Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
vom 12. September 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht.
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
| 12. September 2025 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Der Bundesrat hat am 16. Juni 2023 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, die Bestimmungen über die internationale Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen vertieft zu prüfen und den möglichen Handlungsbedarf abzuleiten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sollen dahingehend geändert werden, dass diese Zusammenarbeit künftig noch reibungsloser funktioniert
. Die Reputation und globale Rolle des Finanzplatzes sollen dadurch gestärkt werden.
Ausgangslage
Die letzte Revision der Gesetzesbestimmungen über die Zusammenarbeit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) sowie der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im internationalen Verhältnis erfolgte im Rahmen des Erlasses des Finanzmarkinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015 (FinfraG) und trat am 1. Januar 2016 in Kraft. Seither hat sich der Trend zu international stark vernetzten Finanzsystemen und entsprechend zu verstärkter grenzüberschreitender Überwachungstätigkeit, zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch der Aufsichtsbehörden weiter bestätigt. Die Fähigkeit zur Kooperation ist damit zu einer Schlüsselkondition für den Zugang schweizerischer Anbieter zu ausländischen Märkten geworden
Seit Inkrafttreten der aktuellen Gesetzesbestimmungen haben sich die Anforderungen an die internationale Zusammenarbeit von Aufsichtsbehörden und Finanzdienstleistern weiterentwickelt. Der schweizerische Rechtsrahmen ist diesen Entwicklungen nur teilweise gefolgt. Dies gefährdet die Reputation der Schweiz, des Schweizer Finanzplatzes und der Schweizer Finanzmarktaufsicht. Gleichzeitig hemmt die eingeschränkte Kooperationsfähigkeit der Schweizer Behörden und Finanzdienstleister teilweise die Rechtsdurchsetzung in anderen Jurisdiktionen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Anpassung des geltenden Rechtsrahmens angezeigt - mit dem Ziel, die internationale Glaubwürdigkeit der Schweiz zu stärken und die globale Rolle ihres Finanzplatzes nachhaltig zu festigen.
Inhalt der Vorlage
Aufgrund der Erfahrungen seit dem Inkrafttreten der aktuellen Bestimmungen im Jahr 2016 und gemäss Rückmeldungen im Rahmen der Vernehmlassung schlägt der Bundesrat folgende Anpassungen am Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 2007 (FINMAG) und an weiteren Erlassen vor:
a.
Das schweizerische Kundenverfahren nach Artikel 42a Absätze 2 und 4-6 FINMAG ist Teil des heutigen Amtshilfeverfahrens der FINMA. Dessen Anwendung stellt im internationalen Vergleich eine Seltenheit dar und wird von ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden wie auch in internationalen Gremien kritisch betrachtet, da es als relevante Einschränkung der Amtshilfefähigke it der FINMA wahrgenommen wird. Vor diesem Hintergrund wurde eine Anpassung des Amtshilfeverfahrens der FINMA geprüft. Es wurde eine ausgewogene Lösung ausgewählt, die eine risikobasierte und differenzierte Anpassung des Amtshilfeverfahrens ermöglicht, indem nur in klar umgrenzten Fällen mit erhöhtem Missbrauchspotenzial von den ordentlichen Kundenrechten abgewichen wird.
b.
Mit einem neuen Artikel 42b bis E-FINMAG soll die Kooperationsfähigkeit der FINMA im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden gestärkt werden. Die aktuellen schweizerischen Rechtsgrundlagen (Art. 42 und 42b FINMAG) erlauben es der FINMA nur eingeschränkt, an solchen Prüfungen teilzunehmen bzw. sie erlauben es grundsätzlich nicht, nicht öffentlich zugängliche Informationen auszutauschen. Dies kann ein Hindernis darstellen in Bezug auf die Fortführung bestehender Anerkennungen wie auch auf künftige Anerkennungen des Schweizer Rechts- und Aufsichtsrahmens im Finanzmarktbereich.
c.
Die Ex-post-Evaluation des FINMA-Rundschreibens 2017/6 («Direktübermittlung») zu Artikel 42c FINMAG hat gezeigt, dass die Auslegung von Artikel 42c Absätze 1 und 2 FINMAG in der Praxis bei den betroffenen Beaufsichtigten zu grösseren Rechtsunsicherheiten führt. Mit den vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 42c FINMAG soll die Rechtssicherheit bei der seit jeher formlosen direkten Informationsübermittlung durch die Beaufsichtigten gestärkt werden.
d.
Angesichts des Bedarfs an möglichst rascher und direkter Kommunikation im Bereich der Finanzmarktaufsicht ist es wichtig, dass die grenzüberschreitende Zustellung von Dokumenten zu aufsichtsrechtlichen Zwecken an Adressaten in der Schweiz oder im Ausland möglichst direkt erfolgen kann. Mit einem neuen Artikel 42d E-FINMAG soll eine spezifische Rechtsgrundlage geschaffen werden, die es der FINMA erlaubt, bei Vorliegen von Gegenrecht und zum Zweck der Finanzmarktaufsicht eine direkte Zustellung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs vorzunehmen. Eine direkte Zustellung zum Zweck der Beweiserhebung in ausländischen Untersuchungen oder Verfahren bleibt hingegen weiterhin ausgeschlossen.
e.
Artikel 43 FINMAG regelt die grenzüberschreitenden Prüfungen, welche die FINMA direkt im Ausland vornehmen kann bzw. ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden direkt in der Schweiz vornehmen können. Diesbezüglich bestehen heute Unklarheiten im Fall von Geschäftsauslagerungen inner- oder ausserhalb einer Gruppe, wenn der Dienstleistungserbringer in der Schweiz nicht formell in eine konsolidierte Aufsicht der ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde einbezogen ist und dieser auch in der Schweiz nicht beaufsichtigt wird.
Mit der Änderung von Artikel 43 FINMAG soll die FINMA im Zusammenhang mit Geschäftsauslagerungen ins oder aus dem Ausland direkte grenzüberschreitende Prüfungen zum Vollzug der Finanzmarktgesetze bzw. zu Finanzmarktaufsichtszwecken überall dort im Ausland vornehmen oder in der Schweiz erlauben können, wo die relevanten Informationen belegt sind, unabhängig davon, ob das geprüfte Unternehmen im Ausland oder in der Schweiz beaufsichtigt wird oder nicht.
f.
Mit Blick auf die globale Beaufsichtigung grosser Revisionsnetzwerke wurde geprüft, ob die Amtshilfebestimmungen über die Zusammenarbeit mit ausländischen Revisionsaufsichtsbehörden (Art. 26 des Revisionsaufsichtsgesetzes vom 16. Dezember 2005, RAG) und zu grenzüberschreitenden Prüfungshandlungen (Art. 27 RAG) jenen des FINMAG sinngemäss angeglichen werden sollten. Mit der Vorlage soll eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Prüfungshandlungen mittels Fernkommunikation geschaffen werden.
g.
In Bezug auf die Tätigkeit der SNB als Überwacherin systemisch bedeutsamer Finanzmarktinfrastrukturen wird vorgeschlagen, dass Artikel 21 des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 2003 (Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden) dahingehend revidiert wird, dass die erwähnte Bestimmung an die 2016 eingeführten Amtshilfeanforderungen gemäss Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a FINMAG (Spezialität) angeglichen wird .
Botschaft
1 Ausgangslage
1.1 Handlungsbedarf und Ziele
Die jüngste Revision der Gesetzesbestimmungen über die Zusammenarbeit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) sowie der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im internationalen Verhältnis erfolgte im Rahmen des Erlasses des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015 ¹ (FinfraG) und trat am 1. Januar 2016 in Kraft. ² Seither hat sich der Trend zu verstärkter grenzüberschreitender Überwachungstätigkeit, zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch der Finanzmarktaufsichtsbehörden wie auch direkt durch die Beaufsichtigten weiter bestätigt. Die Zahl von Amtshilfeersuchen ausländischer Finanzmarktaufsichtsbehörden an die FINMA ist seit einigen Jahren konstant hoch. Diese stammen mehrheitlich aus den europäischen Nachbarstaaten bzw. dem EU-Raum, der USA und dem UK. ³ Neue komplexe Sachverhalte bei der grenzüberschreitenden Überwachungstätigkeit wie auf dem Gebiet der Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden haben tendenziell zugenommen.
Die Kooperationsfähigkeit der zuständigen nationalen Behörden wie vor allem der Finanzmarktaufsichtsbehörden sowie der interessierten Finanzdienstleister ist heute eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass das Finanzsystem für das grenzüberschreitende Geschäft offen ausgestaltet werden und sich über die Landesgrenzen hinaus weiter vernetzen kann, ohne dass dabei die Marktintegrität, die Transparenz und die Finanzstabilität gefährdet werden. Schweizerische Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungsgesellschaften sind daran interessiert, dass diese für ihr internationales Finanzgeschäft zentrale Voraussetzung erfüllt werden kann. Diese Entwicklung hat sich mit der Aufhebung des steuerlichen Bankgeheimnisses auf internationaler Ebene und der Einführung des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten (AIA) deutlich beschleunigt.
Seit Inkrafttreten der aktuellen Gesetzesbestimmungen haben sich die internationalen Anforderungen an die internationale Zusammenarbeit von Finanzmarktaufsichtsbehörden und Finanzdienstleistern weiterentwickelt. Der schweizerische Rechtsrahmen ist diesen Entwicklungen nur teilweise gefolgt. Eine Änderung ist daher angezeigt - mit dem Ziel, die Reputation und die globale Rolle des Finanzplatzes Schweiz zu stärken und langfristig abzusichern.
Die Erfahrungen seit dem Inkrafttreten der aktuellen Bestimmungen im Jahr 2016 und die Abklärungen des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) bzw. des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz (BJ), der FINMA, der Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) und der SNB haben einen Revisions- bzw. Änderungsbedarf insbesondere zu folgenden Bestimmungen des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007 ⁴ (FINMAG) aufgezeigt:
-
Das schweizerische Kundenverfahren nach Artikel 42 a Absätze 2 und 4-6 FINMAG (bzw. das Verwaltungsverfahren mit Anhörungs- und Beschwerderechten der betroffenen Kundinnen und Kunden) ist Teil des heutigen Amtshilfeverfahrens der FINMA. Im internationalen Vergleich ist es eine Seltenheit und wird von ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden wie auch in internationalen Gremien kritisch betrachtet, weil es als relevante Einschränkung der Amtshilfefähigkeit der FINMA wahrgenommen wird. Erfahrungen in der Amtshilfepraxis seit 2016 haben konkret aufgezeigt, dass die heutigen Möglichkeiten zur Anhörung und zur Beschwerde im Kundenverfahren in vielen Fällen gerade durch Akteure beansprucht werden, bezüglich welcher ein begründeter Verdacht eines Insider- oder Marktmanipulationsdeliktes in ausländischen Finanzmarktinstrumenten besteht und dies sogar oft in wiederholten Fällen. Das Kundenverfahren und insbesondere das Beschwerdeverfahren werden dabei zur zeitlichen Verzögerung der Informationsübermittlung genutzt. Dabei spielt es keine Rolle, dass solche Beschwerden letztlich vor Gericht abgewiesen werden.
Wer an ausländischen Finanz- und Handelsplätzen freiwillig aktiv ist, muss heute akzeptieren, dass lokale Finanzmarktaufsichtsbehörden gemäss ihren Rechtsrahmen berechtigte und oft dringende Informationsbedürfnisse bezüglich der getätigten Transaktionen haben können. Das Recht auf individuellen Rechtsschutz steht dabei in einem Spannungsfeld mit dem öffentlichen Interesse an stabilen, integren und transparenten Finanzmärkten sowie dem Schutz anderer Marktteilnehmer vor unfairen Marktpraktiken. Internationalen Standards entsprechend sollen Daten zügig übermittelt werden können.
Für Schweizer Behörden ist es ihrerseits vorteilhaft, bei Amtshilfeersuchen an ausländische Behörden eine schnelle und effiziente Informationsübermittlung erzielen zu können.
Vor diesem Hintergrund soll das schweizerische Kundenverfahren grundsätzlich angepasst werden.
-
In Bezug auf die bestehenden Artikel 42 und 42 b FINMAG stellte sich in der Vergangenheit die Frage der Grenzen der Zusammenarbeit der FINMA im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden zum schweizerischen Regulierungs- und Finanzmarktaufsichtsrahmen sowie insbesondere die Frage der Notwendigkeit einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für die Übermittlung nicht öffentlich zugänglicher Informationen. Eine solche Rechtsgrundlage soll neu geschaffen werden (Art. 42 b bis E-FINMAG).
-
Bezüglich der Bestimmungen in Artikel 42 c FINMAG über die formlose Übermittlung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen direkt durch die Beaufsichtigten an ausländische Behörden und Stellen hat sich seit 2016 gezeigt, dass Unsicherheit über die Situationen und Zweckerfordernisse besteht, welche zur direkten Informationsübermittlung berechtigen. Zur Stärkung der Rechtssicherheit sollen daher die anwendbaren Anforderungen wie auch die Zweckerfordernisse geklärt werden. Die direkte internationale Zusammenarbeit der Beaufsichtigten soll anderseits möglichst kohärent mit den bestehenden Möglichkeiten bei der behördlichen Zusammenarbeit bzw. der Amtshilfe der FINMA ausgestaltet werden.
-
Seit der Revision im Jahr 2016 haben ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden angesichts des Bedürfnisses nach möglichst rascher Kommunikation in Fällen von Gesetzesverstössen und von Marktmissbrauch wiederholt darum ersucht, Schriftstücke in Verwaltungssachen direkt an Adressaten in der Schweiz zustellen zu können, weshalb mit dem neuen Artikel 42 d E-FINMAG eine neue Rechtsgrundlage hierfür vorgesehen wird.
-
Hinsichtlich der in Artikel 43 FINMAG geregelten direkten grenzüberschreitenden Prüfungen (sog. Vor-Ort-Kontrollen) haben die Erfahrungen seit 2016 gezeigt, dass es ungenügend ist, wenn solche grenzüberschreitende Prüfungen nur bei Beaufsichtigten oder im Rahmen der konsolidierten Beaufsichtigung durchgeführt werden können. Vor dem Hintergrund zunehmender gruppeninterner wie auch -externer Auslagerungen von Aufgaben ins oder aus dem Ausland an nicht beaufsichtigte Unternehmen sowie des grenzüberschreitenden Bezugs von Dienstleistungen wie z. B. von Cloud-Diensten sollen auch diese neuen Sachverhalte innerhalb von Artikel 43 E-FINMAG geregelt werden.
Analog zu den Amtshilfebestimmungen des FINMAG besteht mit Blick auf die Beaufsichtigung der Schweizer Ländergesellschaften der globalen Revisionsnetzwerke ein Bedarf zur Modernisierung der Amtshilfebestimmungen des Revisionsaufsichtsgesetzes vom 16. Dezember 2005 ⁵ (RAG) gemäss der Änderung vom 30. September 2016 ⁶ und zwar insbesondere hinsichtlich der Artikel 26 RAG über die Zusammenarbeit mit ausländischen Revisionsbehörden und 27 RAG über die grenzüberschreitenden Prüfungshandlungen, indem eine explizite Rechtsgrundlage für Prüfungshandlungen via Fernkommunikation (Remote-Inspektionen) geschaffen wird.
Weiter sollen analog zur Revision des FINMAG auch die Amtshilfebestimmungen des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 2003 ⁷ (NBG) revidiert werden. Insbesondere soll Artikel 21 NBG bezüglich des Spezialitätsgrundsatzes an die 2016 eingeführte Regelung in Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a FINMAG angeglichen werden. Weiter soll ein neuer Artikel 50 b bis E-NBG die Zusammenarbeit der SNB bei internationalen Anerkennungs- und Prüfverfahren zu systemisch bedeutsamen Finanzmarktinfrastrukturen (FMI) analog zu Artikel 42 b bis E-FINMAG erlauben.
Das Ziel all dieser Anpassungen ist wie erwähnt, die Reputation und die globale Rolle des schweizerischen Finanzplatzes zu stärken, indem ein konsistenter und klarer Rechtsrahmen für die internationale Zusammenarbeit der schweizerischen Aufsichtsbehörden einerseits und der Beaufsichtigten anderseits geschaffen wird. Auf dieser Grundlage soll das Schweizer Finanzsystem seine Offenheit für das grenzüberschreitende Geschäft wahren und sich international weiter vernetzen können, ohne dass dabei Marktintegrität, Transparenz oder Finanzstabilität beeinträchtigt werden.
¹ SR 958.1
² AS 2015 5339
³ Vgl. FINMA Allgemeine Enforcementstatistiken 2023, abrufbar unter:
www.finma.ch
> Dokumentation > FINMA-Publikationen > Statistiken und Kennzahlen > Enforcement > 2023 (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
⁴ SR 956.1
⁵ SR 221.302
⁶ AS 2017 4859
⁷ SR 951.11
1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung
Die geltenden Bestimmungen des FINMAG genügen den heutigen internationalen Anforderungen an die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht mehr in ausreichendem Masse. Eine Beibehaltung des Status quo würde absehbar zu einer erheblichen Schwächung der Position des Finanzplatzes Schweiz im internationalen Wettbewerb führen. Insbesondere wäre mittel- bis langfristig mit einer Verlagerung internationaler Finanzdienstleistungsaktivitäten ins Ausland zu rechnen, was die Attraktivität und Offenheit des hiesigen Marktes empfindlich beeinträchtigen könnte. Vor diesem Hintergrund wurde die Option, auf eine gesetzliche Änderung der einschlägigen Amtshilferegelungen zu verzichten, als nicht zielführend verworfen.
Für die vorliegende Gesetzesänderung wurde ein systematischer, erlassübergreifender Reformansatz gewählt. Sie beschränkt sich nicht auf punktuelle Anpassungen innerhalb des FINMAG, sondern schafft darüber hinaus neue gesetzliche Grundlagen, etwa zur Zusammenarbeit im Rahmen ausländischer Anerkennungs- und Prüfverfahren sowie zur grenzüberschreitenden Zustellung von Dokumenten zu Finanzmarktaufsichtszwecken. In einem kohärenten Reformschritt werden damit auch die einschlägigen Bestimmungen im RAG und im NBG einbezogen.
Ein besonderer Fokus galt der Frage, ob das in Artikel 42 a FINMAG vorgesehene Kundenverfahren mit seinen umfassenden Anhörungs- und Beschwerderechten im internationalen Kontext angemessen bleibt. Dieses gewährt betroffenen Kundinnen und Kunden umfassende Anhörungs- und Beschwerderechte im Amtshilfeverfahren und stellt im internationalen Vergleich eine Ausnahme dar. Die Amtshilfe zu Finanzmarktaufsichtszwecken dient jedoch nicht in erster Linie der Klärung individueller Rechtsverhältnisse, sondern der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben: dem Schutz der Integrität und Transparenz der Finanzmärkte, der Sicherung der Finanzstabilität sowie dem Vertrauen der Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer in funktionierende, faire und missbrauchsresistente Märkte.
Der damit einhergehende Spannungsbogen zwischen individuellem Rechtsschutz und öffentlichen Aufsichtsinteressen verlangt nach einer sorgfältigen Abwägung. Eine Einschränkung des Kundenverfahrens erscheint angesichts der drohenden internationalen Reputationsrisiken und der praktischen Missbrauchsmöglichkeiten in Form taktischer Verfahrensverzögerung geeignet, erforderlich und zumutbar. Vor diesem Hintergrund wurden drei Varianten für die künftige Ausgestaltung des Kundenverfahrens geprüft:
-
Variante A sah die vollständige Aufhebung der Anhörungs- und Beschwerderechte im Kundenverfahren vor. Diese Option hätte eine grundlegende Neuausrichtung des FINMAG-Amtshilferegimes bedeutet. Sie war getragen vom Gedanken, das schweizerische Verfahren mit den gängigen internationalen Standards in Einklang zu bringen und die Position der FINMA als verlässliche Partnerin in der internationalen Aufsichtsarchitektur zu festigen. Die Variante A wäre kohärent mit der geltenden Rechtslage gemäss Artikel 42 c Absatz 1 FINMAG gewesen, welcher bereits heute eine formlos-direkte Informationsübermittlung durch die beaufsichtigten Institute an ausländische Behörden unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt - ein Weg, dem die betroffenen Kundinnen und Kunden im Regelfall im Rahmen von Verzichtserklärungen zustimmen. Auch wäre damit dem Umstand Rechnung getragen worden, dass internationale Gremien wie etwa die Financial Action Task Force (FATF) ⁸ oder die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) das Kundenverfahren wiederholt als hinderlich für eine wirksame Amtshilfe kritisiert und damit implizit den Reformbedarf unterstrichen haben.
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Variante B sah einen differenzierten, risikoorientierten Ansatz vor. Danach sollten die Anhörungs- und Beschwerderechte der Kundinnen und Kunden lediglich in jenen Fällen eingeschränkt werden, in denen das ausländische Amtshilfeersuchen einen Verdacht auf Insiderhandel oder Marktmanipulation im Zusammenhang mit Transaktionen mit Wirkung im Ausland zum Gegenstand hat. Diese gezielte Einschränkung des Kundenverfahrens trägt der Erkenntnis Rechnung, dass gerade in diesen besonders sensiblen Fällen die Amtshilfe häufig unterlaufen oder verzögert wird, während gleichzeitig das öffentliche Interesse an einem raschen und grenzüberschreitend kohärenten Vorgehen gegen Marktmissbrauch besonders hoch ist. Bei anderen Kategorien von Amtshilfeersuchen - etwa bei unerlaubter Finanzintermediation oder bei Aufsichtsverfahren ohne Marktmissbrauchsbezug - soll das Kundenverfahren hingegen weiterhin zur Anwendung gelangen. Damit wahrt Variante B eine differenzierte Balance zwischen effektivem öffentlichen Aufsichtsinteresse und dem verfassungsrechtlich gebotenen Individualrechtsschutz.
-
Eine dritte, konzeptionell ebenfalls geprüfte Variante sah vor, das bestehende Kundenverfahren beizubehalten, dieses jedoch dahingehend weiterzuentwickeln, dass die Kundinnen und Kunden nicht vorgängig, sondern erst im Nachhinein über die erfolgte Informationsübermittlung benachrichtigt werden (nachträgliche Notifikation) und sodann nachträglich eine gerichtliche Kontrolle geltend machen könnten. Diese Variante hätte auf den bestehenden Artikel 42 a Absatz 4 FINMAG aufbauen und diesen normativ ausdifferenzieren sollen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden eine derartige Regelung nicht akzeptieren, da sie die Rechtssicherheit im Beweisverfahren ihrer eigenen Hauptsacheverfahren als gefährdet erachten. Damit hätte diese Variante weder das internationale Vertrauen in das Schweizer Aufsichtsverfahren gestärkt noch die regulatorischen Anforderungen an eine wirksame grenzüberschreitende Zusammenarbeit erfüllt. Sie wurde daher - aus Gründen der mangelnden internationalen Anschlussfähigkeit - nicht weiterverfolgt.
Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens wurden den Teilnehmenden sowohl Variante A als auch Variante B zur Stellungnahme unterbreitet. Eine Mehrheit der Stellungnehmenden, die sich zu dieser Frage geäussert haben, sprach sich dabei zugunsten von Variante B aus. Für diese Lösung war dabei insbesondere ausschlaggebend, dass sie eine sachgerechte Interessenabwägung zwischen öffentlichem Interesse an Marktintegrität und individuellem Rechtsschutz ermöglicht. Auch wurde gewürdigt, dass die FINMA im Verfahren weiterhin an die Grundsätze der Vertraulichkeit, Verhältnismässigkeit und Spezialität gebunden bleibt und die betroffenen Informationsinhaberinnen und -inhaber nach wie vor die Möglichkeit erhalten, ihre Rechte im Rahmen des Editionsverfahrens geltend zu machen.
Die Variante B stellt damit einen tragfähigen Mittelweg dar. Sie ermöglicht eine gezielte, rechtsstaatlich abgestützte und verhältnismässige Anpassung des Kundenverfahrens und trägt gleichzeitig den gewachsenen internationalen Anforderungen an eine rasche, effiziente und effektive internationale Zusammenarbeit im Bereich der Finanzmarktaufsicht Rechnung. Die Einschränkung des Kundenverfahrens im spezifischen Kontext von Marktmissbrauchsanfragen mit Bezug zu ausländischen Märkten erweist sich als geeignete, erforderliche und zumutbare Massnahme im Sinne einer systemkonformen Weiterentwicklung des Schweizer Aufsichtsrechts. Sie soll die Glaubwürdigkeit und Kooperationsfähigkeit der FINMA stärken, die Reputationsrisiken reduzieren und die Offenheit des Finanzplatzes Schweiz für grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten unterstützen.
In Bezug auf Artikel 42
c
FINMAG, der die direkte Informationsübermittlung durch Beaufsichtigte regelt, wurde zur Klärung des Anwendungsbereichs von Absatz 2 vertieft geprüft, ob die zulässigen Fallkonstellationen im Rahmen einer von der FINMA genehmigten Selbstregulierung der betroffenen Finanzbranche konkretisiert werden könnten. Diese Alternative einer ergänzenden Ausführungsregelung wurde jedoch verworfen, nachdem in entsprechenden Sondierungen mit der Branche kein ausreichendes Interesse an einer solchen Lösung festgestellt werden konnte.
Im Zusammenhang mit der Frage der grenzüberschreitenden Zustellung von Dokumenten zu Finanzmarktaufsichtszwecken wurde im Rahmen der Vernehmlassung auch die Variante geprüft, die bestehende Erklärung der Schweiz zum Europäischen Übereinkommen vom 24. November 1977 ⁹ über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland (Übereinkommen SEV Nr. 094) aufzuheben, mit welcher das Gebiet der Finanzmarktaufsicht vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen wurde. Ziel dieser Variante wäre es gewesen, das Übereinkommen auf Zustellungen im Bereich der Finanzmarktaufsicht anzuwenden und dadurch eine zusätzliche völkerrechtliche Grundlage für grenzüberschreitende Zustellungen zu schaffen. Bei näherer Prüfung zeigte sich jedoch, dass der Mechanismus des Übereinkommens strukturell nicht auf die spezifischen Erfordernisse der internationalen Amtshilfe zwischen Finanzmarktaufsichtsbehörden ausgerichtet ist. Insbesondere sieht das Übereinkommen grundsätzlich keine direkte Kommunikation zwischen den betroffenen Behörden vor, sondern verlangt regelmässig die Einschaltung von Zentralbehörden. Dieses Verfahren entspricht nicht den Anforderungen einer modernen, raschen und fachlich abgestimmten Aufsichtszusammenarbeit. Eine Einbindung in diesen Mechanismus würde das bestehende System der internationalen Amtshilfe verkomplizieren, ohne einen tatsächlichen Mehrwert zu schaffen. Angesichts dieser Einschränkungen wurde entschieden, an der bestehenden Erklärung festzuhalten. Stattdessen soll mit dem neuen Artikel 42 d E-FINMAG ein spezifischer und praxistauglicher Rechtsrahmen geschaffen werden, der eine direkte Zustellung unter klar definierten Voraussetzungen erlaubt und damit den effektiven Bedürfnissen der Finanzmarktaufsicht besser gerecht wird.
Bezüglich Artikel 43 FINMAG wurde die Alternative erwogen, dass das in der Schweiz nicht beaufsichtigte Unternehmen, welches als externer Dienstleister einen Geschäftsauslagerungsvertrag mit einem ausländischen beaufsichtigten Finanzdienstleister eingegangen ist und bei dem die FINMA neu eine grenzüberschreitende Prüfung direkt durch die zuständige ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde erlauben kann, gesetzlich zur Zusammenarbeit verpflichtet wird. Diese Alternative wurde verworfen, weil der geprüfte Dienstleister nicht der Aufsicht der FINMA unterstellt ist. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Kooperation hätte insofern eine systemfremde Ausweitung der Aufsichtskompetenzen bedeutet.
Im Zusammenhang mit der möglichen vollständigen Aufhebung des Kundenverfahrens gemäss Variante A zu Artikel 42 a FINMAG wurde zudem eine Variante zu Artikel 43 FINMAG in die Vernehmlassung gegeben, welche vorsah, auch das sogenannte «Private Banking Carve-out» gemäss Artikel 43 Absätze 3bis und 3ter FINMAG aufzuheben. Diese Regelung schränkt heute den Informationszugang ausländischer Finanzmarktaufsichtsbehörden bei grenzüberschreitenden Prüfungen im sensiblen Bereich des Private Banking ein. In der Vernehmlassung zeigte sich jedoch, dass letztlich nicht die vollständige, sondern nur eine teilweise Einschränkung des Kundenverfahrens (Variante B) weiterverfolgt werden sollte. Vor diesem Hintergrund soll auch auf die Aufhebung des «Private Banking Carve-out» verzichtet werden. Die bisherige Regelung bleibt damit bestehen, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Schutz der Kundendaten und der internationalen Kooperationsfähigkeit der FINMA zu wahren.
⁸ Vgl. unter nachstehender Ziffer 3.1.3.
⁹ SR 0.172.030.5 ; BBl 2017 5947
1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates
Der Bundesrat hat am 16. Juni 2023 das EFD beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EJPD, der FINMA, der SNB und der RAB die Bestimmungen über die internationale Amtshilfe des FINMAG (Art. 42 ff FINMAG), des RAG (Art. 26 f. RAG) sowie des NBG (Art. 21 und 50 b NBG) vertieft zu prüfen, den möglichen Handlungsbedarf abzuleiten und dem Bundesrat eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten. Die Vernehmlassung zur Vorlage fand im zweiten Halbjahr 2024 statt. 1⁰ Die Vorlage ist in der Botschaft vom 24. Januar 2024 zur Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt. 1¹
1⁰ Vgl. Ziele des Bundesrates 2024, Ziel 3.9, S. 17, abrufbar unter:
www.bk.admin.ch
> Dokumentation > Führungsunterstützung > Ziele des Bundesrates > Archiv - Ziele des Bundesrates, Band I (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
1¹ Vgl. Botschaft vom 24. Januar 2024 zur Legislaturplanung 2023-2027, Ziel 3, S. 110 und 118, BBl 2024 525 .
2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren
In Erfüllung des Mandats des Bundesrates vom 16. Juni 2023 hat das EFD bzw. das SIF, in enger Zusammenarbeit mit dem BJ, der FINMA, der RAB sowie der SNB, die bestehenden gesetzlichen Grundlagen zur internationalen Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen - namentlich im FINMAG, im RAG sowie im NBG - vertieft analysiert. Ziel dieser technischen Vorarbeiten war es, den bestehenden regulatorischen Rahmen einer systematischen Überprüfung im Hinblick auf seine internationale Anschlussfähigkeit zu unterziehen, bestehende Unzulänglichkeiten und Koordinationsdefizite zu identifizieren sowie eine konsolidierte und kohärente Vorlage für eine Gesetzesänderung zu erarbeiten. Im Zentrum der Vorarbeiten standen die Auswertung der bisherigen Vollzugspraxis der FINMA sowie die kritische Würdigung bestehender gesetzlicher Regelungen im Lichte aktueller internationaler Anforderungen und Entwicklungen. Diese Vorarbeiten bildeten die Grundlage für die Vernehmlassung zur Änderung der betreffenden Erlasse.
2.1 Ergebnisse der Vernehmlassung
Das Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des FINMAG sowie weiterer Erlasse über die internationale Zusammenarbeit wurde am 20. September 2024 eröffnet und dauerte bis zum 3. Januar 2025. Eingeladen waren die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, die Dachverbände der Wirtschaft sowie weitere interessierte Kreise. Insgesamt gingen 40 Stellungnahmen ein (24 Kantone, 3 politische Parteien, 4 Wirtschaftsverbände, 8 interessierte Kreise und eine weitere Institution). Nachfolgend werden die wesentlichen Bemerkungen angeführt. Für Einzelheiten wird auf die jeweiligen Eingaben ¹2 sowie den Ergebnisbericht verwiesen.
Das Ziel der Änderung der Bestimmungen des FINMAG über die internationale Zusammenarbeit fand ohne Ausnahme Zustimmung grundsätzlicher Natur. Insbesondere wurden die neuen Regelungen über die Zusammenarbeit bei Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden (Art. 42 b bis VE-FINMAG) sowie über die grenzüberschreitende Dokumentenzustellung (Art. 42 d VE-FINMAG) positiv aufgenommen. Hinsichtlich der vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 42 a VE-FINMAG (Kundenverfahren) sprach sich eine Mehrheit der Teilnehmenden, die sich zu dieser Frage geäussert haben, für eine teilweise Einschränkung bei Marktmissbrauchsfällen aus (Variante B). Dabei wurde in unterschiedlicher Weise betont, dass auch bei einer Teileinschränkung die rechtsstaatlichen Garantien des Amtshilfeverfahrens nicht unterlaufen werden dürfen und die FINMA die Prinzipien der Spezialität, Vertraulichkeit und Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 42 FINMAG in jedem Fall strikt wahren muss. In Bezug auf die Änderungen von Artikel 42 c VE-FINMAG (grenzüberschreitende Informationsübermittlung durch Beaufsichtigte) sahen mehrere Teilnehmende Anpassungsbedarf zur Stärkung der Rechtssicherheit. Unter anderem wurde verlangt, den Verweis in Artikel 42 c Absatz 1 VE-FINMAG auf Artikel 42 Absatz 2 FINMAG und somit auf die Voraussetzungen der Amtshilfe (Spezialität und Vertraulichkeit) zu streichen. Weiter wurde gefordert, den Anwendungsbereich von Artikel 42 c Absatz 2 VE-FINMAG möglichst weit zu fassen, um einen ungehinderten Informationsfluss im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten sicherzustellen. Hinsichtlich der Änderung von Artikel 43 VE-FINMAG (grenzüberschreitende Prüfungen) zeigte sich unter den Teilnehmenden ein divergierendes Meinungsbild: Ein Teil befürwortete die vollständige Aufhebung des «Private Banking Carve-out» bzw. des Kundenverfahrens bei grenzüberschreitenden Prüfungen (Art. 43 Abs. 3bis VE-FINMAG). Ein anderer Teil plädierte hingegen dafür, dass dieses beibehalten wird.
Lediglich ein Teilnehmender äusserte sich spezifisch zu den geplanten Änderungen zum RAG und lehnte diese mehrheitlich ab. Die Änderungen wurden mehrheitlich als weder notwendig noch zweckmässig beurteilt, da die Anforderungen der internationalen Finanzmarkt- und Revisionsaufsicht nicht vergleichbar seien.
Die Änderungen des NBG wurden ohne kritische Rückmeldungen zur Kenntnis genommen.
¹2 Vgl. www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2024 > EFD > Vernehmlassung 2024/43 (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
2.2 Würdigung
Das Vernehmlassungsverfahren hat gezeigt, dass eine breite politische und fachliche Unterstützung für eine punktuelle, aber gezielte Weiterentwicklung der internationalen Kooperationsregelungen im FINMAG besteht. Die zentralen Zielsetzungen - Stärkung der Kooperationsfähigkeit der FINMA, Anpassung an internationale Standards sowie Gewährleistung eines verhältnismässigen und funktionstüchtigen Rechtsschutzes - werden ausnahmslos mitgetragen.
Insbesondere die bevorzugte Variante B für die Anpassung des Kundenverfahrens (Art. 42 a VE-FINMAG) wird als sachgerechte Kompromisslösung gewürdigt. Sie berücksichtigt einerseits das legitime öffentliche Interesse an einer effizienten und zeitnahen Amtshilfe im Bereich des Marktmissbrauchs, wahrt andererseits aber auch grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien und schafft Rechtssicherheit für die betroffenen Kundinnen und Kunden. Die teilweise Einschränkung des Kundenverfahrens stellt daher ein ausgewogenes Mittel zur Wahrung der Systemintegrität des Finanzplatzes dar und stärkt zugleich dessen internationale Anschlussfähigkeit.
Der Verzicht auf die Aufhebung des «Private Banking Carve-out» gemäss Artikel 43 Absätze 3bis und 3ter VE-FINMAG trägt diesem Ausgleich ebenfalls Rechnung. Die Beibehaltung der heutigen Regelung vermeidet einen regulatorischen Bruch in einem besonders sensiblen Bereich.
Um den berechtigten Anliegen der Stellungnehmenden in Bezug auf Artikel 42 c VE-FINMAG - insbesondere hinsichtlich einer Reduktion von Rechtsrisiken und einer Erhöhung der Rechtssicherheit bei der direkten Informationsübermittlung - Rechnung zu tragen, wurde die Vorlage im Anschluss an die Vernehmlassung gezielt überarbeitet. Absatz 1 wurde dahingehend angepasst, dass der Finanzmarktaufsichtszweck neu ausdrücklich als Voraussetzung genannt wird. Zudem wird nicht mehr verlangt, dass die Voraussetzungen gemäss Artikel 42 Absatz 2 FINMAG objektiv erfüllt sind; vielmehr genügt, dass die beaufsichtigten Institute «davon ausgehen können», dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Dadurch erhalten sie die Möglichkeit, die Erfüllung der Anforderungen an Spezialität und Vertraulichkeit zu vermuten. In Anlehnung an das FINMA-Rundschreiben 2017/6 wird nachfolgend erläutert, in welchen Konstellationen eine solche gesetzlich abgestützte Vermutung zulässig ist. ¹3 Auch der Anwendungsbereich von Absatz 2 wurde sachlich erweitert und sprachlich präzisiert: Erfasst werden nun Informationsübermittlungen, die nicht einem Finanzmarktaufsichtszweck dienen, sondern im Bereich finanzmarktbezogener Regelungen erfolgen und - wie bereits nach geltendem Recht - «im Zusammenhang mit Geschäften von Kundinnen und Kunden oder Beaufsichtigten stehen». Unverändert gilt für die Informationsübermittlung nach beiden Absätzen, dass die Rechte betroffener Kundinnen und Kunden sowie Dritter zu wahren sind.
Das Vernehmlassungsverfahren hat mit Blick auf die Änderungen im RAG gezeigt, dass angesichts der verschiedenen Strukturen der beaufsichtigten Unternehmen (Konzernstrukturen im Finanzmarktbereich und Netzwerkstrukturen im Revisionsaufsichtsbereich) kein hoher Bedarf für die Direktübermittlung von Informationen durch die Revisionsunternehmen sowie für die grenzüberschreitende Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen (ausserhalb des Übereinkommens SEV Nr. 094) besteht. Demgegenüber benötigt die RAB zur effizienten Ausführung von grenzüberschreitenden Prüfungshandlung eine Rechtsgrundlage, wonach sie Prüfungshandlungen im Ausland nicht nur vor Ort, sondern wie im Binnenverhältnis auch per Fernzugriff durchführen kann. Da auch ausländische Rechtsordnungen das Prinzip des Gegenrechts kennen, müssen die Amtshilfebestimmungen zu Prüfungshandlungen der RAB im Ausland und zur Zustimmung der RAB an ausländische Revisionsaufsichtsbehörden zur Durchführung entsprechender Prüfungshandlungen in der Schweiz jeweils ausgeglichen sein. In der Vernehmlassung wurde vereinzelt befürchtet, dass die Einführung einer solchen Rechtsgrundlage zu einer Ausweitung von grenzüberschreitenden Prüfungshandlungen und höheren Kosten führen würde. Diesen Befürchtungen Rechnung tragend wird den betroffenen Schweizer Revisionsunternehmen das Recht eingeräumt, Prüfungshandlungen vor Ort in der Schweiz zu verlangen, wenn die Überprüfung per Fernzugriff für sie einen unverhältnismässigen Aufwand zur Folge hätte.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der überarbeitete Gesetzesentwurf die Anliegen der verschiedenen Stakeholder berücksichtigt, ohne die kohärente Weiterentwicklung des Aufsichtsrechts aus dem Blick zu verlieren. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen die grenzüberschreitende Kooperationsfähigkeit der FINMA und anderer Behörden nachhaltig stärken und die Schweiz als verlässliche und international anschlussfähige Akteurin im globalen Finanzsystem positionieren.
¹3 Vgl. unter Ziffer 5.1.
3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht
3.1 Internationale Standards zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unter Finanzmarktaufsichtsbehörden
3.1.1 Standard der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions, IOSCO)
Die IOSCO ist das internationale Gremium, welches weltweit die Wertpapieraufsichtsbehörden zusammenbringt und als globaler Standardsetzer für den Wertpapiersektor anerkannt ist. Sie wurde 1983 gegründet. Ihre Mitglieder regulieren mehr als 95 Prozent der weltweiten Wertpapiermärkte in mehr als 130 Rechtsordnungen. ¹4 Die IOSCO entwickelt, implementiert und fördert gleichsam in allen teilnehmenden Ländern die Einhaltung international anerkannter Standards für die Wertpapierregulierung und arbeitet intensiv mit der G20 und dem Financial Stability Board (FSB) an der globalen Regulierungsreformagenda zusammen.
Das im Bereich der Marktaufsicht wichtige IOSCO Multilateral Memorandum of Understanding Concerning Consultation and Cooperation and the Exchange of Information (IOSCO MMoU) ¹5 setzt für alle teilnehmenden Finanzmarktaufsichtsbehörden einen Standard für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit unter Finanzmarkt- und Wertpapieraufsichtsbehörden. 2002 haben sich die Unterzeichner bzw. Signatare des IOSCO MMoU auf die Grundsätze der gegenseitigen Konsultation, Zusammenarbeit und des Informationsaustausches verständigt, um die Wertpapiermarktregulierung weltweit effektiver durchsetzen und die Integrität sowie die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten zu können.
Die oberste Priorität der IOSCO ist heute, dass alle ihre Mitglieder das IOSCO MMoU gleichsam in ihrem Rechtssystem umsetzen, um so eine konkrete Zusammenarbeit zu ermöglichen, die Anleger zu schützen und faire sowie effiziente Wertpapiermärkte zu gewährleisten. Das IOSCO MMoU legt dazu für alle teilnehmenden Länder gleiche Anforderungen für die Durchführung des Informationsaustausches fest. Es stellt namentlich Anforderungen an die rechtlichen Kompetenzen auf, über welche eine Aufsichtsbehörde verfügen muss, um die Informationen amtshilfeweise einverlangen und übermitteln zu können. Weiter beinhaltet es Regeln zur Vertraulichkeit und Zweckgebundenheit amtshilfeweise offengelegter, nicht-öffentlicher Informationen. Darüber hinaus verlangt das IOSCO MMoU, dass die Signatare nicht durch inländische Gesetze daran gehindert werden, Informationen mit ihren Partnerorganisationen in anderen Ländern zu teilen. Gemäss dem Regelwerk müssen die IOSCO MMoU-Signatare u. a. in der Lage sein, die Rekonstruktion aller Wertpapier- und Derivatetransaktionen zu ermöglichen, einschliesslich der Aufzeichnungen über alle Gelder und Vermögenswerte, die im Zusammenhang mit diesen Transaktionen auf Bank- und Brokerkonten ein- und ausgezahlt wurden, und diese amtshilfeweise zu übermitteln. Dies betrifft insbesondere auch vom Bankgeheimnis geschützte Kundendaten.
Im Dezember 2022 hatten rund 130 Wertpapieraufsichtsbehörden das IOSCO MMoU unterzeichnet; die FINMA ist seit 15. Februar 2010 Signatarin. Bei der Unterzeichnung stützte sich die FINMA auf Artikel 6 Absatz 2 FINMAG. Heute stellt die Implementierung dieses Standards für die Zusammenarbeit unter Finanzmarktaufsichtsbehörden eine der zentralen Voraussetzungen dafür dar, damit das grenzüberschreitende Geschäft in den betreffenden Ländern und Rechtsordnungen zugelassen werden kann.
¹4 Abrufbar unter:
www.iosco.org
> About Iosco (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
¹5 Abrufbar unter:
www.iosco.org
> About > International Cooperation > MMoU (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
3.1.2 Standard der Internationalen Organisation der Versicherungsaufsichtsbehörden (International Association of Insurance Supervisors, IAIS)
Die 1944 gegründete IAIS ist das globale normative Gremium, das internationale Standards für die Versicherungsaufsicht entwickelt und bei deren Umsetzung hilft. Die IAIS mit Sitz in Basel vereint Finanzmarktaufsichtsbehörden aus rund 200 Rechtsordnungen, die einen Anteil von fast 97 Prozent der weltweiten Versicherungsprämien repräsentieren. ¹6 Mit ihren Aktivitäten fördert die IAIS eine wirksame und kohärente Aufsicht auf internationaler Ebene, um faire, sichere und stabile Versicherungsmärkte zu entwickeln und die Versicherten zu schützen. Ein weiteres Ziel ist die Gewährleistung der Finanzstabilität. Die IAIS spielt eine Schlüsselrolle bei der Identifizierung der wichtigsten Trends und Entwicklungen, welche die Versicherungsbranche umgestalten könnten. U. a. unterstützt sie die G20 und andere internationale normative Gremien dabei, aufkommende Risiken und globale Herausforderungen laufend zu berücksichtigen und zu regulieren.
Im Rahmen ihrer Aufgaben fördert die IAIS insbesondere den Austausch zwischen ihren Mitgliedern, indem sie eine multilaterale Plattform für die Zusammenarbeit und den Austausch ihrer Erfahrungen und ihres Verständnisses der Versicherungsaufsicht und der Versicherungsmärkte bietet. Auch für die IAIS stellt die enge Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Finanzmarktaufsichtsbehörden die zentrale Voraussetzung dafür dar, dass Versicherungsunternehmen, insbesondere auch international aktive Versicherungsgruppen (IAIGs) wirksam unter Wahrung der Finanzstabilität beaufsichtigt und zum Marktzugang zugelassen werden können.
Das Multilaterale Memorandum of Understanding (MMoU) ¹7 der IAIS ist das Rahmenwerk, welches für die teilnehmenden Finanzmarktaufsichtsbehörden eine gleichlautende und formale Grundlage für die erforderliche Versicherungsaufsichtszusammenarbeit schafft. Es setzt voraus, dass das Land, in welchem eine Versicherungsaufsichtsbehörde ihren Sitz hat, über Rechtsvorschriften verfügt, welche diesem gemeinsamen Standard entsprechen. Vor der Unterzeichnung des IAIS-MMoU durchlaufen die Mitglieder ein strenges Prüfungsverfahren. Derzeit sind 84 Mitglieder der IAIS Unterzeichner des MMoU, welche allerdings mehr als drei Viertel des weltweiten Versicherungssektors (gemessen an den Bruttoprämien) repräsentieren. In diesen Ländern ist der IAIS-Standard zur Versicherungsaufsichtszusammenarbeit gleichsam umgesetzt worden. Auch die FINMA unterzeichnete das IAIS-MMoU im September 2011 und stütze sich dabei auf Artikel 6 Absatz 2 FINMAG.
¹6 Abrufbar unter:
www.iais.org
> About the IAIS > What we do (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
¹7 Abrufbar unter:
www.iais.org
> About the IAIS > IAIS MMoU (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
3.1.3 Standard der Financial Action Task Force (FATF)
Die 1989 gegründete FATF ist das führende internationale Gremium zur Bekämpfung von Geldwäscherei, Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung. Zu diesem Zweck hat sie 40 Empfehlungen formuliert, die zwar kein völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen darstellen, jedoch als international anerkannter Standard gelten. Staaten, die diese Empfehlungen gutheissen - darunter auch die Schweiz -, sind politisch verpflichtet, sie in ihrer nationalen Gesetzgebung umzusetzen. Die FATF überprüft regelmässig, in welchem Umfang ihre Mitgliedstaaten den Standard in nationales Recht übertragen und wirksam anwenden. Als Mitglied der FATF hat sich auch die Schweiz zur innerstaatlichen Umsetzung der Empfehlungen verpflichtet.
Empfehlung 40 der FATF betrifft andere Formen der internationalen Zusammenarbeit als die klassische Rechtshilfe. Sie verlangt von den Staaten, sicherzustellen, dass ihre zuständigen Behörden in der Lage sind, schnell, konstruktiv und effektiv die weitestgehende internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Geldwäscherei, deren Vortaten sowie Terrorismusfinanzierung zu leisten. In diesem Zusammenhang übt die FATF Kritik am bestehenden Kundenverfahren gemäss Artikel 42 a FINMAG, da dieses die Fähigkeit der FINMA zur raschen und wirksamen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beeinträchtigen kann. Insbesondere erschwert es ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden den Zugang zu kundenbezogenen Informationen im Rahmen grenzüberschreitender Prüfungen gemäss Artikel 43 FINMAG. Dies hat zur Folge, dass die Aufsichtsbehörden im Herkunftsstaat nicht in der Lage sind, die Qualität der gruppenweiten Aufsicht über Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierungsrisiken auf Ebene der Muttergesellschaft umfassend zu beurteilen. ¹8
¹8 Vgl. §457 sowie Kriterium 40.15 des FATF Länderberichts zur Schweiz vom Dezember 2016 (in Französisch und Englisch), abrufbar unter: www.fatf-gafi.org > Countries > Switzerland > Measures to combat money laundering and the financing of terrorism and proliferation in Switzerland (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
3.2 Zusammenarbeit der Finanzmarktaufsichtsbehörden des EU-Raumes im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems
Das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten der EU wird durch die EU explizit nicht harmonisiert oder vereinheitlicht (Art. 197 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV] ¹9 ). Gemäss dem sogenannten Prinzip der Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten vollziehen Letztere grundsätzlich das Unionsrecht. D. h. ein direkter Vollzug des Unionsrechts durch die EU findet nur in speziellen Bereichen statt.
Gestützt auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit bestehen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie zwischen den EU-Mitgliedstaaten unter sich zwar qualifizierte Kooperationspflichten. Aus Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) 2⁰ lässt sich aber keine allgemeine Verpflichtung zur gegenseitigen Verwaltungszusammenarbeit ableiten. Die Amtshilfe in Verwaltungssachen bzw. die Verwaltungszusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten ist entsprechend nicht umfassend, sondern sektoriell reguliert. Auch die Zusammenarbeit bei der Finanzmarktaufsicht im EU-Raum ist sektoriell und insbesondere im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems («European System of Financial Supervision», «ESFS») geregelt worden.
Das ESFS ist ein weit fortgeschritten integriertes System aus Behörden und Ausschüssen, welche die Zusammenarbeit der nationalen Behörden mit dem Ziel einer konvergierenden Finanzmarktaufsicht innerhalb der EU regelt. 2¹ Es umfasst u. a. die drei europäischen Aufsichtsbehörden («European Supervisor Authorities» [ESAs]), d. h. die «European Securities and Markets Authority» (ESMA), die «European Banking Authority» (EBA) und die «European Insurance and Occupational Pensions Authority» (EIOPA), an welchen die nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten teilnehmen. Das ESFS ist seit dem 1. Januar 2011 etabliert und hat sich seither vor dem Hintergrund der Einführung der EU-Bankenunion 2² und der EU-Kapitalmarktunion beständig weiterentwickelt.
Die drei europäischen Aufsichtsbehörden stellen heute gemeinsam mit den nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten die mikroprudenzielle Säule der EU-Finanzmarktaufsicht dar. Während die laufende Überwachung der Finanzdienstleister weitgehend Aufgabe der nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten bleibt, koordinieren die übergeordneten europäischen Aufsichtsbehörden die nationalen Behörden, entwickeln konvergente Aufsichtspraktiken im EU-Raum und setzen diese auch durch. Die umfassende behördliche Zusammenarbeit ist zu diesem Zweck eine wesentliche Voraussetzung. Die europäischen Aufsichtsbehörden sind heute auch befugt, zu konkreten Fällen Empfehlungen gegenüber den nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten auszusprechen.
Zwischen den europäischen Aufsichtsbehörden findet im Rahmen des EU-Binnenmarktes eine Zusammenarbeit nicht nur zu aufsichtlichen, sondern auch zu regulatorischen Zwecken statt. Die europäischen Aufsichtsbehörden beschliessen insbesondere die technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards, welche von der EU-Kommission in Form von delegierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten erlassen werden.
¹9 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung), Fassung gemäss ABl. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 47.
2⁰ Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung), ABl. C 326 vom 26. Oktober 2012, S. 13.
2¹ Abrufbar unter:
www.finma.ch
> Finma > Internationale Zusammenarbeit > Policy- und Regulierungszusammenarbeit (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
2² Abrufbar unter:
www.consilium.europa.eu/de
> Themen > Alle anzeigen > Bankwesen > Bankenunion (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
3.3 Zusammenarbeit von Drittlandbehörden mit den europäischen Aufsichtsbehörden im Rahmen von EU-Äquivalenzanerkennungen und Monitorings
Das EU-Recht sieht in bestimmten Teilbereichen des Finanzmarktrechts die Möglichkeit sogenannter Äquivalenzverfahren gegenüber Drittländern vor. Ziel dieser Verfahren ist es, eine Balance zwischen Finanzstabilität und Anlegerschutz innerhalb der EU einerseits und den Vorteilen eines offenen und global integrierten EU-Finanzmarktes andererseits zu erreichen. Zusätzlich sind sie aus Sicht der EU ein zentrales Instrument, um regulatorische Konvergenz entlang internationaler Standards sowie die Aufsichtszusammenarbeit mit Drittstaatenbehörden zu fördern. ²3 Dabei soll primär gelten, dass bei grenzüberschreitenden Aktivitäten aus Drittländern keine Doppelspurigkeiten für EU-Finanzdienstleister und EU-Aufsichtsbehörden entstehen. Gleichzeitig sollen EU-Firmen und -Investoren von einer breiteren Palette an Dienstleistungen und Produkten profitieren können, sofern diese den Anforderungen der EU-Finanzmarktregulierung entsprechen. In diesem Sinne entscheidet die EU-Kommission, ob die Voraussetzungen der Äquivalenz bzw. Gleichwertigkeit bei Regulierung und Finanzmarktaufsicht im entsprechenden Finanzdienstleistungssektor des betreffenden Drittlandes erfüllt sind und eine Äquivalenzanerkennung ausgesprochen werden kann.
Insoweit können EU-Äquivalenzanerkennungen für Finanzdienstleister aus Drittstaaten Erleichterungen im EU-Binnenmarkt schaffen. Die EU-Kommission anerkennt heute bspw. das Versicherungsaufsichtssystem der Schweiz als mit der in der EU massgeblichen Richtlinie 2009/138/EG (Solvenz II) gleichwertig; ²4 ebenfalls werden von der EU die Schweizer Regulierung für zentrale Gegenparteien ²5 und die Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko von Kreditinstituten oder Wertpapierfirmen ²6 als gleichwertig anerkannt.
Die EU-Kommission hat ihre Politik zur Äquivalenz bzw. Gleichwertigkeit im Bereich der Finanzdienstleistungen gegenüber Nicht-EU-Ländern in einer offiziellen Mitteilung am 29. Juli 2019 veröffentlicht. ²7 In diesem Zusammenhang wurde den europäischen Aufsichtsbehörden die Aufgabe zugeteilt, mit Äquivalenzentscheiden bedachte Drittländer mit Blick auf deren Regulierungs- und Finanzmarktaufsichtspraxis kontinuierlich zu überwachen und einer regelmässigen Prüfung (auch etwa als «Äquivalenzmonitoring» bezeichnet) zu unterziehen und der EU-Kommission, dem EU-Rat und EU-Parlament Bericht zu erstatten. ²8 Der Auftrag der europäischen Aufsichtsbehörden besteht darin zu prüfen, ob die Kriterien, auf deren Grundlage die Beschlüsse über die Gleichwertigkeit gefasst wurden, und die darin festgelegten Bedingungen weiterhin erfüllt sind.
In diesem Sinne soll das Äquivalenzmonitoring die Verfolgung relevanter regulierungs- und aufsichtsspezifischer Entwicklungen sowie Marktentwicklungen mit Blick auf die Finanzstabilität, die Marktintegrität, den Schutz der Investoren und Kunden sowie das Funktionieren des Binnenmarkts ermöglichen. Es verlangt einen Informationsaustausch unter den Behörden, der grundsätzlich nicht mit der einzelfallbasierten Amtshilfe nach den Artikeln 42 und 42 a FINMAG vergleichbar ist. Der Inhalt der im Rahmen eines Äquivalenzmonitorings mit einer Drittstaatenaufsichtsbehörde «auszutauschenden» Informationen ergibt sich aus dem jeweiligen spezifischen Äquivalenzverfahren. Die Informationen betreffen auch die Aufsichtspraxis für den als gleichwertig anerkannten Sektor und sollen konkret anhand von Einzelfällen auf Institutsebene einen Rückschluss auf die Aufsichtspraxis ermöglichen. Der Informationsaustausch zwischen Drittstaatbehörden und EU-Aufsichtsbehörden zwecks Äquivalenzmonitorings kann daher auch Informationen von einzelnen Bewilligungsträgern enthalten.
Es ist den europäischen Aufsichtsbehörden auch gestattet, den Kontakt mit den zuständigen ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden zur Informationsbeschaffung zu suchen und mit diesen Verwaltungsvereinbarungen («bilateral or multilateral arrangements») über die Zusammenarbeit abzuschliessen. Dabei handelt es sich in der Regel um reine Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding, MoU), die keine rechtliche Bindungswirkung entfalten und nicht gerichtlich durchgesetzt werden können. Das Äquivalenzmonitoring kann von den europäischen Aufsichtsbehörden jedoch auch ohne eine solche Kontaktaufnahme vorgenommen werden.
Bei fehlender Kooperationsfähigkeit oder -bereitschaft der Drittstaatenbehörden müssen die europäischen Aufsichtsbehörden der EU-Kommission Bericht erstatten.
²3 Vgl. EU-Kommission, Commission Staff Working Document, EU equivalence decisions in financial services policy: an assessment, SWD (2017) 102 final, 27. Februar 2017.
²4 Delegierter Beschluss (EU) 2015/1602 der Kommission vom 5. Juni 2015 über die Gleichwertigkeit der in der Schweiz geltenden Solvabilitäts- und Aufsichtssysteme für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen auf der Grundlage von Artikel 172 Absatz 2, Artikel 227 Absatz 4 und Artikel 260 Absatz 3 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. ABl. L 248 vom 24. September 2015, S. 95.
²5 Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2042 der Kommission vom 13. November 2015 über die Gleichwertigkeit des Regulierungsrahmens der Schweiz für zentrale Gegenparteien mit den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl. L 298 vom 14. November 2015, S. 42.
²6 Durchführungsbeschluss 2014/908/EU der Kommission vom 12. Dezember 2014 über die Gleichwertigkeit der aufsichtlichen und rechtlichen Anforderungen bestimmter Drittländer und Gebiete für die Zwecke der Behandlung von Risikopositionen gemäss der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 359 vom 16. Dezember 2014, S. 155.
²7 Europäische Kommission, Mitteilung COM (2019) 349 final vom 29. Juli 2019 - Equivalence in the area of financial services (deutsche Fassung), C-52019DC0349.
²8 Equivalence in the area of financials services, S. 9 ff.
3.4 Europäisches Übereinkommen vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland
Das Übereinkommen SEV Nr. 094 verpflichtet die Vertragsstaaten, bei der Zustellung von Urkunden in Verwaltungssachen Amtshilfe zu leisten. Das Übereinkommen wurde im Jahr 1977 zur Unterzeichnung aufgelegt, und ist 1982 in Kraft getreten. Vertragsparteien sind nebst der Schweiz (seit 1. Oktober 2019 in Kraft) Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich und Spanien. ²9 Inhaltlich wurde das Übereinkommen weitgehend dem Haager Übereinkommen vom 1. März 1954 3⁰ betreffend das Zivilprozessrecht und dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 3¹ über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen nachgebildet, die die Schweiz ratifiziert hat. 3²
Artikel 1 des Übereinkommens definiert dessen Anwendungsbereich. Das Übereinkommen ist auf alle Verwaltungssachen anwendbar und die Vertragsstaaten verpflichten sich, einander bei der Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen Amtshilfe zu leisten (Abs. 1), mit Ausnahme der Steuer- und Strafsachen (Abs. 2). Bei der Ratifizierung des Übereinkommens SEV Nr. 094 hat die Schweiz das Gebiet der Finanzmarktaufsicht vom Anwendungsbereich des Übereinkommens mittels Erklärungen gemäss Artikel 1 Absätze 2 und 3 ausgeschlossen. Im Übrigen ist aber eine Definition von «Verwaltungssache» im Übereinkommen nicht enthalten. 3³ Das Übereinkommen sieht grundsätzlich vor, dass die Staaten eine zentrale Behörde bezeichnen, welche die Zustellungsersuchen entgegennimmt und das Erforderliche zu veranlassen hat (Art. 2 Abs. 1). Bundesstaaten können mehrere zentrale Behörden bezeichnen (Art. 2 Abs. 1). Neben der Zustellung über die zentrale Behörde lässt das Übereinkommen aber auch andere Zustellungswege zu, wenn die Staaten keine einschränkende Erklärung abgeben. ³4 So kann ein Schriftstück von einem Konsularbeamten (oder von einem Diplomaten) des ersuchenden Staates dem Empfänger direkt zugestellt werden (Art. 10 Abs. 1; sogenannter direkter konsularischer Weg). Weiter ist die Möglichkeit, die Zustellung unmittelbar durch die Post vorzunehmen, auch vorgesehen (Art. 11). Auch die Möglichkeit, via den diplomatischen Weg zuzustellen, besteht weiterhin (Art. 12 Abs. 1). Das Übereinkommen sieht weiter vor, dass jedes Zustellungsersuchen nach einem Muster zu erstellen ist, für das sich im Anhang des Übereinkommens eine entsprechende Vorlage findet (Art. 3). ³5 Der ersuchte Staat kann die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger vornehmen, wenn dieser zur Annahme bereit ist (Art. 6 Abs. 2). Wünscht der ersuchende Staat für die Zustellung die Beachtung einer bestimmten Form, so hat der ersuchte Staat diese zu ermöglichen, sofern sie mit seinem eigenen Recht vereinbar ist (Art. 6 Abs. 1 Bst. b).
Die ersuchte Behörde kann Zustellungsersuchen, die nicht dem Übereinkommen entsprechen, ablehnen; diesfalls hat sie die ersuchende Behörde umgehend über die Gründe zu informieren (Art. 5). Artikel 14 zählt die zulässigen Verweigerungsgründe auf. ³6 Die Zustellung soll insbesondere verweigert werden können, wenn das Ersuchen eine Materie beschlägt, die vom Übereinkommen nicht erfasst ist (Art. 14 Abs. 1 Bst. a). Sollte der Empfänger an der von der ausländischen Behörde angegebenen Adresse nicht erreichbar sein oder sollte sich seine Adresse nicht leicht feststellen lassen, so darf das Zustellungsgesuch ebenfalls abgelehnt werden (Art. 14 Abs. 1 Bst. c). Von Bedeutung ist auch, dass sich die ersuchte Behörde auf den Standpunkt stellen darf, dass eine Zustellung die Souveränität, Sicherheit, öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen ihres Staates beeinträchtigen könnte (Art. 14 Abs. 1 Bst. b). Damit stehen dem ersuchten Staat ausreichende Handlungsmöglichkeiten offen, um im konkreten Einzelfall eine umsichtige Güterabwägung vorzunehmen und über die Zustellung und deren Modalitäten zu beschliessen. ³7
²9 Abrufbar unter:
www.fedlex.admin.ch/eli/treaty/2016/1929/de
(zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
3⁰ SR 0.274.12
3¹ SR 0.274.131
3² BBl 2017 5961
3³ BBl 2017 5960
³4 BBl 2017 5961
³5 BBl 2017 5962
³6 BBl 2017 5962
³7 BBl 2017 5962
4 Grundzüge der Vorlage
4.1 Die beantragte Neuregelung
4.1.1 Amtshilfeverfahren (Art. 42
a
E-FINMAG)
Gemäss Artikel 53 FINMAG sind die
Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968
³8
(
VwVG) und damit dessen Bestimmungen über die Anhörungs-, Mitwirkungs- und Beschwerderechte auf das Amtshilfeverfahren der FINMA anwendbar. So ist heute insbesondere auch das Kundenverfahren nach Artikel 42 a Absätze 2 und 4-6 FINMAG bzw. das Verwaltungsverfahren mit Anhörungs- und Beschwerderechten der betroffenen Kundinnen und Kunden Teil des Amtshilfeverfahrens der FINMA.
Das schweizerische Kundenverfahren stellt im internationalen Vergleich eine Seltenheit dar (nur Liechtenstein kennt einen entsprechenden Einbezug der betroffenen Bankkunden) ³9 und wird von ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden kritisch betrachtet, weil es als relevante Einschränkung bei der Amtshilfefähigkeit der FINMA wahrgenommen wird. Der heute geltende Rechtsrahmen steht zunehmend im Widerspruch zu den internationalen Standards der Aufsichtskooperation, die sich durch ein hohes Mass an Funktionalität, Beschleunigung und gegenseitigem Vertrauen auszeichnen. 4⁰ Während in den meisten vergleichbaren Jurisdiktionen eine rasche und unmittelbare Übermittlung aufsichtsrechtlich relevanter Informationen erfolgt - ohne vorgängige Information oder Anhörung der betroffenen Person -, erweist sich das Schweizer Verfahren aufgrund seiner formellen Ausgestaltung und prozessualen Mehrstufigkeit als schwerfällig und zeitintensiv.
Diese strukturelle Abweichung hat direkte Auswirkungen auf die internationale Anschlussfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes. Die weitreichenden Mitwirkungs- und Rechtsmittelrechte führen in der Praxis regelmässig zu erheblichen Verzögerungen bei der Informationsübermittlung an ausländische Behörden - insbesondere im sensiblen Bereich der Marktmissbrauchsbekämpfung. Erfahrungen aus der Amtshilfepraxis belegen, dass sich die betroffenen Kundinnen und Kunden häufig gerade in Fällen auf das Kundenverfahren berufen, in denen gegen sie ein konkreter und begründeter Verdacht wegen Insiderhandels oder Marktmanipulation in Bezug auf ausländische Finanzinstrumente besteht.
Ein solcher begründeter Verdacht liegt beispielsweise vor, wenn mit einer an einem ausländischen Handelsplatz zum Handel zugelassenen Effekte im zeitlichen Umfeld einer kursrelevanten Veröffentlichung gezielt Finanztransaktionen durchgeführt werden. Typischer Fall: Eine vertrauliche Information - etwa über einen bevorstehenden Unternehmenszusammenschluss - deutet auf eine absehbare Kurssteigerung hin. Kurz vor der Veröffentlichung kaufen Insiderinnen und Insider entsprechende Titel, um sie nach Veröffentlichung mit Gewinn zu veräussern. Solche Muster werden häufig von ausländischen Aufsichtsbehörden erkannt und der Verdacht kann durch die Edition der Bankunterlagen bei Schweizer Instituten untermauert werden. Weitere verdachtsbegründende Elemente sind etwa aussergewöhnlich hohe Handelsvolumen oder das erstmalige Engagement der Kundin oder des Kunden in die betroffenen Effekte. 4¹
So haben im Zeitraum 2015-2022 rund zehn mutmasslich miteinander verbundene Personen, die verschiedenen Insiderringen zugerechnet werden, die schweizerische Amtshilfe überdurchschnittlich stark beansprucht - eine davon hat allein sieben Verfügungen ausgelöst. Diese Insiderringe sind Gegenstand koordinierter Untersuchungen mehrerer ausländischer Finanzmarktaufsichtsbehörden. Die betreffenden Personen tauchen auch gegenwärtig in verschiedensten Amtshilfedossiers wiederholt auf, wobei oftmals eine nachträgliche Kundennotifikation erfolgt. Einige ausländische Aufsichtsbehörden verzichten inzwischen ganz auf Amtshilfeersuchen mit nachträglicher Notifikation (Art. 42 a Abs. 4 FINMAG), da im Fall einer späteren gerichtlichen Feststellung einer widerrechtlichen Übermittlung ihre eigenen Verfahren gefährdet oder revisionsbedürftig würden.
Ob vorgängige oder nachträgliche Information - beide Varianten des Kundenverfahrens beeinträchtigen die internationale Zusammenarbeit erheblich. Entweder führen sie zu substanziellen Verzögerungen bei der Bearbeitung von Amtshilfeersuchen oder sie schaffen rechtliche Unsicherheiten auf Seiten der ersuchenden Behörden. Zwar werden die dagegen erhobenen Beschwerden von den Gerichten in der Regel letztlich abgewiesen - für die praktische Wirkung ist dies jedoch unerheblich: Die Verfahren werden dennoch spürbar verzögert oder die ausländischen Verfahren durch die unklare Rechtslage gefährdet. In der Folge wird nicht nur die Handlungsfähigkeit der FINMA beeinträchtigt, sondern auch die Effektivität der ausländischen Aufsichtsverfahren unterlaufen - mit direkten Folgen für die Glaubwürdigkeit des Finanzplatzes Schweiz als verlässlicher Partner in der internationalen Aufsichtszusammenarbeit.
Diese Rechtslage wurde auch von internationalen Gremien wie der FATF im Rahmen ihrer Länderprüfungen kritisch beurteilt. Sie erachtet die in der Schweiz bestehenden Rechtsschutzmechanismen in der aufsichtsrechtlichen Amtshilfe - insbesondere die vorgängige Einbindung der betroffenen Person - als potenziell hinderlich im internationalen Kampf gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Damit ist ein nicht unerhebliches Reputationsrisiko für die Schweiz verbunden, namentlich im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit als Kooperationspartnerin im internationalen Aufsichtsgefüge.
Wer an ausländischen Finanz- und Börsenplätzen handelt und investiert, muss heute konkret damit rechnen, dass die dortigen Finanzmarktaufsichtsbehörden im Bedarfsfall um Informationen ersuchen, bspw. hinsichtlich der Risiken zum betreffenden internationalen Finanzgeschäft oder der Identität der Kundinnen und Kunden und des Auftragshergangs im Marktaufsichtskontext. Dabei entspricht es wie erwähnt dem internationalen Standard 4² , dass die entsprechenden Daten rasch und ohne Anhörungs- und Beschwerdeprozess übermittelt werden.
Obschon Wechselwirkungen bestehen können, unterscheidet sich die Zusammenarbeit zu Finanzmarktaufsichtszwecken von der internationalen Verwaltungszusammenarbeit in anderen Bereichen wie bspw. im Steuerbereich. Die steuerliche Amtshilfe zielt grundsätzlich auf die Steuerveranlagung ab 4³ , doch üben die Steuerbehörden keinerlei Aufsichtsfunktion über die Steuerpflichtigen aus. Die Finanzmarktaufsichtsbehörden nehmen anderseits im öffentlichen Interesse eine solche übergeordnete Kontroll- und Aufsichtsfunktion wahr; im selben Kontext sind sie für den Individual- wie auch den übergeordneten Funktionsschutz verantwortlich. Sie sind somit einerseits für die Gefahrenabwehr zugunsten der Gläubiger, Anleger und Versicherten verantwortlich (Individualschutz); andererseits stehen sie im Rahmen ihrer Finanzmarktaufsichtsfunktion für die Vermeidung von systemischen Finanzkrisen, den Schutz des Vertrauens des Publikums in die Finanzintermediation und die Aufrechterhaltung eines funktionierenden und effizienten Marktes (übergeordneter Funktionsschutz) ein.
Faire und transparente Marktbedingungen - insbesondere im Bereich des Wertpapierhandels - sind von zentraler Bedeutung. Sie erfordern ein rasches und entschlossenes Einschreiten vor allem in Fällen von Marktmissbrauch. Gerade angesichts der typischerweise sehr schnellen grenzüberschreitenden Abwicklung von Finanztransaktionen ist eine zeitnahe und wirksame internationale Amtshilfe entscheidend, um unmittelbare Risiken für Anlegerinnen und Anleger sowie für die Stabilität des Marktes abzuwenden.
Wie erwähnt sieht Artikel 42 a Absatz 4 FINMAG bereits heute eine gewisse Einschränkung der Verfahrensrechte bei der Amtshilfe vor. Die
FINMA kann schon heute gemäss erwähnter Bestimmung davon absehen, die betroffenen Kundinnen und Kunden vor der Übermittlung der Informationen zu informieren, wenn der Zweck der Amtshilfe und die wirksame Erfüllung der Aufgaben der ersuchenden Behörde durch die vorgängige Information vereitelt würde (Vereitelungsgefahr). In diesen Fällen ist einzig eine nachträgliche Rechtskontrolle möglich, ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden wenden jedoch dagegen ein, dass gerade auch diese nachgelagerte Rechtskontrolle in der Schweiz die Rechtssicherheit bei der Beweisaufnahme im ausländischen Hauptverfahren gefährdet. Dies steht im Zusammenhang mit der in einigen Staaten geltenden «Fruit of the poisonous tree»-Doktrin, wonach ein einmal begründetes Beweisverwertungsverbot nicht nur den unmittelbar rechtswidrig erlangten Beweis erfasst, sondern auch sämtliche davon abgeleiteten mittelbaren Folgebeweise ausschliessen kann. In der Konsequenz kann die gesamte ausländische Verfahrenserhebung in Frage gestellt werden - mit potenziell weitreichenden prozessualen Folgen.
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das Kundenverfahren überhaupt noch den Interessen der Kundinnen und Kunden dient. Gemäss den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zahlreicher Schweizer Banken verzichten Kundinnen und Kunden bereits mit Eröffnung der Geschäftsbeziehung und der Durchführung von Transaktionen - insbesondere mit Auslandsbezug - auf den Schutz des Bankkundengeheimnisses sowie auf die einschlägigen Datenschutzbestimmungen; sie ermächtigen ihre Bank ausdrücklich, Informationen gegenüber ausländischen Behörden oder sonstigen Drittstellen offenzulegen. Aufgrund der breiten Verwendung solcher «Waiver» (Verzichtserklärungen) der Kundinnen und Kunden, mit welchen der weitgehenden formlosen Informationsübermittlung durch die betreffenden Beaufsichtigten gemäss Artikel 42 c FINMAG zugestimmt wird, sind die verbleibende Wirkung und der eigentliche Mehrwert der Geheimnispflichten gemäss heutigem Kundenverfahren der FINMA mindestens unklar.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass im Kontext des aufsichtsrechtlichen Amtshilfeverfahrens ein strukturelles Spannungsverhältnis zwischen den individuellen Rechtsschutzinteressen betroffener Kundinnen und Kunden und dem öffentlichen Interesse an integren, stabilen und transparenten Finanzmärkten besteht. Letzteres umfasst nicht nur die effektive Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Normen, sondern auch den Schutz der Interessen unbeteiligter Marktteilnehmender sowie das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes insgesamt. In diesem Lichte ist das Kundenverfahren nicht isoliert zu betrachten, sondern stets im Rahmen einer gesamtheitlichen Interessenabwägung zwischen Individualschutz und Funktionsschutz zu würdigen.
Diese Abwägung fällt im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Fällen von grenzüberschreitendem Marktmissbrauch zunehmend zuungunsten des bisherigen Systems aus. Während das bestehende Kundenverfahren auf weitreichende verfahrensrechtliche Garantien abstellt, treten dessen strukturelle Schwächen - etwa hinsichtlich Missbrauchsanfälligkeit und Verfahrensverzögerung - in der Aufsichtspraxis immer deutlicher zutage. Gleichzeitig bietet der bestehende Rechtsrahmen bereits heute verfassungsrechtlich abgesicherte Schutzmechanismen, die es der FINMA ermöglichen, auch bei einer Einschränkung des Kundenverfahrens die zentralen rechtsstaatlichen Grundsätze zu wahren. Dazu zählen insbesondere die Prüfung der Voraussetzungen der Spezialität, Vertraulichkeit und Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 42 FINMAG sowie das Erfordernis eines genügenden Anfangsverdachts als materielle Voraussetzung für die Amtshilfeleistung.
Im Ergebnis erweist sich die gezielte Einschränkung des Kundenverfahrens bei ausländischen Amtshilfeersuchen im Zusammenhang mit Marktmissbrauchstatbeständen nicht nur als sachlich begründet, sondern auch als verfassungsrechtlich tragfähig. Sie erlaubt es, die internationale Kooperationsfähigkeit der FINMA zu stärken, die Handlungsfähigkeit ausländischer Aufsichtsbehörden zu respektieren und gleichzeitig ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Individualrechtsschutz und dem Schutz kollektiver Rechtsgüter herzustellen.
Die Massnahme ist geeignet, erforderlich und zumutbar, um die relevanten öffentlichen Interessen an der Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes, der Effizienz der internationalen Zusammenarbeit sowie der Wahrung der Marktintegrität wirkungsvoll zu wahren. Sie stellt keine Preisgabe rechtsstaatlicher Grundsätze dar, sondern eine differenzierte und risikoorientierte Anpassung an die Realität eines grenzüberschreitend vernetzten Finanzsystems. Die punktuelle Einschränkung des Kundenverfahrens kann daher mit Blick auf die übergeordneten Zielsetzungen der Finanzmarktaufsicht als verhältnismässige und rechtspolitisch gebotene Weiterentwicklung des geltenden Rechtsrahmens verstanden werden.
Konkret soll das Kundenverfahren künftig in aufsichtsrechtlichen Amtshilfeverfahren dann nicht mehr zur Anwendung gelangen, wenn das ausländische Ersuchen auf eine mögliche Verletzung der Marktmissbrauchsbestimmungen - insbesondere Insiderhandel oder Marktmanipulation (Marktmanipulations- und Insiderfälle machen rund 65 Prozent aller Amtshilfeersuchen aus) 4⁴ abzielt und sich die relevanten Transaktionen auf den ausländischen Finanzmarkt beziehen. Solche Amtshilfeersuchen gehen mit einem konkreten Verdacht auf eine Involvierung der betroffenen Kundinnen und Kunden einher und führen - wie die Praxis zeigt - regelmässig zu erheblichen Verzögerungen im Verfahren. Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel im bisherigen Verständnis des verfahrensrechtlichen Rechtsschutzes. In diesen Fällen entfällt sowohl das vorgängige Anhörungs- und Beschwerderecht der betroffenen Kundinnen und Kunden als auch die nachträgliche Informationspflicht der FINMA. Das Kundenverfahren soll dagegen in allen übrigen Amtshilfeverfahren - etwa bei unerlaubter Finanzintermediation oder bei der Missachtung aufsichtsrechtlicher Offenlegungspflichten - in der bisherigen Form erhalten bleiben.
Auch in den eingeschränkten Anwendungsfällen sollen weiterhin die allgemeinen rechtlichen Anforderungen an die Amtshilfeleistung Geltung haben: Die FINMA hat insbesondere die Prinzipien der Spezialität, Vertraulichkeit und Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 42 FINMAG sowie das Vorliegen eines genügenden Anfangsverdachts zu prüfen. Die FINMA hat hierbei zu überprüfen, ob genügend Anhaltspunkte für mögliche Verstösse gegen gesetzliche und reglementarische Vorschriften oder Marktverzerrungen vorliegen, welche das Amtshilfeersuchen rechtfertigen. Sie muss die Amtshilfe dann verweigern, wenn die verlangten Informationen in keinem Zusammenhang mit der Untersuchung stehen oder nicht sachbezogen sind, d. h. sich für die Abklärung des in Frage stehenden Sachverhalts nicht als potenziell relevant erweisen, sodass daraus eine verpönte Beweisforschung resultiert («fishing expedition»). Auch soll weiterhin das Editionsverfahren mit den nach VwVG geltenden Anhörungs- und Beschwerderechten der Informationsinhaberin oder des Informationsinhabers Anwendung finden. Wehrt sich eine Informationsinhaberin oder ein Informationsinhaber gegen die Herausgabe von Daten (Art. 42 Abs. 1 FINMAG), so betrifft dieses Verwaltungsverfahren jedoch einzig die Herausgabe der Informationen und begründet keine Parteistellung im Hinblick auf die Übermittlung an die ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde. Der spezielle Rechtsschutz für alle im Amtshilfeverfahren der FINMA Betroffenen soll in diesem Rahmen weiterhin gewährleistet bleiben.
³8 SR 172.021
³9 Vgl. Stefan Oesterhelt/Martin Zweifel in: Peter Sester / Beat Brändli / Oliver Bartholet / Reto Schiltknecht
(Hrsg.), Finanzmarktrecht und Finanzmarktinfrastrukturen, St. Galler Handbuch zum Schweizer Finanzmarktrecht (Zürich/St. Gallen 2018), 517, Fn 27; vgl. ferner Urs Zulauf, Kooperation oder Obstruktion? - 20 Jahre Amtshilfe im Finanzmarktrecht vom Börsengesetz zum FINFRAG, in: GesKR 2015, 336 ff., 343.; Shelby du Pasquier/Valérie Menoud in: Rolf Watter / Rashid Bahar, Basler Kommentar zum FINMAG/FinfraG (2019), Art. 42 a N 10.
4⁰ Vgl. Peter Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht (2019), 602.
4¹ Vgl. zur Frage des Anfangsverdachts im Zusammenhang mit mutmasslichen Marktmanipulationen und Insiderdelikten etwa: BGE 125 II 65 E. 6b, BGE 128 II 407 E. 5.2.3, Urteile des Bundesgerichts 2A.494/2004 vom 17. November 2004 E. 4.2, 2A.3/2004 vom 19. Mai 2004 E. 5.2.4, 2A.491/2004 vom 24. September 2004 E. 2.1, 2A.324/2004 vom 24. Juni 2004 E. 2.1, 2A.55/2003 vom 17. März 2003 E. 4.2.1, 2A.534/2001 vom 15. März 2002 E. 4.2.1; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts B-168/2008 vom 26. März 2008 E. 5.1, B-658/2009 vom 23. April 2009 E. 5.1 m. V., BVGE 2015/27 E. 5.1.
4² Vgl. unter Ziffer 3.1.
4³ Vgl. Art. 26 Abs. 1 des Musterabkommens der
Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (
OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, abrufbar unter:
www.oecd.org
> Publications > Browse all publications > Model Tax Convention on Income and on Capital 2017 (Full Version) (zuletzt abgerufen am 7. Mai 2025).
4⁴ Vgl. FINMA Enforcementstatistik 2020-2022, abrufbar unter:
www.finma.ch
> Dokumentation > FINMA-Publikationen > Statistiken und Kennzahlen > Statistiken > Enforcement, zuletzt abgerufen am 22. April 2024).
4.1.2 Zusammenarbeit bei Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden zum schweizerischen Regulierungsrahmen (Art. 42
b
bis E-FINMAG)
Die Anerkennung des schweizerischen Regulierungsrahmens und der damit verbundenen Aufsichtspraxis der FINMA bildet häufig die Voraussetzung für den Marktzugang schweizerischer Finanzdienstleister im Ausland. Gestützt auf eine solche Anerkennung wie bspw. Äquivalenzanerkennungen der EU-Kommission können schweizerische Finanzdienstleister bspw. eine Bewilligung für die Aufnahme einer grenzüberschreitenden Tätigkeit im Ausland erhalten oder von regulatorischen Anforderungen im Tätigkeitsland befreit werden. ⁴5 Die FINMA ist regelmässig in solche Prüfverfahren ausländischer Behörden wie bspw. europäischer Aufsichtsbehörden involviert und unterstützt diese Prüfungen im Hinblick auf eine Anerkennung des schweizerischen Regulierungsrahmens einschliesslich der in der Schweiz geltenden Aufsichtspraxis.
Die ausländischen Behörden, welche solche Anerkennungen und Prüfungen vornehmen, sind je nachdem keine eigentlichen Finanzmarktaufsichtsbehörden im Sinne von Artikel 42 FINMAG und die Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang dient nicht einer eigentlichen Aufsichtstätigkeit über einen Finanzdienstleister bzw. nicht einem eigentlichen Finanzmarktaufsichtszweck. Sie dient wie erwähnt der Vorbereitung der Anerkennung des schweizerischen Regulierungsrahmens sowie der damit verbundenen Aufsichtspraxis der FINMA in einem bestimmten Finanzmarktbereich. Die übermittelten Informationen sollen die ausländische Behörde in die Lage versetzen, den schweizerischen Regulierungsrahmen und die verbundene Aufsichtspraxis zu evaluieren. Die Zusammenarbeit der FINMA bei Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden zum schweizerischen Regulierungsrahmen fällt daher grundsätzlich nicht unter die eigentliche internationale Amtshilfe nach Artikel 42 f. FINMAG und diese Bestimmungen stellen daher unter Umständen keine genügende Rechtsgrundlage dar.
Je nach Situation stellt auch Artikel 42 b FINMAG keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit bei internationalen Anerkennungs- und Prüfverfahren zum schweizerischen Regulierungsrahmen dar. Ein Informationsaustausch gemäss Artikel 42 b FINMAG kann grundsätzlich nur mit internationalen Organisationen oder Gremien stattfinden, an denen die Schweiz aktiv teilnimmt (z. B. mit Mitgliedsstatus oder als «Kooperationsmitglied»), sei dies über die FINMA, die SNB oder über eine Verwaltungsbehörde (vgl. dazu ausdrücklich auch Botschaft FinfraG ⁴6 ). Es geht dabei um Organisationen, die sich auf die Erarbeitung von internationalen Standards in den Gebieten des Schutzes von Gläubigern, Investoren und Versicherten sowie des einwandfreien Funktionierens des Finanzmarkts konzentrieren. Darunter fallen etwa der Internationale Währungsfonds (IWF), der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS), die IAIS, die IOSCO, die FATF sowie der Financial Stability Board (FSB). Nach dem Wortlaut von Artikel 42 b FINMAG ist dessen Anwendungsbereich zudem auf den Informationsaustausch bei multilateralen Initiativen dieser Organisationen und Gremien beschränkt. Eine Übermittlung von Informationen ausserhalb eines derartigen multilateralen Rahmens, welche bspw. nur von der Schweiz verlangt wird, würde vom Sinn von Artikel 42 b FINMAG je nachdem nicht erfasst werden können. Hieraus ergibt sich, dass wie erwähnt auch Artikel 42 b FINMAG, welcher ebenfalls einen Fall der internationalen Zusammenarbeit der FINMA ausserhalb der eigentlichen Amtshilfe nach Artikel 42 FINMAG regelt, für den Informationsaustausch im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden keine klare Rechtsgrundlage darstellt.
Ohne klare formell-gesetzliche Verankerung kann die FINMA unter Umständen die erwähnte internationale Zusammenarbeit zur Anerkennung des schweizerischen Regulierungsrahmens nicht in genügendem Umfang erbringen. Insbesondere können gemäss heutigem Recht grundsätzlich nur öffentlich zugängliche Informationen zur FINMA-Aufsichtspraxis, zu FINMA-Weisungen und Beaufsichtigten übermittelt werden. Die FINMA hat dabei den geschilderten ihr zur Verfügung stehenden Rechtsrahmen bereits ausgeschöpft. Entsprechend war die FINMA in der Vergangenheit nicht immer in der Lage, aus Sicht der prüfenden ausländischen Behörde die insbesondere auch nicht öffentlich zugänglichen Auskünfte bereitzustellen, die für die Prüfung des Regulierungsrahmens und der entsprechenden Aufsichtspraxis der FINMA benötigt wurden. Diese unsicheren gesetzlichen Offenlegungsmöglichkeiten der FINMA beeinflussen die Prüfergebnisse schliesslich negativ.
Ausgehend vom bereits bestehenden Artikel 42 b FINMAG, welcher wie erwähnt ebenfalls einen Fall der internationalen Zusammenarbeit der FINMA ausserhalb der eigentlichen Amtshilfe nach Artikel 42 FINMAG regelt, soll mit dem neuen Artikel 42 b bis E-FINMAG eine spezifische Rechtsgrundlage geschaffen werden, welche die Übermittlung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen zum schweizerischen Regulierungsrahmen und der entsprechenden Aufsichtspraxis der FINMA im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren durch ausländische Behörden ausdrücklich und klar erlaubt, sofern diese Informationen von der FINMA als für die Zwecke der Prüfung des schweizerischen Regulierungsrahmens und der damit verbundenen Aufsichtspraxis als relevant erachtet werden.
Solche Informationen beinhalten insbesondere FINMA-interne Weisungen und Prozesse und Auszüge aus FINMA-Aufsichtsdossiers, welche auch Informationen über FINMA-Beaufsichtigte enthalten können, so u. a. FINMA-Aufsichtsprogramme und -prioritäten hinsichtlich eines beaufsichtigten Instituts, Beispiele von Gewährsprüfungen sowie Auszüge von Aufsichts- und Prüfberichten.
⁴5 Vgl. unter Ziffer 3.3.
⁴6 BBl 2014 7483 S. 7619 und (zum analogen Art. 50 b NBG) 7600.
4.1.3 Informationsübermittlung durch Beaufsichtigte (Art. 42
c
E-FINMAG)
Artikel 42 c FINMAG wurde vom Gesetzgeber als Entlastung der Beaufsichtigten und vor allem von deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingeführt. Beaufsichtigte sollten ihren Verpflichtungen gegenüber ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden und weiteren mit der Aufsicht betrauten Stellen rechtssicher nachkommen können, ohne dass sich deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter permanent der Gefahr aussetzen, sich nach Artikel 271 des Strafgesetzbuchs (StGB) ⁴7 strafbar zu machen. Artikel 42 c FINMAG beschränkt sich jedoch nicht ausschliesslich auf Anwendungsfälle von Artikel 271 StGB, sondern erfasst auch Informationsübermittlungen an ausländische nicht hoheitliche Stellen - etwa an privatrechtlich organisierte Finanzmarktinfrastrukturen.
Gemäss dem geltenden Artikel 42 c Absatz 1 FINMAG dürfen Beaufsichtigte den zuständigen ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden und weiteren mit der Aufsicht betrauten ausländischen Stellen nicht öffentlich zugängliche Informationen übermitteln, sofern die Voraussetzungen der Amtshilfe erfüllt sind und die Rechte von Kundinnen und Kunden sowie Dritten gewahrt bleiben. Nach Artikel 42 c Absatz 2 FINMAG dürfen sie darüber hinaus nicht öffentliche Informationen, die im Zusammenhang mit Geschäften von Kundinnen und Kunden sowie Beaufsichtigten stehen, ausländischen Behörden und den von diesen beauftragten Stellen übermitteln, wenn die Rechte von Kunden und Dritten gewahrt bleiben. Der geltende Artikel 42 c FINMAG schreibt weiter in Absatz 3 vor, dass eine Informationsübermittlung durch den Beaufsichtigten direkt an eine ausländische Behörde oder beauftragte Stelle vorgängig der FINMA gemeldet werden muss, wenn diese Übermittlung von wesentlicher Natur gemäss Artikel 29 Absatz 2 FINMAG ist. Die FINMA verfügt immer über die Möglichkeit, einen Amtshilfevorbehalt anzubringen, wovon sie seit Einführung von Artikel 42 c FINMAG im Jahr 2016 nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht hat.
Die Ex-post-Evaluation ⁴8 des FINMA-Rundschreibens 2017/6 Direktübermittlung ⁴9 zeigte, dass die Auslegung von Artikel 42 c Absätze 1 und 2 FINMAG in der Praxis bei den
Finanzdienstleistern
zu Rechtsunsicherheiten führt. Mit der vorgesehenen Änderung von Artikel 42 c FINMAG soll daher das Verhältnis zwischen Absatz 1 und Absatz 2 geklärt werden, indem die entsprechenden Anforderungen, vor allem auch die Zweckerfordernisse sowie der Anwendungsbereich der Bestimmungen näher definiert werden. Auch soll die Rolle der FINMA in diesem Zusammenhang geklärt werden sowie eine kohärente Ausrichtung der Anforderungen an die direkte Zusammenarbeit der Beaufsichtigten entsprechend den Anforderungen an die Zusammenarbeit der Behörden bzw. die Amtshilfe der FINMA erfolgen.
Insbesondere soll Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG die Übermittlung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen zu Aufsichtszwecken direkt durch die Beaufsichtigten an Finanzmarktaufsichtsbehörden und weitere mit der Aufsicht betraute ausländische Stellen regeln. In materieller Hinsicht umfasst der Begriff der Finanzmarktaufsicht im hier verstandenen Sinn insbesondere die Überprüfung der Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen, etwa im Hinblick auf Solvenzvorschriften (Liquidität, Eigenkapital), das Risikomanagement, Risikokonzentrationen, die Organisation, die Anforderungen an eine einwandfreie Geschäftstätigkeit und weitere Verhaltenspflichten. In funktionaler Hinsicht bezeichnet der Finanzmarktaufsichtsbegriff das behördliche Tätigwerden im Rahmen von Bewilligungsverfahren, der laufenden Überwachung (einschliesslich Enforcement), von Krisenmassnahmen sowie von Liquidationsverfahren. 5⁰ Übermittlungen zu solchen Zwecken haben unter Absatz 1 zu erfolgen.
Die Informationsübermittlung gemäss Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG soll nur zulässig sein, sofern die Rechte von Kundinnen und Kunden sowie Dritten gewahrt bleiben und die Beaufsichtigten davon ausgehen können, dass die Voraussetzungen der Amtshilfe der FINMA (namentlich der Vertraulichkeit und Spezialität gemäss Art. 42 Abs. 2 FINMAG) erfüllt sind. In diesem Zusammenhang räumt Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG den Beaufsichtigten die Möglichkeit ein, in bestimmten Konstellationen auf eine vertiefte Einzelfallprüfung der Voraussetzungen der Spezialität und Vertraulichkeit zu verzichten und zu vermuten, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese gesetzlich verankerte Vermutungsregelung trägt zur Anwendungserleichterung bei und reduziert die Risiken für Institute und ihre Mitarbeitenden. Sie stärkt die Rechtssicherheit und ermöglicht eine praktikable Umsetzung der neuen Informationsübermittlungspflichten im internationalen Aufsichtskontext, ohne die gebotenen Schutzinteressen der betroffenen Kundinnen und Kunden sowie Dritter aus dem Blick zu verlieren.
Die Informationsübermittlungen gemäss Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG müssen der FINMA vorgängig gemeldet werden, sofern sie von wesentlicher Bedeutung gemäss Artikel 29 Absatz 2 FINMAG sind (vgl. Art. 42 c Abs. 3 E-FINMAG). Dies ist dann der Fall, wenn eine Information selbst von wesentlicher Bedeutung im Sinne von Artikel 29 Absatz 2 FINMAG ist, sodass sie auch unabhängig von einer allfälligen Übermittlung eine Meldepflicht auslösen würde, oder wenn die Übermittlung als solche von wesentlicher Bedeutung ist; d. h. eine Information kann auch dadurch zur Information von wesentlicher Bedeutung werden, dass ihre Übermittlung ins Ausland beabsichtigt wird. Bei der Beurteilung der wesentlichen Bedeutung gemäss Artikel 42 c Absatz 3 E-FINMAG kommt es auf den Zeitpunkt der Übermittlung an.
Weiter soll der geänderte Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG vorsehen, dass Beaufsichtigte darüber hinaus nicht öffentlich zugängliche Informationen, welche im Zusammenhang mit Geschäften von Kundinnen und Kunden oder Beaufsichtigten stehen und für die Durchführung dieser Geschäfte nach dem jeweils anwendbaren ausländischen Recht - in der Regel dem dort geltenden Finanzmarktrecht - erforderlich sind, selbst direkt ins Ausland übermitteln können. Im Unterschied zu den Informationsübermittlungen gemäss Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG dienen die Übermittlungen nach Absatz 2 keinem Finanzmarktaufsichtszweck, was in der Bestimmung neu ausdrücklich klargestellt wird. Diese Informationsflüsse, die typischerweise von geringfügiger bzw. niederschwelliger Natur sind, stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der operativen Geschäftsabwicklung und erfolgen auf Grundlage der jeweils einschlägigen ausländischen Vorschriften. Artikel 42 c Absatz 2 Buchstabe a E-FINMAG verlangt, dass die Informationsübermittlung «im Bereich finanzmarktbezogener Regelungen erfolgt», ohne jedoch einem Finanzmarktaufsichtszweck im Sinne von Absatz 1 zu dienen. Diese Formulierung soll einen erweiterten Anwendungsbereich ermöglichen, da in der Praxis nicht immer eindeutig ist, ob eine bestimmte ausländische Vorschrift, der eine Übermittlung dient, aus schweizerischer Sicht dem Finanzmarktrecht zuzuordnen ist. Der Begriff «finanzmarktbezogen» erlaubt es daher, auch solche Informationspflichten zu erfassen, die funktional in den Kontext des Finanzmarkts fallen, ohne dass diese notwendigerweise Teil eines formellen Aufsichtsinstrumentariums wären.
Ein Hauptanwendungsfall von Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG sind etwa Meldungen von Beaufsichtigten an ausländische Transaktionsregister im Rahmen von Effekten- oder Derivatgeschäften für ihre Kunden. Die Bestimmung ist jedoch nicht auf standardisierte Massenmeldungen im Rahmen gesetzlicher Meldepflichten beschränkt. Bei Erfüllung der Voraussetzungen sind auch Einzelfallübermittlungen zulässig, etwa wenn Beaufsichtigte auf individuelle Anfragen ausländischer Stellen zu bestimmten Transaktionen oder Kundinnen und Kunden reagieren. In diesen Fällen der direkten Informationsübermittlung durch Beaufsichtigte nach Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG sind weder das Spezialitäts- noch das Vertraulichkeitsprinzip einzuhalten, es ist jedoch sicherzustellen, dass die Rechte der betroffenen Kundinnen und Kunden sowie Dritter gewahrt bleiben. Diese Ausnahme ist sachlich gerechtfertigt, da es sich hierbei nicht um Informationen handelt, die über ein Amtshilfeverfahren durch die FINMA übermittelt werden könnten - ein Aufsichtszweck liegt nicht vor. Entsprechend besteht auch keine Pflicht zur Meldung an die FINMA. Unzulässig bleibt jedoch in diesem Rahmen die Übermittlung von Informationen an ausländische Behörden oder Stellen, wenn sie klar dem spezifischen Zweck der Besteuerung oder der Strafverfolgung dient.
Die FINMA kann gegenüber Beaufsichtigten und bestimmten ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden im Voraus und allgemein auf die Geltendmachung des Amtshilfevorbehalts gemäss Artikel 42 c Absatz 4 E-FINMAG verzichten.
⁴7 SR 311.0
⁴8 Vgl. Bericht über die Evaluation vom 19. Juli bis 13. September 2019 zum Rundschreiben 2017/6 «Direktübermittlung» und Erläuterungen zum Entwurf des teilrevidierten Rundschreibens, abrufbar unter:
www.finma.ch
> Dokumentation > Anhörungen und Evaluationen > Abgeschlossene Anhörungen > 2020 > Rundschreiben 2017/6 «Direktübermittlung» (20. August 2020-15. Oktober 2020) > Ex-post-Evaluations- und Erläuterungsbericht (zuletzt abgerufen am 22. April 2024).
⁴9 Vgl. Rundschreiben 2017/6 Direkte Übermittlung von nicht öffentlichen Informationen an ausländische Behörden und Stellen durch Beaufsichtigte, abrufbar unter:
www.finma.ch
> Dokumentation > Rundschreiben > 2017/06 FINMA-Rundschreiben «Direktübermittlung» (8. Dezember 2016) (zuletzt abgerufen am 22. April 2024).
5⁰ Vgl. BSK FINMAG-Du Pasquier/Menoud, Art. 42 N 48.
4.1.4 Grenzüberschreitende Zustellung von Dokumenten zu Finanzmarktaufsichtszwecken (Art. 42
d
E-FINMAG)
In der internationalen Zusammenarbeit zu Finanzmarktaufsichtszwecken stellt sich regelmässig die Frage, ob und wie ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden amtliche Schriftstücke an Adressatinnen und Adressaten in der Schweiz zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zustellen können bzw. ob und wie die FINMA amtliche Schriftstücke an Adressatinnen und Adressaten im Ausland rechtswirksam zustellen kann. Beispielsweise muss eine Verfügung korrekt eröffnet werden, damit sie wirksam werden kann (Art. 34 Abs. 1 VwVG). Mit der Eröffnung wird der Adressatin oder dem Adressaten ermöglicht, den Verfügungsinhalt zur Kenntnis zu nehmen. 5¹ Die Zustellung stellt dabei «einen ‹technischen Vorgang [dar], bei welchem den Adressatinnen und Adressaten die Verfügung übermittelt wird»; sie ist also eine Teilhandlung im Rahmen des Eröffnungsvorgangs. 5²
Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtslage wie folgt beschrieben: «En effet, la notification d’un acte officiel susceptible de déployer des effets juridiques (par opposition à un acte au contenu purement informatif) constitue un acte de puissance publique dont l’exécution incombe aux autorités locales […]. C’est pourquoi lorsque la notification doit intervenir à l’étranger, il convient de procéder par la voie diplomatique ou consulaire à moins qu’une convention internationale ne prévoie expressément le contraire […]. La notification directe, à l’étranger, par la poste est un acte d’autorité publique sur territoire étranger. Une autorité judiciaire ou un organisme de l’Etat d’envoi ne peut y procéder qu’avec le consentement de l’Etat de destination. La notification irrégulière d’un acte judiciaire est dépourvue d’effet.» 5³
Diese Rechtsauffassung fusst auf der Vorstellung, dass die Zustellung amtlicher Schriftstücke auf fremdem Hoheitsgebiet einen Eingriff in die staatliche Souveränität darstellt. Ohne entsprechende staatsvertragliche Abrede stellt die direkte postalische Zustellung im Lichte des Völkerrechts einen Eröffnungsmangel dar. 5⁴ Im Bundesrecht und insbesondere auch im Staatsvertragsrecht findet sich heute eine zunehmende Zahl von Bestimmungen, die eine direkte Zustellung von verwaltungsrechtlichen Schriftstücken aus dem Ausland erlauben.
Angesichts des Bedürfnisses nach möglichst rascher und direkter Kommunikation auf dem Gebiet der Finanzmarktaufsicht bspw. in Fällen von Gesetzesverstössen und zum Schutz der Integrität und Transparenz des Finanzmarktes ist es wichtig, dass die grenzüberschreitende Zustellung von Dokumenten zu Finanzmarktaufsichtszwecken an Adressatinnen und Adressaten in der Schweiz oder im Ausland möglichst direkt erfolgen kann. Die Möglichkeit der direkten Zustellung zu Finanzmarktaufsichtszwecken ist heute oft auch eine der Voraussetzungen dafür, dass schweizerische Finanzdienstleister zum grenzüberschreitenden Geschäft bewilligt werden können. Die geltenden Amtshilfebestimmungen des FINMAG bilden jedoch keine Grundlage für eine rechtskonforme grenzüberschreitende Zustellung amtlicher Dokumente zu Finanzmarktaufsichtszwecken vom Ausland in die Schweiz. Eine solche Zustellung ist selbst aus Staaten, welche wie die Schweiz das Übereinkommen SEV Nr. 094 5⁵ ratifiziert haben, unzulässig, da die Schweiz den Bereich der Finanzmarktaufsicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen hat.
Aus den oben dargelegten Gründen soll in einem neuen Artikel 42 d E-FINMAG vorgesehen werden, der FINMA die Befugnis zu erteilen, auf Ersuchen einer ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde die grenzüberschreitende Zustellung von Dokumenten an eine in der Schweiz ansässige Person auch auf direktem Weg per Post zu bewilligen - vorausgesetzt, die Zustellung erfolgt zu Finanzmarktaufsichtszwecken und es besteht Gegenrecht mit dem Staat der ersuchenden Behörde.
Die direkte Zustellung von Schriftstücken auf dem Gebiet der Finanzmarktaufsicht mit Rechtswirkung zu Beweiserhebungszwecken für ausländische Untersuchungen oder Verfahren bzw. zur Feststellung eines noch nicht definierten Sachverhalts (bspw. Editionsverfügungen, Aufgebot zu Parteien- oder Zeugenaussagen u. dgl.) soll anderseits weiterhin im Widerspruch zu den Amtshilfebestimmungen nach Artikel 42 ff. FINMAG stehen und daher unzulässig bleiben. Derartige Handlungen müssen weiterhin über das Amtshilfeverfahren der FINMA beantragt werden und dürfen auf schweizerischem Staatsgebiet nur insoweit vorgenommen werden, als dies durch die geltenden Bestimmungen des FINMAG zugelassen ist.
5¹ Vgl. Felix Uhlmann/Alexandra Schilling-Schwank, in: Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger (Hrsg.), Praxiskommentar VwVG, 2. A. Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 34, Rz. 2.
5² Vgl. Felix Uhlmann/Alexandra Schilling-Schwank, Art. 34, Rz. 9.
5³ Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-2343/2009 vom 26. August 2011 E.2.2.
5⁴ Vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_827/2015 und 2C_828/2015 vom 3. Juni 2016 (auszugsweise publiziert in BGE 142 II 411), amtlich nicht veröffentlichte E. 3.2.
5⁵ Vgl. Ziffer 3.4.
4.1.5 Grenzüberschreitende Prüfungen (Art. 43 E-FINMAG)
Die FINMA kann gemäss dem geltenden Artikel 43 Absatz 1 FINMAG zum Vollzug der Finanzmarktgesetze bzw. zu Finanzmarktaufsichtszwecken grenzüberschreitende Prüfungen im Ausland ausschliesslich bei Beaufsichtigten selbst vornehmen oder durch Prüfgesellschaften oder beigezogene Prüfbeauftragte vornehmen lassen. Umgekehrt kann sie gemäss aktuellem Wortlaut von Artikel 43 Absatz 2 FINMAG ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden grenzüberschreitende Prüfungen bei Beaufsichtigten in der Schweiz nur erlauben ⁵6 , sofern diese Behörden im Rahmen der Herkunftslandkontrolle für die Aufsicht des geprüften Beaufsichtigten oder in ihrem Hoheitsgebiet für die Beaufsichtigung der Tätigkeit des geprüften Beaufsichtigten zuständig sind und dabei die Voraussetzungen für die Amtshilfe nach Artikel 42 Absatz 2 FINMAG erfüllt sind. Unklarheiten bestehen seit jeher bei Geschäftsauslagerungen (Outsourcings) inner- oder ausserhalb einer Gruppe, wenn die ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde den Schweizer Dienstleistungserbringer nicht formell in eine konsolidierte Aufsicht einbezogen hat (also nicht Heimaufsichtsbehörde bzw. Home Supervisor ist) und der externe Dienstleistungserbringer von der FINMA nicht beaufsichtigt wird.
Vor dem Hintergrund zunehmender gruppeninterner wie auch -externer Auslagerungen von Tätigkeiten, Aufgaben und Geschäften an nicht beaufsichtigte Unternehmen erweist sich die erwähnte Regelung in Artikel 43 FINMAG aus heutiger Sicht als zu eng. Mit dem revidierten Artikel 43 Absatz 1 E-FINMAG soll die FINMA einerseits die Möglichkeit erhalten, grenzüberschreitende Prüfungen zum Vollzug der Finanzmarktgesetze bzw. zu Finanzmarktaufsichtszwecken überall dort im Ausland zu ersuchen, wo die relevanten Informationen belegt sind, unabhängig davon, ob das geprüfte Unternehmen im Ausland beaufsichtigt wird oder nicht. ⁵7 Anderseits soll neu in Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe c E-FINMAG vorgesehen werden, dass die FINMA grenzüberschreitende Prüfungen ausländischer Finanzmarktaufsichtsbehörden bei nicht beaufsichtigten Dienstleistungserbringern in der Schweiz auch dann erlauben kann, wenn diese Dienstleistungserbringer nicht formell in eine konsolidierte Aufsicht aus dem Ausland einbezogen sind, solange ein Auslagerungsverhältnis des geprüften Dienstleistungserbringers mit einem im Ausland beaufsichtigten Finanzinstitut besteht. In diesem Fall wie auch im Fall von Benchmark-Administratoren (neuer Buchstabe b), deren Tätigkeit einzig im Ausland beaufsichtigt wird, soll die FINMA grenzüberschreitende Prüfungen erlauben können, wenn die Voraussetzungen für die Amtshilfe gemäss Artikel 42 Absatz 2 FINMAG erfüllt sind. Wie bisher soll die FINMA befugt sein, die Erlaubnis zur Durchführung einer grenzüberschreitenden Prüfung nebst im Einzelfall auch generell im Voraus für bestimmte Finanzmarktaufsichtsbehörden zu erteilen.
Artikel 43 Absätze 3bis und 3ter FINMAG regeln heute den sog. «Private Banking Carve-out» bzw. die Möglichkeit des Zugangs zu Informationen von Kundinnen und Kunden anlässlich einer direkten grenzüberschreitenden Prüfung durch eine ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde. Im Wesentlichen sieht der heutige Artikel 43 Absatz 3bis FINMAG vor, dass die FINMA diese Informationen selbst erhebt und sie den ersuchenden Behörden im Rahmen der ordentlichen Amtshilfe übermittelt. Artikel 42 a FINMAG (Amtshilfeverfahren) findet dabei Anwendung. Zudem kann die FINMA gemäss Artikel 43 Absatz 3ter FINMAG einer ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde, welche für die konsolidierte Aufsicht des geprüften Beaufsichtigten verantwortlich ist, für Zwecke nach Artikel 43 Absatz 3 FINMAG erlauben, eine beschränkte Anzahl einzelner Kundendossiers einzusehen. Die Auswahl der Dossiers muss zufällig anhand von im Voraus festgelegten Kriterien erfolgen.
Neu soll die FINMA gemäss Artikel 43 Absatz 3ter E-FINMAG bei einer direkten grenzüberschreitenden Prüfung auch die direkte Einsichtnahme in Kundendossiers im Anwendungsbereich des «Private Banking Carve-out» (vgl. Abs. 3bis) erlauben können, sofern eine direkte Übermittlung gemäss Artikel 42 c E-FINMAG möglich ist. Insbesondere müssen dabei die Rechte der betroffenen Kundinnen und Kunden wie auch eventuell betroffener Drittpersonen gewahrt sein, dies i. d. R. durch eine Zustimmung bzw. eine Verzichtserklärung (Waiver) der betroffenen Kundinnen und Kunden oder Drittpersonen.
Für die Übergabe von Dokumenten und Informationen durch Beaufsichtigte im Rahmen einer direkten Prüfung soll Artikel 42 c E-FINMAG sinngemäss gelten (Art. 42 c Abs. 3quinquies E-FINMAG). Das bedeutet: Sofern die Voraussetzungen einer Direktübermittlung gemäss Artikel 42 c E-FINMAG erfüllt sind, dürfen Beaufsichtigte nicht öffentliche Informationen - einschliesslich der eingesehenen Kundeninformationen - auch im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung direkt an die ausländische Behörde übergeben oder ins Ausland übermitteln.
Ob und in welchem Umfang Informationen von Kundinnen und Kunden sowie Drittpersonen anlässlich einer grenzüberschreitenden Prüfung eingesehen oder übermittelt werden dürfen, soll sich in den Fällen von Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG gemäss den Grundsätzen der Spezialität und Vertraulichkeit sowie der Verhältnismässigkeit (Art. 42 Abs. 2 und 4 FINMAG) ergeben. Prüfungen dürfen jedenfalls nicht primär dazu dienen, Informationen von Kundinnen und Kunden sowie Drittpersonen uneingeschränkt einzusehen; insbesondere müsste sich die ausländische Behörde anhand von im Voraus zu benennenden Kriterien auf ein Sample von Kunden beschränken.
Sofern die Übermittlung nach Artikel 42 c E-FINMAG nicht zulässig ist (bspw. mangels vorliegender Waiver), soll die FINMA der ausländischen, für die konsolidierte Aufsicht des Geprüften verantwortlichen Finanzmarktaufsichtsbehörde und ihren Beauftragten für den Zweck nach Artikel 43 Absatz 3 FINMAG wie bis anhin erlauben können, eine beschränkte Anzahl einzelner Kundendossiers nach Artikel 43 Absatz 3bis E-FINMAG einzusehen. Die Auswahl dieser Dossiers muss zufällig anhand von im Voraus festgelegten Kriterien erfolgen (Art. 43 Abs. 3quater E-FINMAG).
⁵6 Vgl. Wegleitung FINMA für Treffen nach Art. 43 FINMAG (Ausgabe vom 3. März 2017), insb. Ziff. 2.1 und 2.2., abrufbar unter:
www.finma.ch
> Durchsetzung > Amtshilfe > Internationale Amtshilfe > Vor-Ort-Kontrollen (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
⁵7 Vgl. analog Art. 23bis Abs. 2 Bankengesetz vom 8. November 1934.
4.1.6 Zusammenarbeit der RAB mit ausländischen Revisionsaufsichtsbehörden (Art. 26 f. RAG)
Die Aufsicht der RAB erstreckt sich auf jene Revisionsunternehmen, welche Revisionsdienstleistungen für Gesellschaften des öffentlichen Interesses erbringen. Zum Schutz von Anlegerinnen und Anlegern auf dem Schweizer Kapitalmarkt und in Übereinstimmung mit vergleichbaren internationalen Vorschriften hat das RAG einen extraterritorialen Anwendungsbereich. Das bedeutet einerseits, dass ausländische Revisionsunternehmen, die Unternehmen prüfen, die am Schweizer Kapitalmarkt aktiv sind (Kotierung von Beteiligungspapieren oder Anleihen), der Aufsicht der RAB unterstehen (Art. 8 Abs. 1 RAG). Von der Zulassungspflicht und der direkten Aufsicht der RAB über diese ausländischen Revisionsunternehmen sind jedoch Ausnahmen vorgesehen, um administrative Doppelspurigkeiten zu vermeiden (Art. 8 Abs. 2 und 3 RAG). Damit wird das sogenannte Prinzip der Heimatstaatenaufsicht verankert. Die Aufsicht über ausländische Revisionsunternehmen wird demnach grundsätzlich an jenen Staat delegiert, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Dies gilt für den Fall, dass die Behörde dieses Staates vom Bundesrat als gleichwertige Revisionsaufsichtsbehörde anerkannt wurde.
Andererseits und abgesehen vom Anwendungsbereich von Artikel 8 RAG hat die Aufsicht der RAB aber auch dann eine extraterritoriale Wirkung, wenn Gesellschaften des öffentlichen Interesses mit Sitz in der Schweiz einen wesentlichen Teil ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland ausüben und ausländische Revisionsunternehmen im jeweiligen ausländischen Teilbereich des Konzerns einen Beitrag zur Konzernprüfung leisten. Gesellschaften des öffentlichen Interesses mit Sitz in der Schweiz erzielen auf Grund des kleinen Heimmarktes in vielen Fällen nur einen kleinen Teil ihrer Umsätze in der Schweiz. Die ausländische Tochtergesellschaft bzw. der ausländische Teilbereichsprüfer wird von der lokalen Revisionsgesellschaft im Ausland geprüft (in der Regel ein Netzwerkpartnerunternehmen der Revisionsstelle der Konzernmutter mit Sitz in der Schweiz).
Es besteht bereits heute eine Rechtsgrundlage für die Einsicht in die Arbeitspapiere von ausländischen Teilbereichsprüfern (Art. 15 a Abs. 1 Bst. e RAG), wobei die RAB dafür physisch ins Ausland reisen muss, um diese einzusehen. Die technologischen Entwicklungen erlauben eine Modernisierung dieses Ansatzes und folglich die Schaffung einer expliziten Rechtsgrundlage für Prüfungshandlungen per Fernzugriff. Damit sind erhebliche Effizienzgewinne verbunden und es kann ein wesentlicher Beitrag geleistet werden zur Reduktion von globaler Reisetätigkeit (Nachhaltigkeit).
Mit den Ergänzungen in Artikel 27 soll die Rechtsgrundlage für grenzüberschreitende Prüfungshandlungen per Fernzugriff (sog. «remote inspection») geschaffen werden. Dabei geht es nicht nur um die Rechtsgrundlage für solche Prüfungshandlungen der RAB im Ausland. Die RAB kann im umgekehrten Verhältnis grenzüberschreitende Prüfungshandlungen ausländischer Revisionsaufsichtsbehörden in der Schweiz erlauben, wenn der ersuchende Staat Gegenrecht hält (Art. 27 Abs. 3 RAG). Viele Staaten kennen analoge Regelungen. Aus diesem Grund müssen die Amtshilfebestimmungen zu Prüfungshandlungen der RAB im Ausland und zur Zustimmung der RAB zur Durchführung entsprechender Prüfungshandlungen durch ausländische Revisionsaufsichtsbehörden in der Schweiz jeweils ausgeglichen sein.
Auf Grund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und insbesondere der von der Revisionsbranche geäusserten Befürchtung der Ausweitung von grenzüberschreitenden Prüfungshandlungen und von höheren Kosten können betroffene Schweizer Revisionsunternehmen verlangen, dass die ausländische Revisionsaufsichtsbehörde ihre Prüfungshandlungen vor Ort in der Schweiz vornimmt, wenn die Durchführung der Fernüberprüfung einen unverhältnismässigen Aufwand zur Folge hätte.
4.1.7 Amtshilfebestimmungen des Bundesgesetzes über die Schweizerische Nationalbank (NBG)
Gleichzeitig mit der Änderung der Amtshilfebestimmungen des FINMAG besteht der Bedarf einer Angleichung der Amtshilfebestimmungen auch des NBG an diejenigen des FINMAG in Bezug auf die Tätigkeit der SNB als Überwacherin systemisch bedeutsamer FMI. In diesem Sinne soll Artikel 21 NBG (Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden) neu mit den 2016 eingeführten Amtshilfeanforderungen gemäss Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a FINMAG (Spezialitätsgrundsatz und Datenweiterleitung) ergänzt werden. Weiter soll ein neuer
Artikel 50
b
bis E-NBG (Zusammenarbeit bei Prüfungen des Regulierungsrahmens durch ausländische Behörden) analog zu Artikel 42 b bis FINMAG vorgesehen werden, um das gemeinsame Auftreten von SNB und FINMA insbesondere bei EU-Äquivalenzprüfungen und Monitorings im Bereich der FMI zu erleichtern.
4.2 Umsetzungsfragen
Der Erlass einer Verordnung des Bundesrates zur Umsetzung der geänderten Gesetzesbestimmungen des FINMAG, des RAG und des NBG ist nicht vorgesehen und nicht erforderlich. Der Vollzug der geänderten Bestimmungen ist für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich in der Verantwortlichkeit der FINMA, der RAB oder der SNB, welche im Rahmen der Erarbeitung der Vernehmlassungsvorlage konsultiert wurden und mitgewirkt haben. Das EFD bzw. das BJ kann in besonderen Fällen beim Vollzug beigezogen werden ⁵8 .
⁵8 Vgl. Art. 42 b bis Abs. 2 FINMAG, Art. 50 b bis Abs. 2 NBG und Art. 26 Abs. 3 RAG.
5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln
5.1 Finanzmarktaufsichtsgesetz
Art. 42a
Absätze 2, 3 und 4:
Der Schutzbedürftigkeit der Betroffenen soll im Amtshilfeverfahren der FINMA nach wie vor im Rahmen des Spezialitäts- und Vertraulichkeitsgrundsatzes nach Artikel 42 Absatz 2 FINMAG und gemäss dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz nach Artikel 42 Absatz 4 FINMAG Rechnung getragen werden. Die FINMA soll weiterhin einen genügenden Anfangsverdacht vor der ersuchten Amtshilfeleistung konkret prüfen müssen. Zudem soll der Informationsinhaber oder die Informationsinhaberin im Rahmen der Edition nach Absatz 1 weiterhin die Möglichkeit haben, sich gestützt auf das VwVG gegen die Herausgabe der Daten zur Wehr zu setzen. Wehrt sich eine Informationsinhaberin oder ein Informationsinhaber gegen die Herausgabe von Daten an die FINMA, hat dieses Verwaltungsverfahren lediglich die Herausgabe zum Gegenstand und verschafft betreffend die Übermittlung durch die FINMA an die ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde keine Parteistellung.
Finanzdienstleistern, die in der Schweiz oder im Ausland im Sinne von Artikel 3 FINMAG beaufsichtigt sind, räumt die FINMA bereits heute keine Verfahrensrechte nach VwVG ein, da ihnen besondere Informations- und Zusammenarbeitspflichten gegenüber den zuständigen Finanzmarktaufsichtsbehörden obliegen (vgl. Art. 29 FINMAG für von der FINMA beaufsichtigte Institute). Die Übermittlung von Informationen, die institutsspezifischer Natur sind bzw. sich auf ein beaufsichtigtes Institut beziehen, erfolgt daher bereits heute formlos und ohne Verfahren nach VwVG. ⁵9 In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung 6⁰ soll diese geltende Praxis neu ausdrücklich in Artikel 42 a Absatz 2 Buchstabe a E-FINMAG festgehalten werden.
Auch Mitarbeiterdaten sämtlicher Hierarchiestufen gelten als institutionelle Informationen und können unter Einhaltung des Verhältnismässigkeitsprinzips formlos übermittelt werden. 6¹
Neu soll das Kundenverfahren in Fällen eingeschränkt werden, in denen Kundinnen und Kunden auf ausländischen Märkten agieren und das Amtshilfeersuchen Insiderdelikte oder Marktmanipulation betrifft, wobei auch «Follow-the-money»-Sachverhalte vom Wortlaut von Artikel 42 a Absatz 2 Buchstabe b E-FINMAG mitumfasst sind. Dies erfolgt sinngemäss nach der ständigen Rechtsprechung, wonach eine Kontoinhaberin oder ein Kontoinhaber objektiv als beteiligt gilt, sobald die Möglichkeit besteht, dass ihr oder sein Konto im Zusammenhang mit einem solchen Verstoss, sogar ohne ihren oder seinen Willen, benutzt wurde. 6² Der FINMA soll in diesen Fällen bezüglich der formlosen Informationsübermittlung keine Informationspflicht, auch keine nachträgliche, auferlegt werden.
Diese Einschränkungen des Rechtsschutzes sollen eine Ausnahme darstellen. In allen übrigen Fällen der Amtshilfe durch die FINMA - etwa bei unerlaubter Tätigkeit nicht bewilligter Finanzdienstleister, bei Verletzungen von Melde- und Offenlegungspflichten oder bei Verstössen gegen Verhaltensregeln im Bereich des Konsumentenschutzes - soll das Kundenverfahren gemäss VwVG weiterhin Anwendung finden.
In allen Fällen, die nicht vom Kundenverfahren gemäss VwVG ausgenommen sind, bleibt Artikel 28 VwVG vorbehalten (Art. 42 a Abs. 3 E-FINMAG). In diesen Fällen kann die FINMA - wie bisher gestützt auf Artikel 42 a Absatz 4 E-FINMAG - ausnahmsweise von einer vorherigen Information der betroffenen Kunden absehen. Dies setzt voraus, dass die ersuchende Behörde plausibel darlegt, dass eine solche Information den Zweck der Amtshilfe und die effektive Wahrnehmung ihrer Aufgaben gefährden würde. Ein solcher Ausnahmefall liegt namentlich dann vor, wenn das Gesuch besondere Dringlichkeit aufweist oder eine vorherige Information die Untersuchung vereiteln oder eine Kollusion begünstigen könnte. 6³
Entsprechend können zum Zweck der Amtshilfe und wirksamen Erfüllung der Aufgaben der FINMA und der ausländischen Behörden auch in grenzüberschreitenden Sanierungs- oder Abwicklungsverfahren - also in dringlichen Fällen - Informationen von Kundinnen und Kunden auch ohne vorgängiges Kundenverfahren an eine ausländische Behörde übermittelt werden.
In solchen Fällen muss die FINMA wie bisher die entsprechenden Kundinnen und Kunden nachträglich über die erfolgte Informationsübermittlung informieren und ein nachträgliches Beschwerderecht einräumen. Das allfällige Rechtsbegehren kann nur auf Feststellung der Rechtswidrigkeit lauten.
⁵9 Vgl. Botschaft zum FinfraG, BBl 2014 7483 S. 7615; Annette Althaus, Amtshilfe und Vor-Ort-Kontrolle, 2. Aufl., Bern 2001, 182 f.
6⁰ Vgl. BVGE 2008/66 E. 2.2; BGE 127 II 323 E. 3a.bb.
6¹ Vgl. Botschaft zum FinfraG, BBl 2014 7483 S. 7615.
6² Vgl. BGE 126 II 126 E. 6a.bb; Du Pasquier/Menoud in: Watter/Bahar, Basler Kommentar zum FINMAG/FinfraG (2019), Art. 42 N 94.
6³ Vgl. Botschaft zum FinfraG, BBl 2014 7483 S. 7617.
Art. 42bbis
Artikel 42 b bis E-FINMAG soll neu geschaffen werden, um der FINMA eine klare formell-gesetzliche Grundlage für die Übermittlung nicht öffentlich zugänglicher Informationen an ausländische Behörden im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren zum anwendbaren schweizerischen Regulierungsrahmen zu geben. Nur so kann die FINMA im internationalen Kontext ohne Rechtsrisiken den erforderlichen Informationsaustausch vornehmen und insbesondere auch nicht öffentlich zugängliche Informationen, etwa zur Aufsichtspraxis, in angemessenem Umfang weitergeben.
Der Begriff «Regulierungsrahmen» umfasst dabei ausdrücklich auch die konkrete Anwendung der Regulierung im Rahmen der Aufsichtspraxis («Aufsichtsrahmen»).
Damit soll ausdrücklich klargestellt werden, dass zu den internationalen Aufgaben der FINMA (vgl. Art. 6 Abs. 2 FINMAG) auch die Kompetenz gehört, an Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden zum schweizerischen Regulierungsrahmen teilzunehmen und in diesem Rahmen nicht öffentliche Informationen - u. a. auch zur geltenden Aufsichtspraxis - an die zuständigen ausländischen Prüfbehörden zu übermitteln.
Wie bereits erläutert sieht insbesondere die EU die Anerkennung der Äquivalenz bzw. Gleichwertigkeit der anwendbaren schweizerischen Regulierung und der entsprechenden Aufsichtspraxis der FINMA in bestimmten Bereichen als Voraussetzung für den Zugang von Finanzdienstleistern aus der Schweiz zum EU-Binnenmarkt vor. 6⁴ Die Teilnahme der FINMA an Anerkennungs- und Prüfverfahren des schweizerischen Regulierungsrahmens und die Weitergabe von nicht öffentlich zugänglichen Informationen könnte jedoch auch für den Marktzugang von Schweizer Finanzdienstleistern in andere Jurisdiktionen von Bedeutung sein.
Gemäss dem neuen Artikel 42 b bis E-FINMAG gelten grundsätzlich ähnliche Anforderungen wie bei der Zusammenarbeit der FINMA mit internationalen Organisationen und Gremien (Art. 42 b FINMAG), die gleichwohl eine Form der internationalen Zusammenarbeit ausserhalb der eigentlichen Amtshilfe zu Aufsichtszwecken darstellt.
Absätze 1 und 2: Die FINMA soll auf Basis des neuen Artikels 42 b bis E-FINMAG nicht öffentlich zugängliche Informationen an ausländische Behörden zum Zwecke der Evaluierung der anwendbaren schweizerischen Regulierung und ihrer entsprechenden Aufsichtspraxis übermitteln können. Der Informationsaustausch im Rahmen dieser internationalen Zusammenarbeit unterscheidet sich wie im ähnlichen Fall der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und Gremien (Art. 42 b FINMAG) grundsätzlich von der eigentlichen internationalen Amtshilfe der FINMA nach Artikel 42 FINMAG hinsichtlich des Verwendungszwecks (Zweck der Anerkennung und Prüfung des schweizerischen Regulierungsrahmens) sowie des Adressatenkreises (nicht ausschliesslich Finanzmarktaufsichtsbehörden sind betroffen).
Wie im Fall der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und Gremien (Art. 42 b FINMAG) soll die Teilnahme an Anerkennungs- und Prüfverfahren von grosser Tragweite für den Schweizer Finanzplatz im Einvernehmen mit dem EFD erfolgen (Art. 42 b bis Abs. 2 E-FINMAG). Der FINMA steht es frei, von einer Teilnahme an einem Anerkennungs- und Prüfverfahren des schweizerischen Regulierungs- und Finanzmarktaufsichtsrahmens abzusehen, etwa wenn nur eine geringe Anzahl Institute oder Sektoren kaum merklich betroffen oder keine spürbaren Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle von Instituten zu erwarten sind und damit der Nutzen für den Finanzplatz in keinem Verhältnis zum Aufwand einer Teilnahme der FINMA erscheint.
Absatz 3: Das Anerkennungs- und Prüfverfahren kann insbesondere den Schweizer Finanzmarktrechtsrahmen und dessen Umsetzung in die Praxis betreffen; der Begriff «Regulierungsrahmen» ist diesbezüglich wie erwähnt nicht einschränkend. Die Informationsübermittlung soll ausländischen Behörden wie erwähnt dazu dienen, konkret festzustellen, ob mit dem schweizerischen Regulierungsrahmen und der damit verbundenen Aufsichtspraxis der FINMA die gleichen Schutzziele erreicht werden wie im Rechts- und Finanzmarktaufsichtsrahmen, mit welchem sie verglichen werden. Artikel 42 b bis E-FINMAG findet also keine Anwendung, wenn die Informationsübermittlung anderen Zwecken als der Prüfung des schweizerischen Regulierungsrahmens sowie der damit verbundenen Praxis der FINMA im Hinblick auf deren Anerkennung dient; die Bestimmung ist insbesondere nicht anwendbar, wenn mit der Informationsübermittlung Ziele wettbewerbspolitischer Natur verfolgt werden.
Die Geheimhaltung muss gewährleistet sein, damit nicht öffentlich zugängliche Informationen übermittelt werden können.
Absatz 4: Schliesslich kann es im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren im Zusammenhang mit dem schweizerischen Regulierungsrahmen sowie der entsprechenden Aufsichtspraxis der FINMA sachgerecht sein, dass die ausländische Behörde gewisse für den Zweck des Anerkennungs- und Prüfverfahrens bzw. Monitorings notwendige und nicht öffentlich zugängliche Informationen direkt von einem Beaufsichtigten anlässlich eines Gesprächs in Erfahrung bringen kann. Im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren kann die ausländische Behörde mittels solcher Gespräche mit Beaufsichtigten ein kompletteres Bild von der Arbeit der FINMA und ihrer Umsetzung des Regulierungsrahmens erhalten.
Die FINMA kann jeweils entscheiden, ob sie an diesen Gesprächen teilnehmen möchte.
Absatz 5: Wie bei der Zusammenarbeit der FINMA mit internationalen Organisationen und Gremien gemäss Artikel 42 b FINMAG soll die FINMA auch im Fall der Zusammenarbeit im Rahmen von Anerkennungs- und Prüfverfahren gemäss Artikel 42 b bis E-FINMAG den Verwendungszweck sowie die Bedingungen für eine allfällige Weiterleitung der nach Absatz 3 übermittelten und der in den Gesprächen nach Absatz 4 erhaltenen Informationen möglichst präzise und detailliert mit der prüfenden ausländischen Behörde vereinbaren.
6⁴ Vgl. Ziffer 3.3.
Art. 42c
Absätze 1 und 2 : In Absatz 1 soll die Direktübermittlung durch Beaufsichtigte von nicht öffentlich zugänglichen Informationen ausschliesslich zu Finanzmarktaufsichtszwecken an Finanzmarktaufsichtsbehörden und weitere mit der Finanzmarktaufsicht betraute ausländische Stellen geregelt werden. Die Zulässigkeit einer solchen Direktübermittlung setzt voraus, dass die übermittelnden Institute auf Grundlage nachvollziehbarer Anhaltspunkte davon ausgehen können, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Amtshilfe gemäss Artikel 42 Absatz 2 FINMAG - namentlich die Prinzipien der Spezialität und Vertraulichkeit - eingehalten werden (Art. 42 c Abs. 1 Bst. a E-FINMAG). Um den Beaufsichtigten eine praxistaugliche und rechtssichere Umsetzung der Anforderung gemäss Artikel 42 Absatz 2 FINMAG zu ermöglichen, sieht Absatz 1 eine gesetzlich verankerte Möglichkeit vor, in bestimmten Konstellationen von einer vertieften Einzelfallprüfung dieser Anforderungen abzusehen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Annahme sind bewusst offen formuliert, um den Beaufsichtigten ein gewisses Mass an Beurteilungsspielraum zu belassen. Dabei kommen sowohl die im FINMA-Rundschreiben 2017/6 dargelegte Praxis als auch weitere, von der Beaufsichtigten sachgerecht dokumentierte Quellen in Betracht.
Die FINMA hat insbesondere eine Liste 6⁵ veröffentlicht, auf welcher über 100 ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden figurieren, für welche die Beaufsichtigten die Erfüllung der erwähnten Voraussetzungen der Amtshilfe der FINMA vermuten dürfen. Für den Fall, dass eine ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde oder beauftragte Stelle nicht auf dieser Liste steht, können Vertraulichkeit und Spezialität bspw. auch durch eine Bestätigung der empfangenden Behörde bzw. Stelle oder durch eine schriftliche Auskunft eines im Finanzmarktrecht spezialisierten lokalen Anwalts bzw. einer international tätigen Rechtsanwaltskanzlei oder unternehmensintern durch eine qualifizierte Person geklärt werden. 6⁶
Die gesetzliche Vermutungsregelung in Artikel 42 c Absatz 1 Buchstabe a E-FINMAG trägt wie erwähnt dazu bei, die operativen Hürden für grenzüberschreitende Informationsflüsse zu senken und die Risiken für die handelnden Personen zu minimieren. Gleichzeitig bleibt die grundsätzliche Verantwortung der Institute bestehen, bei eindeutigen Hinweisen auf eine Verletzung der Grundsätze von Spezialität oder Vertraulichkeit von einer Übermittlung abzusehen. In diesen Fällen sind weitere Abklärungen oder ein Verzicht auf die Übermittlung angezeigt.
Anlässlich der Übermittlung haben die Beaufsichtigten die Behörde oder Stelle jedenfalls schriftlich darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Informationen vertraulich zu behandeln sind und ausschliesslich zum Vollzug des Finanzmarktrechts (Finanzmarktaufsichtszweck) verwendet oder zu diesem Zweck an andere Behörden, Gerichte oder Organe weitergeleitet werden dürfen (Art. 42 c Abs. 1 Bst. a E-FINMAG i.V.m. Art. 42 Abs. 2 FINMAG). ⁶7
Unter diesen Voraussetzungen dürfen die Beaufsichtigten wie erwähnt ohne Weiteres darauf vertrauen, dass das Spezialitäts- und Vertraulichkeitsprinzip im Sinne des Gesetzes eingehalten ist. Auch die FINMA kann bei ihrer Amtshilfe nicht garantieren und sicherstellen, dass übermittelte Informationen tatsächlich vertraulich und zweckgebunden verwendet werden.
Eine weitere Voraussetzung für die Informationsübermittlung durch Beaufsichtigte gemäss Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG ist, dass die Rechte von Kundinnen und Kunden sowie Dritten gewahrt bleiben. Die Wahrung der Kunden- und Drittpersonenrechte wird wie bis anhin von den Beaufsichtigten selbst geprüft und sichergestellt. Dabei haben die Beaufsichtigten insbesondere das Geschäfts- und Bankkundengeheimnis, die datenschutzrechtlichen Vorgaben sowie arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zu beachten. Die im Einzelfall erforderlichen Vorkehrungen richten sich nach dem jeweils anwendbaren schweizerischen Recht.
Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG eröffnet den Beaufsichtigten die Möglichkeit, nicht öffentlich zugängliche Informationen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Geschäftsbeziehungen zu Kundinnen und Kunden oder mit Geschäftsaktivitäten von Beaufsichtigten stehen, direkt an ausländische Stellen zu übermitteln, sofern diese Informationen für die Durchführung der entsprechenden Geschäfte nach dem jeweils anwendbaren ausländischen Recht erforderlich sind. In der Regel handelt es sich dabei um Anforderungen, die aus dem dortigen Finanzmarktrecht erwachsen. Im Gegensatz zu den Übermittlungen nach Absatz 1 erfolgt die Datenübermittlung gemäss Absatz 2 nicht zu aufsichtsrechtlichen Zwecken, sondern wie erwähnt zur operativen Abwicklung grenzüberschreitender Geschäftstätigkeiten. Dieser funktionale Unterschied wird in der Gesetzesbestimmung neu explizit hervorgehoben. Typischerweise handelt es sich um administrative oder technische Informationsflüsse von geringerer Tragweite, die in engem Zusammenhang mit dem täglichen Geschäftsverkehr stehen.
Die Übermittlungen erfolgen wie erwähnt auf Grundlage ausländischer Normen, die auf die Durchführung spezifischer Geschäfte abzielen. Artikel 42 c Absatz 2 Buchstabe a E-FINMAG verlangt hierfür, dass die Informationsübermittlung «im Bereich finanzmarktbezogener Regelungen» erfolgt. Durch diese bewusst weit gefasste Formulierung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es aus schweizerischer Perspektive nicht in allen Fällen klar bestimmbar ist, ob eine ausländische Vorschrift formell dem Finanzmarktrecht zuzuordnen ist. Der Begriff «finanzmarktbezogen» wurde daher gewählt, um auch solche ausländischen Vorschriften zu erfassen, die zwar nicht Teil eines klassischen aufsichtsrechtlichen Instrumentariums sind, aber funktional in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Finanzmarkt stehen. Damit schafft Absatz 2 einen praxistauglichen, breit anwendbaren Rahmen für den rechtskonformen internationalen Informationsaustausch zur geschäftsbezogenen Zweckerfüllung.
Ein Hauptanwendungsfall von Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG sind Meldungen von Beaufsichtigten an ausländische Transaktionsregister im Rahmen von Effektengeschäften für ihre Kundinnen und Kunden. Viele Finanzgeschäfte werden heute nur aufgrund solcher verbundenen Meldungen an den ausländischen Märkten zugelassen bzw. diese können ohne Meldungen gar nicht rechtsgültig durchgeführt oder abgeschlossen werden. Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG ist aber nicht einzig auf standardisierte Massenmeldungen aufgrund ausländischer Melde- und Informationspflichten eingeschränkt. Bei Erfüllung der Voraussetzungen können auch andere Übermittlungen in Einzelfällen vorgenommen werden, wozu beispielsweise spezifische Antworten der Beaufsichtigten auf individuelle Anfragen betreffend einzelne Transaktionen oder Kundinnen oder Kunden gehören können. ⁶8
In solchen Fällen grenzüberschreitender Geschäftsabwicklung muss weder das Spezialitäts- noch das Vertraulichkeitsprinzip eingehalten werden, sondern es ist lediglich sicherzustellen, dass wie erwähnt die Rechte von Kundinnen und Kunden sowie Dritten gewahrt bleiben wie bspw. aufgrund deren Zustimmung zum Informationsaustausch (Art. 42 c Abs. 2 Bst. c E-FINMAG).
Die Übermittlung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen an ausländische Behörden oder Stellen ist nach Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG unzulässig, soweit sie klar dem spezifischen Zweck der Besteuerung oder Strafverfolgung dient. Bestehen klare Anhaltspunkte dafür, dass eine ausländische Stelle von ausländischen Steuer- oder Strafbehörden spezifisch bzw. im Einzelfall beauftragt wurde, ist eine Übermittlung an sie gestützt auf Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG ebenfalls nicht zulässig, was bei der Erfüllung allgemeiner gesetzlicher Anzeige-, Auskunfts- oder standardisierter Melde- und Transparenzpflichten nicht der Fall ist.
Informationsübermittlungen an Drittverwahrungsstellen und weitere Stellen unterstehen weiterhin den Anforderungen des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 2008 ⁶9 (BEG), d. h. Artikel 11 b BEG ist Lex specialis zu Artikel 42 c Absätze 1-4 E-FINMAG.
Die Absätze 1 und 2 von Artikel 42 c E-FINMAG sollen nicht ausschliesslich auf Sachverhalte im Anwendungsbereich von Artikel 271 StGB anwendbar sein, sondern darüber hinaus auch auf weitere Sachverhalte, sofern die Voraussetzungen gemäss Artikel 42 c E-FINMAG erfüllt sind.
Weiter soll die Regelung in Artikel 42 c E-FINMAG auch nicht abschliessend sein bzw. bei gegebenen Voraussetzungen soll die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Artikel 271 StGB durch die zuständige Stelle zu weiteren Fällen der Direktübermittlung von Informationen durch Beaufsichtigte an ausländische Behörden und Stellen möglich sein.
Absatz 3: Die Informationsübermittlungen gemäss Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG müssen der FINMA vorgängig gemeldet werden, sofern diese von wesentlicher Bedeutung gemäss Artikel 29 Absatz 2 FINMAG sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine Information selbst von wesentlicher Bedeutung im Sinne von Artikel 29 Absatz 2 FINMAG ist, sodass sie auch unabhängig von einer allfälligen Übermittlung eine Meldepflicht auslösen würde, oder wenn die Übermittlung als solche von wesentlicher Bedeutung ist; d. h. eine Information kann auch dadurch zur Information von wesentlicher Bedeutung werden, dass ihre Übermittlung ins Ausland beabsichtigt wird. Bei der Beurteilung der wesentlichen Bedeutung gemäss Absatz 3 von Artikel 42 c E-FINMAG kommt es auf den Zeitpunkt der Übermittlung an.
Hinsichtlich der Informationsübermittlungen nach Artikel 42 c Absatz 2 E-FINMAG, welche keinem Finanzmarktaufsichtszweck dienen, ist andererseits neu keine Meldepflicht der Beaufsichtigten gegenüber der FINMA vorgesehen. Diese Erleichterung beim Informationsfluss zwischen den schweizerischen Beaufsichtigten und den ausländischen Behörden sowie Stellen lässt sich damit begründen, dass diese keinem Finanzmarktaufsichtszweck dienen und zudem in der Regel niederschwelliger Natur sind. Auch kann die FINMA bei Informationsübermittlungen nach Absatz 2 keinen Amtshilfevorbehalt anbringen (vgl. auch Absatz 4), da es sich hierbei nicht um eine Form der Informationshilfe handelt, welche die FINMA auf dem Weg der Amtshilfe gemäss Artikel 42 FINMAG leisten könnte.
Absatz 4: Die Möglichkeit zur Anbringung eines Amtshilfevorbehalts soll wie erwähnt nur in den Fällen bestehen, in denen die FINMA auch selbst Amtshilfe leisten könnte. Bei Artikel 42 c E-FINMAG verweist lediglich Absatz 1 auf die Voraussetzungen der ordentlichen Amtshilfe. Ausserhalb dieses Absatzes kann hingegen nach dem oben Gesagten eine Direktübermittlung zur Geschäftsabwicklung (Abs. 2) an ausländische Behörden und Stellen erfolgen, wobei das Vertraulichkeits- und Spezialitätsprinzip gemäss Artikel 42 Absatz 2 FINMAG nicht eingehalten werden muss. In diesen Fällen der Informationsübermittlung ist die Amtshilfe durch die FINMA nicht möglich, weshalb im Gegensatz zu Absatz 1 auch kein entsprechender Vorbehalt angebracht werden kann.
Die FINMA kann gegenüber den Beaufsichtigten wie auch gegenüber bestimmten ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden generell und zum Voraus auf die Geltendmachung des Amtshilfevorbehalts gemäss Artikel 42 c Absatz 4 E-FINMAG verzichten.
Absatz 5:
Die FINMA kann die Veröffentlichung, die Übermittlung oder die Weitergabe von Akten aus dem Aufsichtsverhältnis ins Ausland von ihrer Zustimmung abhängig machen, wenn dies in ihrem Aufsichtsinteresse liegt und sofern keine überwiegenden privaten oder öffentlichen Interessen entgegenstehen (sog. Supervisory Privilege bzw. Zustimmungsvorbehalt).
In Literatur und Praxis wird verschiedentlich vorgebracht, der offene Wortlaut der Bestimmung schliesse die Anwendung des Supervisory Privilege gemäss Artikel 42 c Absatz 5 E-FINMAG gegenüber inländischen Behörden grundsätzlich nicht aus. Richtigerweise soll das Supervisory Privilege aber nur gegenüber dem Ausland zur Anwendung gelangen; eine Wirkung des Supervisory Privilege im Inland bzw. gegenüber inländischen Behörden ist zu verneinen. Dies ergibt sich auch aus der systematischen Einordnung: Artikel 42 c E-FINMAG ist im Abschnitt «Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen» (Art. 42 ff.) angesiedelt und nicht im Abschnitt betreffend die «Zusammenarbeit mit inländischen Behörden» (Art. 38 ff.).
6⁵ Abrufbar unter:
www.finma.ch
> Überwachung > Branchenübergreifende Themen > Direktübermittlung >
List of foreign supervisory authorities
(zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
6⁶ Vgl. Rundschreiben 2017/6 Direktübermittlung, Direkte Übermittlung von nicht öffentlichen Informationen an ausländische Behörden und Stellen durch Beaufsichtigte, RZ 20 f., abrufbar unter:
www.finma.ch
> Dokumentation > 2017/06 FINMA-Rundschreiben «Direktübermittlung» (zuletzt abgerufen am 6. Mai 2025).
⁶7 Vgl. Rundschreiben, RZ 29.
⁶8 Vgl. FINMA Ex-Post-Evaluationsbericht, S. 17.
⁶9 SR 957.1
Art. 42d
Mit der Einfügung des neuen Artikels 42 d E-FINMAG soll die FINMA dazu ermächtigt werden, auf Ersuchen einer ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde die grenzüberschreitende Zustellung von Dokumenten zu Finanzmarktaufsichtszwecken in die Schweiz zu erlauben, wenn einerseits diese Zustellung zu Finanzmarktaufsichtszwecken erfolgt und anderseits Gegenrecht mit dem Staat der ersuchenden ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde besteht. 7⁰
Ein solches Gegenrecht liegt insbesondere dann vor, wenn die ersuchende Behörde ihrerseits eine Zustellung auf ihrem Staatsgebiet gemäss Übereinkommen SEV Nr. 094 zulassen könnte - auch wenn dieses Übereinkommen auf dem Gebiet der Finanzmarktaufsicht in der Schweiz keine Anwendung findet.
Die FINMA kann eine Güterabwägung vornehmen und über das ausländische Zustellungsgesuch nach pflichtgemässem Ermessen entscheiden. In diesem Rahmen kann die FINMA bspw. auch Einschränkungen oder die Modalitäten der Zustellung bestimmen wie bspw. die Anfertigung einer Übersetzung oder die direkte postalische Übermittlung an den Beaufsichtigten in der Schweiz.
Für eine direkte Zustellung nicht wesentlich ist, dass die FINMA über die gleichen Kompetenzen wie die ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde verfügt, insbesondere ist nicht notwendig, dass das ausländische Finanzmarktrecht die gleichen Sachverhalte wie im Inland umfasst. Eine direkte Zustellung zu anderen (Teil-)Zwecken als dem Finanzmarktrecht, etwa zu Abklärungen im Steuer- oder Strafrecht, ist aber nicht möglich.
Die FINMA kann gemäss dem neuen Artikel 42 d E-FINMAG zur Gewährung des rechtlichen Gehörs zu einem aufsichtsrechtlichen Sachverhalt die direkte Zustellung insbesondere von Verfügungen ausländischer Finanzmarktaufsichtsbehörden erlauben. Erfasst sind Konstellationen, in denen die effektive Anhörung der betroffenen Person im Ausland sichergestellt werden soll. Dazu zählen etwa Bewilligungen, Bewilligungsentzüge, Feststellungsverfügungen, Bussen und sonstige Sanktionen sowie Aufforderungen zur Domizilbekanntgabe in der ausländischen Jurisdiktion - auch unter Androhung rechtlicher Nachteile bei Ausbleiben einer fristgerechten Reaktion.
Nimmt der Adressat der Zustellung sein rechtliches Gehör nicht innert Frist wahr, kann die ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde ihre weiteren Schritte vorantreiben (bspw. Abschluss des Verfahrens mit direkter Zustellung oder Publikation einer Verfügung). Adressaten der durch die FINMA erlaubten direkten Zustellung aus dem Ausland können mit der betreffenden ausländischen Finanzmarktaufsicht direkt den Kontakt aufnehmen, sofern das bestehende schweizerische Recht wie u. a. Artikel 271 StGB und Artikel 42 c E-FINMAG es erlauben. Beaufsichtigte haben gleichzeitig ihren Meldepflichten gegenüber der FINMA gemäss Artikel 42 c Absatz 3 E-FINMAG nachzukommen.
Die direkte Zustellung von Schriftstücken mit Rechtswirkung zu Beweiserhebungszwecken für ausländische Untersuchungen oder Verfahren soll weiterhin im Widerspruch zu den Amtshilfebestimmungen nach Artikel 42 ff. FINMAG stehen und ist daher nach wie vor unzulässig. Solche Amtshandlungen können ausschliesslich über die Amtshilfe der FINMA durchgeführt werden, sofern die geltenden schweizerischen Rechtsgrundlagen (Art. 42 f. FINMAG) es erlauben. Internationale Übereinkommen mit besonderen Zustellregelungen bleiben vorbehalten.
7⁰ Vgl. analoge Bestimmung in Art. 42 Abs. 2 des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 (MSchG, SR 232.11 ).
Art. 43
Absatz 1: Die FINMA soll nach Artikel 43 Absatz 1 E-FINMAG Informationen zum Vollzug der Finanzmarktgesetze im Ausland erheben können, wo sie vorliegen, unabhängig davon, ob die betreffende Unternehmung im Ausland der Finanzmarktaufsicht der FINMA oder einer ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde unterstellt ist. Insbesondere kann die FINMA Informationen bei Unternehmungen im Ausland auch zum Zwecke der Abwicklung von Beaufsichtigten erheben oder beispielsweise auch im Zusammenhang mit Outsourcing-Lösungen oder einer Cloud Nutzung.
Ob eine direkte Prüfung im Ausland tatsächlich bewilligt und durchgeführt werden kann, beurteilt sich wie bisher im Einzelfall nach dem jeweiligen ausländischen Recht.
Absatz 2: Bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Finanzdienstleistungen erkennen die ausländischen Behörden zunehmend eigene Aufsichtsinteressen und wollen entsprechende Prüfungen direkt vor Ort durchführen können. Je mehr Tätigkeiten ausserhalb des eigenen Zuständigkeitsgebiets erfolgen, desto grösser sind diese Interessen der ausländischen Behörden an solchen Prüfungen. Mit der Neuformulierung des zweiten Absatzes von Artikel 43 E-FINMAG werden die Möglichkeiten der Zusammenarbeit der FINMA im Zusammenhang mit direkten grenzüberschreitenden Prüfungen ausländischer Finanzmarktaufsichtsbehörden bei beaufsichtigten wie auch nicht beaufsichtigten Unternehmen in der Schweiz verstärkt.
Insbesondere kann die FINMA wie bis anhin gemäss Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe a E-FINMAG ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden erlauben, dass sie im Rahmen ihrer Herkunftslandkontrolle (als Home Supervisor) direkte grenzüberschreitende Prüfungen in der Schweiz bei Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen und Vertretungen ausländischer beaufsichtigter Finanzdienstleister sowie bei anderen in der Schweiz auch nicht beaufsichtigten Unternehmungen vornehmen, soweit ihre Tätigkeit von der ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde in die konsolidierte Aufsicht einbezogen wird.
Gemäss Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe b E-FINMAG kann die FINMA grenzüberschreitende Prüfungen in der Schweiz nach wie vor bei Beaufsichtigten sowie deren durch die FINMA in eine konsolidierte Aufsicht einbezogenen Gruppengesellschaften erlauben, wenn die ersuchende Finanzmarktaufsichtsbehörde in ihrem Hoheitsgebiet (als Host Supervisor) für die Beaufsichtigung der Tätigkeit der Geprüften verantwortlich ist. Grenzüberschreitende Prüfungen aufgrund einer Tätigkeit im Ausland können also wie bisher bei sämtlichen Personen erlaubt werden, welche nach den schweizerischen Finanzmarktgesetzen eine Bewilligung, eine Anerkennung, eine Zulassung oder eine Registrierung der Finanzmarktaufsichtsbehörde benötigen, zuzüglich Gruppengesellschaften, welche in eine konsolidierte Aufsicht durch die FINMA einbezogen sind.
Neu soll in Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe b E-FINMAG eine Regelung vorgesehen werden, gemäss welcher grenzüberschreitende Prüfungen auch bei (in der Schweiz nicht beaufsichtigten) Benchmark-Administratoren (Verwaltern von Referenzwerten) möglich sind, deren Tätigkeit einen Bezug zum ausländischen Markt aufweist und damit in die Aufsichtszuständigkeit der ersuchenden ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde fällt. Ein Benchmark-Administrator ist eine natürliche oder juristische Person, welche die Kontrolle über die Bereitstellung eines Referenzwertes ausübt.
Mit Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe c E-FINMAG soll schliesslich eine neue Grundlage für direkte grenzüberschreitende Prüfungen im Fall einer Auslagerung (Outsourcing) von Aufgaben durch ausländische
Finanzdienstleister
in die Schweiz geschaffen werden. Beaufsichtigte, aber auch nicht durch die FINMA beaufsichtigte schweizerische Unternehmen, erbringen regelmässig wesentliche Dienstleistungen für ausländische
Finanzdienstleister
. Aufgaben werden gruppenintern ausgelagert, z. B. von einer ausländischen Mutter an die schweizerische Tochtergesellschaft oder umgekehrt von der ausländischen Tochter an die schweizerische Muttergesellschaft oder an eine schweizerische wesentliche Gruppengesellschaft im Sinne von Artikel 2bis Absatz 1 Buchstabe b des Bankengesetzes vom 8. November 1934 7¹ (BankG) und Artikel 3 a der Bankenverordnung vom 30. April 2014 7² (BankV). Solche Auslagerungen finden auch ausserhalb von Gruppen statt, sei dies an Beaufsichtigte oder an nicht durch die FINMA beaufsichtigte Unternehmen.
In diesen Fallkonstellationen können die jeweiligen ausländischen Behörden ein legitimes Interesse an der Durchführung von direkten grenzüberschreitenden Prüfungen beim betreffenden schweizerischen Unternehmen haben, welches für ein durch sie beaufsichtigtes Finanzinstitut mit Sitz im Ausland Dienstleistungen erbringt. Sofern sowohl der schweizerische Dienstleistungserbringer als auch das ausländische Finanzinstitut, welches Aufgaben an den schweizerischen Dienstleistungserbringer auslagert, von der ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde in eine konsolidierte Aufsicht einbezogen sind, können direkte grenzüberschreitende Prüfungen auch in Fällen von Geschäftsauslagerungen ohne Weiteres im Rahmen der Herkunftslandkontrolle erlaubt werden (vgl. Art. 43 Abs. 2 Bst. a E-FINMAG).
Unklarheiten bestehen jedoch seit jeher bei grenzüberschreitenden Geschäftsauslagerungen inner- oder ausserhalb einer Gruppe, wenn die ausländische Behörde den Dienstleistungserbringer nicht formell in eine konsolidierte Aufsicht einbezogen hat und das Unternehmen in der Schweiz nicht beaufsichtigt wird. Mit Einführung von Absatz 2 Buchstabe c wird neu eine formell-gesetzliche Rechtsgrundlage geschaffen, gemäss welcher die FINMA auch in solchen Fällen von Geschäftsauslagerungen aus dem Ausland an nicht beaufsichtigte Unternehmen in der Schweiz direkte grenzüberschreitende Prüfungen erlauben kann, solange ein Auslagerungsverhältnis des geprüften schweizerischen Anbieters mit einem im Ausland durch die ersuchende Behörde beaufsichtigten Finanzinstitut besteht.
Wie bei Benchmark-Administratoren, welche in der Schweiz ebenfalls keiner Finanzmarktaufsicht unterstellt sind (vgl. Art. 43 Abs. 2 Bst. b E-FINMAG), soll neu auch in den Fallkonstellationen gemäss Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe c E-FINMAG auf den ausländischen Perimeter des Finanzmarktrechts abgestellt werden, welcher zum Zweck der direkten Prüfung eine Finanzmarktaufsicht zwingend vorsehen muss.
Der Umfang der Prüfungen gemäss Artikel 43 Absatz 2 Buchstabe c E-FINMAG ist jedenfalls auf die aus dem Ausland ausgelagerten Funktionen einzuschränken. Es dürfen folglich ausschliesslich Informationen und Prozesse geprüft werden, welche im Zusammenhang mit den für das ausländische Finanzinstitut erbrachten Dienstleistungen stehen.
Zu allen Fallkonstellationen gemäss Artikel 43 Absatz 2 E-FINMAG müssen die Voraussetzungen der Amtshilfe gemäss Artikel 42 Absatz 2 FINMAG erfüllt sein. Insbesondere muss die direkte grenzüberschreitende Prüfung dem Zweck des Vollzugs des Finanzmarktrechts (d. h. dem Finanzmarktaufsichtszweck) dienen. Die Geheimhaltung muss gewährleistet sein.
Die FINMA kann gemäss Artikel 43 Absatz 2 E-FINMAG in allen Fallkonstellationen auch die Durchführung von virtuellen grenzüberschreitenden Prüfungen (via Fernkommunikation) erlauben, soweit die Geprüften geeignete Massnahmen treffen, wonach die Einsichtnahme in Informationen durch die ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde nur im gesetzlich zulässigen Rahmen erfolgen kann. Praxisgemäss weist die FINMA die ausländische Behörde ferner darauf hin, sich an die schweizerischen gesetzlichen Vorgaben zu halten. Stellt sich aber nach einer direkten Prüfung heraus, dass die ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde die Anforderungen und Voraussetzungen insbesondere auch von Artikel 43 E-FINMAG nicht eingehalten hat, kann ihr die FINMA zukünftig die Erlaubnis von (virtuellen) grenzüberschreitenden Prüfungen in der Schweiz verwehren.
Die FINMA kann die Erlaubnis zur Durchführung einer grenzüberschreitenden Prüfung im Einzelfall und generell zum Voraus für bestimmte ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden erteilen.
Die Regelung der grenzüberschreitenden Prüfungen in Artikel 43 Absatz 2 E-FINMAG ist nicht abschliessender Natur und schliesst insbesondere die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Artikel 271 StGB durch die zuständige Stelle in weiteren nicht vorgesehenen Fallkonstellationen grundsätzlich nicht aus.
Absatz 3: Der in Artikel 43 Absatz 3 FINMAG verwendete Begriff «Angaben erheben» ist als «Informationen einsehen» zu verstehen, was im Zuge der Revision klargestellt werden soll.
Durch grenzüberschreitende direkte Prüfungen dürfen nur Informationen eingesehen werden, die für die Aufsichtstätigkeit der ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden notwendig sind. D. h. bei direkten grenzüberschreitenden Prüfungen durch eine ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde als Host Supervisor dürfen nicht öffentlich zugängliche Informationen nur eingesehen werden, wenn sie einen spezifischen Konnex zur Aufsichtsverantwortung der ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde aufweisen.
Auch Informationen zu einer Finanzgruppe können betroffen sein, wenn sie relevant für die Beurteilung der im Ausland beaufsichtigten Tätigkeit sind. Dazu gehören insbesondere auch Informationen darüber, ob ein Finanzinstitut konzernweit:
-
angemessen organisiert ist;
-
die in seiner Geschäftstätigkeit enthaltenen Risiken angemessen erfasst, begrenzt und überwacht;
-
durch Personen geleitet wird, die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten;
-
Eigenmittel- und Risikoverteilungsvorschriften auf konsolidierter Basis erfüllt; und
-
seinen Berichterstattungspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden korrekt nachkommt.
Diese beispielhafte bzw. nicht abschliessende Aufzählung der einsehbaren Informationen nach Artikel 43 Absatz 3 E-FINMAG soll neu in der Botschaft und nicht mehr im Gesetz aufgeführt werden. Zu dieser Aufzählung können auch weitere Angaben gehören, etwa ob ein Institut konzernweit die Liquiditätsvorschriften auf konsolidierter Basis erfüllt.
Absätze 3 bis und 3 ter : Artikel 43 Absätze 3bis und 3ter FINMAG regeln heute den sog. «Private Banking Carve-out» bzw. die Möglichkeit des Zugangs zu Informationen von Kundinnen und Kunden anlässlich einer direkten grenzüberschreitenden Prüfung durch eine ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörde.
Im Wesentlichen sieht der heutige Artikel 43 Absatz 3bis FINMAG vor, dass die FINMA diese Informationen selbst erhebt und sie den ersuchenden Behörden im Rahmen der ordentlichen Amtshilfe übermittelt. Artikel 42 a FINMAG (Amtshilfeverfahren) findet dabei Anwendung. Zudem kann die FINMA gemäss Artikel 43 Absatz 3ter FINMAG einer ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde, welche für die konsolidierte Aufsicht des geprüften Beaufsichtigten verantwortlich ist, für Zwecke nach Artikel 43 Absatz 3 FINMAG erlauben, eine beschränkte Anzahl einzelner Kundendossiers einzusehen. Die Auswahl der Dossiers muss zufällig anhand von im Voraus festgelegten Kriterien erfolgen.
Weil im Effektenhandel bereits weitgehende gesetzliche Offenlegungs- bzw. Meldepflichten (vgl. Finanzmarktinfrastrukturgesetz oder ausländische Äquivalente) erfüllt werden und die Kundinnen und Kunden diesbezüglich umfassende Verzichtserklärungen bzw. Waiver eingehen müssen, damit solche Geschäfte überhaupt abgewickelt werden können, besteht insbesondere diesbezüglich kein Schutzbedürfnis mehr und das Wort «Effektenhandel» soll daher aus Artikel 43 Absatz 3bis E-FINMAG gestrichen werden.
Die FINMA soll zudem neu gemäss Artikel 43 Absatz 3ter E-FINMAG bei einer direkten grenzüberschreitenden Prüfung auch die direkte Einsichtnahme in Kundendossiers im Anwendungsbereich des «Private Banking Carve-out» (vgl. Abs. 3bis) erlauben können, sofern eine direkte Übermittlung gemäss Artikel 42 c E-FINMAG möglich wäre.
Insbesondere müssen dabei die Rechte der betroffenen Kundinnen und Kunden wie auch eventuell betroffener Drittpersonen jedenfalls gewahrt sein, dies i. d. R. durch eine Zustimmung bzw. eine Verzichtserklärung (Waiver) der betroffenen Kundinnen und Kunden oder Drittpersonen.
Die FINMA führt bezüglich der Sicherstellung der Kunden- und Drittpersonenrechte keine Prüfung durch und bestätigt die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht. Dies soll in der alleinigen Verantwortung der Geprüften liegen (analog zu Art. 42 c E-FINMAG).
Ob und in welchem Umfang Informationen von Kundinnen und Kunden sowie Drittpersonen anlässlich einer grenzüberschreitenden Prüfung eingesehen werden dürfen, soll sich in den Fällen von Artikel 42 c Absatz 1 E-FINMAG gemäss den Grundsätzen der Spezialität und Vertraulichkeit sowie der Verhältnismässigkeit (Art. 42 Abs. 2 und 4 FINMAG) ergeben.
Grenzüberschreitende Prüfungen dürfen jedenfalls nicht primär dazu dienen, Informationen von Kundinnen und Kunden sowie Drittpersonen uneingeschränkt einzusehen; insbesondere müsste sich die ausländische Behörde anhand von im Voraus zu benennenden Kriterien auf ein Sample von Kundinnen und Kunden beschränken.
Absatz 3 quater : Wenn die Übermittlung nach Artikel 42 c E-FINMAG nicht zulässig ist (wie im Fall fehlender Zustimmung der Betroffenen), kann die FINMA der ausländischen für die konsolidierte Aufsicht über die geprüfte Person verantwortlichen Finanzmarktaufsichtsbehörde und ihren Beauftragten wie bis anhin erlauben, eine beschränkte Anzahl einzelner Kundendossiers, die direkt oder indirekt einzelne Kundinnen oder Kunden im Vermögensverwaltungs- oder Einlagengeschäft oder einzelne Anlegerinnen oder Anleger kollektiver Kapitalanlagen betreffen (s. Art. 43 Abs. 3bis E-FINMAG) einzusehen. Die Auswahl dieser Dossiers muss zufällig anhand im Voraus festgelegter Kriterien erfolgen. Wie erwähnt handelt es sich dabei um dieselbe Regelung wie bisher in Artikel 43 Absatz 3ter FINMAG. Es erfolgt keine Datenübermittlung, sondern lediglich eine Einsichtnahme für die eingeschränkten Zwecke nach Artikel 43 Absatz 3 E-FINMAG. Eine solche Einsichtnahme dient der ausländischen Behörde, um namentlich die Prozesse des geprüften Beaufsichtigten zu kontrollieren, und darf nicht zu einer Umgehung des Kundenverfahrens führen. Eine weitergehende Einsichtnahme in kundenidentifizierende Informationen, die direkt oder indirekt einzelne Kundinnen oder Kunden im Vermögensverwaltungs- oder Einlagengeschäft oder einzelne Anlegerinnen oder Anleger kollektiver Kapitalanlagen betreffen, oder eine Übergabe solcher Informationen ist nur unter den Voraussetzungen nach Absatz 3ter oder 3quinquies möglich. Besteht seitens der ausländischen Behörden ein Interesse an kundenidentifizierenden Informationen für aufsichtsrechtliche Zwecke, ohne dass die Voraussetzungen nach Absatz 3ter, 3quater oder 3quinquies erfüllt sind, ist auf das Amtshilfeverfahren gemäss Artikel 42 a FINMAG zu verweisen.
Absatz 3 quinquies : Sofern die Voraussetzungen einer Direktübermittlung nach Artikel 42 c E-FINMAG erfüllt sind, sollen Beaufsichtigte Dokumente und nicht öffentliche Informationen (inkl. der eingesehenen Kundeninformationen) auch während der Prüfung vor Ort direkt an die ausländische Behörde übergeben oder ins Ausland übermitteln dürfen. Für die Übergabe gilt Artikel 42 c E-FINMAG sinngemäss. Dies bedeutet, dass Artikel 42 c Absätze 1, 3 und 4 FINMAG anwendbar ist. Die FINMA muss in solchen Konstellationen die Möglichkeit haben, einen Amtshilfevorbehalt anzubringen. Gleichzeitig findet Artikel 42 c Absatz 2 FINMAG keine Anwendung, da die betreffenden Sachverhalte mangels Bezug zu einem Finanzmarktaufsichtszweck nicht unter Artikel 43 FINMAG subsumiert werden können.
Absatz 4:
Nach wie vor kann die FINMA die ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden bei ihren direkten Prüfungen in der Schweiz begleiten oder durch eine Prüfgesellschaft oder eine Prüfbeauftragte oder einen Prüfbeauftragten begleiten lassen.
Diese Möglichkeit wird neu auf die nicht beaufsichtigten Unternehmen ausgedehnt, bei welchen gemäss neuem Absatz 2 eine grenzüberschreitende Prüfung erlaubt werden kann.
Absatz 5: Absatz 5 statuiert eine Mitwirkungspflicht der Geprüften nach Artikel 43 Absatz 2 Buchstaben a und b E-FINMAG.
Absatz 6: Der Begriff «Niederlassungen» ist in der Neuformulierung der Bestimmung nicht mehr zu finden. Damit wird Absatz 6 obsolet und aufgehoben.
7¹ SR 952.0
7² SR 952.02
5.2 Revisionsaufsichtsgesetz
Art. 26
Absatz 3 bis : Auch wenn der Verhältnismässigkeitsgrundsatz in Artikel 5 der Bundesverfassung (BV) 7³ bereits verankert ist, soll er für die Amtshilfe zu Revisionsaufsichtszwecken analog zu Artikel 42 Absatz 4 FINMAG kodifiziert bzw. dahingehend präzisiert werden, dass die Übermittlung von Informationen über Personen, die offensichtlich nicht in die zu untersuchende Angelegenheit verwickelt sind, unzulässig ist.
7³ SR 101
Art. 27
Absatz 1: Absatz 1 sieht vor, dass die RAB dazu legitimiert ist, Prüfungshandlungen einerseits wie bisher selbst im Ausland vor Ort vorzunehmen, andererseits aber neu auch von der Schweiz aus per Fernzugriff. Im Weiteren wird präzisiert, dass sie solche Prüfungshandlungen auch durch Drittpersonen nach Artikel 20 RAG ausführen lassen kann (analog dem Begriff des Prüfbeauftragten im FINMAG).
Absatz 3: Im umgekehrten Verhältnis zu Absatz 1 statuiert Absatz 3 wie bisher die Voraussetzungen der Amtshilfe für Prüfungshandlungen von ausländischen Revisionsaufsichtsbehörden in der Schweiz. Auf Grund des Erfordernisses des Gegenrechts soll in Absatz 3 auch die Rechtsgrundlage für Prüfungshandlungen per Fernzugriff geschaffen werden. Die Voraussetzungen der Vertraulichkeit und Spezialität (Art. 26 Abs. 2 und 3) müssen jedenfalls erfüllt sein. Die Regelung der grenzüberschreitenden Prüfungen in Absatz 3 ist nicht abschliessend und schliesst insbesondere die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Artikel 271 StGB durch die zuständige Stelle in weiteren Fallkonstellationen nicht aus.
Absatz 3 bis : Die RAB soll die Durchführung von grenzüberschreitenden Prüfungen per Fernzugriff erlauben können, wenn die Revisionsunternehmen Massnahmen treffen können, wonach die Einsichtnahme in Informationen und deren Kenntnisnahme durch ausländische Revisionsaufsichtsbehörden im gesetzlich zulässigen Rahmen erfolgen. Bei der Zustimmung der RAB an die ausländische Revisionsaufsichtsbehörde weist sie diese auf ihre Pflicht hin, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Die Einzelheiten werden in der Zustimmung der RAB festgelegt. Zur Gewährleistung der Einsicht- und Kenntnisnahme im gesetzlichen Rahmen durch das Schweizer Revisionsunternehmen kommen einerseits technische Massnahmen in Betracht, andererseits aber auch andere Massnahmen am Ort der Einsichtnahme in Frage.
Absatz 3 ter : Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens wurde vereinzelt befürchtet, dass die Möglichkeit grenzüberschreitender virtueller Überprüfungen eine Ausweitung der Aufsichtstätigkeit ausländischer Revisionsaufsichtsbehörden bei Schweizer Revisionsunternehmen zur Folge haben, was bei den betroffenen Revisionsunternehmen einen entsprechenden Vorbereitungs- und Durchführungsaufwand bedeuten könnte. Auch wenn nicht ganz auszuschliessen ist, dass es zu mehr (Fern-) Inspektionen kommt, wäre dies aus der Perspektive der Revisionsqualität nicht nachteilig, insbesondere dann nicht, wenn die ausländische Revisionsaufsichtsbehörde komplementär Revisionsmandate inspiziert, welche für die RAB nicht im Fokus stehen. Den geäusserten Befürchtungen Rechnung tragend sollen betroffene Schweizer Revisionsunternehmen die Durchführung von Prüfungshandlungen vor Ort in der Schweiz verlangen können, wenn sie nachweisen, dass die Umsetzung der Massnahmen zur Gewährleistung des gesetzlichen Rahmens (vgl. Absatz 3) für sie einen unverhältnismässigen Aufwand bedeuten würde.
Absatz 4: In Absatz 4 wird im Weiteren präzisiert, dass die RAB eine Begleitung der Prüfungshandlungen in der Schweiz entweder selbst vornehmen kann oder auch durch eine Drittperson nach Artikel 20 RAG durchführen lassen kann.
Absatz 5: Der Bundesrat ist wie nach bisherigem Recht befugt, die Zusammenarbeit mit ausländischen Revisionsaufsichtsbehörden in Staatsverträgen zu regeln. Der Verweis wird um den neuen Absatz 3bis ergänzt.
5.3 Nationalbankgesetz
Art. 14
Absatz 3: Gemäss Artikel 14 Absatz 3 NBG übermittelt die Eidgenössische Steuerverwaltung der SNB die Grundlagen und Ergebnisse ihrer statistischen Tätigkeiten im Bereich der Mehrwertsteuer. Falls erforderlich stellt sie ausserdem Mehrwertsteuerdaten aus ihren Datenbeständen und Erhebungen zur Verfügung, um die SNB bei der Erfüllung ihrer statistischen Aufgaben zu unterstützen. Infolge der Regelung der Zusammenarbeit bei Anerkennungs- und Prüfverfahren ausländischer Behörden zum schweizerischen Regulierungsrahmen im neuen Artikel 50 b bis E-NBG (vgl. nachstehend) soll auch Artikel 14 Absatz 3 NBG angepasst werden, um
weiterhin
sicherzustellen, dass Dritte nicht über die SNB an die erwähnten Daten gelangen, zu denen sie anderweitig keinen Zugang hätten. 7⁴
7⁴ BBl 2017 6942 S. 7148
Art. 21
Artikel 21 NBG regelt die Zusammenarbeit der SNB mit ausländischen Aufsichts- und Überwachungsbehörden zum Zweck der Überwachung systemisch bedeutsamer FMI. Im Bereich der systemisch bedeutsamen FMI teilen sich die FINMA und die SNB die Aufsicht resp. Überwachung, wobei der FINMA die Aufsicht bezüglich der allgemeinen gesetzlichen Anforderungen an FMI obliegt, während die SNB die Einhaltung der besonderen Anforderungen des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) sowie des NBG resp. der Nationalbankverordnung vom 18. März 2004 7⁵ für systemisch bedeutsame FMI sicherstellt. Vor diesem Hintergrund erfolgt auch die internationale Zusammenarbeit der SNB im Bereich der Überwachung systemisch bedeutsamer FMI vielfach gemeinsam mit der FINMA.
Seit der Revision der Amtshilfebestimmungen des FINMAG 2016 im Rahmen der Einführung des FinfraG geht Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a FINMAG hinsichtlich der zulässigen Verwendung übermittelter Informationen durch die ausländischen Behörden (Spezialitätsgrundsatz) sowie hinsichtlich möglicher Weiterleitungen der erhaltenen Informationen weiter als Artikel 21 NBG. Dies erscheint angesichts der parallelen Zuständigkeiten und der engen Zusammenarbeit von SNB und FINMA im Bereich der Überwachung und Beaufsichtigung systemisch bedeutsamer FMI sachlich nicht gerechtfertigt. Diese divergierenden Amtshilfebestimmungen führen in der Praxis zudem regelmässig zu Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden, beispielsweise bei der Ausarbeitung gemeinsamer Vereinbarungen von SNB und FINMA mit ausländischen Behörden.
Vor diesem Hintergrund erscheint es zweckmässig, Artikel 21 NBG hinsichtlich Spezialität und Weiterleitung an Artikel 42 FINMAG anzugleichen. Die empfangenden ausländischen Behörden sollen die von der SNB erhaltenen Informationen zum Vollzug des Finanzmarktrechts verwenden oder zu diesem Zweck an andere Behörden, Gerichte oder Organe weiterleiten.
Eine vollständige Angleichung von Artikel 21 NBG an Artikel 42 FINMAG erscheint anderseits nicht angebracht, da das Mandat der SNB als prudenzielle Überwachungsbehörde im Vergleich zu den (breiten) Zuständigkeiten der FINMA eng begrenzt ist.
Die Übermittlung von Informationen soll daher weiterhin nur «im Rahmen der Überwachung» systemisch bedeutsamer FMI (aktueller Wortlaut: «zum Zweck der Überwachung») und an für die direkte Beaufsichtigung oder Überwachung solcher FMI oder von deren Teilnehmern zuständige Aufsichts- und Überwachungsbehörden zulässig sein.
Unverändert soll auch bleiben, dass ausschliesslich Informationen über systemisch bedeutsame FMI mit diesen ausländischen Behörden ausgetauscht werden dürfen. Entsprechend stellt sich die Frage einer Weiterleitung an ausländische Strafverfolgungsbehörden (ausserhalb des Finanzmarktstrafrechts) und Steuerbehörden auch weiterhin nicht. 7⁶
7⁵ SR 951.131
7⁶ BBl 2014 7483 S. 7596
Art. 50b
bis
Artikel 50 b NBG wurde gleichzeitig mit Artikel 42 b FINMAG im Rahmen der Einführung des FinfraG ins Gesetz aufgenommen und entspricht diesem fast vollständig. Wie der neue Artikel 42 b bis E-FINMAG soll neu Artikel 50 b bis E-NBG die Zusammenarbeit bei Überprüfungen des Regulierungsrahmens durch ausländische Behörden (Prüfung des Schweizer Rechts- und Aufsichtsrahmens als auch der Überwachungspraxis der SNB) in Bezug auf systemisch bedeutsame FMI regeln. Die Ausführungen zu Artikel 42 b bis E-FINMAG oben gelten daher sinngemäss auch für Artikel 50 b bis E-NBG.
Aufgrund der geteilten Zuständigkeit von SNB und FINMA bei der Aufsicht bzw. Überwachung systemisch bedeutsamer FMI erfordern ausländische Prüfungen des Regulierungsrahmens solcher Institute oftmals eine Mitwirkung beider Behörden. Bezüglich der Schwierigkeiten, diese Mitarbeit im bestehenden gesetzlichen Rahmen leisten zu können, kann auf die Ausführungen zu Artikel 42 b bis E-FINMAG oben verwiesen werden.
Bei ausländischen Prüfungen des Regulierungsrahmens von weiteren Instituten (bspw. Banken oder Versicherungen) besteht jedoch kein Bedarf für eine Teilnahme der SNB, da sie einzig im Bereich der systemisch bedeutsamen FMI eine prudenzielle Überwachungsfunktion hat. Entsprechend stellt diese Bestimmung auch keine Grundlage für die Beteiligung der SNB an ausländischen Prüfungen des Regulierungsrahmens sonstiger Institute dar.
Artikel 50 b bis E-NBG wird daher neu - entsprechend Artikel 42 b bis E-FINMAG - vorgesehen, um eine effiziente Kooperation der Schweizer Aufsichts- und Überwachungsbehörden bei ausländischen Prüfungen des Regulierungsrahmens für systemisch bedeutsame FMI sicherzustellen.
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
Die Gesetzesrevision hat für den Bund weder finanzielle noch personelle Konsequenzen und kann im Rahmen der bestehenden Ressourcen und Aufgaben umgesetzt werden. Trotz der in Artikel 42 a Absatz 2 E-FINMAG vorgesehenen Einschränkung des Kundenverfahrens bleibt die FINMA weiterhin verpflichtet, jedes Amtshilfeersuchen und jede geplante Datenübermittlung im Einzelfall sorgfältig auf die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen - insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze der Spezialität, Vertraulichkeit, Verhältnismässigkeit, das Vorliegen eines genügenden Anfangsverdachts sowie ein hinreichendes aufsichtsrechtliches Interesse. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass bei der FINMA in relevantem Umfang Ressourcen freigesetzt werden. Auch bei der RAB und der SNB sind keine nennenswerten finanziellen oder personellen Auswirkungen zu erwarten.
6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete
Die Vorlage hat keine spezifischen Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.
6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Ziel der Vorlage ist es, die Reputation und internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes nachhaltig zu stärken. Dies soll durch die Schaffung eines kohärenten, klaren und international anschlussfähigen Rechtsrahmens für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden sowie zwischen den Aufsichtsbehörden und den Beaufsichtigten erreicht werden. Ein solcher Rahmen ist entscheidend dafür, dass das schweizerische Finanzsystem offen und effizient in den globalen Markt eingebunden bleibt, ohne die Grundwerte wie Integrität, Transparenz und Finanzstabilität zu gefährden.
Die wirtschaftliche Bedeutung insbesondere des europäischen Finanzmarktes für die Schweiz ist erheblich: Aufgrund der geografischen Nähe, des engen wirtschaftlichen Verflechtungsgrads und des grossen Geschäftsvolumens ist Europa ein Hauptzielmarkt für Schweizer Finanzdienstleister. Umso wichtiger ist es, den Marktzugang zu den Mitgliedstaaten der EU sowie zum EU-Binnenmarkt aufrechtzuerhalten und die Gleichbehandlung schweizerischer Anbieter im Wettbewerb mit ihren europäischen Konkurrenten sicherzustellen. In diesem Kontext ist ein verlässlicher und international kompatibler Kooperationsrahmen eine notwendige Voraussetzung - sowohl zur Vermeidung regulatorischer Hürden als auch zur Abwehr von Standortnachteilen.
Ein Mangel an Rechts- und Planungssicherheit - etwa im Zusammenhang mit der Anerkennung von EU-Äquivalenzen - kann Marktteilnehmer dazu veranlassen, ihre Aktivitäten ins Ausland zu verlagern. Grössere Schweizer Finanzinstitute erwägen in diesem Zusammenhang bereits, einzelne Geschäftsbereiche in die EU zu verschieben. Solche Verlagerungstendenzen führen zu einem Rückgang an direkten Finanzdienstleistungen in der Schweiz und gleichzeitig zu einem Schwund an vor- und nachgelagerten Wirtschaftsaktivitäten - etwa in den Bereichen Recht, IT, Beratung oder Infrastruktur. Dies schwächt nicht nur den Finanzplatz Schweiz, sondern wirkt sich negativ auf die gesamte Volkswirtschaft aus.
Der Finanzsektor trägt in erheblichem Umfang zur Wertschöpfung, zur Steuerleistung sowie zur Beschäftigung in der Schweiz bei: Der Anteil der Banken und Versicherungen am Bruttoinlandprodukt beträgt rund neun Prozent. 7⁷ Die Vorlage unterstützt daher nicht nur ein zentrales Ziel der Finanzmarktpolitik des Bundes - nämlich die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unter Wahrung der Systemstabilität -, sondern leistet auch einen konkreten Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen, zur Innovationskraft und zur wirtschaftlichen Resilienz der Schweiz insgesamt.
Die Vorlage schafft keine neuen oder veränderten Pflichten für Unternehmen, womit eine Regulierungskostenschätzung nach Artikel 5 des Unternehmensentlastungsgesetzes vom 29. September 2023 ⁷8 entfällt.
7⁷ Vgl. EFD, Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen, Finanzstandort Schweiz, Kennzahlen 2025, abrufbar unter:
www.sif.admin.ch
> Dokumentation > Finanzstandort Schweiz (zuletzt abgerufen am 3. Juni 2025).
⁷8 SR 930.31
6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft
Die Änderungen in der Vorlage sind zu gering, als dass sie einen Einfluss in der Breite der schweizerischen Gesellschaft hätten.
6.5 Auswirkungen auf die Umwelt
Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Umwelt.
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
Die Vorlage zur Änderung des FINMAG, des RAG sowie des NBG stützt sich auf die Artikel 95 und 98 BV, die dem Bund die Kompetenz geben, Vorschriften über das Banken-, Privatversicherungs- und Börsenwesen, über Finanzdienstleistungen in anderen Bereichen sowie über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zu erlassen.
Auch die in Artikel 42 a Absatz 2 E-FINMAG vorgesehene Einschränkung des Kundenverfahrens ist mit der Bundesverfassung vereinbar. Artikel 29 a zweiter Satz BV erlaubt Ausnahmen von der Rechtsweggarantie, sofern diese gesetzlich vorgesehen, sachlich gerechtfertigt und verhältnismässig sind. ⁷9 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung anerkennt ausdrücklich, dass der Gesetzgeber in bestimmten Konstellationen auf die Anwendung des VwVG verzichten darf. 8⁰
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine klar umschriebene Ausnahme. Sie betrifft ausschliesslich Amtshilfeersuchen aus dem Ausland, die einen konkreten Verdacht auf Marktmissbrauch zum Gegenstand haben - namentlich Insiderhandel oder Marktmanipulation - und mit Transaktionen im Zusammenhang stehen, die sich auf den ausländischen Markt beziehen. Das Kundenverfahren bleibt in sämtlichen übrigen Fällen der internationalen Amtshilfe durch die FINMA wie bisher anwendbar. Auch dort, wo eine vorgängige Anhörung entfällt, wird der Rechtsschutz nicht vollends aufgehoben, sondern in angepasster Form gewahrt. So bleibt die FINMA weiterhin verpflichtet, jedes Amtshilfeersuchen und jede geplante Datenübermittlung im Einzelfall sorgfältig auf die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen - insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze der Spezialität, Vertraulichkeit, Verhältnismässigkeit, das Vorliegen eines genügenden Anfangsverdachts sowie eines hinreichenden aufsichtsrechtlichen Interesses.
Dieser gezielte und begrenzte Eingriff in die Verfahrensrechte der betroffenen Personen ist durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden dient dem Schutz der Stabilität und Integrität der Finanzmärkte, der frühzeitigen Gefahrenabwehr sowie der wirksamen Durchsetzung von aufsichtsrechtlichen Standards. Der Schutz kollektiver Rechtsgüter wie Marktintegrität, Transparenz und Finanzstabilität überwiegt in diesen Fällen das individuelle Interesse an einer vorgängigen Anhörung.
Nicht zuletzt besteht für betroffene Personen die Möglichkeit, ihre Rechte im Rahmen des ausländischen Hauptverfahrens geltend zu machen.
Der vorgesehene Rechtsrahmen wahrt damit die verfassungsmässig garantierten Verfahrensrechte, gewährleistet ein angemessenes Gleichgewicht zwischen individuellem und öffentlichem Interesse und trägt der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichts in systematischer und verhältnismässiger Weise Rechnung.
⁷9 Vgl. Andreas Kley, St. Galler Kommentar (3. Aufl.) zu Art. 29 a BV, Rz. 20; BSK BV-Waldmann, Art. 29 a N 20.
8⁰ Vgl. BGE 140 ll 315 E. 3.1.; Urteil des Bundesgerichts 2C_246/2014 vom 7. August 2014 E. 6.2.3; Beriger/Glaser, Rechtsschutz gegen Realakte: Bundesgericht schafft Klarheit, SJZ 111 (2015) Nr. 7, S. 171 f.; Weber-Dürler/Kunz-Notter, in: Auer/Müller/Schindler (Hrsg.), VwVG - Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2019, N 40 zu Art. 25 a VwVG
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darüber hinaus verlangt die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29 a BV zwar die gerichtliche Überprüfbarkeit behördlicher Entscheide, definiert jedoch nicht, ob ein Entscheid einer Verwaltungsbehörde, Informationen an eine andere weiterzuleiten, an sich immer in der Form einer anfechtbaren Verfügung erfolgen muss: vgl. hierzu Zulauf, Kooperation oder Obstruktion?, 344.
7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Verschiedene internationale Abkommen der Schweiz enthalten Bestimmungen über die internationale Amtshilfe. Zu Finanzmarktaufsichtszwecken sieht bspw. das Abkommen vom 10. Oktober 1989 8¹ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der EWG betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung eine besondere Regelung der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden vor (vgl. Art. 30 ff.). Insbesondere werden die Bedingungen (Art. 30) und die Ziele (Art. 31) dieser Zusammenarbeit speziell geregelt. Das Abkommen enthält weiter eine besondere Bestimmung zur Geheimhaltungspflicht (Art. 33).
Eine analoge Regelung ist im Abkommen vom 25. Januar 2019 8² zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung sowie im Abkommen vom 19. Dezember 1996 8³ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Direktversicherung sowie die Versicherungsvermittlung vorgesehen.
Im Bankenbereich sehen insbesondere der Briefwechsel vom 3. Juli/15. August 2013 8⁴ zwischen der Schweiz und Deutschland zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Finanzbereich und die zugehörigen Ausführungsvereinbarungen der FINMA mit der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine besondere Regelung der Zusammenarbeit zur Beaufsichtigung des grenzüberschreitenden Banken- und Vermögensverwaltungsgeschäfts vor.
Eine aktuelle völkerrechtliche Grundlage zur Zusammenarbeit im Bereich der Finanzdienstleistungen bildet zudem das am 21. Dezember 2023 unterzeichnete und am 21. März 2025 von der Bundesversammlung genehmigte Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung im Bereich der Finanzdienstleistungen 8⁵ . Artikel 13 und 14 des Abkommens schaffen einen Rahmen für eine enge und effiziente Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden beider Staaten, basierend auf internationalen Standards, gegenseitigem Vertrauen und zeitnahem Informationsaustausch.
Die vorgeschlagenen Änderungen des FINMAG, RAG und NBG erlauben es der Schweiz nach wie vor, weitergehende Staatsverträge über die Verwaltungszusammenarbeit abzuschliessen, weshalb kein Konflikt zwischen den revidierten Amtshilfestimmungen und den bestehenden oder zukünftigen internationalen Abkommen der Schweiz im Finanzmarktbereich bestünde.
8¹ SR 0.961.1
8² SR 0.961.367
8³ SR 0.961.514
8⁴ SR 0.956.113.61
8⁵ BBl 2024 2387
7.3 Erlassform
Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Alle vorliegenden Änderungen des FINMAG wie auch der weiteren genannten Erlasse unterstehen dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.
7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse
Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen (die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach sich ziehen) geschaffen, noch neue Verpflichtungskredite bzw. Zahlungsrahmen (mit Ausgaben über einem der Schwellenwerte) beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.
7.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen
Die vorliegende Gesetzesrevision enthält keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen.
7.6 Datenschutz
Das Datenschutzgesetz vom 25. September 2020 8⁶ (DSG) bezweckt den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von natürlichen Personen, über welche Personendaten bearbeitet werden (Art. 1 DSG). Als Personendaten gelten dabei alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person beziehen (Art. 5 Bst. a DSG). Der Begriff der Bearbeitung von Personendaten nach dem Datenschutzgesetz umfasst dabei ebenfalls die Bekanntgabe von Daten (Art. 5 Bst. d DSG). Bundesorgane dürfen gemäss Artikel 34 DSG Personendaten nur bearbeiten, wenn dafür wie vorliegend eine gesetzliche Grundlage besteht. Die FINMA verfügt mit Artikel 23 Absätze 1 und 2 Bst. f FINMAG i. V. m. Artikel 42 ff. über eine Gesetzesgrundlage für die Datenbearbeitung und die grenzüberschreitende Datenbekanntgabe an ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden unter Einschluss von besonders schützenswerten Personendaten, wobei die Kategorien der Personendaten in Übereinstimmung mit Artikel 23 Absatz 4 FINMAG in Artikel 5 der Datenverordnung FINMA vom 4. Mai 2023 8⁷ aufgeführt sind. Im Übrigen gehen die Amtshilfebestimmungen des FINMAG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes dem DSG vor. 8⁸
8⁶ SR 235.1
8⁷ SR 956.124
8⁸ Vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts B-821/2020 vom 21. Juli 2020 E. 2, B-6371/2018 vom 8. März 2019 E. 4.3.1, B-7773/2015 vom 16. März 2016 E. 5, B-2460/2015 vom 15. November 2015 E. 3.4.3.
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
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