BBl 2025 2838
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Erleichterte Stiefkindadoption)

Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Erleichterte Stiefkindadoption)
vom 12. September 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Erleichterte Stiefkindadoption) ¹ .
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben:
2022 M 22.3382 Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption (N 8.4.2022, Kommission für Rechtsfragen Nationalrat)
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
12. September 2025 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Die Stiefkindadoption von Kindern, die mit einer privaten Samenspende, einer Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren gezeugt wurden, soll erleichtert werden. Damit das Kindesverhältnis zur adoptionswilligen Person (sog. Wunschelternteil), mit der das Kind ab Geburt zusammenlebt, rasch begründet werden kann, soll auf das heute bestehende Erfordernis des einjährigen Pflegeverhältnisses verzichtet werden. Daneben werden im Bereich der Stiefkindadoption von volljährigen Personen punktuelle Änderungen vorgeschlagen.
Ausgangslage
Die Stiefkindadoption ist heute auf eine Situation ausgelegt, in der eine Person ein Kind adoptiert, das aus einer früheren Beziehung ihrer Partnerin oder ihres Partners stammt. Voraussetzung dafür ist, dass das Paar seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt und die adoptionswillige Person während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt hat. Das Kind hat in diesen Situationen in der Regel bereits zwei rechtliche Elternteile.
Die Motion 22.3382 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates «Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption» hat andere Situationen im Fokus: Es geht um die Stiefkindadoption eines Kindes, das mit einer privaten Samenspende, einer (möglicherweise anonymen) Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft gezeugt wurde und das ab dem Zeitpunkt der Geburt mit der adoptionswilligen Person, d. h. mit dem Wunschelternteil, zusammenlebt. In diesen Situationen wird das Kind in eine gelebte Paarbeziehung hineingeboren, ist aber rechtlich nicht vollumfänglich abgesichert, weil es in der Regel nur einen rechtlichen Elternteil hat. Für das Kind ist wichtig, dass möglichst rasch ein Kindesverhältnis zu einem zweiten Elternteil begründet werden kann. Diese Absicherung verzögert sich heute allerdings, weil das Gesetz verlangt, dass die adoptionswilligen Personen während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt haben.
Die Motion 22.3382 gewichtet in diesen Konstellationen die rasche Erstellung eines Kindesverhältnisses zum zweiten Elternteil aus Sicht des Kindes höher als das einjährige Pflegeverhältnis und verlangt eine punktuelle und rasche Anpassung in diesem Punkt sowie die Prüfung weiterer Erleichterungen.
In der Vernehmlassung wurden entsprechende Vorschläge zur Erleichterung des Adoptionsverfahrens aber überwiegend kritisiert oder abgelehnt, insbesondere weil das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung dadurch gefährdet oder verletzt werde. Dieses Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung wird jedoch im Rahmen der derzeit laufenden Arbeiten an einer Revision des Abstammungsrechts spezifisch geprüft und geregelt werden. Um dem Anliegen einer punktuellen und raschen Umsetzung der Motion gerecht zu werden, aber der Revision des Abstammungsrechts nicht vorzugreifen, verzichtet der Bundesrat auf weitere Anpassungen beim Adoptionsverfahren.
Inhalt der Vorlage
Bei den angesprochenen Konstellationen soll durch eine erleichterte Form der Stiefkindadoption Abhilfe geschaffen und möglichst rasch ein Kindesverhältnis zum zweiten Elternteil begründet werden können: Dabei soll auf das Erfordernis des Pflegejahrs verzichtet werden. Führen der Elternteil und der Wunschelternteil im Zeitpunkt der Geburt des Kindes einen gemeinsamen Haushalt, soll die Adoption erfolgen können, sobald der gemeinsame Haushalt des Paares drei Jahre gedauert hat. Auch ohne den Erlass spezifischer Bestimmungen im Adoptionsverfahren soll den Besonderheiten dieser Konstellationen Rechnung getragen werden.
Die vorgeschlagene Anpassung im Bereich der erleichterten Stiefkindadoption stellt eine rasch umsetzbare Lösung dar. Weitere Anpassungen und Vereinfachungen bei der Begründung des Kindesverhältnisses und die Regelung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung werden mit der Revision des Abstammungsrechts aufgenommen und vertieft geprüft werden.
Gleichzeitig sollen auch bei der Adoption eines volljährig gewordenen Stiefkindes zwei Änderungen erfolgen: Weil ein gemeinsamer Haushalt von Elternteil und adoptionswilliger Person für ein volljähriges Kind nicht mehr von Bedeutung ist, soll bei der Stiefkindadoption im Erwachsenenalter vom weiteren Bestehen des gemeinsamen Haushalts, der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der faktischen Lebensgemeinschaft des Elternteils mit dem Stiefelternteil abgesehen werden. Ergänzend soll eine Lücke im Namensrecht bei der Stiefkindadoption volljähriger Personen geschlossen werden.
Botschaft
¹ BBl 2025 2839

1 Ausgangslage

1.1 Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1 «Ehe für alle»: Originäre Elternschaft der Ehegattin der Mutter

Die Öffnung der Ehe für alle Paare und die Verabschiedung der «Ehe für alle» ² brachte eine Anpassung im Bereich der Entstehung des Kindesverhältnisses mit sich. Für weibliche Ehepaare gilt seither folgende besondere Regelung: Wenn das Kind nach den Bestimmungen des Fortpflanzungsmedizingesetzes vom 18. Dezember 1998 ³ (FMedG) gezeugt wurde, gilt die Ehefrau der Mutter ab dem Zeitpunkt der Geburt als anderer Elternteil (sog. originäre Elternschaft, Art. 255 a Abs. 1 des Zivilgesetzbuchs [ZGB] ⁴ ). Kinder, die nicht nach den Bestimmungen des FMedG gezeugt wurden (z. B. mittels einer privaten Samenspende oder einer Samenspende im Ausland), müssen hingegen nach wie vor von der Ehefrau der Mutter im Rahmen einer Stiefkindadoption adoptiert werden. Eine Stiefkindadoption zur Begründung eines Kindesverhältnisses zum zweiten Elternteil (Wunschelternteil) ist auch in anderen Konstellationen notwendig, in denen ein Paar sich den Kinderwunsch mit weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft erfüllt (vgl. Ziff. 1.1.4).
Hintergrund der Beschränkung der originären Elternschaft im Rahmen der «Ehe für alle» auf die Verfahren nach FMedG ist, dass so die Spenderdaten im Spenderdatenregister amtlich dokumentiert sind und der Zugang des Kindes zu diesen Informationen gesetzlich geregelt ist (Art. 27 FMedG). Auf diese Weise ist das verfassungsmässige Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung sichergestellt. Dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung wird seitens des Bundesrates und des Parlaments grosses Gewicht beigemessen. Die weiteren Fragen im Rahmen der Diskussionen rund um die «Ehe für alle», gerade in Bezug auf die Regelung der privaten Samenspende, wurden damit bewusst auf die sich abzeichnende Revision des Abstammungsrechts verschoben. ⁵
² Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 18. Dezember 2020 (Ehe für alle), in Kraft seit 1. Juli 2022 ( AS 2021 747 , BBl 2019 8595 ).
³ SR 810.11
⁴ SR 210
⁵ Vgl. auch Stellungnahme des Bundesrates zur Motion 22.3383 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates «Alle Kinder ab Geburt rechtlich absichern» sowie die Stellungnahme des Bundesrates zur parlamentarischen Initiative «Ehe für alle» vom 29. Januar 2020, BBl 2020 1273 .

1.1.2 Laufende Revision des Abstammungsrechts

Der Bundesrat war in seinem Bericht vom 17. Dezember 2021 in Erfüllung des Postulates 18.3714 der Rechtskommission des Ständerates «Überprüfung des Abstammungsrechts» im Einklang mit der beauftragten externen interdisziplinären Expertengruppe zum Schluss gekommen, dass im Abstammungsrecht Reformbedarf besteht. ⁶ Im März 2023 hat das Parlament die Motion 22.3235 Caroni «Zeitgemässes Abstammungsrecht» angenommen und den Bundesrat beauftragt, für die in seinem Bericht speziell hervorgehobenen Bereiche konkrete Revisionsvorschläge zu machen. Dies betrifft folgende Themen:
-
die Anfechtung der Vaterschaftsvermutung des Ehemannes;
-
die Regelung der privaten Samenspende und die Rechtsstellung aller bei der Zeugung des Kindes beteiligten Personen;
-
die ausdrückliche Regelung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung und des Rechts auf Kenntnis der Nachkommen auf Gesetzesstufe.
Im Rahmen der Arbeiten zur Erfüllung der Motion wird somit unter anderem die von der Expertengruppe vorgeschlagene Regelung der privaten Samenspende angegangen, die das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung gewährleisten und gleichzeitig die Rechtsstellung aller bei der Zeugung des Kindes beteiligten Personen klar regeln soll. ⁷
Bis die neuen Regelungen verabschiedet und in Kraft getreten sind, ist aber das Kindesverhältnis zu Kindern, die mit einer privaten Samenspende - wie im Übrigen auch mit einer (möglicherweise anonymen) Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft - gezeugt wurden, grundsätzlich mit einer Stiefkindadoption zu begründen (vgl. Ziff. 1.1.4). Da die laufende Revision des Abstammungsrechts noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, rechtfertigt es sich, die Bestimmungen zur Stiefkindadoption anzupassen, auch wenn diese neuen Regelungen somit eine Übergangslösung (zumindest für bestimmte Situationen) darstellen und die Begründung des Kindesverhältnisses in den erwähnten Konstellationen in absehbarer Zeit erneut geprüft und aller Voraussicht nach revidiert werden dürften.
Zu beachten ist, dass derzeit auch das FMedG revidiert wird. Im Zentrum dieser Revision steht insbesondere die Zulassung der Eizellenspende, womit ebenfalls Fragen rund um das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung thematisiert werden müssen. ⁸
⁶ Vgl. Bericht des Bundesrates «Reformbedarf im Abstammungsrecht» vom 17 Dezember 2021. Der Bericht ist abrufbar unter:
www.bj.admin.ch > Gesellschaft > Elternschaft und Abstammung
.
⁷ Vgl. Bericht des Bundesrates «Reformbedarf im Abstammungsrecht» vom 17. Dezember 2021, S. 14; abrufbar unter:
www.bj.admin.ch > Gesellschaft > Elternschaft und Abstammung
.
⁸ Vgl. Fortpflanzungsmedizin: Bundesrat beschliesst Eckwerte für die Zulassung der Eizellenspende, abrufbar unter:
www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 30. Januar 2025.

1.1.3 Stiefkindadoption im geltenden Recht

Die Stiefkindadoption stellt die Adoption des Kindes der Partnerin oder des Partners durch den Stiefelternteil dar (Art. 264 c ZGB). Ihre gesetzlichen Rahmenbedingungen haben den Bundesrat und den Gesetzgeber zuletzt mit der Teilrevision des Adoptionsrechts vom 16. Juni 2016, die am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, beschäftigt. Mit dieser Revision wurde die Stiefkindadoption, die bis dahin nur Ehepaaren vorbehalten war, auf Paare in eingetragener Partnerschaft sowie Paare in faktischer Lebensgemeinschaft erweitert (Art. 264 c ZGB). Gleichzeitig wurden gewisse Anforderungen gesenkt oder flexibilisiert. Dazu gehören namentlich die Senkung der Mindestdauer des Bestehens eines gemeinsamen Haushalts von Elternteil und Stiefelternteil von fünf auf drei Jahre (Art. 264 c Abs. 2 ZGB) oder die Möglichkeit, vom Mindestaltersunterschied von 16 Jahren abweichen zu können (Art. 264 d Abs. 2 ZGB). Mit dieser Revision sollte das Adoptionsrecht den Anforderungen der modernen Zeit angepasst werden. ⁹
Die Stiefkindadoption ist heute auf eine Situation ausgelegt, in der ein Stiefelternteil ein Kind adoptiert, das aus einer früheren Beziehung seiner Partnerin oder seines Partners stammt. Voraussetzung dafür ist, dass das Paar seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt und die adoptionswillige Person während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt hat (Art. 264 c i. V. m. 264 ZGB). Wie bei allen Adoptionen gilt auch bei der Stiefkindadoption, dass diese erst nach einer umfassenden Untersuchung aller wesentlichen Umstände ausgesprochen werden darf, wobei namentlich die Persönlichkeit und die Gesundheit der adoptionswilligen Personen und des Kindes, ihre gegenseitige Beziehung, die erzieherische Eignung, die wirtschaftliche Lage, die Beweggründe und die Familienverhältnisse der adoptionswilligen Personen sowie die Entwicklung des Pflegeverhältnisses abzuklären sind (Art. 268 a ZGB). Die Stiefkindadoption darf nur erfolgen, wenn die Adoptionsbehörde davon überzeugt ist, dass sie dem Wohl des Kindes dient. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Kind in der Regel bereits zwei rechtliche Elternteile hat und dass es mit der Stiefkindadoption einen Elternteil, Grosseltern und weitere Verwandte des Elternteils, zu dem das Kindesverhältnis als Folge der Stiefkindadoption erlischt, verliert. Vorausgesetzt ist jedoch stets, dass der Elternteil, zu dem das Kindesverhältnis erlischt, der Stiefkindadoption zustimmt (vgl. Art. 265 a ZGB).
⁹ Vgl. Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption), BBl 2015 877 .

1.1.4 Stiefkindadoption durch Wunschelternteil in der Praxis

Seit dem Inkrafttreten der Revision am 1. Januar 2018 hat sich gezeigt, dass die bisherigen Anpassungen den besonderen Umständen von Paaren, die ihren Kinderwunsch mit einer privaten Samenspende, einer (möglicherweise anonymen) Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft erfüllen, nicht gerecht zu werden vermögen. Das Kind wurde in solchen Fällen in der Regel im Rahmen einer gemeinsamen Familienplanung gezeugt und lebt ab dem Zeitpunkt der Geburt mit seinem rechtlichen Elternteil und mit der adoptionswilligen Person, d. h. mit dem Wunschelternteil, zusammen. In der Regel hat das Kind nur einen rechtlichen Elternteil und der Wunschelternteil ist zur Begründung des Kindesverhältnisses auf die Stiefkindadoption angewiesen. Spezifisch für Leihmutterschaftsfälle zu erwähnen ist, dass die Leihmutter nach schweizerischem Recht als rechtlicher Elternteil gilt, solange die Stiefkindadoption nicht ausgesprochen werden kann (vgl. auch Art. 265 b ZGB). Die genannten Situationen entsprechen daher nicht denjenigen der sogenannt «klassischen» Stiefkindadoption, bei der das Kind allermeistens bereits zwei rechtliche Elternteile hat und das Kind der Partnerin oder des Partners aus einer früheren Beziehung adoptiert werden soll (vgl. Ziff. 1.1.3). Kritisiert wird insbesondere die lange Dauer, bis die Stiefkindadoption ausgesprochen wird (Pflegejahr und Verfahren beanspruchen i. d. R. mindestens zwei Jahre) und während der das Kind rechtlich nicht vollumfänglich abgesichert ist, weil es in der Regel nur einen rechtlichen Elternteil hat.
Auch das Bundesgericht hat in einem Entscheid betreffend eine Stiefkindadoption im Zusammenhang mit einer Leihmutterschaft für «eine grosszügige und pragmatische Auslegung der adoptionsrechtlichen Voraussetzungen» plädiert, damit das Kindesverhältnis zu den Wunscheltern rasch begründet werden kann. 1⁰ Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Entscheid vom 22. November 2022 festgehalten, dass das Schweizer Recht zwar vorsehen dürfe, dass der Wunschvater, der mit dem Kind einer Leihmutter genetisch nicht verwandt ist, dieses Kind adoptieren muss (d. h., dass er nicht direkt zweiter Elternteil wird), dass das dafür notwendige Verfahren aber nicht lange dauern dürfe. 1¹ Dasselbe gilt gemäss EGMR auch, wenn der Wunschelternteil mit dem Kind genetisch verwandt ist. ¹2
1⁰ Vgl. BGer 5A_545/2020 E. 8.5 vom 7. Februar 2022.
1¹ Vgl. D. B. ET AUTRES c. SUISSE, Nr. 58817/15 und 58252/15, Entscheid vom 22. November 2022, Ziff. 79 (2. le droit au respect de la vie privée de l’enfant, au sens de l’article 8 de la Convention, ne requiert pas que cette reconnaissance se fasse par la transcription sur les registres de l’état civil de l’acte de naissance légalement établi à l’étranger ; elle peut se faire par une autre voie, telle que l’adoption de l’enfant par la mère d’intention, à la condition que les modalités prévues par le droit interne garantissent l’effectivité et la célérité de sa mise en œuvre, conformément à l’intérêt supérieur de l’enfant).
¹2 Vgl. R. F. ET AUTRES c. ALLEMAGNE Nr. 46808/16, Entscheid vom 12. November 2024, Ziff. 92.

1.1.5 Motion 22.3382 RK-N «Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption»

Im Interesse des Kindes an der raschen Etablierung eines Kindesverhältnisses zum Wunschelternteil und damit an seiner rechtlichen Absicherung hat sich das Parlament in diesen ganz spezifischen Situationen (vgl. Ziff. 1.1.4) für eine Erleichterung der Stiefkindadoption ausgesprochen: Mit der Motion 22.3382 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) «Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption» wurde der Bundesrat beauftragt, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten, mit der die gesetzlichen Bestimmungen zur Stiefkindadoption so angepasst werden, dass auf das einjährige Pflegeverhältnis gemäss Artikel 264 Absatz 1 ZGB verzichtet wird, wenn der rechtliche Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der adoptionswilligen Person einen gemeinsamen Haushalt führt. Zusätzlich sollen mögliche weitere Erleichterungen geprüft werden. Entgegen dem Wortlaut der Motion, aber gemäss den Ausführungen in der parlamentarischen Beratung soll eine erleichterte Stiefkindadoption nicht nur für Paare in einer faktischen Lebensgemeinschaft, sondern auch für verschieden- oder gleichgeschlechtliche Paare in einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft möglich sein. ¹3
Das Anliegen soll ausserdem als punktuelle und rasch umsetzbare Verbesserung für die erwähnten Konstellationen verstanden werden, bevor im Rahmen der Revision des Abstammungsrechts insbesondere für die private Samenspende eine neue Regelung erfolgen kann, der hiermit nicht vorgegriffen werden soll (vgl. Ziff. 1.1.2). ¹4
¹3 «Comme la formulation de la motion porte à confusion, je tiens à préciser ici que cette possibilité doit également être prévue pour les couples mariés ou les couples en partenariat enregistré. Cette motion concerne autant les couples hétérosexuels qu’homosexuels.» (Berichterstatterin SR Mazzone AB 2022 S 1342; abrufbar unter:
www.parlament.ch > Geschäfte Suche > 22.3382 (Eingabe unter Geschäftsnummer) > 22.3382 Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption > Amtliches Bulletin > Sitzung Ständerat vom 14. Dezember 2022).
¹4 Vgl. Debatte im Nationalrat AB 2022 N 985; abrufbar unter:
www.parlament.ch > Geschäfte Suche > 22.3382 (Eingabe unter Geschäftsnummer) > 22.3382 Keine unnötigen Hürden bei der Stiefkindadoption > Amtliches Bulletin > Sitzung Nationalrat vom 8. Juni 2022.

1.1.6 Weiterer Handlungsbedarf: Stiefkindadoption einer volljährigen Person

Unabhängig von den genannten Situationen verlangt das geltende Recht allgemein bei der Stiefkindadoption einer volljährigen Person (Art. 266 ZGB) weiterhin das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts von Elternteil und Stiefelternteil. Was bei einer Stiefkindadoption eines minderjährigen Kindes sinnvoll ist, ist bei der Adoption einer erwachsenen Person nicht mehr zwingend, da diese in der Regel ohnehin nicht mehr mit Eltern- und Stiefelternteil in einem Haushalt zusammenlebt. Vielfach werden so Stiefkindadoptionen im Erwachsenenalter verunmöglicht, weil der gemeinsame Haushalt von Elternteil und Stiefelternteil inzwischen nicht mehr besteht. Dass eine Adoption während der Minderjährigkeit des Kindes - als der gemeinsame Haushalt noch bestand - nicht erfolgt ist, hat in aller Regel rechtliche Gründe: Entweder fehlte es an der notwendigen Zustimmung des Elternteils, mit dem das Kind nicht zusammenlebte (Art. 265 a ZGB), oder waren Eltern- und Stiefelternteil in einer eingetragenen Partnerschaft oder einer faktischen Lebensgemeinschaft. Bis 2018 war die Stiefkindadoption nämlich nur möglich, wenn die adoptionswillige Person mit der Mutter oder dem Vater des Stiefkindes in einer Ehe verbunden war. Soll nach der Auflösung des gemeinsamen Haushaltes bzw. der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft von Elternteil und Stiefelternteil ein Kindesverhältnis mit dem inzwischen volljährig gewordenen Stiefkind entstehen, bleibt bei gegebenen Voraussetzungen nur noch eine Einzeladoption durch den ehemaligen Stiefelternteil, der indessen zur Auflösung des Kindesverhältnisses zum Elternteil führt, mit dem das Kind aufgewachsen ist. Das ist aber zumeist unerwünscht.
Dieses Problem betrifft nicht nur die klassische Stiefkindadoption eines Kindes aus einer anderen Beziehung, sondern auch Personen, wie sie die Motion im Fokus hat, da Kinder bereits seit über 40 Jahren mittels fortpflanzungsmedizinischer Verfahren gezeugt werden können. In vielen dieser Fälle besteht der Wunsch, die weiterhin enge Beziehung zwischen dem volljährigen Kind und dem Wunschelternteil, d. h. der adoptionswilligen Person, durch ein Kindesverhältnis rechtlich zu verankern, obwohl ein gemeinsamer Haushalt mit dem Elternteil des volljährigen Kindes oder sogar die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft mit diesem aufgelöst wurde. Im Vordergrund der vorliegenden Revision steht klar die Beziehung zwischen der adoptionswilligen Person und dem volljährig gewordenen Kind und nicht zwischen dem ehemaligen Paar. Der Bundesrat sieht daher in diesem Bereich der Stiefkindadoption einer volljährigen Person ebenfalls Handlungsbedarf.

1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.2.1 Beistandschaft zur Feststellung der Vaterschaft und Regelung der Aufgaben der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden

Eine Adoption erfordert grundsätzlich die Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes (Art. 265 a ff. ZGB). Kritisiert wird in der Lehre und Praxis teilweise, dass diese Vorgaben bei der Stiefkindadoption durch den Wunschelternteil oftmals zu «unnötigen» Interventionen führe. Vorgebracht wird insbesondere, dass es in diesen Fällen nicht angebracht sei, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eine Beistandschaft zur Feststellung der Vaterschaft anordne. ¹5
Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf Neuerungen von November 2024 in der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 ¹6 (ZStV) in Bezug auf die Rolle der KESB. Seither meldet das Zivilstandsamt zwar nach wie vor der KESB die Geburt eines Kindes, wenn zum Zeitpunkt der Geburt ein Kindesverhältnis nur zu einem Elternteil besteht (Art. 50 Abs. 1 Bst. a ZStV). Dies rechtfertigt sich, damit die KESB prüfen kann, ob und gegebenenfalls welche Schritte im Hinblick auf die Wahrung des Kindeswohls einzuleiten sind, namentlich um zu prüfen, ob eine zweite Elternschaft für das Kind begründet werden kann. Die KESB wird aber nicht automatisch eine Beistandschaft errichten. Vielmehr wird sie mit der Mutter oder mit dem Paar Kontakt aufnehmen und eine Einschätzung der konkreten Situation vornehmen. Die KESB wird somit in der Regel den Ausgang des Adoptionsverfahrens abwarten. Nur dann, wenn die Anordnung einer Kindesschutzmassnahme im Einzelfall erforderlich ist, wird eine solche angeordnet. ¹7 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 309 aZGB im Rahmen der Einführung der gemeinsamen elterlichen Sorge (in Kraft seit dem 1. Juli 2014) mit der Begründung gestrichen wurde, dass das Kind nur dann einen Beistand erhalten soll, wenn ein solcher zu seinem Schutz notwendig ist. Bei unverheirateten Müttern sollte dies nicht mehr per se der Fall sein. ¹8
In den spezifischen Situationen, in denen künftig eine erleichterte Stiefkindadoption möglich sein wird, wird die KESB mit der notwendigen Zurückhaltung agieren müssen. Gerade wenn inskünftig ein Verfahren um erleichterte Stiefkindadoption hängig ist, soll dies für die KESB einen Grund darstellen, den Entscheid betreffend die Stiefkindadoption abzuwarten, anstatt automatisch eine Beistandschaft zur Feststellung der Vaterschaft zu ernennen. Der Bundesrat erachtet daher hier weitere Regelungen nicht als opportun.
¹5 Vgl. Janina Schneider/Luca Maranta, Formalizing Family: Stiefkindadoption durch Regenbogenfamilien aus praktischer und rechtstheoretischer Sicht, FamPra.ch 2022, S. 38-66, S. 53.
¹6 SR 211.112.2
¹7 Vgl. Erläuternder Bericht des Bundesrates vom 26. Juni 2024 zur Revision der Zivilstandsverordnung, S. 27.
¹8 Vgl. Botschaft des Bundesrates zur elterlichen Sorge, BBl 2011 9077 S. 9095.

1.2.2 Streichung weiterer Adoptionsvoraussetzungen

Die Motion 22.3382 verlangt insbesondere die Streichung des Pflegejahres und die Prüfung weiterer Erleichterungen. Denn für eine Stiefkindadoption müssen noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Geprüft wurde insbesondere, ob in den Situationen der Stiefkindadoption durch den Wunschelternteil auf die allgemeine Adoptionsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts während dreier Jahre (vgl. Ziff. 1.1.3) bzw. überhaupt auf die Voraussetzung des noch weiter bestehenden gemeinsamen Haushalts verzichtet werden könnte. Würde auf die Voraussetzung eines dreijährigen gemeinsamen Haushalts verzichtet, entspräche die so ausgestaltete Stiefkindadoption im Ergebnis einer Art originären Elternschaft. Mit Blick auf den Auftrag der Motion 22.3382 und die laufende Revision des Abstammungsrechts, der nicht vorgegriffen werden soll (vgl. Ziff. 1.1.2), wird deshalb davon abgesehen.
Würde auf das Erfordernis des dreijährigen gemeinsamen Haushalts des Paares verzichtet, müsste im Gegenzug ein Nachweis verlangt werden, dass das Kind einer gemeinsamen Familienplanung entspricht. Würde eine solche Voraussetzung aufgenommen, so wäre mit einer zusätzlichen Belastung der betroffenen Paare im Verfahren und unter Umständen ebenfalls mit Beweisschwierigkeiten zu rechnen. ¹9 Es sollte namentlich für jede einzelne von der aktuellen Vorlage betroffene Situation - private Samenspende, (möglicherweise anonyme) Samenspende im Ausland oder weitere im Ausland zulässige fortpflanzungsmedizinische Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft - der zulässige Nachweis definiert werden: z. B. Elternvereinbarung und Samenspendevereinbarung (in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt?) bei einer privaten Samenspende; Elternvereinbarung und Behandlungsvertrag mit der Klinik bei einer (möglicherweise anonymen) Samen- oder Eizellenspende im Ausland sowie Rechnung oder anderweitige Bestätigung der Klinik oder Samen- bzw. Eizellenbank, aus der die Verwendung gespendeter Keimzellen hervorgeht; Elternvereinbarung und Leihmutterschaftsvertrag, wenn das Kind mit einer Leihmutterschaft gezeugt wurde usw. Dies würde aber dem Sinn und Zweck der aktuellen Vorlage - eine punktuelle und rasch umsetzbare Verbesserung für die erwähnten Situationen zu schaffen - zuwiderlaufen (vgl. Ziff. 1.1.5). Indem an der Voraussetzung festgehalten wird, dass ein Paar seit drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt geführt haben muss, sobald die Adoption ausgesprochen wird (Art. 264 c bis E-ZGB), kann von einer stabilen Partnerschaft 2⁰ ausgegangen und eine gemeinsame Familienplanung vermutet werden. Ist dies nicht der Fall, dann wird die Partnerin bzw. der Partner des rechtlichen Elternteils trotz gemeinsamem Haushalt unter Umständen kein Gesuch um Stiefkindadoption stellen. Zudem hat der rechtliche Elternteil die Möglichkeit, die Zustimmung zur Stiefkindadoption zu verweigern.
Es ist ohnehin davon auszugehen, dass die Stiefkindadoption (zumindest für bestimmte Situationen wie bspw. der Zeugung eines Kindes mit privater Samenspende) nur eine vorübergehende Lösung zur Etablierung eines Kindesverhältnisses zum Wunschelternteil darstellt. Weitergehende Möglichkeiten sollen dann in der Revision des Abstammungsrechts vertieft geprüft und einheitlich geregelt werden. Diesen Arbeiten soll hier bewusst nicht vorgegriffen werden, weshalb kein weitergehender Verzicht auf Adoptionsvoraussetzungen vorgeschlagen wird.
¹9 Vgl. auch zum Nachweis einer gemeinsamen Familienplanung die Ausführungen des Bundesgerichts, BGer 5A_225/2022 vom 21. Juni 2023 und 5A_520/2021 vom 12. Januar 2022.
2⁰ Vgl. Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption), BBl 2015 877 S. 901 ff. und 925.

1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 24. Januar 2024 2¹ zur Legislaturplanung 2023-2027 noch im Bundesbeschluss vom 6. Juni 2024 2² über die Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stellen eine Umsetzung eines parlamentarischen Vorstosses dar (siehe Ziff. 1.1.5.) und sind insofern zwingend erforderlich.
2¹ BBl 2024 525
2² BBl 2024 1440

1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion 22.3382 verlangt, dass bei der Stiefkindadoption auf das einjährige Pflegeverhältnis verzichtet wird, wenn der leibliche Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der adoptionswilligen Person einen gemeinsamen Haushalt führt. Zusätzlich sollen weitere Erleichterungen für diese Fälle geprüft werden. Auf das einjährige Pflegeverhältnis soll verzichtet werden, womit dieser Punkt der Motion 22.3382 in der Vorlage enthalten ist und umgesetzt wird (vgl. dazu im Einzelnen Ziff. 3.1.1). Weitere Erleichterungen wurden geprüft, jedoch wird aufgrund des Ergebnisses der Vernehmlassung in der Vorlage darauf verzichtet (vgl. Ziff. 2.3 und 2.4).

2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1 Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat gab vom 26. Juni 2024 bis zum 17. Oktober 2024 einen Vorentwurf für eine erleichterte Stiefkindadoption in die Vernehmlassung. ²3 Vorgeschlagen wurde, künftig in den Situationen, in denen ein Kind mit einer privaten Samenspende, einer (möglicherweise anonymen) Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft gezeugt wurde und das seit Geburt mit dem Elternteil und dem Wunschelternteil zusammenlebt, bei der Stiefkindadoption auf das erforderliche Pflegejahr zu verzichten. Damit soll eine schnellere rechtliche Absicherung des Kindes erreicht werden. An der Voraussetzung des Bestehens eines dreijährigen gemeinsamen Haushalts des Paares wurde festgehalten (Art. 264 c bis VE-ZGB). Es wurde darauf hingewiesen, dass zur weiteren Beschleunigung des Verfahrens eine vertiefte Sozialabklärung in diesen Situationen nicht angezeigt sei, womit die im Adoptionsverfahren vorgesehene Untersuchung so zu beschränken sei, dass die Adoptionsbehörde innerhalb von sechs Monaten einen Entscheid treffen kann (Art. 268 a Abs. 3 VE-ZGB). Weiter sollte künftig die Möglichkeit vorgesehen werden, dass das Adoptionsgesuch in diesen Situationen bereits eingereicht werden kann, bevor sämtliche Adoptionsvoraussetzungen, bspw. das Bestehen eines dreijährigen gemeinsamen Haushalts des Paares, erfüllt sind. Zudem sollte auf begründeten Antrag hin im Sinn einer Ausnahme auch vom Erfordernis des bestehenden gemeinsamen Haushalts bei Einreichung des Gesuchs abgewichen werden können (Art. 268 Abs. 2bis VE-ZGB).
Bei der Adoption eines volljährig gewordenen Stiefkindes (unabhängig davon, ob es sich um eine klassische Situation oder um eine Stiefkindadoption durch einen Wunschelternteil handelt) wurde vorgeschlagen, vom weiteren Bestehen des gemeinsamen Haushalts, der faktischen Lebensgemeinschaft, der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft des Elternteils mit dem Stiefelternteil nach der Volljährigkeit des Stiefkindes abzusehen (Art. 266 Abs. 3 und 267 Abs. 3 Ziff. 4 VE-ZGB).
In der Vernehmlassung haben 25 Kantone, 8 politische Parteien sowie 24 Organisationen Stellung genommen. Insgesamt gingen damit 57 Stellungnahmen ein. ²4
²3 Vgl. www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2024 > EJPD > Vernehmlassung 2024/47.
²4 Die Vernehmlassungsvorlage, der erläuternde Bericht und der Ergebnisbericht sind abrufbar unter:
www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2024 > EJPD > Vernehmlassung 2024/47
.

2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Während 8 Vernehmlassungsteilnehmende (5 Kantone, 2 Parteien und 1 Organisation) der Vorlage vollumfänglich oder zumindest im Grundsatz zustimmen, begrüsst zwar mehr als die Hälfte der Teilnehmenden (30 Vernehmlassungsteilnehmende, darunter 9 Kantone, 4 Parteien und 17 Organisationen) das Grundanliegen der schnellen rechtlichen Absicherung der von der Vorlage betroffenen Kinder. Dennoch äussern einige dieser Teilnehmenden Bedenken zu den verfahrensrechtlichen Erleichterungen, insbesondere weil die Wahrung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung damit gefährdet werde. Verschiedene erachten sodann weitergehende Anpassungen (insb. Streichung der Voraussetzung eines dreijährigen gemeinsamen Haushalts) als unbedingt notwendig, um den im Fokus stehenden Konstellationen tatsächlich gerecht zu werden. ²5
18 Vernehmlassungsteilnehmende (10 Kantone, 2 Parteien, 6 Organisationen) lehnen die Vorlage vollumfänglich ab. Auch diese Teilnehmenden gehen insbesondere von einer Verletzung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung aus und befürchten unter anderem, dass mit der Vorlage Rechtsumgehungen der in der Schweiz verbotenen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren begünstigt würden. ²6
Insgesamt sieht damit praktisch die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden (28 Teilnehmende), sowohl aus der Gruppe derjenigen, die das Grundanliegen begrüssen, wie derjenigen, die die Vorlage ablehnen, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung insbesondere durch die im Adoptionsverfahren vorgeschlagenen Bestimmungen gefährdet oder gar verletzt. Insbesondere sollte der Bundesrat zusätzliche Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Kinder ihre genetischen Eltern kennenlernen könnten. Die Herkunftsthematik sollte zwingend Teil der Untersuchung sein. Es wird allgemein befürchtet, dass die Untersuchungen im Adoptionsverfahren im Ergebnis schlechter geführt würden. Insbesondere brauche es Zeit, die adoptionswilligen Personen für das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu sensibilisieren. ²7
Viele Vernehmlassungsteilnehmende äussern sich spezifisch zur vorgeschlagenen Frist von sechs Monaten bis zum Adoptionsentscheid (Art. 268 a Abs. 3 VE-ZGB). Während 26 Teilnehmende (20 Kantone, 1 Partei und 5 Organisationen) diese Vorgabe ablehnen oder zumindest kritisch beurteilen, wird sie nur gerade von 10 Teilnehmenden (1 Kanton, 9 Organisationen) begrüsst. ²8 Auch die Möglichkeit, das Gesuch um erleichterte Stiefkindadoption stellen zu können, bevor alle Adoptionsvoraussetzungen erfüllt sind, wie die ebenfalls vorgeschlagene Ausnahmemöglichkeit, vom Weiterbestehen des gemeinsamen Haushalt des Paares absehen zu können (Art. 268 Abs. 2bis VE-ZGB), werden kritisiert. Es werden verschiedene Unklarheiten und Fragen diesbezüglich aufgeworfen. ²9
Zudem würden es 21 Teilnehmende, ebenfalls aus beiden Gruppen, begrüssen, wenn die Begründung des Kindesverhältnisses in den mit der Vorlage angesprochenen Situationen grundlegend in der anstehenden Revision des Abstammungsrechts und allenfalls im Fortpflanzungsmedizinrecht angegangen würde, ohne vorzugreifen. Es gehe nicht um adoptionsrechtliche, sondern um abstammungsrechtliche Fragestellungen. 3⁰
Die Vorschläge im Bereich der Stiefkindadoption einer volljährigen Person werden von einer Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst, soweit sich die Teilnehmenden überhaupt dazu äussern, wobei auf eine bereits im geltenden Recht bestehende Lücke bei der namensrechtlichen Regelung aufmerksam gemacht wurde. 3¹
²5 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 3.2, 3.3.1 und 3.3.2.
²6 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 3.2 und 3.3.3.
²7 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 3.2, 3.3.2.1 und 3.3.3.1.
²8 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 4.1.
²9 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 5.4 und 5.5.
3⁰ Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 3.2, 3.3.2.2 und 3.3.3.2.
3¹ Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 4.2 und 5.3.

2.3 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden haben das Grundanliegen der Vorlage begrüsst und damit den Handlungsbedarf bejaht. Kinder, die mit einer privaten Samenspende, einer (möglicherweise anonymen) Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft gezeugt werden und die ab Geburt mit dem Elternteil und dem Wunschelternteil im gleichen Haushalt leben, sollten schneller rechtlich abgesichert werden. Die Streichung des Pflegejahres zur Erreichung dieses Zieles wurde von den Befürwortern des Grundanliegens nicht in Frage gestellt. Breit kritisiert wurden demgegenüber die vorgeschlagenen Bestimmungen im Adoptionsverfahren und es werden insbesondere zusätzliche Massnahmen zur Sicherstellung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der Abstammung gewünscht.
Sollte an den Erleichterungen im Adoptionsverfahren festgehalten werden, so müssten aus Sicht des Bundesrats - um einen tragfähigen Konsens zu schaffen - bereits in dieser Vorlage zwingend weiterführende Regelungen vorgesehen werden, um insbesondere das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung sicherzustellen. Hier ist aber daran zu erinnern, dass gemäss dem Auftrag der Motion 22.3382 eine punktuelle und rasch umsetzbare Verbesserung geschaffen werden soll (vgl. Ziff. 1.1.5) und eine Revision des Abstammungsrechts bereits läuft. Dort wird eingehend geprüft werden, wie das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung am besten gewährleistet werden kann (vgl. Ziff. 1.1.2). Diesen Überlegungen kann und soll nicht vorgegriffen werden.
Umgekehrt ist aber auch der vollständige Verzicht auf Massnahmen und die Behandlung des Anliegens erst im Rahmen der Revision des Abstammungsrechts für den Bundesrat keine Option: Eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsste das Grundanliegen und es entspricht einem klaren politischen Auftrag (Mo. 22.3382 der RK-N). Für den Bundesrat soll sich daher die vorliegende Erleichterung der Stiefkindadoption im Sinn der Motion 22.3382 darauf beschränken, eine rasch umsetzbare punktuelle Lösung für die genannten Situationen zu bieten (vgl. Ziff. 1.1.5). Am Gefäss der Adoption und an den damit einhergehenden Anforderungen im Verfahren soll sich daher nichts ändern. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Adoptionsvoraussetzungen, die aus diesen Gründen ebenfalls nicht weiter reduziert werden sollen (vgl. Ziff. 1.2.2). In diesem Sinn verzichtet der Bundesrat im Entwurf auf die vorgeschlagenen Anpassungen im Adoptionsverfahren und beschränkt sich auf die Streichung des Pflegejahres als Adoptionsvoraussetzung bei der erleichterten Stiefkindadoption. Das Ziel bleibt aber, weitergehende Vorschläge und Erleichterungen zur Begründung eines Kindesverhältnisses in den genannten Konstellationen im Abstammungsrecht grundsätzlich zu prüfen und anzugehen und diesen Arbeiten nicht vorzugreifen.

2.4 Änderungen nach dem Vernehmlassungsverfahren

Auf die in der Vernehmlassung vorgeschlagenen Anpassungen im Adoptionsverfahren zur erleichterten Stiefkindadoption − namentlich der Vorgabe, dass innert sechs Monaten nach Einreichung des Gesuchs eine Entscheidung über die Adoption getroffen werden soll (Art. 268 a Abs. 3 VE-ZGB) und der Möglichkeit, das Gesuch vor Erfüllung sämtlicher Adoptionsvoraussetzungen einreichen zu können (Art. 268 Abs. 2bis VE-ZGB) − wird daher verzichtet. Ebenso entfällt die im Vorentwurf vorgesehene Ausnahmemöglichkeit in Artikel 268 Absatz 2bis VE-ZGB zweiter Satz, wonach auf begründeten Antrag auf das Erfordernis des noch bestehenden gemeinsamen Haushalts des Paares bei Einreichung des Adoptionsgesuchs verzichtet werden kann, weil damit in der Praxis zu viele Fragen und Unklarheiten verbunden sind. Festgehalten wird damit einzig an der Streichung des Pflegejahres, um eine punktuelle Verbesserung und Erleichterung der Stiefkindadoption durch den Wunschelternteil erreichen zu können.
Der Verzicht auf die Anpassungen im Adoptionsverfahren bedeutet aber nicht, dass die Adoptionsbehörden nicht dennoch bereits unter geltendem Recht die Untersuchung anpassen und den Umständen des konkreten Falles entsprechend Rechnung tragen können und auch sollen. Bei den Konstellationen, die unter der erleichterten Stiefkindadoption abgehandelt werden, ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Situation handelt, bei der das Kind in einer gelebten Paarbeziehung gezeugt und in diese hineingeboren wird. Wie auch das Bundesgericht festgehalten hat, sind die Adoptionsbehörden in diesen Fällen «zur Priorisierung und raschen Entscheidung verpflichtet (...), [und ist] mithin eine grosszügige und pragmatische Auslegung der adoptionsrechtlichen Voraussetzungen angezeigt (...).» 3² Im erläuternden Bericht zur Vernehmlassung wurde daher ausgeführt, dass beispielsweise die Durchführung einer umfassenden Untersuchung im Sinn von Artikel 268 a Absatz 2 ZGB in Konstellationen, in denen das Kind seit der Geburt mit einem Elternteil und einem Wunschelternteil bereits im gemeinsamen Haushalt lebt, nicht angebracht erscheint. 3³
Demgegenüber soll aber im Entwurf zusätzlich eine in der Vernehmlassung aufgezeigte Lücke bei der namensrechtlichen Situation im Bereich der Stiefkindadoption von volljährigen Personen geschlossen werden (Art. 267 a Abs. 2bis E-ZGB).
3² Vgl. BGer 5A_545/2020 E. 8.5 vom 7. Februar 2022.
3³ Vgl. Erläuternder Bericht, Ziff. 2.1.1, abrufbar unter:
www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2024 > EJPD > Vernehmlassung 2024/47
.

3 Grundzüge der Vorlage

3.1 Die beantragte Neuregelung

Die Motion 22.3382 verlangt eine Anpassung der Bestimmungen zur Stiefkindadoption, damit zwischen dem Kind und der adoptionswilligen Person rasch ein Kindesverhältnis begründet werden kann, wenn der rechtliche Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem Wunschelternteil einen gemeinsamen Haushalt führt (vgl. Ziff. 1.1.5). Dazu soll künftig in diesen Situationen auf das Pflegejahr verzichtet und diese erleichterte Stiefkindadoption in einer eigenen Bestimmung geregelt werden (Art. 264 c bis E-ZGB). Weitere Anpassungsvorschläge werden ergänzend für die Stiefkindadoption volljähriger Personen (Art. 266 Abs. 3, Art. 267 Abs. 3 Ziff. 4 und Art. 267 a Abs. 2bis E-ZGB) gemacht.

3.1.1 Erleichterte Stiefkindadoption

Gemäss Artikel 264 Absatz 1 ZGB muss die adoptionswillige Person dem minderjährigen Kind grundsätzlich während mindestens eines Jahres Pflege und Erziehung erwiesen haben, bevor ein Adoptionsgesuch gestellt werden kann. Diese Bestimmung gilt auch bei der Stiefkindadoption und ergibt in denjenigen Fällen Sinn, in denen Kinder, die aus einer früheren Beziehung mit einer anderen Partnerin oder einem anderen Partner stammen, in die neue Beziehung integriert werden müssen (vgl. Ziff. 1.1.3). Das Zusammenwachsen zu einer neuen Familie benötigt eine gewisse Zeit, in der sich erst erweisen muss, ob sich das Verhältnis zwischen dem Kind und dem Stiefelternteil positiv und im Sinn einer zukünftigen Eltern-Kind-Beziehung entwickelt und ob der Stiefelternteil geeignet ist, tatsächlich die Rolle eines rechtlichen Elternteils zu übernehmen. Zudem hat das betroffene Kind meist einen zweiten Elternteil und ist damit rechtlich abgesichert.
Die Situation ist eine andere bei einem Kind, das mit einer privaten Samenspende, einer (möglicherweise anonymen) Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft gezeugt wurde und das ab dem Zeitpunkt der Geburt mit der adoptionswilligen Person, d. h. mit dem Wunschelternteil, zusammenlebt. Das Kind wird in eine gelebte Paarbeziehung hineingeboren, hat aber im Zeitpunkt der Geburt in der Regel nur einen rechtlichen Elternteil. Zentral ist in diesen Fällen das Interesse des Kindes an einer raschen Begründung des Kindesverhältnisses zu einem zweiten Elternteil. Damit unterscheiden sich diese Situationen von den klassischen Stiefkindadoptionen. Das einjährige Pflegeverhältnis tritt in diesen Fällen hinter das Interesse des Kindes an der raschen Begründung des Kindesverhältnisses zum zweiten Elternteil zurück. Diese Absicherung wird aber aufgrund des Pflegejahres verzögert, ohne dass die Pflegezeit einen Mehrwert bringen würde. Im Sinn des Kindeswohls soll daher die Begründung des rechtlichen Kindesverhältnisses zum Wunschelternteil rasch nach der Geburt erfolgen können. Dazu soll deshalb auf die Voraussetzung des einjährigen Pflegeverhältnisses verzichtet werden (Art. 264 c bis E-ZGB).
Mit Blick auf den Auftrag der Motion 22.3382 wird aber am Erfordernis einer Stiefkindadoption durch den Wunschelternteil festgehalten, da der anstehenden Revision des Abstammungsrechts nicht vorgegriffen werden soll (vgl. Ziff. 1.1.2). Es bleibt daher bei einem Adoptionsverfahren vor den zuständigen Behörden. In diesem Sinn müssen die übrigen Voraussetzungen einer Adoption und insbesondere die Voraussetzung, dass das Paar seit drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt, weiterhin erfüllt sein. Obwohl an den übrigen Voraussetzungen einer Stiefkindadoption festgehalten wird, kann mit der vorgeschlagenen Regelung das Anliegen einer Erleichterung der Adoption aber bereits für viele Wunschelternteile schneller umgesetzt werden.

3.1.2 Stiefkindadoption einer volljährigen Person

Ergänzend wird auch im Bereich der Stiefkindadoption von volljährigen Personen eine Änderung vorgeschlagen. Bei einer Stiefkindadoption ³4 wird grundsätzlich das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts zwischen dem Elternteil und dem Stiefelternteil vorausgesetzt, und zwar unabhängig davon, ob das Kind minderjährig (Art. 264 c Abs. 2 ZGB) oder volljährig ist (Art. 266 Abs. 2 ZGB). Bei Minderjährigen erscheint dies sinnvoll, soll ihnen doch durch die Stiefkindadoption das Aufwachsen in einer Familie mit zwei Elternteilen und mit rechtlicher Absicherung im Sinn eines Kindesverhältnisses zum Stiefelternteil ermöglicht werden. Anders sieht es aus, wenn das Stiefkind erst im Erwachsenenalter adoptiert werden soll bzw. kann, weil die Stiefkindadoption während der Minderjährigkeit nicht stattgefunden hat (vgl. dazu Ziff. 1.1.6). Mit Blick darauf, dass erwachsene Personen nicht mehr auf eine intakte, gelebte Familie angewiesen sind und ein gemeinsamer Haushalt von Elternteil und Stiefelternteil somit von untergeordneter Bedeutung ist, soll durch das Absehen von einem gemeinsamen Haushalt zwischen dem Elternteil und dem Stiefelternteil die Möglichkeit geschaffen werden, dass auch ehemalige Stiefkinder vom einstigen Stiefelternteil im Rahmen einer Stiefkindadoption einer volljährigen Person adoptiert werden können. Ebenso wenig ist erforderlich, dass eine rechtliche Bindung zwischen dem Elternteil und der adoptionswilligen Person, also die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft (Art. 264 c Abs. 1 ZGB) weiterhin besteht. Von diesen Voraussetzungen soll künftig im Rahmen der Stiefkindadoption einer volljährigen Person abgesehen werden, sofern während der Minderjährigkeit der zu adoptierenden Person die Voraussetzungen der Stiefkindadoption im Allgemeinen erfüllt waren. Die Adoption soll dennoch ausgesprochen werden können (Art. 266 Abs. 3 E-ZGB).
Wie im geltenden Recht ist in diesen Fällen damit aber weiterhin vorausgesetzt, dass ein mindestens einjähriges Pflegeverhältnis bestanden hat (Art. 264 c und Art. 266 Abs. 1 ZGB). ³5 Dies gilt auch, wenn die Stiefkindadoption der volljährigen Person eine Konstellation betrifft, in der nach künftigem Recht ursprünglich von einer erleichterten Stiefkindadoption nach Geburt hätte profitiert werden können. Wenn es sich um eine Stiefkindadoption einer volljährigen Person handelt, ist davon auszugehen, dass das Pflegejahr während der Minderjährigkeit auch in diesen Konstellationen in aller Regel erfüllt ist. Es wäre daher während der Minderjährigkeit − sofern die übrigen Adoptionsvoraussetzungen erfüllt sind − auch eine klassische Stiefkindadoption im Sinn von Artikel 264 c ZGB möglich gewesen. In diesem Sinn kommt die Anpassung bei der Stiefkindadoption von volljährigen Personen aber beiden Konstellationen, also der klassischen Stiefkindadoption wie der erleichterten Stiefkindadoption, zugute.
Weiter gilt nach wie vor auch der Verweis auf die sinngemässe Anwendung der Bestimmungen zur Adoption Minderjähriger (Art. 266 Abs. 2 ZGB): Auch wenn der gemeinsame Haushalt, die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft des Elternteils und der adoptionswilligen Person im Zeitpunkt des Adoptionsgesuches keine Voraussetzungen mehr sind, muss das Paar dennoch vorher während mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt geführt haben (Art. 264 c Abs. 2 ZGB). Gleichzeitig soll aber das Kindesverhältnis zum bleibenden rechtlichen Elternteil durch die Stiefkindadoption wie bis anhin nicht tangiert werden. Aus diesem Grund erfolgt ebenfalls eine entsprechende Ergänzung bei den Wirkungen der Adoption (Art. 267 Abs. 3 Ziff. 4 E-ZGB).
³4 Wie im Übrigen allgemein auch bei der gemeinschaftlichen Adoption.
³5 Vgl. zur Rechtsprechung in Bezug auf das Pflegeverhältnis und den gemeinsamen Haushalt zwischen der adoptionswilligen Person und der zu adoptierenden Person auch BGer 5A_885/2023 vom 13. November 2024.

3.1.3 Name des volljährigen Stiefkindes bei unverheirateten oder nicht in eingetragener Partnerschaft lebenden Eltern

Bereits im geltenden Recht fehlt eine Regelung zur Bestimmung des Namens einer volljährigen zu adoptierenden Person, wenn der Elternteil und die adoptierende Person weder verheiratet sind noch in eingetragener Partnerschaft leben. Diese Lücke soll vorliegend - wie auch in der Vernehmlassung vorgebracht ³6 - geschlossen werden. Unter geltendem Recht ist für die Bestimmung des Namens der zu adoptierenden Person Artikel 267 a ZGB einschlägig. Diese Norm verweist auf die Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses. Gemeint sind die Artikel 270 ff. ZGB. Sind die Eltern miteinander verheiratet oder leben sie in eingetragener Partnerschaft, so bestimmt sich der Name der zu adoptierenden Person nach Artikel 270 ZGB. Diese Regelung ist sowohl bei der gemeinschaftlichen Adoption als auch bei der Stiefkindadoption anwendbar und gilt sowohl bei minderjährigen wie auch bei volljährigen zu adoptierenden Personen.
Sind die Eltern weder miteinander verheiratet noch in eingetragener Partnerschaft lebend, bestimmt sich der Name des zu adoptierenden (minderjährigen) Kindes nach Artikel 270 a ZGB. Diese Norm orientiert sich an der elterlichen Sorge. Steht die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zu, so bestimmen sie, welchen ihrer Ledignamen ihre Kinder tragen sollen (Art. 270 a Abs. 1 zweiter Satz ZGB). Letzteres ist anwendbar, wenn der Elternteil und der Stiefelternteil der minderjährigen zu adoptierenden Person im Zeitpunkt der Stiefkindadoption nicht verheiratet sind und nicht in eingetragener Partnerschaft leben. Bei der Stiefkindadoption von volljährigen Personen schlägt die Anknüpfung an die elterliche Sorge gemäss Artikel 270 a ZGB jedoch fehl, da diese mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erlischt. Insofern liegt bereits im geltenden Recht eine Gesetzeslücke vor, die sich möglicherweise durch die vorgeschlagenen Anpassungen bei der Stiefkindadoption volljähriger Personen noch akzentuieren könnte. Es soll daher eine entsprechende Regelung vorgesehen werden.
In Anlehnung an die namensrechtliche Regelung bei der Stiefkindadoption minderjähriger Personen, wonach den sorgeberechtigten Eltern ein Wahlrecht hinsichtlich des Namens des Kindes zusteht (Art. 267 a Abs. 2 i. V. m. Art. 270 a ZGB), soll neu auch bei der Stiefkindadoption volljähriger Personen ein Wahlrecht hinsichtlich des Namens geschaffen werden. Demzufolge hat die zu adoptierende volljährige Person die Wahl, ob sie nach der Adoption den Ledignamen des bleibenden rechtlichen Elternteils (allenfalls weiterhin) trägt oder denjenigen des Stiefelternteils annimmt (Art. 267 a Abs. 2bis E-ZGB). Möchte die zu adoptierende volljährige Person den Namen des Elternteils, zu dem das Kindesverhältnis mit der Rechtskraft der Stiefkindadoption aufgelöst wird, weiterführen, so hat sie zusätzlich auch die Möglichkeit, dies im Rahmen des Adoptionsverfahrens bei der zuständigen Adoptionsbehörde zu beantragen (Art. 267 a Abs. 3 ZGB).
³6 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 5.3.

3.1.4 Übergangsrecht

Übergangsrechtlich soll das neue Recht auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits hängige Verfahren angewendet werden. Weitergehende übergangsrechtliche Regelungen erscheinen nicht notwendig, da die neuen Bestimmungen rückwirkend keine Erleichterungen bringen und betroffene Paare sofort mit Einreichung eines Adoptionsgesuches davon profitieren können.

3.2 Umsetzungsfragen

Die vorgeschlagenen Änderungen im ZGB bedürfen keiner weiteren Umsetzung auf Verordnungsstufe. Auf Bundesebene sind damit keine weiteren Arbeiten oder Anpassungen verbunden.
Die Anwendung der neuen Bestimmungen wird durch die bestehenden Behörden in den Kantonen, vorab durch die Adoptionsbehörden, erfolgen. Diesen kommt beim Vollzug des neuen Rechts eine zentrale Rolle zu. Die Revision bedingt aber keine zwingenden Anpassungen in den kantonalen Gesetzgebungen.

4 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 264c Randtitel
Die erleichterte Stiefkindadoption basiert auf der bisherigen Stiefkindadoption, sie soll aber aufgrund ihrer angepassten Voraussetzungen in einer eigenen Bestimmung (Art. 264 c bis E-ZGB) geregelt werden. Damit bekommt die bisherige alleinige Bestimmung zur Stiefkindadoption in ihrem Randtitel die Ergänzung «im Allgemeinen».
Art. 264cbis
Die Voraussetzungen für die erleichterte Stiefkindadoption werden in dieser neuen Bestimmung geregelt. Die erleichterte Stiefkindadoption soll insbesondere in folgenden Fällen zur Anwendung kommen, wenn:
-
ein Paar sich seinen Kinderwunsch durch eine private Samenspende, eine (möglicherweise anonyme) Samenspende im Ausland oder weitere im Ausland zulässige fortpflanzungsmedizinische Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft erfüllt; und
-
das Kind ab dem Zeitpunkt der Geburt mit dem rechtlichen Elternteil und der adoptionswilligen Person (Wunschelternteil) im gleichen Haushalt zusammenlebt.
Angesichts der besonderen Umstände der Zeugung und der Geburt des Kindes soll im Interesse der bestmöglichen rechtlichen Absicherung des Kindes die Begründung des Kindesverhältnisses zum Wunschelternteil rasch nach der Geburt erfolgen können, wie auch vom Bundesgericht und vom EGMR vorgeschlagen (vgl. Ziff. 1.1.4 und 3.1.1). Dabei bilden die Voraussetzungen der Stiefkindadoption nach Artikel 264 c ZGB die primäre Grundlage: Das Paar muss entweder verheiratet sein, in eingetragener Partnerschaft leben oder eine faktische Lebensgemeinschaft führen. Zudem darf niemand in einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft mit einer Drittperson gebunden sein. Weiter muss das Paar seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen, der weiterhin besteht, bevor die erleichterte Stiefkindadoption erfolgen kann. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so darf auch davon ausgegangen werden, dass ein gemeinsamer Familienplan in Bezug auf das zu adoptierende Kind besteht. In diesen Fällen soll künftig − in Abweichung von der allgemeinen Stiefkindadoption und der gemeinschaftlichen Adoption − auf das Erfordernis des einjährigen Pflegeverhältnisses verzichtet werden, also auf die Vorgabe, dass während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt wurde (Art. 264 Abs. 1 ZGB). Erfüllt sich die Voraussetzung des dreijährigen gemeinsamen Haushalts des Paares erst nach der Geburt des Kindes, während seines ersten Lebensjahres, so kann das Gesuch um erleichterte Stiefkindadoption gestellt werden, sobald der gemeinsame Haushalt des Paares seit drei Jahren besteht und auch die übrigen Adoptionsvoraussetzungen erfüllt sind. Lebt das Paar erst nach dem ersten Lebensjahr und somit nach Ablauf des Pflegejahres seit drei Jahren zusammen, ist die Stiefkindadoption im Allgemeinen (Art. 264 c ZGB) möglich. Den Besonderheiten dieser Konstellationen soll im Adoptionsverfahren aber nach wie vor Rechnung getragen werden (vgl. Ziff. 2.4).
In der Vernehmlassung wurde vereinzelt eine weitere Präzisierung der Bestimmung gefordert. Die Bestimmung sei sehr weit gefasst und sei im Prinzip auch in Konstellationen anwendbar, die einer klassischen Stiefkindadoption entsprechen würden. Die gemeinsame Familienplanung werde nur vermutet und nicht ausdrücklich erwähnt. Beispielsweise sollte ausdrücklich festgehalten werden, dass auch das Kind im selben Haushalt mit dem Paar leben muss. Oder es sollten ausdrücklich nur Kleinkinder erfasst werden, die lediglich einen rechtlichen Elternteil hätten. ³7 Der Bundesrat erachtet dies jedoch nicht als notwendig. Vor dem Hintergrund, dass das Paar im Zeitpunkt der Geburt einen gemeinsamen Haushalt führen muss, wird klar, dass auch das Kind im gleichen Haushalt leben und sowohl vom Elternteil als von der adoptionswilligen Person betreut werden muss. Mit dem Erfordernis des gemeinsamen Haushalts im Zeitpunkt der Geburt wird die Situation ausreichend von der klassischen Stiefkindadoption, und damit der Stiefkindadoption im Allgemeinen, abgegrenzt. Die Umstände im Einzelfall können immer auch im Adoptionsverfahren von den zuständigen Behörden berücksichtigt werden.
³7 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 5.1.
Art. 266 Abs. 3
Artikel 266 ZGB betrifft die Adoption einer volljährigen Person, die sowohl in der Form der gemeinschaftlichen Adoption durch ein verheiratetes Paar als auch der Einzeladoption oder einer Stiefkindadoption erfolgen kann. Die vorgeschlagene Anpassung bezieht sich auf die klassischen Stiefkindadoptionen (neu: Stiefkindadoption im Allgemeinen). Aus dem Verweis auf Artikel 264 c ZGB ergibt sich, dass in allen Fällen vorausgesetzt wird, dass dem Kind während mindestens eines Jahres Pflege und Erziehung gewährleistet wurde (so auch Art. 266 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Ziff. 3.1.2). Damit kann selbstverständlich auch in Konstellationen der ursprünglich erleichterten Stiefkindadoption von diesen Erleichterungen profitiert werden, sobald der Wunschelternteil dem Kind während mindestens eines Jahres Pflege und Erziehung gewährleistet hat. Damit wird aber auch klar, dass nicht in allen Fällen, in denen künftig eine erleichterte Stiefkindadoption möglich sein wird, diese aber unterbleibt, ein solche im Erwachsenenalter des Kindes «nachgeholt» werden kann: Trennen sich der Elternteil und der Stiefelternteil zwei Monate nach der Geburt des Kindes und fehlt es am einjährigen Pflegeverhältnis, ³8 so kann die Adoption nicht im Erwachsenenalter nachgeholt werden. Die Anpassung soll sich aber insbesondere auch bei bestehenden Stiefkind-Stiefeltern-Verhältnissen positiv auswirken, bei denen ein Begehren um Stiefkindadoption unter altem Recht - vor 2018 - nicht gestellt werden konnte (vgl. Ziff. 1.1.6) und bei denen der Stiefelternteil nicht mehr mit dem rechtlichen Elternteil des Stiefkindes zusammenlebt.
Der geltende Artikel 266 ZGB verweist in Absatz 2 für die Adoption einer volljährigen Person auf die Voraussetzungen für eine Adoption während der Minderjährigkeit und somit auch auf den bestehenden gemeinsamen Haushalt (Art. 264 c Abs. 3 ZGB). Diese Voraussetzung kann jedoch nicht erfüllt werden, wenn die adoptionswillige Person den gemeinsamen Haushalt mit dem Elternteil des Kindes aufgelöst hat. Dies soll mit Blick auf den Sinn und Zweck der Stiefkindadoption in diesen Fällen aber keinen Hinderungsgrund für eine Erwachsenenadoption darstellen.
Waren während der Minderjährigkeit der zu adoptierenden Person die Voraussetzungen über die Stiefkindadoption im Allgemeinen (Art. 264 c ZGB) erfüllt, so soll bei der Adoption nach der Volljährigkeit vom Erfordernis des gemeinsamen Haushaltes des Elternteils und der adoptionswilligen Person abgesehen werden können. Ebenso muss die rechtliche Verbindung dieses Paares, also die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft, nicht mehr zwingend bestehen. Volljährige Personen sind nicht mehr auf das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts und die Bindung von Elternteil und Stiefelternteil angewiesen. Dennoch besteht nicht selten auch weiterhin ein enges Verhältnis gerade zum (ehemaligen) Stiefelternteil, das einem Eltern-Kind-Verhältnis entspricht und das auch in einem tatsächlichen Kindesverhältnis seinen rechtlichen Ausdruck finden soll.
In der Vernehmlassung wurde vorgebracht, die Unterscheidung zwischen der faktischen Lebensgemeinschaft und dem gemeinsamen Haushalt sei unklar. ³9 Für eine Adoption ist bei allen Paaren vorausgesetzt, dass sie während drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen (Art. 264 a Abs. 1 und Art. 264 c Abs. 2 ZGB). Während die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft daneben durch eine formelle Bindung gekennzeichnet sind, definiert sich die faktische Lebensgemeinschaft einzig durch diesen gemeinsamen Haushalt. 4⁰ Für die Anwendung der Bestimmung kann bei Vorliegen einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft aber auch «nur» der gemeinsame Haushalt aufgehoben sein, während die Ehe oder eingetragene Partnerschaft weiterhin formell bestehen, weshalb auch die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts als eigenständige Voraussetzung in der Bestimmung genannt wird. Die Bestimmung wurde gegenüber dem Wortlaut in der Vernehmlassung zur besseren Klarheit leicht umformuliert.
Wie bei allen Erwachsenenadoptionen ist schliesslich weder die Zustimmung des rechtlichen Elternteils, der mit der adoptionswilligen Person einst zusammengelebt hat, noch diejenige eines allfällig zweiten Elternteils, zu dem ein Kindesverhältnis besteht, nötig (vgl. Art. 266 Abs. 2 ZGB).
³8 Vgl. zur Beurteilung des Pflegeverhältnisses auch BGer 5A_885/2023 vom 13. November 2024.
³9 Vgl. Ergebnisbericht, Ziff. 5.2.
4⁰ Vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Adoption), BBl 2015 877 , Ziff. 2. 2.1 und 2.3.3.5 .
Art. 267 Abs. 3 Ziff. 4
Handelt es sich um eine Stiefkindadoption, so soll das bisherige Kindesverhältnis zum anderen Elternteil wie auch im geltenden Recht nicht erlöschen (Art. 267 Abs. 2 ZGB). Da die Adoption des erwachsenen Stiefkindes nun auch möglich sein soll, wenn die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft des Paares aufgelöst wurde oder allgemein der gemeinsame Haushalt aufgehoben wurde, ist diese Bestimmung zu ergänzen. Auch diesfalls soll das Kindesverhältnis zum Elternteil mit der Adoption des volljährigen Kindes durch den Stiefelternteil nicht erlöschen.
Art. 267a Abs. 2bis
Sind der Elternteil und die adoptierende Person bei der Stiefkindadoption einer volljährigen Person nicht verheiratet oder leben sie nicht in eingetragener Partnerschaft, so geht der Verweis auf Artikel 270 a ZGB in Artikel 267 a Absatz 2 ZGB bzw. die dortige Anknüpfung an die elterliche Sorge für den Namen des Kindes ins Leere, weil die elterliche Sorge mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erlischt (vgl. Ziff. 3.1.3). Die Wirkungen der Stiefkindadoption einer volljährigen Person bezüglich des Namens müssen daher ausdrücklich geregelt werden.
Die Unterscheidung zwischen klassischer Stiefkindadoption respektive Stiefkindadoption im Allgemeinen (Art. 264 c E-ZGB) und erleichterter Stiefkindadoption spielt für die Anwendung der neuen Bestimmung zum Namen keine Rolle: Voraussetzung für deren Anwendung ist wie eingangs erwähnt, dass die adoptierende Person und der Elternteil nicht miteinander verheiratet sind bzw. nicht in einer eingetragenen Partnerschaft leben. Sind sie dagegen miteinander verheiratet oder leben in eingetragener Partnerschaft, bestimmt sich der Name der zu adoptierenden Person auch nach deren Volljährigkeit nach Artikel 270 ZGB. Nicht relevant ist ebenso, ob sich die adoptierende Person und der Elternteil einen gemeinsamen Haushalt teilen oder nicht, was mit der neu vorgesehenen Regelung in Artikel 266 Absatz 3 E-ZGB ebenfalls beides möglich ist.
Vorgeschlagen wird ein Wahlrecht der volljährigen zu adoptierenden Person. Demnach kann diese wählen, welchen Namen sie nach der Adoption tragen möchte. Zur Wahl stehen der Ledigname des bleibenden rechtlichen Elternteils oder der Ledigname der adoptierenden Person (vgl. zum Ledignamen Art. 24 Abs. 2 ZStV). Das Wahlrecht steht der volljährigen zu adoptierenden Person auch dann zu, wenn der Elternteil und der Stiefelternteil bereits gemeinsame Kinder haben. Das heisst, die volljährige zu adoptierende Person erhält mit der Erwachsenstiefkindadoption nicht automatisch den Namen ihrer Geschwister, wie das im Anwendungsbereich von Artikel 270 a ZGB und insbesondere bei der Stiefkindadoption von minderjährigen Personen der Fall ist. Die vorgeschlagene Regelung entspricht der bereits heute gelebten Praxis in verschiedenen Kantonen.
Möchte die zu adoptierende volljährige Person ihren «bisherigen Namen» behalten, der weder dem Ledignamen des bleibenden Elternteils noch demjenigen der adoptierenden Person entspricht, so kann ihr dies die zuständige Adoptionsbehörde bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen (Art. 267 a Abs. 3 ZGB). Mit dem «bisherigen Namen» ist der Name gemeint, den die zu adoptierende volljährige Person im Zeitpunkt der Adoption trägt. In der Regel wird es sich hierbei um den Namen des Elternteils handeln, zu dem das Kindesverhältnis mit der Stiefkindadoption erlischt. Es kann sich aber auch um einen Namen handeln, den die zu adoptierende volljährige Person durch eine frühere Namensänderung gemäss Artikel 30 ZGB erwirkt hat. Nicht unter den «bisherigen Namen» i. S. v. Artikel 267 a Absatz 3 ZGB fällt hingegen der Name, den die zu adoptierende volljährige Person durch Heirat erworben hat. Diesen behält sie auch nach der Adoption. Es ändert sich aber dennoch ihr Ledigname, was entsprechend im Personenstandsregister vermerkt wird (vgl. Art. 268 Abs. 5 ZGB). Das Vorliegen achtenswerter Gründe für die Bewilligung eines entsprechenden Gesuchs nach Absatz 3 wird dabei in aller Regel bejaht. Eine Namensänderung gemäss Artikel 30 Absatz 1 ZGB ist dabei nicht erforderlich.
Da das Gesuch im Adoptionsverfahren gestellt wird, entstehen in der Regel keine zusätzlichen Kosten. Die Namenswahl wird unabhängig davon getroffen, ob die zu adoptierende volljährige Person im Zeitpunkt der Adoption bereits den Namen des bleibenden rechtlichen Elternteils trägt und diesen weiterführen möchte oder ob sie den Namen ändert, weil sie fortan den Namen der adoptierenden Person tragen möchte. In allen Fällen, also sowohl bei der Wahl nach Artikel 267 a Absatz 2bis wie dem Gesuch nach Artikel 267 a Absatz 3, enthält der Adoptionsentscheid eine entsprechende Verfügung (vgl. Art. 268 Abs. 5 ZGB).

Schlusstitel Art. 12bbis (neu)

In einer neuen Übergangsbestimmung wird festgehalten, dass das neue Recht auf hängige Adoptionsverfahren Anwendung findet. Dies betrifft insbesondere die Situationen, in denen ein Gesuch unter altem Recht dennoch vor Ablauf des Pflegejahres eingereicht wurde. In diesen Fällen ist neu zu prüfen, ob eine erleichterte Stiefkindadoption ausgesprochen werden kann, ohne dass das Gesuch erneut eingereicht werden muss. Gleiches gilt auch für die Stiefkindadoption einer volljährigen Person, wenn der gemeinsame Haushalt, die Ehe, die eingetragene Partnerschaft oder die faktische Lebensgemeinschaft bei Einreichung des Gesuchs bereits aufgehoben wurde.

5 Auswirkungen

5.1 Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf den Bund.

5.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat folgende Auswirkungen auf die Kantone:
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Die Vorlage hat insofern Auswirkungen auf die Kantone, als mit der erleichterten Stiefkindadoption eine weitere Adoptionsform eingeführt wird. Da die erleichterte Stiefkindadoption in der Regel nicht zu einer umfangreichen Eignungsabklärung führt, wird der Aufwand geringer sein als mit dem bisherigen Verfahren. Zudem wird sich das Volumen der Anträge nicht vergrössern, sondern von der bisherigen Stiefkindadoption auf die neue Adoptionsform verschieben.
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Die Änderung in der Erwachsenenadoption, wonach bei Stiefkindadoptionen volljähriger Personen vom Bestehen eines gemeinsamen Haushalts, der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der faktischen Lebensgemeinschaft abgesehen werden kann, kann zu einer gewissen Zunahme von Gesuchen führen. Dies in den Fällen, bei denen die Stiefkindadoption bisher daran gescheitert ist, dass der gemeinsame Haushalt von Elternteil und Stiefelternteil vor Einreichen des Adoptionsgesuchs aufgelöst wurde. Die Zunahme sollte zahlenmässig jedoch nicht ins Gewicht fallen. Das Gleiche gilt für die Anpassungen beim Namen.

5.3 Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die erleichterte Stiefkindadoption wird eine positive Wirkung auf die Gesellschaft haben, indem Kinder, die im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mittels einer privaten Samenspende - wie im Übrigen auch mit einer (möglicherweise anonymen) Samenspende im Ausland oder weiteren im Ausland zulässigen fortpflanzungsmedizinischen Verfahren inklusive einer Leihmutterschaft - gezeugt wurden, innert kürzerer Zeit einen zweiten rechtlichen Elternteil erhalten und damit schneller rechtlich abgesichert werden.

6 Rechtliche Aspekte

6.1 Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) 4¹ , wonach die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts Sache des Bundes ist. Diese Zuständigkeit umfasst auch die Regelung von Kindesverhältnissen im Rahmen von Adoptionen.
4¹ SR 101

6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der Entwurf berührt die internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht direkt und widerspricht auch keinen internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Vielmehr kommt die Schweiz damit einer Anforderung des EGMR nach, der von der Schweiz verlangt, bei der Regelung der Begründung des Kindesverhältnisses zum Wunschelternteil eine schnelle rechtliche Absicherung des Kindes sicherzustellen. 4²
4² Vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) AFFAIRE D. B. ET AUTRES c. SUISSE, Nr. 58817/15 et 58252/15, Entscheid vom 22. November 2022, Ziff. 79.

6.3 Erlassform

Die Vorlage enthält rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Änderung des ZGB erfordert den Erlass eines Bundesgesetzes.

6.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Es werden keine neuen Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert.

6.5 Datenschutz

Der Datenschutz ist durch diese Vorlage nicht betroffen.
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Erleichterte Stiefkindadoption)
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