Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2024
Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2024
vom 25. Juni 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Wir unterbreiten Ihnen den Bericht über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2024 und bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen.
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
| 25. Juni 2025 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Bericht
1 Zusammenfassung der Schwerpunkte im Jahr 2024
Nach Angaben des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) haben Zwangsvertreibungen im Jahr 2024 einen Rekordwert erreicht. Weltweit waren über 120 Millionen Menschen auf der Flucht oder wurden vertrieben. Davon sind 71,2 Millionen Binnenvertriebene. ¹ Mehr als 70 Prozent der Flüchtlinge und Vertriebenen finden Schutz in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und 69 Prozent in benachbarten Staaten. Obwohl die Krise in Syrien nach wie vor die wichtigste Fluchtursache darstellt, sind die steigenden Flüchtlingszahlen vor allem auf die zunehmenden Binnenvertreibungen und die bewaffneten Konflikte im Sudan, in der Demokratischen Republik Kongo, in Myanmar, im Gazastreifen und in der Ukraine zurückzuführen. Der Unterstützungs- und Schutzbedarf der Vertriebenen ist weiterhin sehr hoch und die Suche nach dauerhaften Lösungen eine vorrangige Aufgabe.
Neben den erwähnten Konflikten sind Menschenrechtsverletzungen, die prekäre Wirtschaftslage, die wachsende Ungleichheit und der begrenzte Zugang zu regulären Migrationswegen für Drittstaatsangehörige weitere Gründe für die anhaltend hohe Zahl von Asylgesuchen und irregulären Einreisen in die Schweiz und andere europäische Staaten. ² Ein Grossteil der irregulären Migration in die Schweiz erfolgte über die Türkei und den Balkan. Auch wenn die in der Schweiz gestellten Asylgesuche im Vergleich zum Vorjahr (30 223 Gesuche) um 8,2 Prozent zurückgegangen sind, bleiben die Herausforderungen in Bezug auf die Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden gross. Am 4. September 2024 beschloss der Bundesrat, den vorübergehenden Schutz für Geflüchtete aus der Ukraine bis zum 4. März 2026 zu verlängern. Die Schweiz gewährte im Berichtsjahr 9272 Personen den Schutzstatus S. Ende des Jahres 2024 gibt es noch 67 700 aktive Status S.
Im Jahr 2024 konzentrierte sich die schweizerische Migrationsaussenpolitik auf das Migrationsmanagement sowie die Verringerung der irregulären Migration nach Europa und der damit verbundenen Risiken. Ferner galt es, die am meisten betroffenen Partnerstaaten bei der Aufnahme von Geflüchteten zu unterstützen, den Vertriebenen in den Herkunftsstaaten und -regionen Hilfe und Schutz zu bieten und ihre wirtschaftlichen Perspektiven zu verbessern sowie dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge und Vertriebene zu schaffen. Weitere Schwerpunkte waren der Schutz und eine bessere wirtschaftliche und finanzielle Integration vulnerabler Arbeitsmigrantinnen und -migranten in den Partnerländern und -regionen, die Bekämpfung von Menschenhandel, die Prävention und Aufklärung von Fällen vermisster Migrantinnen und Migranten sowie Verfahren zur Rückkehr nicht schutzbedürftiger Personen. Verschiedene Bundesstellen arbeiten innerhalb der interdepartementalen Struktur zur Koordination der Migrationszusammenarbeit (IMZ-Struktur) eng zusammen, um auf bilateraler, regionaler und multilateraler Ebene eine kohärente Migrationsaussenpolitik sicherzustellen.
Auf europäischer Ebene war die Verabschiedung des EU-Migrations- und -Asylpakts (EU-Pakt) im Mai 2024 durch den Rat der Europäischen Union (EU) und das Europäische Parlament ein wichtiger Meilenstein. Die Schweiz unterstützt die Ausrichtung dieser Reform. Denn diese bezweckt, das gesamte europäische Asyl- und Migrationssystem zu stärken, es effizienter, krisenfester und solidarischer zu machen und gleichzeitig auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Im Berichtsjahr setzte sich die Schweiz auch in verschiedenen Projekten für die Unterstützung von Staaten ein, die an der Aussengrenze der EU besonders unter Druck stehen oder die durch die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine stark gefordert sind.
Die Migrationszusammenarbeit konzentrierte sich auf Drittstaaten an den für die Schweiz wichtigsten Migrationsrouten im Mittleren Osten (Syrien, Libanon, Irak und Türkei), in Nordafrika (Tunesien, Marokko und Algerien), am Horn von Afrika (Eritrea und Äthiopien), in West- und Zentralafrika (Gambia, Côte d’Ivoire, Guinea und Nigeria), in Asien (Afghanistan, Iran, Pakistan und Sri Lanka) und im Südkaukasus (Georgien). Die Schweiz hat ihr Engagement mit bilateralen und regionalen Migrationsdialogen und mit der Durchführung gezielter Projekte konkretisiert. Ihre bilateralen Bemühungen wurden durch ihre Beteiligung an regionalen und multilateralen Prozessen zum Migrationsmanagement verstärkt. So spielte die Schweiz im Rahmen des Rabat-Prozesses eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit zur Problematik vermisster Migrantinnen und Migranten. Sie nahm auch an Verhandlungen teil, die im November 2024 zur Verabschiedung des neuen Aktionsplans des Budapest-Prozesses für den Zeitraum 2025-2030 führten. Zudem machte sich die Schweiz im Berichtsjahr an die Umsetzung der Zugeständnisse, die sie beim Globalen Flüchtlingsforum 2023 eingegangenen ist.
Angesichts der Folgen der zahlreichen humanitären Krisen und der anhaltenden bewaffneten Konflikte im Jahr 2024 bildete die internationale Zusammenarbeit weiterhin ein wesentliches Element der schweizerischen Migrationsaussenpolitik, sei es in Form von humanitärer Hilfe oder Entwicklungszusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit ist auch eine wichtige Voraussetzung, um Perspektiven zu schaffen und eine reguläre, sichere und entwicklungsfördernde Migration in den Partnerländern und -regionen zu begünstigen.
¹ Website des UNHCR
www.unhcr.org/about-unhcr/who-we-are/figures-glance
.
² Europa: 1,12 Millionen Asylgesuche; die tatsächliche Anzahl irregulärer Einreisen ist nicht bekannt. Schweiz: 27 740 Asylgesuche und 29 460 irreguläre Migrantinnen und Migranten, die vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) an den Schweizer Grenzen festgestellt wurden.
2 Migrationskontext im Jahr 2024
In Europa (EU und assoziierte Staaten) wurden im Berichtsjahr rund 1 120 000 Asylgesuche gestellt, was einem Rückgang von rund 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die effektive Zahl der Personen, die in Europa ein Asylgesuch stellten, liegt jedoch tiefer, da Sekundärmigration (Dublin-Fälle) sehr oft zu Mehrfacherfassungen führt. Der Rückgang der Asylgesuche in Europa ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: Erstens war die Zuwanderung von Asylsuchende türkischer, afghanischer und syrischer Staatsangehöriger rückläufig. Zweitens spielten auch Veränderungen auf der Migrationsroute eine Rolle, wobei sich diese Veränderungen sehr unterschiedlich auf die europäischen Staaten auswirkten. So konnte dank der Abkommen Italiens und der EU mit Tunesien die Zahl der Anlandungen in Süditalien verringert werden. Zudem führte das härtere Vorgehen der serbischen Behörden gegen Schleppernetzwerke in Nordserbien zu einem deutlichen Rückgang der Asylgesuche in Deutschland (-29 %) und in Österreich (-58 %) sowie zu einer Verlagerung der Balkanroute nach Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien. Dadurch wurden nicht nur in Deutschland und Österreich weniger Asylgesuche gestellt sondern auch in Bulgarien (-44 %) und Zypern (-42 %). Einen Anstieg der Gesuche verzeichneten hingegen Belgien (+11 %), Griechenland (+15 %), Italien (+17 %), Irland (+40 %) und Polen (+75 %), während die Gesuchszahlen in anderen Ländern stabil geblieben sind. Die Zahl der Asylgesuche aus Lateinamerika war insbesondere in Spanien nach wie vor hoch.
Die Schweiz ist als Zielland für Asylsuchende weiterhin von sekundärer Bedeutung. Zahlreiche Personen reisten über die Schweiz in ein anderes europäisches Land, um dort ein Asylgesuch einzureichen. Im Berichtsjahr wurden in der Schweiz 27 740 Asylgesuche gestellt, was einem Rückgang von 8,2 Prozent gegenüber 2023 entspricht. Von allen in Europa eingereichten Asylgesuchen entfielen wie bereits im Vorjahr 2,4 Prozent auf die Schweiz. In 6521 Fällen handelte es sich um Sekundärgesuche, darunter 3300 Gesuche die infolge der Praxisänderung vom Juli 2023 betreffend Frauen aus Afghanistan von afghanischen Staatsangehörigen eingereicht wurden, die bereits über einen Aufenthaltstitel verfügten. Die Primärgesuche von Staatsangehörigen der für die Schweiz wichtigsten Herkunftsstaaten, Afghanistan und Türkei, waren im Jahr 2024 rückläufig. Bei den türkischen Staatsangehörigen betrug der Rückgang 40 Prozent. Die am häufigsten genutzte Migrationsroute in die Schweiz führte über die Türkei und den Balkan. Im Jahr 2024 wurden in der Schweiz 16 616 Gesuche um Schutzstatus S gestellt, was einem Rückgang von 49,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Von den 100 258 seit März 2022 gewährten Schutzstatus S waren Ende 2024 noch 67 700 aktiv. Insgesamt sind die Herausforderungen für das Schweizer Asylsystem, insbesondere im Bereich der Unterbringung und Betreuung, nach wie vor gross. Deshalb hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) im Jahr 2024 auf eine Wiederaufnahme von Flüchtlingsgruppen im Rahmen des Resettlement-Programms verzichtet.
Wichtigste Migrationsrouten nach Europa
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Quelle: SEM
Asylgesuche in der Schweiz 1991-2024
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Quelle: SEM
Asylgesuche in der Schweiz - wichtigste Herkunftsstaaten 2024
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Quelle: SEM
In Bezug auf die reguläre Migration ist festzuhalten, dass die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften in der Schweiz weiterhin sehr hoch ist. Im Jahr 2024 sind 53 700 EU/European Free Trade Association (EFTA)-Staatsangehörige in die ständige Wohnbevölkerung eingewandert, davon 71 % zur Erwerbstätigkeit. Im europäischen Vergleich war die Schweiz zwischen 2005 und 2022 das drittwichtigste Zielland für die Arbeitskräftemobilität innerhalb des Freizügigkeitsraums ⁴ . Nebst Zwangsvertreibungen bleibt die menschliche Mobilität ein globales Phänomen; das weitgehend mit der Suche nach Arbeit verbunden ist: Weltweit gibt es 169 Millionen Arbeitsmigrierende, davon sind 42 Prozent Frauen. Arbeitsmigration ist ein wichtiger Faktor für wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand in den Herkunfts- und Zielstaaten, aber die Risiken von Ausbeutung, Diskriminierung, Zwangsarbeit und Menschenhandel sind insbesondere in Niedriglohnsektoren und für Frauen hoch.
³ Dargestellt sind Primärgesuche, keine Familiennachzüge und Geburten. Gesuche um Schutzstatus S von aus der Ukraine geflüchteten Personen werden in dieser Statistik nicht berücksichtigt.
⁴ Quelle SEM und SECO: 20. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU.
2 Schwerpunktregionen der schweizerischen Migrationsaussenpolitik
Die Schwerpunktregionen für die Schweiz sind Europa, Nordafrika, der Mittlere Osten, das Horn von Afrika sowie West- und Zentralafrika. Einzelne Länder in Asien und im Südkaukasus bildeten ebenfalls einen Schwerpunkt. Vertreibung und Migration waren zentrale Themen in den politischen Dialogen mit den Ländern dieser Regionen. Sie wurden systematisch und konsequent in die verschiedenen Programme der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe aufgenommen.
Das Jahr 2024 markierte den Abschluss der Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) im Zeitraum 2021-2024, in der die Migration ein Schwerpunktbereich war. Die Strategie diente dazu, den Herausforderungen in Zusammenhang mit irregulärer Migration und Zwangsvertreibung zu begegnen und gleichzeitig das Potenzial der regulären Migration für eine nachhaltige Entwicklung zu stärken. Ebenso sollte der Migrationsaspekt endgültig in die IZA integriert werden, nachdem die strategische Verknüpfung zwischen Migration und IZA gefestigt wurde, etwa durch die Bereitstellung sogenannter flexibler Mittel.
Dank dieser Mittel konnte die Schweiz flexibel auf aktuelle Herausforderungen und Opportunitäten im Rahmen von Migrationsdialogen reagieren. Sie wurden von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) basierend auf Vorschlägen des Staatssekretariats für Migration (SEM) und in Abstimmung mit der IMZ-Struktur für Entwicklungsprojekte in Ländern eingesetzt, die zwar keine Schwerpunktländer der IZA sind, sich aber innerhalb der vier IZA-Schwerpunktregionen befinden. Im Jahr 2024 setzte die Schweiz Mittel in West- und Zentralafrika (Nigeria, Côte d’Ivoire, Gambia und Guinea) und in Südasien (Pakistan und Sri Lanka) ein. Dadurch konnten die Migrationsdialoge verstärkt werden. Diese bezogen sich auf die Bedürfnisse in den Bereichen Berufsbildung, Schutz von Flüchtlingen und vulnerablen Migrantinnen und Migranten, langfristige Perspektiven und Beteiligung der Diaspora. Die flexiblen Mittel haben sich als nützliches Instrument der Migrationsaussenpolitik erwiesen und wurden in die IZA-Strategie 2025-2028 übertragen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) kann ebenfalls mit Komplementärmassnahmen ausserhalb seiner IZA-Schwerpunktländer tätig werden. Dabei bindet es Ländervorschläge des SEM und der DEZA in die globalen oder regionalen Programme ein, welche die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern, Arbeitsplätze schaffen oder das Unternehmertum fördern.
Ganz allgemein hat die Schweiz ihre Aktivitäten im Migrationsbereich sowohl in ihren Schwerpunktländern als auch über ihre globalen Programme und ihre multilaterale Tätigkeit verstärkt, indem sie spezifische Programme umgesetzt oder die Migration in anderen Programmen berücksichtigt hat. Der Schwerpunkt der IZA wurde auf den Schutz, die Integration und einen stärkeren Beitrag der Migrantinnen und Migranten zur nachhaltigen Entwicklung gelegt.
. Europa
Im Mai 2024 wurde der Europäische Migrations- und Asylpakt (EU-Pakt) durch den Rat der EU und das Europäische Parlament verabschiedet. Damit hat sich die EU auf eine umfassende Reform des europäischen Migrations- und Asylsystems geeinigt. Die wichtigsten Ziele dieser Reform liegen im Interesse der Schweiz. Personen, die keinen internationalen Schutz benötigen oder die rechtlichen Voraussetzungen für diese Schutzgewährung nicht erfüllen, sollen von der irregulären Migration nach Europa abgehalten werden. Gleichzeitig soll dieser Schutz Personen, die schutzbedürftig sind, weiterhin gewährt werden. Mit dieser Reform wird ein Beitrag zur gesamtheitlichen Stärkung des europäischen Asyl- und Migrationssystems geleistet und gleichzeitig auf die aktuellen Herausforderungen reagiert. Darüber hinaus soll die Effizienz in der Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Aufteilung der migrationsbezogenen Verantwortung verbessert werden. Die Reform führt erstmals einen rechtsverbindlichen Solidaritätsmechanismus zwischen den EU-Mitgliedstaaten ein, der eine gegenseitige Unterstützung vorsieht, um Staaten unter besonderem Migrationsdruck zu entlasten. Diese flexible Unterstützung kann in Form von Übernahmen, finanziellen Beiträgen oder alternativen Massnahmen erfolgen. Die Teilnahme am Solidaritätsmechanismus ist für die EU-Mitgliedstaaten verbindlich. Die Schweiz ist als assoziierter Staat an Schengen und Dublin nicht zur Teilnahme am Solidaritätsmechanismus verpflichtet, prüft jedoch die Möglichkeit einer freiwilligen Beteiligung. Der EU-Pakt beinhaltet mehrere Weiterentwicklungen des Schengen- und Dublin/Eurodac-Besitzstands, die für die Schweiz verbindlich sind und im Rahmen der Assoziierungsabkommen zu Schengen und Dublin übernommen werden müssen. Diese Weiterentwicklungen wurden der Schweiz am 17. Mai 2024 notifiziert, und der Bundesrat hat den Notenaustausch zur Übernahme dieser EU-Verordnungen am 14. August 2024 unter Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung gutgeheissen. Die Reform muss spätestens bis Mitte 2026 umgesetzt werden. Die umzusetzenden Weiterentwicklungen betreffen vier Bereiche: das Registrierungs- und das Identifizierungsverfahren (Überprüfungsverfahren, Screening, Verordnung (EU) 2024/1356), die neue Eurodac-Verordnung ((EU) 2024/1358), neue Zuständigkeitsregeln für Asylgesuche (Dublin-Regeln, Verordnung (EU) 2024/1351) sowie die Ausnahmen von diesen Regeln im Krisenfall (Verordnung (EU) 2024/1359). Die Schweiz begrüsst die Verabschiedung des EU-Pakts und setzt sich aktiv für eine einheitliche Umsetzung dieser Reform in Europa ein.
Seit der Verabschiedung des EU-Pakts wurden weitere mögliche Massnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration und zur Beschleunigung der Rückführungsverfahren vorgeschlagen, die auf EU-Ebene diskutiert werden. Dazu gehört insbesondere eine Reform des Rückführungssystems im Schengen-Raum, die die Einrichtung von Rückkehrzentren im Ausland ( Return Hubs ) für die Mitgliedstaaten ermöglichen könnte. Im Rahmen des Postulats 23.4490 Caroni wird derzeit eine Auslegeordnung zu diesen Lösungsansätzen vorgenommen, etwa die Auslagerung von Asylverfahren oder die Rückführung in Drittstaaten.
Gleichzeitig hat sich die Schweiz im Jahr 2024 weiter an der Schengen/Dublin-Zusammenarbeit in den Bereichen Grenzschutz, Justiz, Polizei, Visa und Migration beteiligt. Die Aussetzung der Dublin-Überstellungen nach Italien seit dem 5. Dezember 2022 hat sich auf die Schweiz und andere Dublin-Staaten ausgewirkt. Die Nachbarstaaten Italiens mussten mehr Asylgesuche prüfen, wodurch ihre Verwaltungssysteme noch stärker belastet wurden. Auch wenn die Überstellungen nicht durchgeführt wurden, hat die Schweiz im Jahr 2024 weiter Dublin-Ersuchen an Italien gerichtet und nach Lösungen auf EU-Ebene gesucht. Sie hat dieses Thema regelmässig sowohl mit ihren europäischen Partnern als auch mit Italien erörtert, letztmals anlässlich des Treffens zwischen Bundesrat Beat Jans und dem italienischen Innenminister Matteo Piantedosi vom 22. November 2024 in Chiasso.
Im September und Dezember 2024 verlängerte Deutschland die Grenzkontrollen an allen Binnengrenzen einschliesslich der Grenze zur Schweiz. Gemäss den deutschen Behörden soll diese Massnahme, die sich auf die bestehenden Rechtsvorschriften des Schengener Grenzkodex stützt, die Schwierigkeiten bei der Dublin-Zusammenarbeit ausgleichen und irreguläre Migrationsbewegungen nach Deutschland eindämmen. Da die Kontrollen an der Schweizer Grenze bereits seit Oktober 2023 bestehen und Deutschland die bestehende Regelung nicht verschärft hat, hatten diese Massnahmen weder im grenzüberschreitenden Verkehr noch bei den Migrationszahlen Auswirkungen auf die Schweiz. Die Schweiz hat seit der Ankündigung erneuter Grenzkontrollen durch die deutschen Behörden keinen Anstieg der Asylgesuche verzeichnet. Sie wird die Entwicklung weiter beobachten und die möglichen Folgen der Grenzkontrollen analysieren. Grenzkontrollen zur Eindämmung der Migrationsbewegungen hält sie für keine angemessene Lösung. Auch die Sicherheitslage im Berichtsjahr vermochte ihrer Ansicht nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen nicht zu rechtfertigen. Ausserdem verfügt die Schweiz als Nichtmitglied der Zollunion im Vergleich zu den EU-Mitgliedstaaten über weitergehende Kontrollmöglichkeiten. Sie kann grundsätzlich an allen Grenzen und im Inland Zollkontrollen durchführen. Bei diesen Zollkontrollen oder bei Vorliegen eines polizeilichen Verdachts führt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) auch Personenkontrollen durch. Zudem besteht die Möglichkeit, diese Zollkontrollen in besonderen Situationen zu verstärken, ohne dass systematische Kontrollen im Sinne des Schengener Grenzkodex eingeführt werden müssen. Dies war im Sommer 2024 der Fall, als der Bundesrat beschloss, die bestehenden Massnahmen an den Grenzen während sportlicher Grossanlässe in den Nachbarstaaten zu verstärken, um der erhöhten Terrorgefahr zu begegnen.
Die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine war auch im Jahr 2024 eine Hauptsorge der EU-Staaten und der Schweiz. Die Schweiz hat den vom Krieg in der Ukraine betroffenen Menschen weiterhin Schutz geboten. Im September 2024 hat der Bundesrat erneut die Weiterführung des Schutzstatus S für diese Personen bis März 2026 beschlossen. Auf nationaler Ebene lag der Schwerpunkt auf der Integration in den Arbeitsmarkt. Ziel des Bundesrates war, dass bis Ende 2024 mindestens 40 Prozent der Geflüchteten mit Schutzstatus S in den Arbeitsmarkt integriert sind. Um die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu verstärken, hat das EJPD einen Beauftragten für Arbeitsmarktintegration ernannt. Auf internationaler Ebene konzentrierte sich die Schweiz mit ihrem Kooperationsprogramm vorrangig auf die Nachbarländer der Ukraine und insbesondere auf Moldau, das im Verhältnis zur Bevölkerungszahl am meisten ukrainische Flüchtlinge aufnimmt. Hier stand besonders die Umsetzung des vorübergehenden Schutzes für Geflüchtete aus der Ukraine sowie deren Integration in den lokalen Arbeitsmarkt im Vordergrund.
Die Nachbarstaaten der Ukraine wurden im Rahmen des zweiten Schweizer Beitrags unterstützt. Aus dem Rapid Response Fund des Verpflichtungskredits «Migration» setzte die Schweiz im Jahr 2024 über zwei Millionen Franken ein, um Projekte in nahe der Ukraine gelegenen EU-Staaten (Polen, Tschechische Republik, Ungarn, Rumänien, Slowakei, Lettland, Litauen, Kroatien und Bulgarien) zu unterstützen. Zur längerfristigen Unterstützung in der Region wurden im Rahmen des Verpflichtungskredits «Kohäsion» fünf Programme genehmigt, die Massnahmen in den Bereichen Integration und Bekämpfung von Menschenhandel vorsehen. Die Schweiz wird somit Bulgarien, Estland, die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn mit rund 40 Millionen Franken bei der Umsetzung dieser Programme unterstützen.
Der Schweizer Beitrag kam auch den Mittelmeeranrainerstaaten zugute. Mit Mitteln aus dem Rapid Response Fund unterstützte die Schweiz zwei Projekte in Spanien und Malta. Griechenland, Italien und Zypern wurden im Rahmen der ersten Phase der bilateralen Kooperationsprogramme des Verpflichtungskredits «Migration» unterstützt (insgesamt CHF 70 Mio. für den Zeitraum 2022-2026). Im Hinblick auf die Umsetzung der zweiten Phase, die von 2025-2029 dauert, führte die Schweiz Verhandlungen mit Griechenland und Zypern über die Verlängerung der bestehenden Zusammenarbeit. Mit Bulgarien wurden ebenfalls Verhandlungen geführt. Je nach Land beziehen sich die Programme auf die Bereiche Asyl, Unterbringung, freiwillige Rückkehr und Reintegration sowie Erstintegration.
Die Migration in den Schengen-Raum ist nach wie vor ein wichtiges Thema für die Schweiz. Die irreguläre Migration über die Westbalkanroute hat zwar unter anderem dank einer angepassten Visumpolitik in dieser Region weiter abgenommen, sie bleibt aber die am häufigsten genutzte Migrationsroute und damit ein Schwerpunkt für die Schweiz. Im Jahr 2024 setzte die Schweiz, insbesondere über ihre Migrationspartnerschaften, noch stärker auf die Kooperation mit den Balkanstaaten. Bei seinem Besuch im Juli in Serbien unterstrich Bundesrat Beat Jans die ausgezeichnete Zusammenarbeit im Migrationsbereich und brachte als wichtiges Anliegen der Schengen-Mitgliedstaaten die Angleichung der Visumbestimmungen zur Sprache. In Bosnien und Herzegowina konzentrierte sich der Migrationsdialog auf die Verringerung der irregulären Migration. Zudem finanzierte die Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsministerium die vierte regionale Ministerkonferenz «Sarajevo Migration Dialogue» mit dem Ziel, die Zusammenarbeit in der Region zu stärken. Mit einem regionalen Ansatz unterstützte die Schweiz lokale Initiativen in Serbien, Kosovo sowie Bosnien und Herzegowina zum Schutz von Flüchtlingen und Migranten entlang der Balkanroute.
2.2 Mittlerer Osten
Im Jahr 2024 verschlechterten sich die Sicherheitslage sowie die wirtschaftliche und humanitäre Situation im Mittleren Osten. Die politischen Krisen und Konflikte verschärften sich insbesondere im Gazastreifen, in Israel, im Libanon, in Syrien, im Iran und im Jemen, was zu grosser Vertreibung führt. Die Schweiz verstärkte daher ihre Aktivitäten in Syrien, im Libanon, in Jordanien, im Irak und in der Türkei, um vulnerable Bevölkerungsgruppen zu schützen und dauerhafte Lösungen für Vertriebene zu suchen.
In Syrien, wo die Zusammenstösse im Laufe des Jahres zugenommen haben und die Zahl der Binnenvertriebenen auf 7,2 Millionen geschätzt wird, ist der Bedarf an Schutz und Zugang zur Grundversorgung, etwa im Gesundheits- und Bildungsbereich, weiter gestiegen. Infolgedessen wurden mehr als 60 Millionen Franken für humanitäre Hilfe bereitgestellt. Mit dem Sturz des syrischen Präsidenten Bachar al-Assad am 8. Dezember 2024 hat sich die Lage grundlegend verändert. Ende 2024 war es noch zu früh, um die möglichen Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Migrationsentwicklung zu beurteilen. Am 9. Dezember 2024 beschloss das SEM, die Asylentscheide für syrische Asylsuchende zu sistieren, bis die Situation in Syrien neu beurteilt werden kann.
Im Libanon erhöhten die anhaltende politische Krise, die desolate Wirtschaftslage und vor allem der militärische Konflikt im Süden des Landes die Vulnerabilität der Bevölkerung. Gemäss dem UNHCR leben schätzungsweise 1 500 000 syrische Flüchtlinge, 500 000 palästinensische Flüchtlinge und 100 000 Binnenvertriebene im Libanon. Die Schweizer Programme legten einen besonderen Schwerpunkt auf die Grundversorgung für Flüchtlinge wie auch für die Aufnahmegemeinschaften, unter anderem im Bildungsbereich, sowie auf den Zugang zu Rechtsschutz für Asylsuchende, Flüchtlinge und Staatenlose. Die Schweiz hat auch die Initiativen des UNHCR zur Neuansiedlung von im Libanon lebenden Flüchtlingen in Drittstaaten finanziell unterstützt.
Das Jahr 2024 markierte einen Wendepunkt in der Migrationszusammenarbeit zwischen dem Irak und der Schweiz. Nach der Wiedereröffnung der Schweizer Botschaft in diesem Jahr wurde eine Schweizer Verbindungsbeamtin für Migrationsfragen ( Immigration Liaison Officer , ILO) nach Bagdad entsandt. Zudem mündeten die bilateralen Bemühungen seit 2023 in die Unterzeichnung eines Abkommens mit dem Irak, das die bilaterale Migrationszusammenarbeit verstärken soll. Auf humanitärer Ebene setzte die Schweiz angesichts der verbesserten allgemeinen Lage im Land ihre Unterstützung im Bereich der beruflichen Wiedereingliederung von zurückgekehrten Personen und vulnerablen Bevölkerungsgruppen in geringerem Umfang fort.
In Jordanien und in der Türkei, wo besonders viele Flüchtlinge leben, führte die Schweiz Projekte durch, die sich mit Bildung, Schutz, Zugang zu Rechtshilfe, beruflicher Entwicklung sowie Wasser- und Abwassermanagement vor dem Hintergrund des Klimawandels befassen.
Die Schweiz setzte sich auch im Bereich der regulären Arbeitsmigration in Drittstaaten ein, denn der Mittlere Osten ist eine bedeutende Region für reguläre Migrantinnen und Migranten aus Asien und Afrika, die in Tieflohnbranchen arbeiten (Industrie, Bau, Hausangestellte usw.). Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in dieser Region. Um diesen zu stärken und um menschenwürdige Arbeitsbedingungen für diese Migrierende sowie die Wahrung ihrer Rechte zu gewährleisten, arbeitet die Schweiz in Jordanien, im Libanon und in den Golfstaaten mit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zusammen.
. Nordafrika
Die nordafrikanischen Staaten sind in Bezug auf irreguläre Migration Herkunfts-, Transit- und Zielstaaten zugleich. Im Berichtsjahr verzeichnete die Schweiz einen Anstieg der Asylgesuche aus Algerien, Tunesien und Marokko. Da die Schutzquote für Asylsuchende aus diesen Staaten gering ist, werden in vielen dieser Fälle Massnahmen zur unfreiwilligen Rückkehr ergriffen. Als Transitregion ging von Nordafrika auch im Berichtsjahr ein hoher Migrationsdruck auf Europa aus, vor allem über die zentrale Mittelmeerroute - dies, obwohl die Überfahrten insbesondere aufgrund der von der EU und Italien eingeführten Massnahmen rückläufig waren. Gleichzeitig wurde dieser Rückgang durch eine Zunahme der Migrationsbewegungen über das westliche Mittelmeer und den Atlantik in Richtung Kanarische Inseln und Festlandspanien ausgeglichen. Als Zielregion war Nordafrika im Jahr 2024 mit einer hohen Zahl von Flüchtlingsbewegungen sudanesischer Flüchtlinge in Libyen, Tunesien und Ägypten konfrontiert. Infolgedessen ist der Bedarf an Schutz und Zugang zur Grundversorgung für Geflüchtete und irregulär anwesende Migrierende gestiegen. In mehreren Staaten wurden auch vermehrt Asylgesuche gestellt.
Aus diesen Gründen stellt Nordafrika eine Schwerpunktregion der schweizerischen Migrationsaussenpolitik dar. Die Schweiz pflegte auch im Jahr 2024 enge Beziehungen zu den nordafrikanischen Staaten. Sie setzte sich auf bilateraler und regionaler Ebene für die Zusammenarbeit im Migrations- und Wirtschaftsbereich sowie die IZA ein und förderte mit verschiedenen humanitären Hilfsprojekten (Libyen, Tunesien, Ägypten) den Zugang von vulnerablen Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen zur Grundversorgung. In Tunesien setzt sich die Schweiz zudem weiterhin für die Förderung der zirkulären Migration und die Einbindung der Diaspora ein.
Bundesrat Beat Jans reiste im Mai 2024 zu einem Arbeitsbesuch nach Tunesien, der im Rahmen der Umsetzung der Migrationspartnerschaft erfolgte. Im November folgte ein Expertentreffen mit dem Ziel, die Migrationsgouvernanz und die Prävention irregulärer Migration zu stärken. Zudem wurden neue Projekte zum Schutz von Migrantinnen und Migranten und zur Bekämpfung von Menschenhandel ins Leben gerufen und umgesetzt.
Im Berichtsjahr haben die Schweiz und Marokko ihre Migrationszusammenarbeit deutlich verstärkt. Im Februar reiste eine hochrangige interministerielle Delegation in die Schweiz, um den Migrationsdialog im Rahmen der Ständigen gemischten Arbeitsgruppe für Migrationsfragen (Groupe Permanent Migratoire Mixte, GPMM) weiterzuführen. Dabei wurde die operative Zusammenarbeit vertieft, und in Bereichen wie Rückübernahme und Sicherheit sowie bei Fragen der Berufsbildung und des Zugangs zum lokalen Arbeitsmarkt wurden positive Ergebnisse erzielt. Um die Zusammenarbeit mit Marokko weiter zu verstärken, hat das SEM beschlossen, im April 2025 eine ILO an die Schweizer Botschaft in Rabat zu entsenden. Das SECO hat im Sommer 2024 eine Leiterin Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach Marokko entsandt, das im Jahr 2025 zu einem Schwerpunktland in diesem Bereich wird. Mit diesem bedeutenden Schritt wird auch der Migrationsdialog verstärkt.
Die Migrationszusammenarbeit mit Algerien wurde insbesondere im Bereich der Rückübernahme mit einem hochrangigen Treffen im Juni 2024 in Algier und dem Besuch einer algerischen Delegation im April 2024 in der Schweiz verstärkt. Dieser Besuch diente dem Austausch über das Migrationsmanagement. Ausserdem stellte die Schweiz ihre Migrationsstrukturen vor, zu denen Elemente wie das Asylverfahren, das Integrationssystem und der Zugang zum Arbeitsmarkt gehören.
Auf regionaler Ebene führte die Schweiz ihre Projekte zu Themen wie Arbeitsmigration, Einbindung der Diaspora als Akteure der Entwicklung oder Prävention, Aufklärung von Fällen vermisster Migrantinnen und Migranten oder den Schutz, die Bildung und die Integration von minderjährigen Migrantinnen und Migranten fort. Hier ist insbesondere das regionale Programm «Kinder und Jugendliche auf der west- und nordafrikanischen Migrationsroute» zu erwähnen, das in fünf Ländern (Tunesien, Marokko, Mali, Niger und Guinea) umgesetzt wird. Ein regionales Programm, das sich mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in Ägypten, Äthiopien und im Sudan befasst, wurde erneuert, und es wurden Aktivitäten durchgeführt, um sudanesischen Flüchtlingen in Ägypten und in Libyen den Zugang zur Grundversorgung (Schutz, Bildung, rechtliche Unterstützung) zu ermöglichen.
2.3 Horn von Afrika
Am Horn von Afrika konzentrierte sich die Schweiz einerseits auf die Migrationszusammenarbeit mit Eritrea und Äthiopien und andererseits auf den Umgang mit den humanitären Folgen des Konflikts im Sudan.
Mit Eritrea wurden einige Fortschritte erzielt in Bezug auf die Identifizierung abgewiesener Asylsuchender. Eritrea stellt sich jedoch nach wie vor gegen Zwangsrückführungen aus der Schweiz und allen anderen europäischen Staaten. Die Seitenakkreditierung Eritreas bei der Schweizer Botschaft in Nairobi ermöglicht die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen von der Region aus. Im Februar 2025 wurde eine ILO nach Nairobi entsandt, die vorrangig für Eritrea und Somalia zuständig ist. Im Oktober 2024 reiste eine Delegation des EDA und des SEM nach Asmara, um sich mit den Behörden über die gesamten bilateralen Beziehungen, einschliesslich der Migration auszutauschen. Gleichzeitig führte eine interdepartementale Arbeitsgruppe eine gründliche Bestandsaufnahme der Situation und der Beziehungen der Schweiz zu Eritrea durch.
Im März 2024 reiste Bundesrat Ignazio Cassis zu einem offiziellen Arbeitsbesuch nach Äthiopien. Mit seinem Amtskollegen Taye Selassie und der äthiopischen Präsidentin Sahle Zewde tauschte er sich über die Lage in der Region in Bezug auf Sicherheit, Wirtschaft und Migration aus. Die Zusammenarbeit mit Äthiopien hat sich im Berichtsjahr deutlich verbessert. Nachdem die Rückübernahme von ausreisepflichtigen äthiopischen Staatsangehörigen in sämtlichen europäischen Staaten eine Weile ausgesetzt war, konnten die Verfahren zur Identifizierung und Rückführung dieser Personen, die die Schweiz verlassen müssen, wieder aufgenommen werden. Auch im Rahmen des Austauschs von Kompetenzen im Asyl- und Migrationsmanagement wurde die Zusammenarbeit verstärkt. Die Schweiz setzte sich ausserdem für die Unterstützung der wirtschaftlichen Integration von eritreischen Flüchtlingen und von Binnenvertriebenen in Äthiopien ein.
Auf regionaler Ebene erörterte Bundesrat Ignazio Cassis mit dem Präsidenten der Afrikanischen Union, Moussa Faki, die Herausforderungen und Chancen in der Region aufgrund der geopolitischen Entwicklungen und die Rolle der Schweiz in diesem Kontext. Der Dialog mit anderen Staaten wurde ebenfalls fortgeführt. Mit Somalia wurden Fragen der Rückübernahme erörtert und ein Projekt zur Stärkung der Migrationsgouvernanz an den Grenzen gestartet. In Kenia unterstützt die Schweiz somalische Flüchtlinge und die Aufnahmegemeinschaften rund um das Camp Dadaab mit dem Ziel, die sozioökonomische Integration sowie die digitale und finanzielle Inklusion zu erleichtern. Bei einem offiziellen Arbeitsbesuch in Kenia im März 2024 führte Bundesrat Ignazio Cassis ein ausführliches Gespräch mit dem kenianischen Präsidenten William Ruto und Aussenminister Musalia Mudavadi zu den aktuellen geopolitischen Herausforderungen und deren Auswirkungen auf die Sicherheit, die Migration und das Wirtschaftswachstum in der Region und auf dem afrikanischen Kontinent. Dabei ergaben sich auch wichtige Impulse für die neue Afrika-Strategie 2025-2028 des Bundesrates.
Mit über elf Millionen Binnenvertriebenen und mehr als drei Millionen Menschen, die in die Nachbarländer Tschad, Südsudan, Ägypten, Äthiopien, Libyen und die Zentralafrikanische Republik geflüchtet sind, hat der Sudan eine noch nie dagewesene Notlage zu bewältigen. Vor dem Hintergrund dieses Konflikts leistete die Schweiz einen Beitrag von rund 100 Millionen Franken an UN-Organisationen und internationale NGO und unterstützte die Partner vor Ort mit 36 Millionen Franken (2023: CHF 64 Mio.). Ferner entsandte sie Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe. Sie setzte sich auch für die Stärkung der sozioökonomischen Kompetenzen und einen stärkeren Schutz für eritreische und äthiopische Flüchtlinge im Sudan ein.
Generell ist die Schweiz mit Projekten in Äthiopien, Kenia, Somalia und Uganda in der Region aktiv geblieben. So hat sie im Jahr 2024 ein innovatives Programm zur Zusammenarbeit mit dem Privatsektor auf regionaler Ebene ins Leben gerufen, um Unternehmen, die von Vertreibung betroffene Gemeinschaften in Uganda, Kenia und Äthiopien beschäftigen und/oder unterstützen, weiterzuentwickeln.
2.4 West- und Zentralafrika
Die Schweiz hat ihre Zusammenarbeit mit Gambia, Nigeria, Guinea, der Côte d’Ivoire und weiteren Ländern, mit denen ein Migrationsabkommen besteht, durch Expertentreffen und neue Projekte in Bereichen wie Grenzmanagement und berufliche Integration intensiviert. Die flexiblen Mittel wurden grösstenteils in diesen vier Ländern für Programme zur beruflichen und sozioökonomischen Integration eingesetzt. Sie waren für den kontinuierlichen Migrationsdialog der Schweiz mit diesen Ländern von entscheidender Bedeutung.
Im Februar 2024 empfing Bundesrat Ignazio Cassis den ivorischen Aussenminister Kacou Houadja Léon Adomin im Rahmen eines diplomatischen Besuchs in Bern. Dabei wurden unter anderem die Umsetzung der drei im Jahr 2021 unterzeichneten Migrationsabkommen und die Aussichten für deren Fortsetzung und Vertiefung erörtert. Gleichzeitig setzte sich die Schweiz über Projekte in Nigeria, Senegal und Guinea-Conakry für die Bekämpfung des Menschenhandels ein. In Westafrika setzt sie ein Programm zur intraregionalen Arbeitsmigration um. Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung einer sicheren und regulären Migration und dem Schutz von Arbeitsmigrantinnen und -migranten, insbesondere in den westafrikanischen Küstenstaaten (Côte d’Ivoire, Ghana, Nigeria, Senegal, Guinea) als wichtigste Zielländer der Arbeitsmigration. Diese Projekte zielen darauf ab, die Zuwanderung regionaler Arbeitskräfte als Treiber für nachhaltige Entwicklung zu stärken.
Die sich verschlechternde Sicherheitslage in den Ländern der Sahelzone, insbesondere in Burkina Faso, Mali und Niger, die Nahrungsmittelkrise sowie die Folgen des Klimawandels führten 2024 zu einem Anstieg der regionalen Migrationsbewegungen und der irregulären Migration nach Europa, insbesondere über die Kanarischen Inseln. In diesen drei Staaten hat die Schweiz ihre Bemühungen zum Schutz von Binnenvertriebenen sowie deren Zugang zur Grundversorgung verstärkt. In Mali und Niger wird auch ein regionales Programm zum Schutz von migrierenden Kindern und Jugendlichen sowie deren Ausbildung und Eingliederung umgesetzt.
. Weitere prioritäre Länder und Regionen
Afghanistan und Region
Auch drei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban ist die Lage in Afghanistan angespannt. Der Migrationsdruck in der Region und insbesondere im Iran und in Pakistan, wo Millionen von Afghaninnen und Afghanen Schutz gefunden haben, ist weiterhin hoch. Nach wie vor verlassen viele Menschen das Land. Im Jahr 2024 stammten rund ein Viertel der neuen Asylgesuche in der Schweiz von afghanischen Staatsangehörigen (4550 Gesuche). Um die Folgen der umfassenden Zwangsvertreibungen in der Region zu mildern, führte die Schweiz ihr Engagement in Afghanistan, Iran und Pakistan fort. In den beiden genannten Aufnahmeländern finanziert sie Projekte zugunsten von Afghaninnen und Afghanen, die insbesondere den Zugang zu Bildung, Rechtsschutz, Gesundheitsleistungen und Arbeitsmarkt verbessern sollen. Wie bereits im Vorjahr stellte die Schweiz im Jahr 2024 rund 30 Millionen Franken für humanitäre Hilfe in der Region bereit. Diese dient in erster Linie dazu, die afghanische Zivilgesellschaft, insbesondere Frauen und Mädchen, zu unterstützen und die Ernährungssicherheit in ländlichen Gebieten zu erhöhen. Migrationsfragen können dank der in Islamabad stationierten ILO mit Zuständigkeit für Pakistan, Afghanistan und den Iran einfacher geklärt werden. Im Rückkehrbereich hat die Schweiz die Rückführungen von afghanischen Staatsangehörigen, die schwere Straftaten begangen haben, wieder aufgenommen. Im zweiten Halbjahr 2024 wurden fünf Personen nach Afghanistan ausgeschafft.
Sri Lanka und Region
Die Schweiz pflegt mit Sri Lanka eine langjährige Migrationspartnerschaft. Das Programm für sichere Arbeitsmigration in Sri Lanka endete nach 14 Jahren. Die Schweiz setzte ihr Engagement im Jahr 2024 jedoch fort, indem vor allem Projekte im Bildungsbereich mit flexiblen Mitteln finanziert wurden. Diese sollten im Nachgang zur Wirtschaftskrise von 2022 insbesondere jungen Menschen vor Ort berufliche Perspektiven bieten. In Nepal und Bangladesch setzte sich die Schweiz auch im Berichtsjahr für eine sichere Arbeitsmigration in die Region und den Mittleren Osten ein.
Georgien
Die Migrationszusammenarbeit zwischen der Schweiz und Georgien wurde im Jahr 2024 regelmässig fortgesetzt und blieb im Rückkehrbereich überaus positiv. Sie konzentrierte sich auf die Herausforderungen in Zusammenhang mit Asylgesuchen, die aus medizinischen Gründen gestellt werden, sowie auf die Erleichterung der Rückkehr dieser Asylsuchenden. Im Rahmen der Migrationspartnerschaft kam im Juni eine georgische Delegation, der unter anderem Vertreterinnen und Vertreter des georgischen Gesundheitsministeriums angehörten, für einen Studienbesuch nach Bern. Dabei wurden die Zusammenarbeit und die Herausforderungen bei medizinisch begründeten Asylgesuchen erörtert. Zudem hat die Schweiz gemeinsam mit Österreich ein Projekt finanziert, das von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Zusammenarbeit mit dem georgischen Gesundheitsministerium umgesetzt wird und die Ursachen der Migration aus medizinischen Gründen sowie entsprechende Lösungsansätze ermitteln soll. Die ILO in Ankara, die neu auch für Georgien akkreditiert ist, hat ihre Tätigkeit im September 2024 aufgenommen. Ihr Auftrag ist es, die bilaterale Zusammenarbeit mit den georgischen Behörden im Rahmen der Migrationspartnerschaft zu stärken und das Projekt mit der IOM zu begleiten.
3 Multilaterale Migrationsaussenpolitik der Schweiz
Im Dezember 2024 sprach sich das Parlament abschliessend gegen eine Zustimmung der Schweiz zum Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration der UNO aus. Der Bundesrat hat von dieser Haltung Kenntnis genommen und wird sich daher auch künftig enthalten.
Beim zweiten Globalen Flüchtlingsforum, das im Dezember 2023 in Genf stattfand und gemeinsam von der Schweiz und dem UNHCR organisiert wurde, lag der Schwerpunkt der Schweiz auf der Ausbildung von Flüchtlingen, der Prävention von Fällen vermisster Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge, dem Klimaschutz sowie dem Schutz von vertriebenen Frauen. Auf nationaler Ebene setzte sich die Schweiz für die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden im Asylbereich ein.
Am 14. Gipfeltreffen des Globalen Forums Migration und Entwicklung (GFMD) in Genf im Januar 2024 hat die Schweiz ihre Rolle im globalen Migrationsdialog gestärkt, indem sie mehrere Veranstaltungen zu Arbeitsmigration, sozialer Sicherheit und klimabedingter Migration mitorganisiert hat.
Die schweizerische Unterstützung der IOM in ihren Bemühungen um Effizienzsteigerung wird durch eine Entsendung an ihren Sitz in Genf fortgeführt.
Im Rabat-Prozess, einem regionalen Dialog über die Migrationsrouten zwischen Zentral-, West- und Nordafrika und Europa, nahm die Schweiz als Mitglied des Steuerungsausschusses und Referenzland für den Bereich Schutz und Asyl auch im Jahr 2024 eine aktive Rolle ein. Zusammen mit Gambia und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat sie auch zur Einrichtung eines Netzwerks nationaler Anlaufstellen beigetragen, um die Zusammenarbeit in Fällen vermisster Migrantinnen und Migranten zu stärken. Die Schweiz beteiligte sich zudem an den thematischen Sitzungen im Rahmen des Khartum-Prozesses, der sich auf die Migrationsroute zwischen dem Horn von Afrika und Europa bezieht. Im Rahmen des Budapest-Prozesses, einem interregionalen Dialog zur Migration entlang der Seidenstrasse, wirkte die Schweiz an der Ausarbeitung einer neuen Erklärung und eines Aktionsplans mit, die im November 2024 an der Ministerkonferenz verabschiedet wurden. Das Ziel ist, die Bemühungen im Migrationsbereich im Zeitraum 2025-2030 zu koordinieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schweiz ihr Engagement in den regionalen Migrationsdialogen fortgesetzt und so zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielstaaten beigetragen hat.
Bundesrecht
Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2024
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