 2023-2027 noch im Bundesbeschluss vom 6. Juni 2024 ³8 über die Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt.
³7 BBl 2024 525
³8 BBl 2024 1440
1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse
Mit der vorliegenden ZDG-Revision wird die Motion SVP-Fraktion vom 2. März 2022 (22.3055 «Armeebestand mittels Massnahmen beim Zivildienst stärken») erfüllt.
2 Vernehmlassungsverfahren
2.1 Vernehmlassungsvorlage
Die Vernehmlassungsvorlage beinhaltete die Umsetzung der in der Motion 22.3055 verlangten sechs Massnahmen wie folgt:
−
Massnahme 1: Mindestanzahl von 150 Diensttagen;
−
Massnahme 2: Faktor 1,5 auch für Unteroffiziere und Offiziere;
−
Massnahme 3: keine Einsätze, die ein Human-, Zahn- oder Veterinärmedizinstudium erfordern;
−
Massnahme 4: keine Zulassung von Angehörigen der Armee mit 0 Restdiensttagen;
−
Massnahme 5: jährliche Einsatzpflicht ab Zulassung;
−
Massnahme 6: Pflicht, den langen Einsatz spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung abzuschliessen, wenn das Gesuch während der RS gestellt wird.
Mit Beschluss vom 1. März 2024 schickte der Bundesrat die Vorlage in die Vernehmlassung. Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis am 8. Juni 2024.
Es gingen 89 Stellungnahmen ein:
−
25 von den Kantonen;
−
6 von politischen Parteien;
−
2 von Dachverbänden;
−
22 von persönlich angeschriebenen interessierten Organisationen;
−
15 von nicht persönlich angeschriebenen interessierten Organisationen;
−
18 von Einsatzbetrieben des Zivildienstes;
−
1 von Privatpersonen.
2.2 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens
Mit Blick auf das Ergebnis der Vernehmlassung vom Sommer 2018, die zur Botschaft vom 20. Februar 2019 führte, fällt die deutlich geringere Anzahl Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren im ersten Semester 2024 auf (2024: 89 Stellungnahmen; 2018: 205 Stellungnahmen). Deutlich weniger Stellung genommen haben 2024 insbesondere Einsatzbetriebe des Zivildienstes (2024: 18; 2018: 122), wobei sich diese wie 2018 weitgehend und ohne materielle Differenzierungen einer Mustervorlage eines Verbandes bedienten. Leicht tiefer ist die Zahl der Stellungnahmen von Parteien (2024: 6; 2018: 8), Verbänden und Organisationen (2024: 39; 2018: 47).
Auch wenn divergierende Stellungnahmen - von umfassender Zustimmung bis vollumfänglicher Ablehnung - eingingen, sind sich die meisten Kantone und vier Parteien über die Stossrichtung der Vorlage einig: Es besteht Handlungsbedarf im Zivildienstrecht, und der eingeschlagene Weg der sechs Massnahmen soll fortgesetzt werden. Unter Berücksichtigung des Gewichts der einzelnen Vernehmlassungsteilnehmenden sollen im Folgenden die wesentlichen Kernaussagen und Positionen aus dem Ergebnisbericht bewertet und die Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen gezogen werden. ³9
Neben 23 Kantonen (AG, AI, AR, BE, BL, FR, GL, GR, JU, LU, NE, NW, OW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VS, ZG, ZH) bejahen auch vier Parteien (Die Mitte, EVP, FDP, SVP), die Regierungskonferenz Militär, Bevölkerungsschutz und Feuerwehr (RK MZF), die Konferenz der kantonalen Verantwortlichen für Militär, Bevölkerungsschutz und Zivilschutz sowie verschiedene Verbände und weitere Organisationen (inkl. Gewerbeverband [SGV], Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz [VMG] und Schweizerische Offiziersgesellschaft [SOG]) den Handlungsbedarf beim Zivildienst.
Alle sechs Massnahmen werden unterstützt durch sechs Kantone (BE, BL, NE, SZ, UR, ZH), drei Parteien (FDP, Die Mitte, SVP), den SGV und den Verein Chance Schweiz - Arbeitskreis für Sicherheitsfragen.
17 Kantone (AG, AI, AR, FR, GL, GR, JU, LU, NW, OW, SG, SH, SO, TG, TI, VS, ZG), die RK MZF, die EVP, die Föderation Artiset, verschiedene Verbände (Dachverband der Schweizer Ärzteschaft, VMG, Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, Spitex Schweiz) und weitere Organisationen (Allianz Sicherheit Schweiz, Centre patronal, SOG, Vereinigung Schweizerischer Kreiskommandanten [VSK], Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft, Verein Service Citoyen) stimmen einzelnen Massnahmen zu bzw. lehnen einzelne Massnahmen ab oder verlangen Änderungen an einzelnen oder mehreren Massnahmen. 15 Kantone, die RK MZF und die VSK verlangen einheitlich eine Änderung der Massnahme 4 (siehe nachfolgend).
Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende stellen die Massnahmen beim Zivildienst in den grösseren Kontext des Dienstpflichtsystems. Sie unterstreichen in unterschiedlich formulierten Ausführungen die Wichtigkeit der Sinnvermittlung und der «Attraktivität» der Militärdienstleistung (BE, GL, SZ, ZG, ZH): Massnahmen beim Zivildienst seien zwar erforderlich, würden aber allein zur dauerhaften Alimentierung von Armee und Zivilschutz nicht genügen. Sie müssten deshalb im Rahmen der Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems Teil einer nachhaltigen Lösung werden (AR, JU, NW, SH, SO, RK MZF, FDP, Allianz Sicherheit Schweiz). Um die Alimentierung der Armee sicherzustellen, seien weitergehende Massnahmen beim Zivildienst erforderlich, namentlich die Wiedereinführung der «Gewissensprüfung», die Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz und eine Regelung, wonach zum Zivildienst Zugelassene während einer Übergangszeit weiterhin Militärdienst leisten müssen (SVP). Die sechs Massnahmen stellten das Recht, einen zivilen Ersatzdienst leisten zu können, wenn die Militärdienstleistung aus Gewissensgründen nicht möglich ist, nicht in Frage, ebenso wenig wie die Tatbeweislösung und den Zweck des Zivildienstes (SZ, Die Mitte). Mit Blick auf die demografischen Entwicklungen und den mit der Vorlage zu erwartenden Rückgang an Leistungen des Zivildienstes für die Gesellschaft sei eine grundsätzliche Überlegung zur künftigen Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gemeinschaft erforderlich (SG).
Demgegenüber lehnen zwei Kantone (GE, VD), das Kantonsparlament NE, drei Parteien (Grüne Schweiz, Junge EVP [JEVP], SPS), die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) sowie verschiedene Verbände (Anthrosocial, Avenirsocial, H+, Insieme, Männer.ch, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, Schweizerischer Friedensrat, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Schweizerischer Zivildienstverband) und weitere Organisationen (Amnesty International Schweiz, Frauen für den Frieden, Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, Infodroit, Kleinbauern-Vereinigung, Le Centre pour l’action non-violente, Procap, Schweizerisches Rotes Kreuz, Service Civil International Schweiz) und 18 Einsatzbetriebe des Zivildienstes die Vorlage gesamthaft ab. Die Kantone GE und VD teilen das Anliegen des Bundesrates der Sicherstellung der Alimentierung der Armee; dazu seien jedoch nicht einseitige Massnahmen beim Zivildienst geeignet, sondern eine Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems und eine vorgängige Wirkungsevaluation der armeeseitig bereits ergriffenen Massnahmen zur Steigerung der «Attraktivität» der Militärdienstleistung» (VD). Mit Blick auf den steigenden gesellschaftlichen Bedarf an personeller Unterstützung befürchtet der Kanton VD zudem, dass ein deutlicher Rückgang der Leistungen des Zivildienstes grosse Auswirkungen in dessen Tätigkeitsbereichen hätte.
In den ablehnenden Stellungnahmen des Kantonsparlaments NE, der Grünen Schweiz, der JEVP, der SP, der EKKJ, der vorgenannten Verbände und weiterer Organisationen sowie der Einsatzbetriebe werden, teilweise mit identischem Wortlaut, teilweise in eigenen, inhaltlich jedoch nicht divergierenden Formulierungen, folgende Argumente vorgebracht: Es müssten beim Zivildienst keine Massnahmen getroffen werden, denn die verfassungskonforme Tatbeweislösung ermögliche keine freie Wahl zwischen Militärdienst und Zivildienst und die Alimentierung der Armee sei gewährleistet. Die Vorlage schwäche die Wehrgerechtigkeit und die Gesellschaft, denn die Abschreckung beim Zivildienst führe zu insgesamt weniger Dienstpflichtigen, die einen persönlichen Dienst leisten würden, und sie reduziere daher die Leistungen des Zivildienstes im öffentlichen Interesse, trotz steigendem gesellschaftlichem Bedarf in verschiedenen Bereichen. Die Vorlage verstosse gegen Verfassung und Völkerrecht (Rechtsgleichheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Recht auf zivilen Ersatzdienst, Verhältnismässigkeit). In einigen Fällen wurden alle Argumente vorgebracht, in einigen nur eines oder einzelne.
Was die einzelnen Massnahmen betrifft, werden insbesondere die Massnahme 3 (keine Einsätze, die ein Human-, Zahn- oder Veterinärmedizinstudium erfordern) und die Massnahme 4 (keine Zulassung von Angehörigen der Armee mit 0 Restdiensttagen) kontrovers beurteilt.
Zu Massnahme 1 (Mindestanzahl von 150 Diensttagen) enthalten die Stellungnahmen, welche die Vorlage ganz oder teilweise befürworten, meist keine expliziten Äusserungen. In den wenigen spezifischen Stellungnahmen wird die Massnahme im Sinne der geplanten Wirkung als geeignet erachtet. In ablehnenden Stellungnahmen wird die Massnahme als verfassungs- und völkerrechtswidrig erachtet; sie habe Strafcharakter, verstosse gegen Grundrechte und schwäche zudem durch Motivierung zum «blauen Weg» die Wehrgerechtigkeit. Vereinzelt werden eine Reduktion bzw. eine Erhöhung der Mindestzahl von Diensttagen gefordert.
Auf zustimmender Seite wird bestätigt, dass Massnahme 2 (Faktor 1,5 auch für Unteroffiziere und Offiziere) einen Rückgang der Zulassungen von Unteroffizieren und Offizieren zum Zivildienst zur Folge hat und damit die erwünschte Wirkung zeigt. Argumente auf ablehnender Seite sind fehlender Handlungsbedarf, fehlende Eignung der Massnahme, Unverhältnismässigkeit, Strafcharakter, Verstoss gegen Grundrechte sowie Verfassungs- und Völkerrechtswidrigkeit.
Zu Massnahme 3 (keine Einsätze, die ein Human-, Zahn- oder Veterinärmedizinstudium erfordern) enthalten die Stellungnahmen, welche die Vorlage ganz oder teilweise befürworten, meist keine expliziten Äusserungen. In den wenigen spezifischen Stellungnahmen wird die Massnahme begrüsst; die Alimentierung der Armee mit Fachkräften müsse Priorität haben und es würde verhindert, dass sich in der Armee ausgebildete Fachkräfte durch Zivildienstleistung mögliche Vorteile verschaffen. Die Argumente in den ablehnenden Stellungnahmen sind vielfältig. Der Handlungsbedarf wird mit Verweis auf die Armeebestände bestritten. Die Massnahme sei nicht erforderlich (dies mit Blick auf das bereits geltende Verbot von Einsätzen, die primär privaten Zwecken der Zivildienstpflichtigen dienen, insbesondere der Aus- und Weiterbildung), nicht geeignet (die Anzahl der Zulassungen zum Zivildienst und die Alimentierung der Armee mit Medizinern würden praktisch nicht beeinflusst) und nicht verhältnismässig (weil mildere Massnahmen nicht geprüft worden seien). Sie sei im Vergleich zu anderen Berufsgruppen diskriminierend und verstosse gegen das Milizprinzip. Mit Blick auf die demografische Entwicklung seien zivile Einsätze von dienstleistenden Ärzten im öffentlichen Interesse.
Zu Massnahme 4 (keine Zulassung von Angehörigen der Armee mit 0 Restdiensttagen) enthalten die Stellungnahmen, welche die Vorlage ganz oder teilweise befürworten, keine expliziten Äusserungen. Eine ablehnende Haltung dieser Massnahme gegenüber wird einerseits damit begründet, dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers sein könne, aus der BV ein Recht auf Ersatzdienst ausgerechnet in Krisensituationen abzuleiten. Entsprechend seien Zulassungsgesuche vor einem angekündigten oder während einem Assistenz- oder Aktivdienst auszuschliessen. Vereinzelt wird ein rückwirkender Widerruf einer vor einem Assistenz- oder Aktivdienst erfolgten Zulassung gefordert. Andererseits wird vorgebracht, die Massnahme sei nicht erforderlich, dies mit Blick auf Massnahme 1 oder auf die geringe Wirkung auf die Armeebestände. Vereinzelt werden weitere Einschränkungen zum Zeitpunkt der Gesucheinreichung oder Vereinfachungen beim Zulassungsprozess zum waffenlosen Militärdienst gefordert.
Zu Massnahme 5 (jährliche Einsatzpflicht ab Zulassung) enthalten die Stellungnahmen, welche die Vorlage ganz oder teilweise befürworten, meist keine expliziten Äusserungen. In einem ausdrücklichen Kommentar wird begrüsst, dass eine faktische Besserstellung von Zivildienstpflichtigen gegenüber Militärdienstpflichtigen wegfällt, da letztere heute weniger Freiheit bei der Planung ihrer Dienstleistungen haben. Ablehnende Stellungnahmen machen die fehlende Erforderlichkeit der Massnahme geltend oder befürchten negative Auswirkungen auf den Zivildienstvollzug, insbesondere aus Sicht von Einsatzbetrieben und in Bezug auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Zivildiensteinsätzen.
Zu Massnahme 6 (Pflicht, den langen Einsatz spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung abzuschliessen, wenn das Gesuch während der RS gestellt wird) enthalten die Stellungnahmen, welche die Vorlage ganz oder teilweise befürworten, meist keine expliziten Äusserungen. In einem ausdrücklichen Kommentar wird begrüsst, dass eine faktische Besserstellung von Zivildienstpflichtigen gegenüber Militärdienstpflichtigen wegfällt, da letztere heute weniger Freiheit bei der Planung ihrer Dienstleistungen haben. Die Ablehnung der Massnahme wird mit der fehlende Erforderlichkeit und den negativen Auswirkungen auf Beruf oder Studium der Dienstpflichtigen und auf deren Umfeld (Arbeitgebende, Angehörige, Bildungseinrichtungen) begründet.
Mit Blick auf das Gesamtergebnis der Vernehmlassung 2024 nimmt der Bundesrat zur Kenntnis, dass im Wesentlichen die gleichen zustimmenden oder ablehnenden Argumente wie bei der Vernehmlassung 2018 vorgebracht werden, bei einer geringeren Anzahl Stellungnahmen, insbesondere von Einsatzbetrieben des Zivildienstes. Der Bundesrat berücksichtigt, dass die vorliegenden sechs auch in der Vergangenheit kontrovers diskutierten Massnahmen sowohl von National- und Ständerat vor der Schlussabstimmung bereits einmal gutgeheissen und erst in der Schlussabstimmung des Nationalrates verworfen wurden. In der Folge nahmen National- und Ständerat die Motion SVP-Fraktion vom 2. März 2022 (22.3055 «Armeebestand mittels Massnahmen beim Zivildienst stärken») an, die sechs der bereits 2019 formulierten Massnahmen unverändert wiederaufnimmt.
In Bezug auf die Massnahme 1 (Mindestanzahl von 150 Diensttagen) und den Vorwurf der Verfassungs- und Völkerrechtswidrigkeit erachtet der Bundesrat die rein mathematische Argumentation in den ablehnenden Stellungnahmen als rechtlich unzutreffend und unbehelflich. Entgegen dieser Argumentation ist nicht der Faktor (zur Berechnung der Dauer der Zivildienstpflicht) ausschlaggebend, sondern einzig die Zumutbarkeit der effektiv zu erfüllenden Dienstpflicht. Sachgerecht betrachtet ist diese Massnahme zumutbar und erweist sich auch unter dem Aspekt des Rechtsgleichheitsgebotes als erforderlich und geeignet, dem Prinzip des Tatbeweises Nachachtung zu verschaffen (vgl. Ziff. 7.1.2). Der Bundesrat erachtet die vorgebrachte Kritik nicht als stichhaltig und hält an Massnahme 1 fest, auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Vernehmlassungsteilnehmenden (u. a. überwiegende Mehrheit der Kantone, RK MZF, FDP, Die Mitte und SVP), die diese Massnahmen befürworten.
Was Massnahme 3 betrifft, sieht auch der Bundesrat die Ziel- und Interessenkonflikte, die in den Stellungnahmen dargelegt werden. Mit Blick auf die Erfahrungen in der Bewältigung der Covid-19-Pandemie, die Veränderungen im internationalen sicherheitspolitischen Umfeld und die dazu im Widerspruch stehende ungenügende Verfügbarkeit von Medizinern in der Armee gewichtet er jede Massnahme, mit der diesem spezifischen Personalproblem entgegengewirkt werden kann, hoch. Zudem erachtet der Bundesrat die Massnahme 3 als mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar. Der Umstand, dass gewisse Pflichtenhefte im Zivildienst gar nicht erst angeboten werden, führt nicht zu einer Diskriminierung der Personen, die gestützt auf die Deklaration eines Gewissenskonflikts im Zusammenhang mit dem Militärdienst zum Zivildienst zugelassen werden. Wer nur aus Opportunitätsgründen zum Zivildienst wechseln will - nämlich um dort für ihn vorteilhafte Tätigkeiten ausüben zu können -, kann sich nicht auf das Diskriminierungsverbot berufen. Trotz der vorgebrachten Kritik und dem zutreffenden Verweis auf das bestehende Verbot von Zivildiensteinsätzen, die der zivildienstpflichtigen Person primär zu privaten Zwecken dienen, bleibt der Bundesrat mit Blick auf die Erfahrungen aus dem Zivildienstvollzug von der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismässigkeit der Massnahme überzeugt.
Der Bundesrat kann die Forderung nach einer Präzisierung der Massnahme 4 dahingehend, dass Zulassungsgesuche vor einem angekündigten oder während einem Assistenz- oder Aktivdienst auszuschliessen seien, insofern nachvollziehen, als sie die Alimentierungsproblematik verdeutlicht. Dem Argument, es solle aus der BV kein Recht auf Ersatzdienst ausgerechnet in Krisensituationen abgeleitet werden, ist aber klar entgegenzuhalten, dass der Verfassungsgeber gerade keine entsprechende Einschränkung des Rechts auf zivilen Ersatzdienst vorgesehen hat. Die Botschaft 1994 hält bezüglich der Wirkung der Gesuchstellung denn auch ausdrücklich fest, dass es bei fristgerechter Einreichung des Gesuchs und daraus folgender Entbindung von der Einrückungspflicht in die Armee keine Rolle spielt, ob es sich beim nächsten Militärdienst um Ausbildungs-, Assistenz- oder Aktivdienst handelt. 4⁰ Eine Einschränkung des Rechts auf zivilen Ersatzdienst im Sinne des Präzisierungsantrags erwiese sich mit Blick auf den klaren Wortlaut von Artikel 59 Absatz 1 BV sowie die Glaubens- und Gewissensfreiheit zudem als verfassungs- und völkerrechtswidrig.
Die Kritik an den übrigen Massnahmen und die damit verbundene Einschätzung, dass kein Handlungsbedarf für eine Änderung des ZDG bestehe, lässt ausser Acht, dass sich die vorgeschlagenen Massnahmen am seit jeher in Verfassung und Gesetz verankerten Grundsatz orientieren, dass es keine Wahlfreiheit zwischen Militär- und Zivildienst gibt. Der Zivildienst ist ein ziviler Ersatzdienst für Militärdienstpflichtige mit einem Gewissenskonflikt. Die vorgeschlagenen Massnahmen ändern daran nichts, bleibt doch bei allen sechs Massnahmen das verfassungsmässige Recht, Zivildienst zu leisten, vollumfänglich bestehen. Die Massnahmen setzen bei den erkannten Problemen beim Übertritt in den Zivildienst an und sind wirkungsorientiert. Dass der Zivildienst damit das Problem der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen löst, soll dabei nicht durch Massnahmen gefährdet werden, die über das Ziel hinausschiessen.
Gleich wie 2018 betonen verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende den gesellschaftlichen Bedarf an Zivildienstleistungen bzw. den finanziellen Mehraufwand von Kantonen, Gemeinden und öffentlichen oder privaten gemeinnützigen Institutionen durch einen Rückgang der Anzahl Zivildienstleistenden. Hierzu hält der Bundesrat unverändert fest: Der Zivildienst hat - wie die Armee und der Zivilschutz - einen Grundauftrag, im Gegensatz zu diesen hat er jedoch keine definierte Leistungspflicht und ist daher auch nicht mit einem bestimmten Personalbestand zu alimentieren. Der gesellschaftliche Bedarf an Zivildienstleistungen ist denn auch kein Kriterium für den Zulassungsentscheid und damit für die Anzahl zivildienstpflichtiger Personen. Mit anderen Worten: Mit wie vielen Zivildienstpflichtigen der Zivildienst seinen Grundauftrag erfüllt, dass Arbeitsleistungen im öffentlichen Interesse erbracht werden, ergibt sich allein daraus, wie viele gesuchstellende Personen die Zulassungskriterien erfüllen. Zugelassen wird, wer im Gesuch einen Gewissenskonflikt geltend macht und bereit ist, einen gegenüber dem Militärdienst deutlich länger dauernden Zivildienst nach den gesetzlichen Bestimmungen zu leisten (Tatbeweislösung).
Zu der von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden geforderten Gesamtsicht auf das Dienstpflichtsystem wird auf Ziffer 1.1.4 verwiesen.
Nach Kenntnisnahme und Beurteilung der befürwortenden und ablehnenden Stellungnahmen sieht der Bundesrat keinen Anlass zu Änderungen an der Vernehmlassungsvorlage und hält an den sechs Massnahmen fest.
³9 Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2024 > WBF (Stand: 22.11.2024).
4⁰ BBl 1994 III 1609 , hier 1668
3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat in verschiedenen europäischen Ländern, unter anderem in Deutschland, Frankreich und Italien, eine Debatte zur Wiedereinführung bzw. -einsetzung einer allgemeinen Wehrpflicht ausgelöst, nachdem diese in den 2000er-Jahren ausgesetzt oder abgeschafft wurde. Bisher wurden jedoch meist keine entsprechenden Rechtsänderungen vorgenommen.
Unter den angrenzenden Staaten der Schweiz besteht einzig in Österreich die allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen österreichischen Staatsbürger vom 17. bis zum 50. Geburtstag (bzw. für Offiziere, Unteroffiziere und Spezialkräfte bis zum 65. Geburtstag). Der Zivildienst ist ein Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen. Voraussetzungen zur Leistung des Zivildienstes sind - neben der Staatsangehörigkeit und dem Mindestalter - die Tauglichkeit oder Teiltauglichkeit bei der Stellung beim Bundesheer und die rechtzeitige Abgabe des Formulars «Zivildiensterklärung». 4¹ Bei dieser handelt es sich um eine Erklärung, in der in allgemeiner Form Gewissensgründe gegen das Leisten von Militärdienst geltend gemacht werden. Eine «Zivildiensterklärung» ist nicht jederzeit, sondern nur innerhalb bestimmter Fristen zulässig und aus bestimmten Gründen ausgeschlossen. Der ordentliche Zivildienst dauert neun Monate und ist in einem Stück zu leisten. Das österreichische Bundesgesetz über den Zivildienst ( Zivildienstgesetz 1986 - ZDG; BGBl. Nr. 679/1986) 4² sieht je nach Zeitpunkt der Zulassung zum zivilen Ersatzdienst («Zuweisung») Abweichungen von der Regeldauer von neun Monaten vor. Für die Abwicklung des Zivildienstes ist die Zivildienstserviceagentur zuständig, eine Bundesbehörde, die dem Bundeskanzleramt unterstellt ist. 4³ In den letzten Jahren haben sich rund 45 Prozent der tauglichen Grundwehrpflichtigen dazu entschieden, Zivildienst zu leisten, d. h. jeweils rund 14 000 Personen. Die Zivildienstleistungen erfolgen in rund 1500 Zivildiensteinrichtungen. Das grösste Einsatzgebiet ist das Rettungswesen (rund 40 % aller Einsätze), gefolgt von rund 30 Prozent in der Sozial- und Behindertenhilfe sowie jeweils rund 10 Prozent in der Altenbetreuung und in Krankenanstalten. Weitere Einsatzbereiche sind u. a. Kindergärten (Kinderbetreuung), die Katastrophenhilfe, Flüchtlingsbetreuung, landwirtschaftliche Betriebshilfe und die öffentliche Sicherheit. 4⁴ Wer ein Gesuch um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst stellt, kann in seiner «Zivildiensterklärung» angeben, in welchen Bereichen und in welcher Einrichtung er Zivildienst leisten möchte. Es besteht kein Anspruch, zum gewünschten Bereich, Termin oder zur gewünschten Einrichtung zugewiesen zu werden. Die Zivildienstserviceagentur macht die Zuweisung nach freien Plätzen, Eignung und Erfordernissen des Zivildienstes. ⁴5 Insgesamt lässt sich feststellen, dass Konzeption und Vollzug des Zivildienstes in Österreich Ähnlichkeiten und Unterschiede in Bezug auf das System in der Schweiz aufweisen. Für die Regelungen, die in dieser Vorlage vorgeschlagen werden, ist von Relevanz und Interesse, dass bei der Berechnung der Dauer der Zivildienstpflicht in Österreich danach differenziert wird, ob und gegebenenfalls wie lange Wehrdienst geleistet wurde.
Unter den EU-Ländern, die nicht in unmittelbarer Nähe zur Schweiz liegen, gilt in Estland, Lettland, Finnland, Schweden, Litauen, Griechenland und Zypern eine Wehrpflicht. Diese Länder bieten zivile Ersatzdienste an, deren normative Konzeption und Vollzug sich jedoch teilweise stark vom System in der Schweiz unterscheiden. Dazu einige ausgewählte Aspekte:
−
In Estland sind nur Männer der Wehrpflicht unterstellt. Sie können bei einem Gewissenskonflikt einen zivilen Ersatzdienst leisten. Dessen Dauer wird von den Behörden festgelegt und liegt - wie der Militärdienst - zwischen acht und zwölf Monaten, je nach Spezialisierung. Um den zugewiesenen Einsatzort zu wechseln, muss der Zivildienstpflichtige ein Gesuch stellen. ⁴6
−
In Lettland kann, wer einen Gewissenskonflikt hat, einen zivilen Ersatzdienst leisten. Dies allerdings nur in einer dem Verteidigungsministerium unterstellten Einrichtung. Der zivile Ersatzdienst dauert gleich lange wie der Militärdienst. ⁴7
−
Für finnische Staatsbürger ist der Militärdienst obligatorisch, für Frauen freiwillig. Es kann zwischen bewaffnetem Dienst (165 Tage), unbewaffnetem Dienst (255 Tage) oder - bei Gewissenskonflikt - Zivildienst (347 Tage) gewählt werden. ⁴8 Wie in der Schweiz müssen die Zivildienstpflichtigen vor ihrem Einsatz Ausbildungskurse besuchen und sich einen Einsatzplatz in einem anerkannten Einsatzbetrieb selbst suchen. ⁴9
−
Schweden hat 2010 die Wehrpflicht und somit den Zivildienst abgeschafft und 2017 aufgrund von Unterbeständen der Armee neu für alle Geschlechter wieder eingeführt. Im Rahmen der Total Defence können alle Bewohnerinnen und Bewohner Schwedens zwischen 16 und 70 Jahren für verschiedene Arten von Dienst aufgeboten werden, insbesondere Militärdienst (ab 18 Jahren) oder General Compulsory National Service , eine Art Zivilschutz, zu dem man nur bei Katastrophen und Notlagen aufgeboten wird. Die Möglichkeit des Zivildienstes ist seit 2010 immer noch ausgesetzt, es wird allerdings über seine Wiedereinführung diskutiert. 5⁰
−
Die Konzeption und der Vollzug des Zivildienstes in Litauen, Griechenland und Zypern werden teilweise hinsichtlich ihrer Konformität mit Grundrechten kritisiert, wobei vorliegend nicht weiter dargestellt oder beurteilt wird, ob diese Kritik begründet oder relevant ist. Ohne länderspezifische Gegebenheiten darzustellen, seien einige Kritikpunkte im Sinne von Beispielen erwähnt: Zuständig für den Zulassungsentscheid zum zivilen Ersatzdienst sind militärische, nicht zivile Stellen; der Vollzug des zivilen Ersatzdienstes ist als unbewaffneter Militärdienst zu leisten; religiös begründete Gewis-senskonflikte werden eher berücksichtigt als anderweitig begründete Gewissenskonflikte; zum zivilen Ersatzdienst Zugelassene haben ihren Dienst ausserhalb ihrer Wohnregion zu leisten; Transportkosten vom Wohnort zum Einsatzort des zivilen Ersatzdienstes werden nicht vergütet. Die erwähnten nationalen Systeme werden nicht weiter auf Vergleichsmöglichkeiten geprüft.
Für den Rechtsvergleich lässt sich festhalten, dass sich die normativen Regelungen und die Vollzugsbestimmungen zum Zivildienst in den erwähnten europäischen Ländern vom System in der Schweiz unterscheiden, wobei das Ausmass der Differenzen stark variiert. Deshalb liefern die besprochenen Beispiele keine unmittelbar relevanten Erkenntnisse oder Schlussfolgerungen für die in dieser Vorlage vorgeschlagenen Regelungen, mit der einzigen Ausnahme, dass in Österreich zur Berechnung der Dauer des Zivildienstes danach differenziert wird, ob und gegebenenfalls wie lange Wehrdienst geleistet wurde, was sich auf den angewendeten Faktor auswirkt.
4¹ Weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.zivildienst.gv.at > Für Zivildiener > Der Weg zum Zivildienst (Stand: 21.10.2024).
4² Weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.zivildienst.gv.at > Formulare > Zivildienstgesetz (ZDG) und Verordnungen zum Zivildienst (Stand: 21.10.2024).
4³ Weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.zivildienst.gv.at > Kontakte > Zivildienstserviceagentur (Stand: 22.11.2024).
4⁴ Weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.zivildienst.gv.at > Zahlen/Fakten > Infos und Statistiken zum Zivildienst (Stand: 22.11.2024).
⁴5 Weiter Informationen können abgerufen werden unter: www.zivildienst.gv.at > Für Zivildiener > Der Weg zum Zivildienst > Zivildiensterklärung (Stand: 22.11.2024).
⁴6 Weiter Informationen können abgerufen werden unter: www.riigiteataja.ee/en/eli/519092014003/consolide (Stand: 22.11.2024).
⁴7 Weitere Informationen können abgerufen werden unter: https://eng.lsm.lv/article/society/ defense/05.04.2023-compulsory-military-service-to-be-re-introduced-in-latvia.a503763/ > «How?» > «Alternative service (…)» (Stand: 22.11.2024).
⁴8 Weitere Informationen können abgerufen werden unter: https://puolustusvoimat.fi/en/ finnish-conscription-system (Stand: 22.11.2024).
⁴9 Weitere Informationen können abgerufen werden unter: https://www.siviilipalveluskeskus.fi/en/looking-for-a-service-position-2/ (Stand: 22.11.2024).
5⁰ Weitere Informationen können abgerufen werden unter: https://pliktverket.se/om-myndigheten/in-english (Stand: 22.11.2024).
4 Grundzüge der Vorlage
4.1 Die beantragte Neuregelung
Die Vorlage beinhaltet die Umsetzung der in der Motion SVP-Fraktion vom 2. März 2022 (22.3055 «Armeebestand mittels Massnahmen beim Zivildienst stärken») verlangten sechs Massnahmen (vgl. Ziff. 2.1).
4.1.1 Massnahme 1
Mindestanzahl von 150 Diensttagen
Diese Massnahme liegt im ausgewiesenen öffentlichen Interesse, die Abgänge ausgebildeter Angehöriger der Armee aus den Formationen substanziell zu reduzieren. Mit der Massnahme steigt die Anzahl der insgesamt zu leistenden Diensttage (in der Armee und anschliessend im Zivildienst) mit fortschreitendem Zeitpunkt des Wechsels zum zivilen Ersatzdienst an. Je länger ihre bereits absolvierte Militärdienstpflicht ist, desto sorgfältiger werden die Dienstpflichtigen ihre Beweggründe und ihren Entscheid für einen Wechsel erwägen, auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen eines solchen Wechsels auf ihr privates und berufliches Umfeld. Die Mindestanzahl von 150 Zivildiensttagen ist erforderlich, damit eine Wirkung bereits ab dem ersten WK eintritt, und sie ist für Personen, die sich in einem besonderen Rechtsverhältnis befinden, zumutbar. Dies gilt insbesondere für Angehörige der Armee, welche die Zahl der insgesamt zu leistenden Tage Ausbildungsdienst nach der Militärgesetzgebung als Durchdienende erreicht haben und nach geltendem Recht durch den Wechsel in den Zivildienst keinen einzigen Zivildiensttag leisten müssen. Massnahme 1 wirkt diesem Problem der Durchdienenden entgegen. Mit Blick auf das angestrebte Ziel (substanzielle Reduktion der Abgänge von ausgebildeten Angehörigen der Armee) erweist sie sich als geeignet, erforderlich und zumutbar. Sie ist somit verhältnismässig.
4.1.2 Massnahme 2
Faktor 1,5 auch für Unteroffiziere und Offiziere
Kernziel der Massnahme ist die Reduktion der Abgänge von Dienstleistenden in Funktionen mit erhöhten Anforderungen. Diese Reduktion liegt im ausgewiesenen öffentlichen Interesse. Im Fokus der Massnahme stehen frühere höhere Unteroffiziere oder Offiziere, deren Privilegierung in Form des tieferen Faktors 1,1 (Art. 8 Abs. 1 zweiter Satz ZDG) angesichts der Tatsache, dass die Armee qualifizierte Personen verliert, nicht mehr hinzunehmen ist. Von der Massnahme werden zudem Spezialfälle (insb. frühere Fachoffiziere nach Art. 104 MG und Kader, die den praktischen Dienst noch nicht geleistet haben) erfasst, für die nach geltendem Recht (Art. 8 Abs. 1 letzter Satz ZDG) der Bundesrat den Faktor festlegen kann. Die höhere Zahl bereits geleisteter und noch zu leistender Ausbildungstage der Armee wird in diesen Fällen nicht mehr berücksichtigt, indem bei der Zulassung generell der Faktor 1,5 angewendet wird. Damit stellt die Massnahme einen Schritt in Richtung des Kernziels dar und erweist sich demnach als geeignet. Eine mildere und gleich geeignete Alternative bietet sich nicht an. Die Massnahme ist somit erforderlich, damit die Armee mit dem erbrachten Ausbildungsaufwand einen tatsächlichen Mehrwert im Ausbildungsbetrieb und gegebenenfalls im Einsatz erzielen kann. Mit Blick auf das angestrebte Ziel (Reduktion der Abgänge von Dienstleistenden in Funktionen mit erhöhten Anforderungen) erweist sich die Massnahme als geeignet, erforderlich und zumutbar. Sie ist somit verhältnismässig.
4.1.3 Massnahme 3
Keine Einsätze, die ein Human-, Zahn- oder Veterinärmedizinstudium erfordern.
Es liegt im ausgewiesenen öffentlichen Interesse, das Problem der ungenügenden Verfügbarkeit von Medizinern in der Armee (siehe Ziff. 1.3) zu entschärfen. Entsprechend zielt Massnahme 3 darauf ab, dass der Militärdienst für die berufliche Karriere der Mediziner und der Anwärter für medizinische Ausbildungen attraktiver ist als der Zivildienst. Die Massnahme erscheint geeignet, die Abgänge derjenigen Mediziner aus der Armee zu reduzieren, die mit dem Wechsel zum Zivildienst Aus- und Weiterbildungsinteressen verfolgen. Nach geltender Regelung im ZDG sind Einsätze, die primär privaten Zwecken der zivildienstpflichtigen Person, insbesondere der Aus- oder Weiterbildung dienen, nicht erlaubt (Art. 4 a Bst. d ZDG). Auch bei Anwendung dieser Bestimmung besteht jedoch in der Realität für Mediziner die Möglichkeit, durch Zivildienstleistung in ihrem angestammten Berufsfeld de facto ihre Weiterbildung und Erfahrung positiv zu beeinflussen. Dies kann nur dadurch unterbunden werden, dass keine Einsätze (Pflichtenhefte) angeboten werden, die ein Medizinstudium voraussetzen. Mildere und gleich geeignete Alternativen bieten sich nicht an. Die Massnahme ist somit erforderlich. Der Zugang zum zivilen Ersatzdienst bleibt jedoch unangetastet. Zudem begründet das verfassungsmässige Recht, Zivildienst zu leisten, keinen Anspruch der Zivildienstpflichtigen, ihren Einsatz in einem bestimmten, bevorzugten Bereich leisten zu können. Vor diesem Hintergrund ist die Massnahme für die Betroffenen ohne Weiteres zumutbar. Mit Blick auf das angestrebte Ziel, dass der Militärdienst für die berufliche Karriere der Mediziner und der Anwärter für medizinische Ausbildungen attraktiver ist als der Zivildienst, erweist sich die Massnahme als geeignet, erforderlich und zumutbar. Sie ist somit verhältnismässig.
4.1.4 Massnahmen 4, 5 und 6
Diese drei Massnahmen bezwecken die verstärkte Beachtung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit von Militärdienst und zivilem Ersatzdienst, was im ausgewiesenen öffentlichen Interesse liegt. Sie sind im Verbund geeignet, die Attraktivität des zivilen Ersatzdienstes gezielt zu verringern und die Gleichwertigkeit der Leistungen in Militär- und Zivildienst zu fördern.
Massnahme 4: Keine Zulassung von Angehörigen der Armee mit 0 Restdiensttagen
Angehörige der Armee, die nach bisherigem Recht mit 0 Restdiensttagen in der Armee zum Zivildienst zugelassen werden, stehen der Armee für Assistenz- und Aktivdienst nicht mehr zur Verfügung, erbringen jedoch im Zivildienst in der ordentlichen Lage de facto keinen Tatbeweis. Im Vergleich zu anderen Armeeangehörigen mit 0 Restausbildungsdiensttagen, die zu Assistenz- und Aktivdienst aufgeboten werden können, verschaffen sie sich rasch einen nicht erwünschten und konkreten Vorteil damit, dass sie nicht mehr schiesspflichtig sind. Die Massnahme ist geeignet, um dem Tatbeweisprinzip Nachachtung zu verschaffen. Die aktuellen Zulassungsvoraussetzungen des zivilen Ersatzdienstes sehen die Deklaration eines Gewissenskonflikts und die Bereitschaft, den Zivildienst nach Gesetz zu leisten vor. Die Massnahme 4 ist erforderlich, damit nicht Personen zum Zivildienst zugelassen werden, die überhaupt keine Zivildienstleistungen und somit auch gar keinen Tatbeweis erbringen müssen. Zudem ist sie erforderlich, um eine unerwünschte Besserstellung gegenüber anderen Militärdienstpflichtigen mit Schiesspflicht zu verhindern. Eine mildere und gleich geeignete Alternative bietet sich nicht an.
Im Falle von Assistenz- oder Aktivdienst der Armee muss das verfassungsmässige Recht, zivilen Ersatzdienst zu leisten (in Form ausserordentlicher Zivildienstleistungen nach Artikel 14 ZDG - des Pendants zum Assistenz- und Aktivdienst in der Armee), jedoch unangetastet bleiben, was mit einer Präzisierung des Grundsatzartikels (Art. 1 ZDG) sichergestellt wird. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Massnahme als für die Betroffenen zumutbar. Mit Blick auf das angestrebte Ziel (Stärkung der Tatbeweislösung und Verhinderung einer Besserstellung der Zivildienstpflichtigen) erweist sich die Massnahme als geeignet, erforderlich und zumutbar. Sie ist somit verhältnismässig.
Massnahme 5: Jährliche Einsatzpflicht ab Zulassung
Mit der jährlichen Einsatzpflicht ab dem Kalenderjahr nach der Zulassung werden eine Angleichung an den Dienstleistungsrhythmus der Militärdienstpflichtigen in der Armee und damit die Stärkung der Gleichwertigkeit der Dienstleistungen bezweckt. Die Dienstleistungen werden mit dieser Massnahme grundsätzlich in der gleichen Lebensphase erbracht (der Hauptteil der Dienstleistungen wird in der Regel im Alter von 20 bis 25 Jahren erbracht). Die Massnahme ist somit zur Verringerung der Attraktivität des zivilen Ersatzdienstes geeignet. Sie ist erforderlich, da sich im Verbund mit den anderen Massnahmen keine mildere und ebenso geeignete Alternative anbietet. Zudem erweist sich ein dem Modell für Angehörige der Armee angeglichener Dienstleistungsrhythmus als zumutbar. Die Massnahme ist somit verhältnismässig.
Massnahme 6: Pflicht, den langen Einsatz spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung abzuschliessen, wenn das Gesuch während der RS gestellt wird
Eine Angleichung der Dienstleistung in der Armee und jener im zivilen Ersatzdienst erfolgt auch dahingehend, dass berücksichtigt werden soll, dass Rekruten, die vorzeitig aus der RS entlassen werden, in der Regel in die nächstfolgende RS, auf jeden Fall aber in eine RS in naher Zukunft aufgeboten werden. Die bisherige Regelung beim zivilen Ersatzdienst, wonach eine zugelassene Person ohne bestandene RS den langen Dienst innerhalb von drei Jahren nach Zulassung leisten muss, stellt die Zivildienstleistenden im Vergleich zu den Rekruten unerwünscht besser. Die Massnahme ist geeignet, um diese Besserstellung zu verhindern, was im ausgewiesenen öffentlichen Interesse liegt. Eine mildere und ebenso geeignete Alternative zur vorgeschlagenen Massnahme, die analog zur Regelung der Leistung der RS korrigierend eingreift, bietet sich nicht an. Zudem erweist sich ein dem Modell für Angehörige der Armee angeglichener Dienstleistungsrhythmus als zumutbar. Die Massnahme ist somit verhältnismässig.
4.2 Erwartete Effekte der sechs Massnahmen
Eine verbindliche quantitative Aussage zur Senkung der Anzahl Zulassungen zum zivilen Ersatzdienst ist nicht möglich. In der Logik des Neuen Führungsmodells für die Bundesverwaltung 5¹ sind allerdings Planungsgrössen einzusetzen (siehe nachstehend Ziff. 6.1.1). Aufgrund der Stossrichtung von Massnahme 1 kann erwartet werden, dass deutlich weniger ausgebildete Soldaten nach bestandener RS und erfolgter Einteilung in die Armee zum Zivildienst wechseln. Eine teilweise Verlagerung zu Zulassungen von nicht ausgebildeten Rekruten vor oder während der RS kann nicht ausgeschlossen werden. Zu beachten bleibt zudem, dass der Zivildienst einer der Faktoren ist, die Auswirkungen auf den Armeebestand haben. Es kann daher nicht erwartet werden, dass die Abgänge aus der Armee linear zur Senkung der Anzahl der Zulassungen zum zivilen Ersatzdienst abnehmen.
5¹ Weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.efv.admin.ch > Themen > Finanzpolitik, Grundlagen > Neues Führungsmodell für die Bundesverwaltung (NFB) (Stand 22.11.2024).
4.3 Umsetzungsfragen
Verantwortlich für die Umsetzung der Änderung des ZDG ist der Bund mit dem Bundesamt für Zivildienst (ZIVI).
Das ZDG ist als Rahmengesetz konzipiert, das Grundsätze und Delegationsnormen enthält. Ausführungsbestimmungen finden sich in der Zivildienstverordnung vom 11. September 1996 5² (ZDV). Bereits vorgesehene Anpassungen der ZDV zur Umsetzung der neuen Normen im ZDG sind in den Erläuterungen zu einzelnen Artikeln unter Ziffer 5 erwähnt.
Die Umsetzung der Gesetzesänderung wird laufend im Rahmen des Controllings und des Qualitätsmanagements sowie im Austausch mit dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport evaluiert.
5² SR 824.01
5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln
Im Folgenden enthält jeder Artikel, der eine Regelung zur Umsetzung der sechs Massnahmen beinhaltet, einen entsprechenden Hinweis. Wo ein solcher fehlt, handelt es sich um redaktionelle oder gesetzestechnisch erforderliche Änderungen.
Art. 1
Grundsatz
Mit der Präzisierung des bisherigen Grundsatzes in Absatz 1 sollen nur noch Militärdienstpflichtige zum Zivildienst zugelassen werden, die zum Zeitpunkt der Zulassung die Zahl der insgesamt zu leistenden Tage Ausbildungsdienst nach der Militärgesetzgebung (vgl. Art. 41-61 MG) noch nicht geleistet haben. Diese Präzisierung steht im Zusammenhang mit Massnahme 4 und erfordert im Übrigen auch Anpassungen bei den Regelungen zur Zulassung zum zivilen Ersatzdienst im zweiten Kapitel (Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, Art. 16 ZDG; Zulassung, Art. 18 ZDG).
Absatz 2 stellt im Zusammenhang mit Massnahme 4 sicher, dass Militärdienstpflichtige, die alle Ausbildungstage der Armee geleistet haben, im Falle eines Aufgebots zu einem Assistenz- oder Aktivdienst ihr verfassungsmässiges Recht wahrnehmen können, einen zivilen Ersatzdienst zu leisten.
Art. 4a Bst. e
Der Katalog verbotener Zivildiensteinsätze wird erweitert; das Leisten von Zivildienst als Mediziner ist nicht mehr erlaubt (Massnahme 3). Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Zivildiensteinsatz von Personen mit einem begonnenen oder abgeschlossenen Medizinstudium keinen übermässig positiven Einfluss auf deren Weiterbildung und Erfahrung hat, selbst wenn dieser nicht primär privaten Zwecken dient (der aktuelle Artikel 4 a Buchstabe d ZDG, der lediglich diejenigen Einsätze verbietet, die primär privaten Zwecken dienen, genügt nicht). Unter die neue Verbotsnorm fallen angehende oder ausgebildete Ärzte (zu denen auch Psychiater zählen), Zahnärzte und Tierärzte und nicht etwa sämtliche universitären Medizinalberufe gemäss Artikel 2 des Medizinalberufegesetzes vom 23. Juni 2006 5³ . Das verfassungsmässige Recht, einen zivilen Ersatzdienst zu leisten, bleibt im Kern unangetastet; es besteht jedoch für niemanden ein Anspruch, den zivilen Ersatzdienst in einem bestimmten, bevorzugten Bereich leisten zu können.
Art. 8 Abs. 1
Dauer der ordentlichen Zivildienstleistungen
Die Anpassung von Absatz 1 setzt Massnahme 1 um und dient der substanziellen Reduktion der Abgänge von ausgebildeten Angehörigen der Armee. Nach geltendem Recht nehmen die Anforderungen an die Erbringung des Tatbeweises ab, je länger Gesuchstellende in der Armee verblieben sind. Dies hängt damit zusammen, dass der Faktor zur Berechnung der Dauer des zivilen Ersatzdienstes (in der Regel 1,5) immer weniger Wirkung zeigt, je weniger Ausbildungsdiensttage der Armee verbleiben. Der Faktor 1,5 kommt daher nur dann zum Tragen, wenn die gesuchstellende Person noch mindestens 100 Ausbildungstage der Armee zu leisten hätte. Verbleiben ihr weniger Ausbildungstage der Armee, so hat sie mindestens 150 Zivildiensttage zu leisten, unabhängig davon, wie viele Tage Ausbildungsdienst in der Armee insgesamt noch zu leisten gewesen wären. Für den theoretischen Fall, dass jemand nach Absolvierung von Rekrutierung, RS und sechs WK - was 241 anrechenbaren Diensttagen entspricht - ein Zulassungsgesuch stellt, kommt ein maximaler Faktor von 37,5 zur Anwendung (150: 4 = 37,5).
Grundlage für die Berechnung der in der Zulassungsverfügung festzulegenden Zivildiensttage sind wie nach bisherigem Recht die zum Zeitpunkt der Zulassung insgesamt noch zu leistenden Tage Ausbildungsdienst nach der Militärgesetzgebung. Diese Grundlage gilt im Sinne des Gleichbehandlungsgebots auch für Personen, die ihre Militärdienstpflicht als Durchdienende nach der Militärgesetzgebung (Art. 54 a MG) geleistet haben, auch wenn es im Zivildienstrecht gar kein Pendant zum Durchdienermodell der Armee gibt.
Die neue Bestimmung setzt gleichzeitig Massnahme 2 um, die Abgänge von Dienst-leistenden in Funktionen mit erhöhten Anforderungen zum zivilen Ersatzdienst reduzieren soll (vgl. Ziff. 4.1.2): Der Faktor 1,5 gilt neu auch für Kader, die nach dem aktuellen Recht (Art. 8 Abs. 1 ZDG sowie Art. 27 Abs. 4 und 5 ZDV) je nach Fall mit einer Reduktion des Faktors, bestenfalls bis Faktor 1,1, privilegiert wurden. Dazu gehören die höheren Unteroffiziere und Offiziere inklusive Spezialfälle (frühere Fachoffiziere nach Art. 104 MG und frühere höhere Unteroffiziere oder Offiziere, die den praktischen Dienst noch nicht geleistet haben).
Schliesslich wird die Formulierung «die Gesamtdauer der noch nicht geleisteten Ausbildungsdienste» durch die im massgebenden Artikel 42 Absatz 1 MG verwendete Formulierung «Zahl der insgesamt zu leistenden Tage Ausbildungsdienst» ersetzt.
Art. 11 Abs. 2ter
Gemäss Artikel 21 beginnt die Einsatzpflicht erst in dem Jahr, das der rechtskräftigen Zulassung folgt. Somit würden Personen, die erst im Jahr der ordentlichen Entlassung aus dem Zivildienst rechtskräftig zu diesem zugelassen werden, gar nicht verpflichtet, ihre Einsatzpflicht vor ihrer Entlassung aus der Zivildienstpflicht zu erfüllen. Mit der Erhöhung des Entlassungsalters wird mit konsequenter Durchsetzung von Massnahme 1 sichergestellt, dass auch solche zivildienstpflichtigen Personen sämtliche verfügten Diensttage tatsächlich leisten müssen.
Art. 13 Abs. 1
Die Bestimmung wird hinsichtlich des Verweises auf das MG redaktionell angepasst.
Art. 16
Zeitpunkt der Gesuchseinreichung
Absatz 1 : Diese Änderung steht im Zusammenhang mit Massnahme 4 und ergänzt - wie auch Artikel 18 - den Grundsatz von Artikel 1.
Die in Absatz 2 vorgesehene Ausnahme von Absatz 1 für den Fall des Assistenz- oder Aktivdienstes stellt sicher, dass das verfassungsmässige Recht, einen zivilen Ersatzdienst zu leisten, im Kern unangetastet bleibt. Aufgrund von Massnahme 1 (vgl. neuen Art. 8 Abs. 1) haben solche Personen zur Erbringung des Tatbeweises 150 Zivildiensttage zu leisten.
Art. 18
Zulassungsentscheid
Absätze 1 und 2 : Diese Änderungen stehen im Zusammenhang mit Massnahme 4 und ergänzen - wie auch Artikel 16 - den Grundsatz von Artikel 1. Auch wenn eine gesuchstellende Person zum Zeitpunkt ihrer Gesuchseinreichung die insgesamt zu leistenden Tage Ausbildungsdienst noch nicht vollständig geleistet hat und deshalb zur Gesuchseinreichung legitimiert ist (vgl. Art. 16 Abs. 1), so sind doch Fälle denkbar, in denen die negative Zulassungsvoraussetzung nach Artikel 1 Absatz 1 erst zum Zeitpunkt des Entscheids über das Gesuch erfüllt ist. Absatz 1 ist konsequenterweise um diese negative Zulassungsvoraussetzung zu ergänzen. Die in Absatz 2 vorgesehene Ausnahme im Fall von Assistenz- oder Aktivdienst dient der Wahrung des Kerngehalts des verfassungsmässigen Rechts, einen zivilen Ersatzdienst zu leisten.
Absatz 3 entspricht dem bisherigen Absatz 2.
Absatz 4 enthält die redaktionell bereinigte Bestimmung des bisherigen Absatzes 3.
Art. 20 zweiter Satz
Die bestehende Delegationsnorm hinsichtlich der Mindestdauer und der zeitlichen Abfolge wird aufgehoben, da der Bundesrat bereits gestützt auf Artikel 79 Absatz 1 zum Erlass der Ausführungsbestimmungen ermächtigt ist (vgl. 6. Kapitel 3. Abschnitt ZDV).
Art. 21
Beginn, zeitliche Abfolge und Mindestdauer der Einsätze
Absatz 1 : Bisher war der Ersteinsatz spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung zu beginnen , neu ist er innert dieser Frist zu leisten (Massnahme 6).
Absatz 2 dient der Umsetzung von Massnahme 5. Damit wird die Pflicht, nach Leistung des ersten Einsatzes jährliche Einsätze zu leisten, neu im Gesetz verankert.
Absatz 3 : Mit der Bestimmung, wonach Zivildienstleistende, die ihr Gesuch während der RS gestellt haben, ihren langen Einsatz bis zum Ende des Kalenderjahres abschliessen müssen, das der rechtskräftigen Zulassung folgt, wird eine weitere Angleichung der Dienstleistung in der Armee und jener im zivilen Ersatzdienst erwirkt. Eine unerwünschte Besserstellung der zivildienstpflichtigen Personen im Vergleich zu Rekruten kann vermieden werden. Damit wird Massnahme 6 umgesetzt.
Absatz 4: Für die Ausnahmen von den Regelungen betreffend die Abfolge der Einsätze zivildienstpflichtiger Personen, die aus dem Auslandurlaub zurückkehren (vgl. Art. 39 a Abs. 3 ZDV), deren Dienstbefreiung endet (vgl. Art. 39 a Abs. 3 ZDV), denen ein Gesuch um Dienstverschiebung bewilligt wurde (vgl. Art. 39 Bst. b ZDV) oder die nicht in einem geeigneten Einsatzbetrieb eingesetzt werden können (vgl. Art. 39 Bst. c ZDV), wird weiterhin eine Rechtsetzungsdelegation an den Bundesrat vorgesehen. Der Bundesrat wird unverändert die Möglichkeit vorsehen, dass ein jährlicher Einsatz um ein Jahr vor- oder nachgeholt werden kann (vgl. Art. 39 a Abs. 4 ZDV).
Art. 80b Abs. 1 Bst. d
Die Bestimmung wird hinsichtlich des Verweises auf das MG redaktionell angepasst.
Übergangsbestimmungen:
Artikel 83f : Die militärdienstpflichtige Person, die sich im Zusammenhang mit der Einreichung des Gesuchs um Zulassung zum zivilen Ersatzdienst über das Verfahren und die Einsatzpflichten informiert, entsprechend geplant und gegebenenfalls Vorbereitungen getroffen sowie ihr Gesuch im Anschluss noch unter altem Recht eingereicht hat, soll auch nach diesem Recht zugelassen werden: Die Massnahmen 2 und 4 sind auf sie nicht anwendbar, was in der Übergangsbestimmung von Absatz 1 festgehalten wird.
Die Massnahmen hinsichtlich des Beginns und der zeitlichen Abfolge der Einsätze (Massnahme 5) sowie hinsichtlich der Mindestdauer der Einsätze (Massnahmen 1 und 6) erweisen sich für bereits zum zivilen Ersatzdienst zugelassene Zivildienstpflichtige je nach Phase als echte (unerlaubte) Rückwirkung, was den Grundsätzen des intertemporalen Rechts widerspricht und ergibt, dass sich deren Einsatzpflicht weiterhin nach altem Recht richtet. Daher erübrigt sich eine Übergangsbestimmung.
Hingegen liegt keine unerlaubte Rückwirkung vor, wenn Einsatzvereinbarungen, die Artikel 4 a Buchstabe e (Massnahme 3) verletzen, ab Inkrafttreten des neuen Rechts nicht mehr bewilligt werden (Übergangsbestimmung von Absatz 2 ).
5³ SR 811.11
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
6.1.1 Finanzielle Auswirkungen
Gemäss dem Bericht zum Voranschlag 2025 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2026-2028 5⁴ wird im Budget 2025 mit 6800 Zulassungen pro Jahr gerechnet. Für die Finanzplanjahre ab 2026 werden das Inkrafttreten der Änderung des ZDG per 1. Januar 2026 und ein Rückgang der Zulassungen auf 4000 Personen pro Jahr angenommen, auch wenn eine zuverlässige Aussage über die tatsächlichen Auswirkungen der vorliegenden Gesetzesänderung auf die Anzahl der Zulassungen nicht möglich ist (siehe Ziff. 4.2). Auf der Grundlage dieser Annahme ist - ohne dass dazu Erfahrungswerte bestehen würden - mittelfristig ein Rückgang der geleisteten Zivildiensttage von rund 1,9 Millionen im Jahr 2026 auf rund 1,67 Millionen Diensttage im Jahr 2030 möglich. Dies würde einem Rückgang auf die gleiche Anzahl Diensttage entsprechen, wie im Jahr 2019 geleistet wurden (1,66 Mio.). Aufgrund dieser Plandaten ist mittelfristig mit verminderten Einnahmen des Bundes aus der Abgabe der Einsatzbetriebe zu rechnen. Für das Finanzplanjahr 2028 wird ein Ertrag in Höhe von rund 35,1 Millionen Franken erwartet, was im Vergleich mit dem Voranschlag 2025 einen Rückgang um rund 3 Millionen Franken bedeutet. In der Folge wird mit dem Rückgang der geleisteten Diensttage der jährliche Ertrag weiter sinken. Bei den Bruttokosten pro geleisteten Zivildiensttag wird mit einem Planwert von rund 22 Franken mittelfristig keine wesentliche Veränderung erwartet. Die tiefere Anzahl Zivildienstleistende führt indes auch bei konstanten Bruttokosten pro Zivildiensttag zu einem Rückgang des Funktionsaufwandes des ZIVI, insbesondere im Bereich des Personalaufwandes (siehe Ziff. 6.1.2).
Im Ausbildungsbereich werden geringere Zulassungszahlen ab 2026 und in der Folge ab 2030 ein Rückgang der Anzahl Zivildienstpflichtiger mittelfristig eine leichte Aufwandreduktion mit sich bringen. Für das Finanzplanjahr 2026 wird mit rund 65 800 Ausbildungstagen gerechnet, und es wird empirisch berechnet ein Rückgang auf rund 58 000 Ausbildungstage im Jahr 2030 erwartet. Auf eine frankenmässige Bezifferung wird verzichtet, da die Ausbildungskurse 2028/29 beschaffungsrechtlich neu auszuschreiben und zu vergeben sind, mit zurzeit nicht bekannten Konditionen.
Aus Zivildienstsicht kann ein allfälliger Rückgang bei den geleisteten Zivildiensttagen zu einer Entlastung bei der Erwerbsersatzordnung (EO) und der Militärversicherung (MV) führen, wobei offen bleibt, ob im Fall eines Verbleibens der vom Wechsel in den Zivildienst absehenden Personen in der Armee für die MV nicht dennoch höhere Kosten aufgrund von Unfällen oder Krankheiten entstehen können. Zudem sind die Änderungen der Armeebestände - (wie in den Ziff. 4.2 und 6.1.3 dargestellt) - ohnehin nicht genauer prognostizierbar, und es kann keine Annahme getroffen werden, wie viele Diensttage die Zivildienstleistenden künftig im Durchschnitt verfügt erhalten. Vor diesem Hintergrund sind die Prognosen für die finanziellen Auswirkungen auf die MV schwierig zu machen.
5⁴ Band 1 - Bericht zum Voranschlag 2025 mit IAFP 2026-2028. Kann abgerufen werden unter: www.efv.admin.ch > Finanzberichte > Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan > Voranschlag 2025 mit IAFP 2026-2028
6.1.2 Personelle Auswirkungen
Ein Rückgang der Zulassungen zum zivilen Ersatzdienst reduziert mittelfristig den Aufwand für die Einführung und die Ausbildung der Zivildienstpflichtigen. Weiter reduziert sich mittelfristig auch der Aufwand für die Betreuung der Zivildienstpflichtigen, weil die Anzahl der Personen und auch die Anzahl der insgesamt pro Jahr geleisteten Diensttage kleiner sein werden als heute. Da die zugelassenen Personen bis zur vollständigen Erfüllung ihrer ordentlichen Zivildienstpflicht eine jährliche Einsatzpflicht haben, wird der Rückgang im Verwaltungsaufwand erst mehrere Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung spürbar sein. Die Personalausgaben des ZIVI sind zu gegebener Zeit im richtigen Verhältnis zu reduzieren. Der Stellenabbau über mehrere Jahre kann durch natürliche Fluktuation bzw. durch Befristungen von Anstellungen vollzogen werden. Gemäss aktueller Schätzung des Eidgenössischen Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung / des ZIVI ist voraussichtlich ab 2031 von einem Abbau von jährlich CHF 140 000 / 1 FTE in den Jahren 2031-2034 auszugehen, was in den vier Jahren 1,4 Millionen Franken ausmachen wird.
6.1.3 Auswirkungen auf die Bestände der Armee
Die Auswirkungen der Änderung des ZDG auf die Armeebestände sind weder in Be-zug auf Zahlen noch auf verfügbare Profile im Sinne von Kompetenzen und Erfahrungen prognostizierbar. Die Gründe dafür sind in Ziffer 4.2 dargestellt.
6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete
Wenn weniger Personen zum zivilen Ersatzdienst zugelassen werden, wird die Anzahl der insgesamt pro Jahr geleisteten Zivildiensttage zurückgehen. Dieser Rückgang wird dazu führen, dass in einigen Tätigkeitsbereichen weniger Zivildienst zugunsten von Kantonen und Gemeinden, urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebieten geleistet wird. Betroffene Tätigkeitsbereiche können insbesondere der Umwelt- und Naturschutz, das Sozialwesen, das Schulwesen und die Landwirtschaft sein. Mit Blick auf den Zweck des zivilen Ersatzdienstes und die Erforderlichkeit der Durchsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass keine Wahlfreiheit zwischen Militärdienst und zivilem Ersatzdienst besteht, ist dieser Nachteil jedoch hinzunehmen.
6.3 Auswirkungen auf Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt
Wer einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst leistet, bleibt seinem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz öfter fern als Militärdienstleistende und belastet damit die Volkswirtschaft und die EO zusätzlich. Diese Mehrbelastung nimmt ab, wenn die Umsetzung der sechs Massnahmen dazu führt, dass künftig weniger Personen zivilen Ersatzdienst leisten. Es kommt zu einer Entlastung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden. Soweit die Regeln zur Abfolge der Einsätze an den Dienstleistungsrhythmus der Armee angeglichen werden, kann auf die Bedürfnisse der Arbeitgeber und die berufliche Ausbildung der Zivildienstpflichtigen künftig nicht mehr im selben Masse Rücksicht genommen werden. Dies ist jedoch im Sinne der Gleichwertigkeit von Militär- und Zivildienst zumutbar.
Abhängig von den Auswirkungen der Änderung des ZDG auf die Anzahl der Zulassungen, die zu leistenden Diensttage und in der Folge die Anzahl der Zivildienstpflichtigen stehen längerfristig weniger Personen und weniger Diensttage zur Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gemeinschaft zur Verfügung, für die schon heute Personalressourcen fehlen oder nicht ausreichen. Mit Blick auf den Zweck des zivilen Ersatzdienstes und die Erforderlichkeit, die verfassungsrechtliche Vorgabe durchzusetzen, dass keine Wahlfreiheit zwischen Militärdienst und zivilem Ersatzdienst besteht, ist dieser Nachteil jedoch hinzunehmen.
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
7.1.1 Rechtsgrundlage
Die Vorlage stützt sich auf Artikel 59 Absatz 1 BV, der einen zivilen Ersatzdienst vorsieht. Die Zivildienstgesetzgebung ist Sache des Bundes. Der Bund kann daher in diesem Bereich die erforderlichen Bestimmungen erlassen.
7.1.2 Vereinbarkeit mit Grundrechten
Die vorgeschlagenen Änderungen des ZDG betreffen Personen, die in einem besonderen Rechtsverhältnis stehen. 5⁵ Die vorgesehenen Massnahmen liegen alle im öffentlichen Interesse und werden aus verfassungsrechtlicher Sicht insgesamt als zulässig beurteilt (vgl. auch die Ausführungen in der Übersicht und unter Ziff. 4.1.1-4.1.3). Bei den Massnahmen nach den Artikeln 4 a Buchstabe e und 8 Absatz 1 bestehen gewisse verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. unten). Das verfassungsmässige Recht, zivilen Ersatzdienst zu leisten, bleibt unangetastet, wobei zu berücksichtigen ist, dass keine Wahlfreiheit zwischen Militär- und Zivildienst besteht. Diesem Prinzip ist - auch unter der Tatbeweislösung - die nötige Nachachtung zu verschaffen.
Für die Massnahmen nach den Artikeln 4 a Buchstabe e und 8 Absatz 1 stellt sich die Frage der Verfassungsmässigkeit mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) und bezüglich des Rechtsgleichheitsgebotes (Art. 8 BV). Die Massnahme nach Artikel 8 Absatz 1 kann nämlich bewirken, dass der Faktor 1,5 (Dauer des Zivildienstes im Vergleich zum Militärdienst) in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Wechsels zum Zivildienst auf maximal 37,5 ansteigt (vgl. Ziff. 5, Kommentar zu Art. 8 Abs. 1). Im vorparlamentarischen Verfahren zur früheren Vorlage (Botschaft 2019) wurden daher teilweise Zweifel laut, ob die erwähnten Massnahmen geeignet und insbesondere erforderlich seien, um die Armeebestände nachhaltig zu sichern und die Anzahl der Zulassungen zum Zivildienst substanziell zu senken. Dies unter anderem deshalb, weil der Zivildienst nur einer der Faktoren ist, die Auswirkungen auf den Armeebestand haben (vgl. dazu oben, Ziff. 4.2), und die Massnahmen nur präventiv mit Blick auf eine mögliche Gefährdung des Sollbestandes umgesetzt werden, die mittelfristig nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. dazu oben, Ausgangslage).
Eine rein mathematische Betrachtungsweise geht jedoch an der Sache vorbei. Nicht der Faktor als solcher darf ausschlaggebend sein, sondern einzig die Zumutbarkeit der effektiv zu erfüllenden Dienstpflicht . Gerade vor dem Hintergrund des Rechtsgleichheitsgebotes (Art. 8 BV) ist nicht hinzunehmen, dass Personen, die bereits einen beträchtlichen Teil ihrer Militärdienstpflicht ohne Geltendmachung eines Gewissenskonflikts erfüllt haben, aus zweckfremden Motiven zum zivilen Ersatzdienst wechseln können und dadurch gegenüber zu Beginn der Militärdienstpflicht Zugelassenen einen wesentlichen Vorteil erlangen. Wer nur noch wenige Ausbildungstage der Armee zu leisten hat, braucht nämlich zum Zeitpunkt der Zulassung bei seinem Gewissensentscheid kaum noch mit zu erwägen, dass bei Berufung auf einen Gewissenskonflikt die Erbringung eines ins Gewicht fallenden Tatbeweises in Kauf zu nehmen ist. Die mit dem Faktor bezweckte Wirkung nimmt somit mit zunehmender Anzahl geleisteter Ausbildungstage der Armee kontinuierlich ab, und das Leisten der verfügten Zivildienstage kann immer weniger als Erbringung eines Tatbeweises betrachtet werden, ohne dass die glaubhafte Darlegung und Prüfung von Gewissensgründen erforderlich wären. Augenfällig wird dies im theoretischen Fall, dass jemand mit 0 Restdiensttagen zum zivilen Ersatzdienst zugelassen wird und somit von den immer noch bestehenden militärischen Pflichten komplett befreit wird, ohne nur einen einzigen Diensttag im Zivildienst leisten zu müssen (0 x 1,5 = 0).
Bei der vorgeschlagenen Lösung muss der Fokus statt auf reinen Zahlen auf den Grundsatz gelegt werden, dass erstens ab einem bestimmten Zeitpunkt (nämlich ab Absolvierung der RS) alle Gesuchstellenden das gleiche Minimum an Zivildiensttagen leisten müssen und dass zweitens die Gesamtdauer der Militär- und Zivildienstleistungen höchstens 394 Diensttage umfasst. Betrachtet man diese Anzahl Diensttage, die unter dem Titel der allgemeinen Wehrpflicht von Personen, die zum zivilen Ersatzdienst zugelassen werden, maximal geleistet werden müssen, so ergibt sich gegenüber der maximalen Anzahl Diensttage, die von Angehörigen der Armee (ohne Kader) geleistet werden müssen (245 Diensttage), ein Faktor 1,6. Dass dieser Faktor sich noch im zulässigen Rahmen bewegt, ist offensichtlich. Die Massnahme 1 ist somit durchaus zumutbar und erweist sich auch unter dem Aspekt des Rechtsgleichheitsgebotes als erforderlich und geeignet, dem Prinzip des Tatbeweises Nachachtung zu verschaffen. Sie ist daher verhältnismässig. Die gleichen Überlegungen gelten auch für die Massnahme 2; auch hier bleibt das verfassungsmässige Recht, zivilen Ersatzdienst zu leisten, unangetastet, und es liegt im öffentlichen Interesse, an die Erbringung des Tatbeweises durch einen länger dauernden zivilen Ersatzdienst erhöhte Anforderungen zu stellen. Dies gilt umso mehr, als beim besonderen Rechtsverhältnis ⁵6 , in dem sich militär- und zivildienstpflichtige Personen befinden, der Aspekt der gesteigerten Inpflichtnahme der Betroffenen für einen konkreten öffentlichen bzw. staatlichen Zweck ⁵7 hervorzuheben ist. Die in dieser Vorlage vorgesehenen sechs Massnahmen liefern im Zivildienstrecht Instrumente zur Beeinflussung der Zugänge zum zivilen Ersatzdienst im Sinne einer konsequenteren Durchsetzung der Tatbeweislösung, der eine zentrale Funktion bei der Wahrung der Verfassungsvorgabe zukommt, dass keine Wahlfreiheit zwischen Militärdienst und zivilem Ersatzdienst besteht.
In einer Situation der Unsicherheit in Bezug auf die weitere Entwicklung zentraler Planwerte der WEA (vgl. Ziff. 1) sowie aufgrund des Ergebnisses des Schlussberichts zur WEA, wonach die Alimentierung der Armee eine Herausforderung bleibt, besteht zudem auch ein öffentliches Interesse an rechtzeitigen Massnahmen auch im Zivildienstrecht zur bedarfsgerechten Alimentierung der Armee und damit zur nachhaltigen Sicherstellung der sicherheitspolitisch geforderten Leistungen.
5⁵ Müller, Markus: Das besondere Rechtsverhältnis - ein altes Rechtsinstitut neu gedacht, Bern 2003, S. 174.
⁵6 Markus Müller, a. a. O., S. 174
⁵7 Markus Müller, a. a. O., S. 143 f.
7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Die vorgeschlagene Massnahme 1 ermöglicht Zivildienstleistungen, die in Einzelfällen insgesamt weit mehr als doppelt so lange wie der noch zu leistende Militärdienst dauern (vgl. Ziff. 5, Kommentar zu Art. 8 Abs. 1). Der UNO-Menschenrechtsausschuss hat in Fällen, in denen der Zivildienst doppelt so lange dauerte wie der Militärdienst, wiederholt eine Verletzung der Artikel 18 und 26 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 ⁵8 über bürgerliche und politische Rechte (Diskriminierungsverbot) festgestellt (vgl. Young Kwan Kim et consorts c. République de Corée, communication n° 2179/2012, constatations du 15.10.2014, § 7.3; Vernier et Nicolas c. France, communication n° 690 et 691/1996, constatations du 11.07.2000, § 10.4 ⁵9 sowie weitere Beispiele bei Manfred Nowak, CCPR Commentary, 2nd ed. 2008, N 29 ad Art. 8 und N 29 ad Art. 26. Vgl. auch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 7. Juli 2011 in Sachen Bayatyan gegen Armenien [Grosse Kammer] 6⁰ ). Insofern stellt sich die Frage der Vereinbarkeit von Massnahme 1 mit den Anforderungen des Paktes. Bis heute hat jedoch kein Gericht darüber befunden, ob im konkreten Beschwerdefall die Erhöhung auf einen Faktor von maximal 37,5 dem Diskriminierungsverbot standhalten würde. Der Bundesrat erachtet es daher als vertretbar, dass mit Massnahme 1 ab einem gewissen Zeitpunkt (nämlich nach Absolvierung der RS) höhere Anforderungen an den Tatbeweis gestellt werden.
⁵8 SR 0.103.2
⁵9 Weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.juris.ohchr.org (Stand: 22.11.204).
6⁰ Weitere Informationen können abgerufen werden unter: www.hudoc.echr.coe.int (Stand: 22.11.2024).
7.3 Erlassform
Der Entwurf enthält wichtige rechtsetzende Normen im Sinne von Artikel 164 BV, die in Form eines Bundesgesetzes zu erlassen sind.
7.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen
Es sind keine neuen Rechtsetzungsdelegationen an den Bundesrat vorgesehen. Die in Artikel 21 Absatz 4 vorgesehene Rechtsetzungsdelegation entspricht den bisherigen Rechtsetzungsbefugnissen (vgl. Art. 20, 21 Abs. 2 und Art. 79 Abs. 1 ZDG).
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Zivildienstgesetzes
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